Dienstag, 30. März 2021
LOOT SHOOT WHISKY
Neue Minnys bei NSV: LOOT SHOOT WHISKY
Nach HAMSTERN & Co. 2020 setzt NSV die Angebote an preiswerten vernähten Spielideen fort. 2021 beschränkt sich der Spielkarten Verlag aus Fürth bei Nürnberg aber nicht mehr nur auf einen Autor, damals war es der noch völlig unbekannte Moritz Dressler, und auf ein Genre, das der Roll & Write-Spiele, neu sind nun Kartenspiele. Was vergleichbar bleibt, ist die Anzahl der Ideen, vier nämlich. Außerdem verzichtet NSV weiterhin auf eine Pappschachtel, die Ideen kommen wie gehabt in reiner Papierverpackung daher. Oben und unten vernäht, schält sich aus dem aufgerissenen Material ein Papiercover, eine Spielregel und unterschiedliche Materialien, diesmal liegen sogar Stifte bei.
Von Moritz Dressler stammt nur ein einziges Spiel, das für mich aber zu den reizvollsten der 21er-Serie gehört. Das Schnick-Schnack-Schnuck-Prinzip baut Dressler in eine duellartige Saloon-Auseinandersetzung um viele Nuggets, schlechten Whisky und die eine oder andere Patrone ein. Entsprechend legt der Autor gleich drei mögliche Gewinnbedingungen fest. Wer mit drei Zügen direkt hintereinander die Whiskyflasche leert, gewinnt. Das gilt aber auch für Spieler, die zuerst neun Goldnuggets sammeln können oder vier Treffer mit ihrem Colt erzielen.
Dafür besitzen die beiden Kontrahenten jeweils Aktionskarten, zwei für jeden Gewinnbereich, die jeweils verdeckt auf die ersten beiden Karten und dann auf die hinteren gespielt werden. Vier Saloonkarten liegen dafür anfangs offen aus, nur mit den Loot-Karten gewinnt man diese. Das können Nuggets, ein Extraschluck aus der Pulle und Extraschüsse aus dem Revolver sein. Wer das verhindern will, schießt am besten auf den Sammler. Der Treffer sitzt, wenn das Gegenüber nicht eine Whisky-Karte gespielt hat. Dann geht der Schütze leer aus und der Trinker bekommt seine Buddel.
Das Hin und Her in LOOT SHOOT WHISKY ist ein feines psychologisches Geplänkel zwischen den Duellanten, bei dem es am Ende meist knapp ausgeht, weil mindestens zwei, manchmal auch alle drei Bereiche in den entscheidenden Duellen zum Sieg führen können.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: LOOT SHOOT WHISKY
Autor: Moritz Dressler
Grafik/Design: Christian Opperer
Verlag: NSV
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2
Spielzeit: ca. 5-10 Minuten
Preis: ca. 4 Euro
Außerdem in der Reihe erschienen sind:
GO FOR GOLD, Steffen Bendorf, Kaddy Arendt
5 MINUTEN PUZZLE, Steffen Benndorf
BUNTE BLÄTTER, Jens Merkel, Jean-Claude Pellin
Spiel 19/2021
Montag, 29. März 2021
DELPHI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auf zum Orakel nach DELPHI
Heuer macht der Heidelberger Spielverlag mit kleinen, preiswerten Spielen auf sich aufmerksam. Da sind die ganz Kleinen für gerade einmal drei Euro von Frank Stark wie FLOTTER FALTER, außerdem die edel wirkenden schmalen Schachteln, in denen die Antike hochkocht, und Spiele wie THOR und DELPHI erschienen sind. Die kosten zwar gut doppelt so viel, besitzen aber auch mindestens doppelten Spielwert und sogar ein samtiges Inlett. Diese Spiele sind in Kooperation mit dem Nürnberger Spielkarten Verlag erschienen.
In DELPHI von Günter Burkhardt konkurrieren vier griechische Stadtstaaten um die Vormacht. Athen, Korinth, Theben und Sparta wollen jeweils die blühendste, erfolgreichste und von Göttern gesegnetste Polis sein. Auf prunkvollen Paraden präsentieren sie Krieger und Helden. Zur Verfügung stehen identische Kartensätze mit 24 Karten und einer Passe-Karte. Für die erste und die beiden folgenden Paraden stehen jeweils acht Spielkarten neben der Karte zum Passen zur Verfügung. Außerdem liegen neun namensgebende Orakelkarten verdeckt bereit.
Eine erste Kartenrunde wird verdeckt gespielt, danach ist immer der Spieler am Zug, dessen Parade im Augenblick die wenigste Zustimmung hat. Der Wert der Auslage orientiert sich stets an den Zahlenwerten der Krieger- und Heldenkarten (2-10) und den Modifikationen, die die Götter bringen. Generell gilt, doppelte Zahlenwerte, die bis zur Zahl 6 vorkommen können, werden multipliziert. Götterkarten wirken sich auf die eigene oder auch gegnerische Auslage aus. Da gibt es Götter wie Hera und Achilles, bei denen verschwinden bestimmte Kartenwerte. Zeus darf natürlich jede Karte angreifen. Noch stärker ist sein Bruder, der Meeresgott, der in den Fluten die Hälfte aller gegnerischen Werte ertränkt. Hephaistos segnet als Feuergott die Waffen, liegt er zwischen zwei Kriegern oder Helden werden deren Werte multipliziert. Der Gott des Krieges, Ares, quadriert sogar einen Kartenwert. Schließlich kann in ganz ausweglosen Situationen auch das Orakel von Delphi angerufen werden, das immerhin die Wahl zwischen zwei Karten lässt.
Die Rundenwertungen erfolgen stets nach Ausstieg aller Spieler. Wer zuerst raus ist und passt, weil er keine Karten mehr legen kann oder möchte, bekommt stets Minuspunkte. Die beiden Spieler, die am längsten dabei bleiben bekommen immer mehr Pluspunkte. Im Spiel zu viert geht der zweite, der aussteigt, leer aus. Nach der dritten Parade, die stets in drei Aufmärschen abläuft, ist Schluss. Der geschickteste Arrangeur seiner Karten macht seine Stadt zur schönsten Griechenlands.
In DEPLHI muss viel gerechnet werden und ein gutes Erinnerungsvermögen über schon ausgespielte Götter schadet auch nicht. Da sich bis zur dritten Parade die Belohnungswerte deutlich steigern, spielt das Kartenglück eine nicht unerhebliche Rolle. Wer entscheidende Götter und gute Kartenwerte zu früh erhält, dem helfen auch meist die Orakelkarten nicht mehr. Taktisch zu empfehlen ist, anfangs die geringeren Minuspunkte in Kauf zu nehmen, um viele Karten noch mit in die folgenden Paraden zu nehmen, denn das ist erlaubt. Entscheidend ist in jeder Runde, wer zuerst die Segel streicht und im Spiel zu viert, wer noch leer ausgehen wird. Am Ende der ersten Parade machen die Differenzen zwischen Erstausstieg und Plätzen in der Wertung allein schon sieben Punkte aus. Das steigert sich bei der letzten Parade auf elf Punkte. Die Differenzen zwischen ersten und zweiten Platz sind dagegen verschwindend gering, nur in der letzten Partie betragen sie vier Punkte.
Trotz Kartenglücks ergibt das Zusammenspiel von Götter- und Heldenkarten ein reizvolles Ganzes, das zudem Alexander Jung sehr attraktiv umgesetzt hat. Das Orakel von DELPHI hätte für meinen Geschmack allerdings eine zentralere Nutzung bekommen sollen. Die einmalige Anrufung bringt mir zu wenig unterstützende Hilfe des Orakels, zumal die zehn Karten oft nur geringe Effekte erzielen. Richtig bitter ist dabei nur die „Große Zäsur“, die sämtliche Kartenhände auf zwei Spielkarten reduziert. Wer mühsam viele Karten vom Mund abgespart hat, steht plötzlich fast mit leeren Händen dar und fühlt sich ganz schön vera…
Titel: DEPLHI
Autor: Günter Burkhardt
Grafik: Alexander Jung
Verlag: Heidelberger Spieleverlag, Nürnberger Spielkarten
Spieler: 3-4
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Alter: ab 10 Jahren
Preis: ca. 7,50 €
Spiel 17/2002 R56/2021
Die Rezension erschien 2002 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Realschullehrer Günter Burkhardt startete 1997 als 36jähriger zu Beginn gleich richtig durch. Er durfte sich nicht nur über MANITOU freuen, sondern hatte mit LANG LEBE DER KÖNIG und BÜRO CRAZY (beide FX Schmid) gleich zwei weitere Spiele in seinem Erstveröffentlichungsprogramm. BGG verzeichnet vorher noch Eigenpublikationen wie die QUASSELSTRIPPE (1994) und DAS LIEBLINGSSPIEL DES ADAM RIESE (1996).
MANITOU gefiel nicht nur den Juroren von Spiel des Jahres, es erreichte den fünften Platz beim Kartenspielpreis der Fairplay und den zehnten Platz beim Deutschen Spielepreis. Im Jahresrhythmus folgten mindestens zwei bis drei weitere Veröffentlichungen. Mit KUPFERKESSEL (Goldsieber) landete er 2002 erneut auf der Auswahlliste der Jury, gewann den österreichischen Titel Spiele Hit für Zwei und erreichte den achten Platz des Kartenspielpreises der Fairplay. Die Spiele MAORI (Hans im Glück, 2009) und POTATO MAN (Zoch, 2014) kamen auf die Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres.
Beim Kartenspielpreis der Fairplay war er noch erfolgreicher, sein VOLLTREFFER (Berliner Spielkarten) gelangte 2000 auf den vierten Platz und mit VOM KAP BIS KAIRO (Adlung Spiele) erreichte er 2002 den ersten Platz.
Sein bisher größter Erfolg im Team mit seiner Tochter Lena war 2018 die Auszeichnung mit dem Kinderspiel des Jahres für FUNKELSCHATZ.
Von seinem Lehrerberuf hat er sich schon vor einiger Zeit beurlauben lassen. Er arbeitet inzwischen hauptberuflich als Spieleautor, engagiert sich in seiner Heimat in der Nähe von Bad Ditzenbach im Sportverein und ist für Die Grünen im Gemeinderat.
Das Bild zeigt Günter Burkhardt 2004 in Göttingen.
Freitag, 19. März 2021
SPARITO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Unterhaltsame Tiersuche - SPARITO
Memo-Spiele gibt es wie Sand am Meer. Die Spreu vom Weizen zu trennen, ist dabei oft nicht einfach. Im letzten Jahr fiel es aber leicht, SPARITO zum Spitzenspiel dieses Genre zu küren. Gunter Baars hat das Spektrum der Erinnerungsspiele pfiffig erweitert und Selecta liefert ein Ambiente, das voll und ganz stimmig ist.
Zwei bis vier Spieler sitzen jeweils vor einem Holzspielplan mit einer lustigen Tiergesellschaft. Aus 16 Tierbildern werden drei verdeckt gezogen und die restlichen der Reihe nach aufgedeckt. Am Ende der Tiervorstellung gilt es herauszufinden, welche drei Tiere fehlen. Die Vermutungen werden auf dem Spielplan markiert, für jeden richtigen Tipp gibt es einen Punkt. Geschickt gelöst ist die Anzeige der Wertungspunkte über einen beweglichen, aber fest an einer Kordel sich befindenden Wertungsstein im oberen Teil der Spieltafel. Gespielt werden drei Runden, so dass gegen eine zweite oder dritte Partie nie etwas einzuwenden ist.
Einfache Spielregel, hervorragendes Spielmaterial, stimmige grafische Aufbereitung und eine tolle Spielidee machen SPARITO zu einem Spitzenspiel, das nicht nur Kindern viel Spaß bereitet, auch mitspielende Erwachsene haben ebenfalls ihre Freude an diesem Spiel, memorieren sogar ohne ihre Kinder.
Titel: SPARITO
Autor: Gunter Baars
Grafik: Barbara Kinzebach
Verlag: Selecta
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 23/2003 R55/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Gunter Baars, Jahrgang 1962, arbeitete viele Jahre als freiberuflicher Texter, Herausgeber und Drehbuchautor, unter anderem für MAD und Ottos Ottifanten.
Er ist schon seit über 30 Jahren Spieleautor. OTTO’S GROSSES OTTIFANTEN-Spiel war 1989 seine erste Spieleveröffentlichung. Inzwischen hat er ca. 80 Ideen veröffentlicht, das Spielen in der Schachtel gehört oft zu seinem Markenzeichen.
Zu ganz großen Preisen in Deutschland hat es noch nicht gereicht. Immerhin war er mit SPARITO (Selecta, 2003) , BUDDEL COMPANY (Ravensburger, 2005), DAS GROSSE TIER-RÄTSEL (Ravensburger, 2011) und KIPP, KIPP, AHOI! (Ravensburger, 2009) auf der Auswahlliste und den Empfehlungslisten der Jury Spiel des Jahres.
Mittwoch, 17. März 2021
RÜCKKEHR DER HELDEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
RÜCKKEHR DER HELDEN
Das Spiel von Lutz Stepponat, grafisch fantastisch von Tom Thiel und Hans-Georg Schneider umgesetzt, knüpft an gute alte Fantasy-Klassiker der 80er Jahre an. Eine Generation nach TALISMAN, das Robert Harris 1983 herausbrachte, gelingt es Pegasus einen würdigen deutschen Nachfolger zu präsentieren, der zumindest optisch und von der Qualität des Materials her das Games Workshop Spiel sogar um Längen schlägt.
Die Grundstruktur des Spiels ist klassisch: Heldenentwicklung bis zum entscheidenden Endduell nach knapp zwei Stunden, hier gegen den Namenlosen, der sein Unwesen als Schwarzer Ritter oder als Wesen aus der Tiefe von einem finsteren Turm aus treibt. Das dazu gehörige Ambiente ist von Stepponat fein austariert. Das fängt beim großen 16 teiligen Spielplan an, der mit seinen quadratischen Kärtchen immer wieder neu zusammen gepuzzelt werden kann. Die großen, stabilen Charakterkarten besitzen eine männliche und weibliche Seite. Die vier Helden des Grundspiels, Krieger, Magier, Elf oder Zwerg, starten mit unterschiedlichen Voraussetzungen. Sie unterscheiden sich charakterspezifisch, in der Anzahl ihrer Lebenspunkte, in ihrer materiellen Ausstattung mit Gold, in ihrer Bewegungsfähigkeit, in ihren magischen Fähigkeiten und in ihrer Kampfstärke beim Nah- und Fernkampf.
Eine mehrteilige Gesellenprüfung gilt es für alle abzulegen, die die Ehre der Familie wiederherstellen soll. Die Belohnung, ein Edelstein, ist notwendige Voraussetzung für das Schlussduell. Vor der Gesellenprüfung macht es Sinn, sich fortzubilden, Lehrlingsaufträge anzunehmen, die sich unter 32 anfangs versteckten Markern finden. Da gibt es die roten Wesen, deren Bekämpfung man sich nicht entziehen darf, grüne Kärtchen haben Begegnungen zur Folge, denen man sich stellen kann, aber nicht muss. Das gilt auch für die blauen Aufgabenkärtchen, von denen jeder Spieler maximal vier auf seinem Heldenbogen sammeln darf. Diese Anzahl ist auch nötig, da zur Lösung von Aufgaben passende Kärtchen gebraucht werden, die zum Teil erst im Laufe des Spiels auf das Spielbrett gelangen.
Das Kampfsystem ist einfach gehalten und ist, wie in den meisten Fantasyspielen, ein Würfelduell. Der duellierende ist aber stets der Held, der sich in der Auseinandersetzung für eine Kampfart entscheiden muss, die seinen Fähigkeiten entgegenkommt. Sein Kampfwert ist auf seiner Charakterkarte vorgegeben, er kann sich gegnerabhängig verringern. Ohne zusätzliche Erfahrungswerte muss der Held am Anfang versuchen mit zwei Würfeln nicht über diesen Wert zu würfeln. Im Laufe des Spiels lässt sich die Würfelanzahl durch Belohnungen in Form kleiner Holzwürfel steigern, so dass hohe Würfelzahlen aussortiert werden können. Das Überschreiten des Kampfwertes hat den Verlust eines Lebenspunktes zur Folge. Regenerationen sind im eigenen Hause, im Tempel, an der Quelle des Lebens und im weißen Dorf möglich, Heiltränke gibt es natürlich auch zu kaufen.
Für die Fortentwicklung der Charaktere wichtig sind die Begegnungen. Mit Hilfe der Lehrer für die drei Kampfarten erhält man gegen Bezahlung und hier misslungener Probe neue Holzwürfel. Auf dem großen oder kleinen Basar können lebensnotwendige magische Gegenstände erworben werden, die für den Schlusskampf oft von entscheidender Bedeutung sind.
Sobald ein Spieler sein Gesellenstück abgelegt und einen Edelstein zur Belohnung erhalten hat, kommt der Namenlose ins Spiel. Taucht er auf, besetzt er seinen Turm, behütet von vier Wächtern, begleitet von Unruhe stiftenden Dienern, die als zusätzliche Hindernisse auf den Gebietskarten verteilt werden. Die Anzahl der Diener orientiert sich an der Anzahl der noch nicht gelösten Aufgaben aller Helden im Spiel. Über einen Wächter gelingt der Zugang zum Turm, der dann zum entscheidenden Schlusskampf führt.
Die Kurzbeschreibung spiegelt die Vielfältigkeit der Abenteuerwelt, die Lutz Stepponat entwirft, nur zum Teil wieder. Er will seine Spieler in eine Abenteuergeschichte hineinziehen, die immer wieder neu und anders erzählt wird und das gelingt ihm. Erzählerisch, im Dialog mit den Helden des Spiels, ist auch die Spielregel aufgebaut. Das ist im ersten Zugang durchaus angenehm, für das Nachlesen aber weniger geeignet. Da helfen Kurzregel und Aufbauvorschläge für das Einstiegsspiel besser weiter. Sogar an eine Solovariante hat der Verlag gedacht, für die es einen eigenen Rundenzähler gibt. Regelunklarheiten lassen sich meist mit dem gesunden Menschenverstand klären, eine umfangreiche FAQ-Seite hilft inzwischen auch weiter. Kritisch zu sehen ist eigentlich nur die arg beschränkte Interaktion zwischen den Spielern. Weitgehend puzzelt jeder an seiner persönlichen Fortentwicklung, da hilft auch der Basar wenig, dessen Verkaufs- und Handelsmöglichkeiten stärker genutzt werden könnten. Auch die Ereignisse Magierduell, Turnier und der Wettstreit der Bogenschützen bringen kein echtes Gegeneinander, keinen echten Wettkampf ins Spiel.
Autor und Verlag kann trotzdem nur gratuliert werden. RÜCKKEHR DER HELDEN knüpft kongenial an TALISMAN & Co. an. Nicht nur das Ambiente ist stimmig, Stepponat entwickelt ein einfaches, recht schnell zugängliches Spielsystem, das Novizen und Meister der Fantasywelt begeistern kann. Die Spielqualität schlägt sich inzwischen im wirtschaftlichen Erfolg nieder. Die erste Auflage mit 5000 Exemplaren ist schon ausverkauft. Für die Spiel in Essen ist mit IM SCHATTEN DES DRACHEN ein eigenständiges Spiel für zwei Personen angekündigt, das ohne das Originalspiel gespielt werden kann. Gleichzeitig dient das Material aber als Erweiterung für die RÜCKKEHR DER HELDEN, das damit mit mehr als 4 Personen gespielt werden kann. Klasse Idee! So kann die übliche Bemerkung – „ohne das Grundspiel nicht spielbar“ - entfallen und trotzdem wird es sicherlich zu weiteren Käufern des Spiels führen. Es lohnt.
Titel: RÜCKKEHR DER HELDEN
Autor: Lutz Stepponat
Grafik: Tom Thiel, Hans-Georg Schneider
Verlag: Pegasus
Spieler: 1-4
Alter: ab 10
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Preis: 30 Euro (einfache Ausgabe mit Papphelden, es gibt auch edlere Zinnfigurenfassungen)
Spiel 20/2003 R52/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Mit RÜCKKEHR DER HELDEN startete Lutz Stepponat 2003 seine Autorenkarriere bei Pegasus, die er in den folgenden Jahren mit IM SCHATTEN DES DRACHEN, HELDEN IN DER UNTERWELT und der GRALSSUCHE fortsetzte. 2006 folgte das erfolgreiche Kartenspiel KABALE UND HIEBE bei Hans im Glück, das beim Kartenspielpreis der Fairplay auf den 4. Platz kam. Zur MIDGARD-Welt steuerte er im Eigenverlag Phantastische Spielwelten in dieser Zeit mehrere Spiele bei.
2018 hat er im Eigenverlag LuPri KABALE UND HIEBE neu aufgelegt und mit ZOCKENDE ZUAUBERER ein neues Spiel veröffentlicht.
2007 wurde Stepponat auf dem Autorentreffen in Göttingen für zwei Jahre zum 1. Vorsitzender der Spiele-Autoren-Zunft e. V. (SAZ) gewählt. Das Bild zeigt ihn bei der Leitung eines SAZ-Workshops 2007 in Göttingen.
Montag, 15. März 2021
TRILOS
Solo unterwegs
TRILOS ist ein aktuelles Knobelspiel von HCM Kinzel, das Gali Shimoni und Zvi Shalem entwickelt haben und das zuerst im israelischen Verlag Smart Zone veröffentlicht wurde, von dem auch Spiele wie ROLL ON! (HUCH!) stammen. Gali Shimoni ist Leiter der Mathematikabteilung des Israel Center for Excellence through Education in Jerusalem. Als Spieleautor bekannter ist Zvi Shalem, der 2011 SWISH erfunden hat und 2016 FRANTIC FLIP. TRILOS kann seine Nähe zu SWISH nicht verleugnen, schon damals ging es um durchsichtige Karten mit Ringen und Kreisen. Shalems Idee war vor zehn Jahren aber kompetitiv angelegt, weil man Folienkarten farbgleich ablegen musste. In TRILOS müssen wir überhaupt sehen, wie wir unsere durchsichtigen Plastikteile aufs Spielbrett oder besser unsere Ringbuchseiten bringen.
Der Aufbau von TRILOS entspricht dem klassischen Solospiel mit wachsendem Schwierigkeitsgrad. Weshalb es immer 60 Aufgaben sind, die sich in solchen Schachteln finden, kann ich gar nicht erklären. 50 würden eventuell auch ausreichen, 100 wären viel besser. Im Spiel sind fünf unterschiedlich geformte durchsichtige Plastikteile mit drei verschiedenfarbigen Zahnrädern. Abgebildet sind stets ein lilafarbenes, ein grünes und ein orangenes Zahnrad.
Die ersten Aufgaben sind ganz einfach zu lösen, da in ein vorgegebenes Farbraster, die Plastikteile passend eingebaut werden müssen. Bei den ganz leichten Aufgaben sind ganze Teile schon vorgegeben. Ab dem zweiten Level erfahren wir nur noch Ausgangspunkte, wohin die ersten Teile zu legen sind oder mit welchem Teil wir beginnen müssen. Ab Level 5 hat unser zu belegendes Feld teilweise alternative Farbvorgaben, das steigert sich später sogar zu drei Optionen. Schließlich müssen Lücken in unserer Zahnradwelt auftauchen. Zuerst sind es 16 statt 15 Felder, beim 9. Level haben wir sogar 18 Felder vor uns und müssen drei Lücken lassen. Aufgabe 60 gehört dann der Kreativabteilung. Da darf jeder seine eigene Aufgabe konstruieren.
Für die einfachen Aufgaben passt die Altersangabe ab sechs Jahren gut. Bis zum 4. Level sind das schöne Nebenbeschäftigungen vor oder nach dem Homeschooling. Die Aufgaben darüber bieten sich zu gemeinsamen Lösungsversuchen mit Papa, Mama oder Geschwistern an. Wer solche Denkaufgaben mag, ist mit dem Legepuzzle TRILOS gut bedient. Das Ringbuch besitzt sehr stabile Pappseiten, auch die Legeteile sind handlich und aus dickem Plastikmaterial. Da die Teile oft gewendet eingebaut werden, hätte ich mir nur gewünscht, dass die Zahnräder nicht nur einseitig aufgedruckt wären, auch eine identische Höhe aller Plastikteile wäre schon schön. Das ist aber Meckern auf hohem Niveau, da mir sonst alles gut an TRILOS gefällt.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: TRILOS
Autoren: Gali Shimoni und Zvi Shalem
Grafik: o.A.
Verlag: HCM Kinzel
Spieler: 1
Alter: ab 6
Spieldauer: ca. 2 bis 30 Minuten
Preis: 22 Euro
Spiel 14/2021
Samstag, 13. März 2021
INSTACRIME FALL#1: MUNFORD
Holger Bösch hat es nun schon vor fast 20 Jahren textlich vorgeführt, die massive Reduzierung in morbiden Geschichten, deren Hintergrund es zu entschlüsseln gilt. Der Vorteil seiner BLACK STORIES, die Ratenden dürfen Fragen dazu stellen, die mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden.
Der spanische Autor Francisco Gallego Arredondo bietet nun eine ähnliche Reduktion für einen Kriminalfall mit Bildern an. Das er so etwas kann, hat er schon in vielen SHERLOCK-Fällen im Team mit Martí Lucas Feliu und Josep Izquierdo Sanchez bewiesen, dort reduzieren die Autoren einen Fall auf Skatblatt-Menge. Nun liegen ausschließlich zwölf Fotografien vor, wertige Bildpostkarten, die zur gemeinsamen Lösung des Falles beitragen sollen.
Wie schon bei den SHERLOCK-Fällen geht es kooperativ an die Lösung. Jeder bekommt ein Bild, das er nur beschreiben, aber nicht weiterreichen darf. Die Bildbeschreibung muss möglichst genau erfolgen. Das Team kann Nachfragen stellen, um letztlich alle Bilder in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen. Wir wissen nur, dass es sich um insgesamt fünf Szenen handelt, wobei sich bestimmte Orte zeitverschoben wiederholen.
Ähnlich wie in den BLACK STORIES geht es in der Bilderkette reichlich spekulativ zu. Das Problem sind die fehlenden Antworten, die sich das Rateteam nur selbst geben kann. Trotzdem sieht das Konzept von Arredondo eine Auflösung vor, die die Szenen und ihre wesentlichen Begebenheiten zusammenfasst. Wenn die Gruppe die wichtigsten Folgerungen aus den jeweiligen Bildern zieht, die in einem Begleittext hervorgehoben sind, gibt es Punkte für jede korrekt gedeutete Szene.
Das Konzept reizt mich ähnlich wie die SHERLOCK-Fälle. Auch hier geht es um die Entscheidung, was ist wichtig, was kann unter den Tisch fallen. Im Gegensatz zu Karten, die entsorgt werden, kann man in dem INSTACRIME FALL später immer noch nachlegen. Im Spiel zu zweit lassen sich die Zusammenhänge der Bilder recht gut rekonstruieren. Mit mehr als drei Spielern, wenn jeder zu viert nur auf drei Bilder Zugriff hat oder zu sechst gar nur auf zwei, stelle ich mir das viel schwerer vor. Das gegenseitige Beschreiben gehört aber ganz wesentlich zum Spielkonzept, sodass der Fall ausdrücklich auch nicht als Solo-Spiel ausgewiesen ist.
Am Ende haben wir zumindest in dem ersten Fall deutlich mehr spekuliert und Ideen entwickelt als die Geschichte in Wirklichkeit wollte. Ob das im Rahmen der Vorgaben richtig war, ist am Ende immer noch interpretierbar. Wir haben uns vier von fünf Punkten gegeben, hätten aber auch strenger sein können. Der Ansatz mit echten Fotos, obwohl sie sehr gestellt wirken, gefällt mir gut, die zu lösenden Geschichten lassen sich sicherlich noch steigern. Ich spiele jedenfalls den nächsten Fall, der im CASINO spielen soll, gerne wieder mit.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: INSTACRIME FALL#1: MUNFORD
Autor: Francisco Gallego Arredondo
Grafik: Àngel Guzmán
Verlag: Abacus
Spieler: 2-6
Alter: ab 12
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: 17 Euro
Spiel 13/2021
Donnerstag, 11. März 2021
MANIKI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MANIKI
Lichterglanz in der Manege, Trommelwirbel, Spot auf den Dompteur - Schweiß perlt auf seiner Stirn, der große Zampano der Tierdressur schwingt seine Peitsche zu einer Weltpremiere, einer Tierpyramide mit Elefant, Löwe und Eisbär – Allez hopp! Atemberaubend, was da zu sehen ist, nicht nur der Elefant trägt Löwe und Bär, auch der Eisbär scheint Bärenkräfte entwickeln zu können und schultert locker den Löwen und wenig später sogar den Elefanten.
Sie glauben das nicht? Nun ja, mit herkömmlichen Kommandos à la „allez hopp!“ hätte das auch nie geklappt. Unser Tierbändiger beherrscht eine ganz eigenartige zweisilbige Sprache, die aber recht gut bei den Tieren anzukommen scheint. Sie zu erlernen ist gar nicht so schwer, da sie nur aus fünf Kommandos besteht. Das können Sie auch. Stellen Sie sich folgende Manegensituation vor. Wir haben zwei Podeste, ein rotes links und ein blaues rechts vom Dompteur aus gesehen. Auf dem roten Podest schultert der Elefant gerade den Eisbären, auf dem blauen Podest steht noch ganz alleine der Löwe. Auf den Befehl „MA“ hin wechseln Elefant und Eisbär ihre Position. Der Ruf „KI“ bringt den Löwen vom blauen Podest oben auf die Pyramide des roten Podests. Bei „LO“ verschwindet er wieder auf seinen alten Platz, ein nochmaliges „LO“ würde den Löwen mit dem Elefanten belasten. Damit es nicht so schwer für den Löwen wird, wäre jetzt ein „SO“ hilfreich, denn sofort tauschen die beiden Tiere auf dem blauen Podest ihre Position. Zu einem totalen Austausch führt das „NI“, bei dem jeweils die obersten Tiere der beiden Podeste ihre Positionen tauschen, in unserem Beispiel also Bär und Löwe. Und schon wieder ist der Löwe alleine, diesmal allerdings auf dem roten Podest.
Einfach, nicht wahr? Oder? Beim Ausprobieren werden Sie merken, MANIKI, das Reaktionsspiel von Jumbo hat es in sich. Spielbar angeblich für 2 bis 10 Spieler, sinnvoll sind maximal 4, da alle Platz vor den wunderschönen großen Holztieren benötigen. Und nun: Auf die Plätze – fertig – los! Vor den Spielern liegt eine Karte, die meist ganz und gar nicht der Tierkonstellation auf den beiden Podesten entspricht. Wer nun am schnellsten die passenden Befehle rufen kann, die auch zum richtigen Ergebnis führen, erhält die Karte, die in der Endabrechnung als Siegpunkt zählt. Oft gibt es mehrere Wege zum Ziel, die Länge der Befehlskette ist letztlich egal. Was zählt, ist Geschwindigkeit und die bekommt man nur mit einem guten Vorstellungsvermögen hin.
MANIKI begeistert auch notorische Nichtspieler. Es ist ruckzuck erklärt, zügig gespielt, zudem besitzt es enorm aufforderndes Spielmaterial. Der einzige Nachteil, der den meisten Reaktionsspielen, die auf Schnelligkeit setzen, anhaftet: Meist schälen sich sehr schnell ein oder zwei Cracks heraus, die einfach immer schneller sind als die anderen. Sind solche dominierenden Spieler auch in Ihrer Spielrunde, arbeiten Sie mit Handicap, die dürfen zum Beispiel den Wechselbefehl „NI“ nicht mehr benutzen. Und mit ein bisschen Training – auch Gerd Simoneit hat lange mit seinen Raubtieren geübt – sind sie sicher bald ebenso gut und haben ganz en passant wunderbares Gehirnjogging betrieben.
Wieland Herold
Titel: MANIKI
Autor: Dominique Ehrhard
Grafik: François Bruel
Verlag: Jumbo
Spieler: 2-10 (besser 2-4)
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 17/2003 R49/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
MANIKI gehörte zu den Tric Trac-Awards 2002, hat danach aber leider keine Preise mehr einfahren können. 2014 hat GameWorks unter dem Titel CRAZY CIRCUS das Spiel neu aufgelegt.
Der 63jährige Dominique Ehrhard ist Spiele- und Buchautor. Er lebt in Orléans. Zu seinen bekanntesten Veröffentlichungen gehört CONDOTTIERE, das 1995 nicht nur auf der Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres landete. Im gleichen Jahr gewann es auch den französischen Spielepreis Super As d’Or. Außerdem reichte es zum 10. Platz beim À la carte Kartenspielpreis der Fairplay.
Ähnlich erfolgreich war er 2008 mit SULEIKA, das zum Spiel des Jahres nominiert war, den As d‘Or gewann und zusätzlich noch den Hauptpreis Spiel der Spiele in Österreich.
Mittwoch, 10. März 2021
LUDOVIEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
LUDOVIEL
Vor 25 Jahren machte sich ein Autor mit einem Haufen Würfel auf, um ein „Spiel der Spiele“ anzubieten. Wittigs Würfelpyramide DAS SPIEL hat mit und ohne sein Zutun Spieleerfinder in ganz Deutschland zu weit über 60 unterschiedlichen Spielideen angeregt. So wie der Göttinger Spieleautor einst sagte: „Hier habt ihr knapp 300 Würfel, macht was daraus“, so ähnlich geht es uns seit Essen mit einer Materialsammlung aus Drübberholz. 120 Spielkarten in einer Röhre bieten den Spielverrückten, Würfelfetischisten, Kartengeilen, Ludophilen und Ludopathen die fantastischen Fünf um Friedemann Friese an, die da sind: der grüne Meister selbst und die Berliner Autorencrew Andrea Meyer, Martina Hellmich, Thorsten Gimmler und Hartmut Kommerell.
Die fünf Autoren lassen sich natürlich nicht lumpen, immerhin acht Regeln rund ums Spiel steuern sie ihrer ersten Ausgabe bei. Darunter allerdings auch Aprilscherze wie das LUDOSOLO: „Nimm 119 Spiele aus deinem Spielregal und ordne jedem genau eine Karte zu. Viel Spaß beim Wiedereinräumen!“
Auf den Karten gibt es Hinweise zu Spielarten, Spielmaterialien, Spieltiteln, Spielthemen, Spielverlagen, Spielautoren usw. Daraus lässt sich einiges machen. Zum Aufwärmen ein Ablegespiel wie LUDINGO zum Beispiel. Jeder der drei bis sechs Spieler bekommt sieben Karten. Der Startspieler nennt ein Spiel, das möglichst zu einer seiner Karten passt. Wer von den anderen Spielern meint, eine passende Kartenbeschreibung zu besitzen, klopft auf den Spieltisch. Trifft seine Spielkarte auch nach Meinung der Mitspieler auf das genannte Spiel zu, darf er sie ablegen. Trifft sie nicht zu, erhält er eine Strafkarte. Falls niemand klopfen sollte, ist derjenige am Zug, der den Spieltitel genannt hat. Gespielt wird solange, bis einer nur noch eine Karte auf der Hand hat.
Anspruchsvoller ist da schon LUDOSTYLE, bei dem es nicht nur um einen Spieltitel geht, sondern auch um den passenden Autor, den Verlag und ein spezifisches Spielutensil. Wer noch mehr zulegen möchte, ist mit LUDO MIO gut bedient. In diesem an Rosenbergs MAMMA MIA angelehnten Spiel (die Spielpaten werden bei allen Spielen brav genannt), legen die Spieler der Reihe nach Karten auf einen Stapel und lesen dabei die jeweilige Karteneigenschaft laut vor. Wer an der Reihe ist und meint, in dem Stapel seien fünf Karten, deren Beschreibungen auf ein Spiel zutreffen könnten, legt keine weitere Karte ab, sondern nennt das Spiel. Liegt der Spieler mit seiner Vermutung richtig, erhält er für die fünf passenden Karten eine Bonuskarte. Sollten noch zusätzliche Karten im Stapel sein, die zu dem genannten Spiel passen, gibt es diese jeweils als Extrapunkte. Falls weniger als fünf Karten im Stapel sind, erhalten die Mitspieler eine Karte. Gespielt wird auf 18 Punkte.
Ein Beispiel gefällig; im Stapel sind die Karten:
1. Da muss man sich etwas merken.
2. Der Plan ist nicht aus Pappe.
3. Es ist in den letzten zwei Jahren veröffentlicht worden.
4. Da wird mindestens ein Stift benötigt.
5. Es ist in einer quadratischen Schachtel verpackt.
6. Es gibt mindestens einen Würfel.
7. Es dauert weniger als 30 Minuten.
Wahrscheinlich fallen Ihnen beim Lesen jetzt eine ganze Reihe von Spielen ein, denken Sie aber daran, dass während des Spielens, die Karten nur vorgelesen und wieder abgedeckt werden. Wie ist es mit ALLE MEINE SCHWEINCHEN oder mit der wunderschönen GEISTERTREPPE von Michelle Schanen?
Das Beispiel macht deutlich, LUDOVIEL ist eigentlich nur etwas für Spielefreaks. Die Autoren gaukeln uns auch nichts anderes vor. Wer 20 oder 30 Spiele im Keller vermodern lässt, wird kaum mitreden können. Auch die, die 50 oder 100 Spiele kennen oder besitzen, werden mit echten Ludophilen nicht mithalten können. Solche Spieler steigen schnell gefrustet aus.
Das Tolle an dem Spiel sind in Insiderrunden die Gespräche, die Diskussionen und die angeregten Erinnerungen, die zum Herauskramen alter Schätze führen. Für LUDOVIEL gibt es eine eigene Internetseite (www.ludoviel.de), auf der weitere Spielideen veröffentlicht werden. Der Bestand bewegt sich inzwischen im knapp zweistelligen Bereich. Die Dimensionen von Wittigs Spielideenlawine sind noch nicht erreicht und werden wohl auch nicht erreicht werden. Für Spielesammler und andere nach Spielen verrückte Mitmenschen ist die „außergewöhnliche Spielesammlung“, wie das Autorenteam selbst ihre Spieleröhre beschreibt, aber ein Muss!
Wieland Herold
Titel: LUDOVIEL
Veröffentlichung: Drübberholz e.V. – Spielezentrum Niedersachsen
Autor: Friese, Gimmler, Hellmich, Kommerell, Meyer
Spieler: 1 bis 8
Alter: ab 10 Jahren
Preis: 14 Euro
Spiel 16/2003 R48/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Herausgeber:
Im Tagungshaus Drübberholz im niedersächsischen Dörverden trafen sich regelmäßig Autoren im Umkreis Friedemann Frieses. 1983 wurde das Tagungshaus von einem gemeinnützigen Verein gegründet, inzwischen ist es Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband und bezeichnet sich selbst als Spielezentrum Niedersachsen. Es bietet mehrmals im Jahr Spielewochenenden, an denen die rund 8000 Spiele ausprobiert werden können.
Neben LUDOVIEL hat Wolfgang Panning, der auch dem Umfeld angehörte, das Stichspiel DÖRBERN für Drübberholz e.V. 1998 veröffentlicht.
Das Bild zeigt das Autorenteam 2003. Das Tagungshaus hat dankenswerter Weise den Abdruck erlaubt.
Montag, 8. März 2021
KAKERLAKENPOKER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spaß mit Wanzen – KAKERLAKENPOKER
Seit einigen Monaten bevölkern Wanzen, Spinnen, Kakerlaken, Ratten und Skorpione unser Wohnzimmer und, Sie werden es nicht glauben, ich kann von diesem Getier gar nicht mehr lassen. Grund für diese doch etwas abartige Vorliebe für Igitt-Igitt-Lebewesen ist ein kleines quadratisches Kartenbluffspiel aus dem Drei Magier Verlag. Jaques Zeimet hat sich KAKERLAKENPOKER ausgedacht. 64 Karten (8 mal 8 nette Tierchen – und alle von Rolf Vogt liebreizend verschieden gezeichnet) bringen das Spielvergnügen, in das man aber erst einmal gründlich einführen muss, denn der sich hier abspielende Tierbluff ist für ungeübte Spieler etwas gewöhnungsbedürftig.
Die Karten werden gleichmäßig unter den Spielern verteilt, auf die Hand genommen und dort sollten sie dann möglichst lange bleiben. Alle Karten, die im Laufe des Spiels offen vor einem Spieler ausgelegt werden, stellen eine Gefährdung dar. Sobald dort vier Tiere einer Art ausliegen, sozusagen ein offenes Quartett, endet das Spiel. Es gibt nur einen Verlierer, aber viele Gewinner. Sie stutzen? Ist das überhaupt möglich, wenn vier, fünf oder sechs Spieler an der Pokerrunde teilnehmen, da doch nur acht Tiere einer Tiersorte im Spiel sind? Meistens ist es möglich, immer allerdings nicht. Deshalb verliert auch der Spieler, der als erster keine Karten mehr zum Mitspielen zur Verfügung hat. Dank dieser Regelung lässt sich im Übrigen nicht nur ein Verlierer, sondern auch nur ein Gewinner ausspielen, sofern die Runde das möchte.
Das Pokern selbst ist zwar einfach, trotzdem tauchen bei Spielanfängern immer wieder Fragen auf. Schauen wir uns dazu eine Spielsituation an.
Abel schiebt Babette verdeckt eine Karte zu: „Liebe Babette, was hältst du von einer wunderbaren grünen Stinkwanze?“ Babette hat nun mehrere Optionen. Sie kann die Karte aufnehmen, sich anschauen, ob es wirklich eine Stinkwanze ist, muss sie dann aber weiter schieben, damit ist Abel das Risiko los, dass die Karte offen vor ihm landet. Das möchte Babette nicht, deshalb betrachtet sie sich die Tiere, die Abel schon eingefangen hat: Eine Kröte, zwei Ratten, eine Stinkwanze und eine Fledermaus. ‚Ist es wirklich eine Stinkwanze, die mir Abel da zugeschoben hat? Er würde damit das Risiko eingehen, dass zwei bei ihm ausliegen. Andererseits habe ich auch schon eine vor mir, und ich habe zwei Kakerlaken. Vermutlich will er mir eine Kakerlake unterjubeln.’ – „Lieber Abel, das glaube ich dir nicht, diese Karte ist keine Stinkwanze!“
Nun muss aufgedeckt werden. Trifft der Herausgeforderte eine richtige Aussage, landet die Karte offen beim Herausforderer und er ist sofort wieder an der Reihe. Stimmt die Aussage nicht, bekommt der Herausgeforderte die Karte offen in seine Auslage und er muss weiter spielen. Abel hatte natürlich Babette eine Kakerlake unterjubeln wollen und sich nun selbst die sechste Tierkarte eingefangen. Beliebt ist dann oft die Fortsetzung: „Babette, jetzt musst du es mir aber glauben, das ist nun wirklich eine Stinkwanze!“
Das Grübeln für Babette können Sie ja nun übernehmen, Sie sind doch schon mittendrin im Spiel. KAKERLAKENPOKER darf man sich nicht entgehen lassen, Sie können es auch mit mehr als sechs Spielern ausprobieren. Ein Partyspiel, ein Kneipenspiel, ein Appetitmacher und ein Absacker. KAKERLAKENPOKER zieht alle – Spieler und Nichtspieler – in seinen Bann – ein Spitzenspiel!
Wieland Herold
Titel: KAKERLAKENPOKER
Autor: Jacques Zeimet
Grafik: Rolf Arvi Vogt
Verlag: Drei Magier Spiele
Spieler: 2-6
Alter: ab 8
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: 10 Euro
Spiel 11/2004 R47/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Jacques Zeimet kommt aus Luxemburg und erfindet schon seit gut 25 Jahren Spiele. In der ersten Zeit waren es überwiegend große Geschicklichkeitsspiele wie BAMBOLEO und die HAMSTERROLLE, später entwickelte er ein Gespür für schnelle Karten- und Denkspiele.
Auf der Empfehlungsliste zum Spiel des Jahres sind vor allem seine Kartenspiele gelandet, so KAKERLAKENPOKER 2004, KAKERLAKENSALAT 2008, GEISTESBLITZ 2011, DIE FIESEN 7 2016 und DODELIDO 2017.
KAKERLAKENPOKER landete nicht nur auf der Empfehlungsliste der Jury, sondern auch auf dem 3. Platz beim À la carte Kartenspielpreis der Fairplay.
Den ganz großen Erfolg durfte er seiner Gattin, Michelle Schanen, gönnen, die 2004 mit der GEISTERTREPPE das Kinderspiel des Jahres gewann.
Das Bild zeigt den Autor 2008 auf dem Autorentreffen in Göttingen im Gespräch mit Redakteurinnen von Schmidt Spiele.
HASHI
Eigentlich heißen sie „Hashiwokakero“, die Nachfolgerätsel von SUDOKU, KAKURO & Co. Im Gegensatz zu SUDOKUS sind die HASHIS echte japanische Erfindungen. HASHI bedeutet Brücke, KAKERO kann mit „bauen“ übersetzt werden, das „wo“ verbindet beide Worte, wie die Brücken Zahlen verbinden sollen. Es ist eine recht junge Rätselform, die erstmals 1990 in der japanischen Zeitschrift Nikoli auftauchte.
Gespielt wird der Brückenbau auf einem quadratischen Gitterraster häufig im Format 7x7. Einige Gitterfelder besitzen Zahlen, die durch Brückenbau erfüllt werden müssen. Dafür dürfen sie mit einfachen oder doppelten Linien vernetzt werden, wobei die Linien sich nicht kreuzen dürfen. Zu einem Feld mit einer „5“ können so zwei doppelte und eine einfache Brücke geführt werden.
Geht es in den klassischen HASHIS darum, das Logik-Puzzle als Ganzes zu lösen, nutzt Jeffrey D. Allers die Ausgangsidee zu einem Flip & Write-Spiel. Die abstrakte Zahlenlandschaft versetzt er in ein Inselarchipel, sodass der Brückenbau leibhaftig stattfindet. Die Vorgaben setzen die Spieler nun aber individuell in ein 6x6-Raster um und versuchen diese bestmöglich zu erfüllen. Den 18 Inseln sind 18 Karten zugeordnet, die Vorgaben über die einzutragende Zahl machen und die Optionen für den Brückenbau aufzeigen. Die Bandbreite bewegt sich bei den Zahlen zwischen 1 und 6 und zwischen 1 und 3 Brücken dürfen jeweils gebaut werden.
Damit nicht alle ähnlich agieren, wird eine Karte aus dem Spiel genommen und die Spieler tragen dafür auf die abwischbaren Inselpläne für ein Eiland die Zahl 3 oder 4 ein. Dieser Spielplan wandert dann an den linken Nachbarn und danach werden die restlichen 17 Karten abgearbeitet.
Zuerst muss stets die Zahl in eine (fast) beliebige Insel eingetragen werden. Eine Ausnahme machen Inseln mit roten und blauen Fahnen, für die Allers ein kleines Wettrennen ins Spiel integriert hat. Diese Fahneninseln bekommen erst Zahlen, wenn sie mit Brücken angeschlossen sind. Unabhängig von der Insel, in die die Zahl geschrieben wurde, dürfen die Brücken gezeichnet werden. Allerdings dürfen sie nur von Inseln ausgehen, in denen auch schon eine Zahl steht. Prinzipiell gelten hierbei die HASHIWOKAKERO-Regeln. Kreuzungen darf es nicht geben, es dürfen nur maximal zwei Brücken nebeneinander gebaut werden und es dürfen nie mehr Brücken sein, als die Inselzahl zulässt.
Wer nach diesen Bedingungen zuerst alle drei Inseln mit blauer Fahne verbindet, bekommt sieben Bonuspunkte, alle die das später erreichen, erhalten vier Punkte weniger. Für die vier roten Inseln gibt es sogar neun Punkte mit identischer Reduktion für nachfolgende Spieler. Voraussetzung für den Erhalt der Punkte ist allerdings nicht nur der Anschluss dieser Inseln in einer Brückenkette, sondern dass die Zahlenvorgaben dieser Inseln schon erfüllt sind. Damit das optisch deutlich wird, werden diese Inseln eingekreist. Schließlich gibt es noch acht Punkte für die erste fertige Kette von sechs Inseln ohne unfertige Inseln dazwischen.
Wenn die 17. Karte aufgedeckt und eingetragen ist, gibt es abschließend für jede fertige Insel noch zwei Punkte, im Idealfall also 36 Punkte, was der klassischen Lösung eines HASHIWOKAKEROs entsprechen würde.
In einer Solo-Variante werden die 17 Karten in drei Zugstapeln abgearbeitet. Wobei der erste noch sieben Karten enthält, die beiden folgenden nur noch je fünf. Diese Zugstapel stellen den Zeitfaktor beim Erreichen der Boni dar. So gibt es die volle Punktzahl, wenn die blauen Inseln innerhalb des ersten Zugstapels erreicht und erfüllt werden, die beiden anderen Aufgaben müssen bis zur 12. Karte erfüllt sein, sonst gibt es später nur die geringere Punktzahl.
Autor und Redakteur, natürlich Reinhard Staupe, halten sich zwar nah am japanischen Original, schaffen aber mit Hilfe der unkalkulierbaren Reihenfolge beim Auftauchen der Karten und den spannenden Punktewettlauf um blaue und rote Inseln ein originäres Spiel. Die Insel-Tafeln zeigen in einer Übersicht, welche Karten alle im Spiel sind. Trotzdem bleibt das Problem, das eine Karte fehlt.
Die Lernkurve bei HASHI ist steil. Hängt man anfangs wegen der Kreuzungsproblematik noch Inseln ab und verpasst damit entscheidende Wertungspunkte bei den Fahneninseln, bekommt man mit der Zeit immer mehr Routine, was durchaus auch zu Redundanzen führt. Etwas beugen Autor und Redakteur diesem Problem vor, indem die Rückseite des Plans eine etwas anspruchsvollere Inselanordnung zeigt. Insgesamt hätte ich mir hier eine noch größere Varianz gewünscht. Trotzdem stelle ich mich gerne morgen wieder der Herausforderung gegen Gegner oder auch solo gegen meine bisherige Bestmarke .
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: HASHI
Autor: Jeffrey D. Allers
Grafik: Oliver & Sandra Freudenreich
Verlag: NSV
Spieler: 1-4
Alter: ab 8
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: 17 Euro
Spiel 12/2021
Samstag, 6. März 2021
HALLERTAU
HALLERTAU
Zwischen Ingolstadt und Landshut erstrecken sich auf einer Fläche von 2400 Quadratkilometern große Monokulturen, die Garant für das Gelingen eines Getränks sind, das viele Deutschen mögen. Humulus Lupulus heißt die im Hallertau-Gebiet angebaute Hanfpflanze, der beruhigende Wirkung zugeschrieben wird. Schon Hildegard von Bingen war im 11. Jahrhundert begeistert von den weiblichen Pflanzblüten, sie würden als Tee zubereitet bei nervöser Unruhe, bei Magenbeschwerden und auch bei Schlafproblemen helfen. Ich gehe davon aus, dass für solche Zwecke heute kaum noch etwas von den Ernteergebnissen abgezweigt wird. 95 Prozent der Fruchtstände werden zu Pellets verarbeitet und verleihen dem Bier sein ausgeprägtes Aroma und die spezielle Bitterkeit.
Der Hopfenanbau ist in der Region schon seit 1200 Jahren bekannt, daneben spielt eigentlich nur noch Spargel in der Gegend von Schrobenhausen eine zentrale Rolle. Uwe Rosenberg führt uns auf seiner Wanderschaft der agrarischen Entwicklungsspiele in diese Kulturlandschaft. Wir bewegen uns in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als zwar die Industrialisierung schon spürbar war, aber in der Hallertau Ackerbau und Viehzucht im Hauptfokus der dort lebenden Menschen stand. Nur kleine Manufakturen dienten der Weiterverarbeitung von Flachs, Wolle und Fellen. Und natürlich gab es Brauereien, die Gerste und Hopfen nach dem deutschen Reinheitsgebot verarbeiteten.
HALLERTAU erweist sich in diesem Genre als erstaunlich leicht zugängliches Spielkonstrukt Rosenbergs, für das er wieder auf den Worker-Placement-Mechanismus zurückgreift. 20 Felder eines Aktionsplans warten auf Arbeitereinsatz. Wer zuerst da ist, schließt andere nicht von der Nutzung der Felder aus, für die wird es nur teurer, sodass theoretisch fast jedes Feld dreimal genutzt werden kann. Die Aktionsfelder sorgen dafür, dass prioritär der Ackerbau vorangetrieben wird, dass Saatgut da ist und Ernteerträge lukrativ ausfallen. Das regelt Rosenberg über einen Ackerplan. Neben den Ackerprodukten reduziert der Autor die Tierhaltung ganz auf Schafzucht, der auch viele Aktionsfelder gewidmet sind. Dienen die wolligen Tiere doch wie Kühe der Milchproduktion und zur Not fallen auch Fleisch und Wolle ab. Wer es verpasst, genügend Lehm für die Ziegelfertigung zu haben, wird Probleme bekommen, darauf weist die Regel aber extra hin.
Der ganze Produktionsbereich dient wie meist in solchen Spielen der Generierung von Siegpunkten. Dazu kann man auch über die Arbeiter Siegpunkt- und Bonuskarten erwerben, aber vor allem auf Wanderschaft gehen. Dabei sind es keine Gesellen, die in der Gegend herumziehen, sondern – reichlich an den Haaren herbeigezogen – Häuser, die über die Landschaft wandern. Der Ertrag der sechs Spielrunden wird mit steigender Anforderung zum Rundenende stets eingesetzt, um das Dorfgemeinschaftshaus vor jedem Spieler nach rechts zu verschieben. Das bringt einerseits weitere Arbeiter, aber vor allem Siegpunkte. Wer es nicht schafft, dass am Ende möglichst das Maximum mit 70 Siegpunkten im Hausfenster auftaucht, hat kaum Chancen auf den Spielsieg. Es ist zwar nicht einfach, aber bei guter Ernteproduktion und entsprechender Tierhaltung zumindest in den Zweierpartien regelmäßig möglich. Obwohl der Autor den Spielern zusätzliche Erschwernisse in Form von großen Findlingen in den Weg legt. Auch das ist thematisch ziemlich abstrus, wobei wir mit Hammer und Zange die Steine beiseiteschieben.
Dieses Grundgerüst variiert Uwe Rosenberg durch verschiedene Kartendecks, die zu unterschiedlichen Spielschwerpunkten führen. Punktekarten und Bonuskarten bleiben zwar stets identisch, aber für das Einstiegsdeck von 30 Karten und für die 35 Hofkarten bietet der Autor jeweils vier Varianten an. So kann man sich vom Anfänger- über Kenner – und Experten- zum Profi-Deck vorarbeiten. Wobei vor allem die Bedingungen für die Erfüllung bestimmter Karten immer anspruchsvoller werden. Bei den Hofkarten gibt es ein Hopfen-, Schaf-, Acker- und Schmuck-Deck. Die Karten bringen Erleichterungen und Boni, auch zusätzliche Karten, sodass man seine fünf Startkarten durchaus ergänzen sollte. Das gilt besonders für die eine Punktekarte, die man anfangs bekommt. In der Kartenhand sollten sich am Ende deutlich mehr befinden, da die damit zu erreichenden Siegpunkte oft über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Die meist üppige Ernteentwicklung und sorgsame Schafhaltung sorgt über die Runden hinweg für die Erfüllung der meisten Ziele. Das ist in der Abwicklung gut vernetzt und wird wie üblich bei Uwe Rosenberg durch Spielerhilfen, Spielplanlenkung und eingängige Ikonographie überzeugend abgewickelt. Man ist dadurch ganz schnell im Spiel drin, hat am Ende allerdings Übersichtsprobleme mit den Ertragsmassen, die über den Ackerplan nicht unbedingt leicht zu managen sind. Die Varianz der Wege zum Ziel, die rosenbergsche Produkte auf diesem Niveau bisher immer ausgezeichnet haben, geht HALLERTAU etwas ab. Das Voranbringen des Dorfgemeinschaftshauses steht nicht nur wegen der vielen Siegpunkte im Mittelpunkt, auch die Zahl der Arbeiter hängt davon ab. Die Karten spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Allerdings ist der Glücksfaktor bei der Zuteilung der Startkarten recht hoch, das Nachkaufen bleibt ebenfalls letztlich glücksabhängig. Zumindest anfangs könnte ein Draftverfahren hilfreich sein.
Obwohl das Spiel wahrscheinlich besser Magdeburger Börde hätte heißen müssen, da wir uns mehr mit klassischer Landwirtschaft als mit Hopfenanbau beschäftigen, obwohl die wandernden Häuser für das 19. Jahrhundert völlig absurd sind, spiele ich gerne den Bauern, Schafzüchter und Bürgermeister in HALLERTAU. Das Spiel reizt mich immer noch, da auch noch nicht alle Kartenkombis ausprobiert sind. Deshalb reicht es zu einer Bewertung für „gerne morgen wieder“, obwohl ARLER ERDE und AGRICOLA für mich recht deutlich die Nase vorn haben.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: HALLERTAU
Autor: Uwe Rosenberg
Grafik: Lukas Siegmon, Klemens Franz
Verlag: Lookout Games
Spieler: 1-4
Alter: ab 12
Spieldauer: ca. 50 - 140 Minuten
Preis: 60 Euro
Spiel 11/2021
Donnerstag, 4. März 2021
IQ 5
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
IQ 5
Raffiniert, was sich Klaus Beuth da ausgedacht hat. Sein bei Varioplay erschienenes Spiel IQ 5 gehört zu den taktischen Schmankerln, die mit einem Minimum an Regeln auskommen, dafür aber ein Maximum an Hirnschmalz fordern. Seine Zutaten sind einfach, sie wirken auch irgendwie bekannt: Ein Lochbrett mit hundert Bohrungen, senkrecht aufgestellt. Zur Füllung liegen für die beiden Spielpartner jeweils 30 Spielstifte bereit. Je zehn davon haben an ihren Enden die Farbkombination blau – rot, bzw. blau – gelb oder rot – gelb. Jeder denkt erst einmal an VIER GEWINNT und gähnt, aber stets nur solange, bis es ans Einlochen geht.
In Beuths IQ 5 geht es um keine Viererreihe, sondern um fünf gleichfarbige Spielstifte in einer waagrechten, senkrechten oder diagonalen Reihe. Wenn das der einzige Unterschied zum MB-Klassiker wäre, könnten wir weiter gähnen. Der Spielwitz und damit der gedankliche Reiz ergeben sich aus den verschiedenen Farbkombinationen der Stifte, die abwechselnd an beliebigen Orten in das Spielbrett gesteckt werden müssen. Erscheint auf meiner Seite ein blauer Stift, weiß ich nur, dass gegenüberliegend die Farbe rot oder gelb vorhanden ist. Sollte ich daher die Farbe blau bei mir erweitern wollen, besteht die 50-prozentige Chance, dass ich meinem Gegner helfe, der – wissend, dass ich blau benötige – mit einem gelben Stift kontern könnte und für sich schon den dritten roten hätte. Sie merken IQ 5 spielt sich nicht locker, schnell dahin, da steckt Anspruch dahinter.
Ich arbeite mit meiner Stiftauswahl einerseits an meinen Siegbedingungen, muss andererseits aber auch die möglichen Kombinationen auf der Gegenseite „im Blick behalten“. Anfangs kann man das auch wörtlich nehmen, da das löcherige Spielbrett kiebitzen zu leicht macht. Die Spieler müssen darauf achten, dass die andere Partei beim Einstecken der Stifte die zweite Farbe nicht mitbekommt. Das Spiel erfordert eine außerordentliche Gedächtnis- und Kombinationsleistung. So muss ich mir einerseits merken, was ich dem Gegenspieler für seine Seite angeboten habe, anderseits muss ich die Gefährdung, die von gegnerischen Stiften ausgeht, richtig einschätzen. Ein fantastisches Spiel, das in zwei ansprechenden Ausführungen von dem Varioplay Spiele Verlag angeboten wird. Für rund 25 Euro gibt es eine kompakte Kunststoffausführung, fast doppelt so viel (49 Euro) kostet die dekorative Holzfassung, die von einer Behinderten Werkstatt in Landsberg am Lech qualitativ hochwertig produziert wird. Zum gleichen Preis bietet auch Clemens Gerhards Holzwarenfabrik, das Spiel in Lizenz an. Ob Kunststoff- oder Holzausführung - die Anschaffung lohnt.
Wieland Herold
Titel: IQ 5
Verlag: Varioplay Spieleverlag, Am Schlossblick 13a, 89250 Senden
Autor: Klaus Beuth
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 25.- € (Kunststofffassung), 49.- € (Holzfassung)
Spiel 15/2003 R46/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Von Klaus Beuth gibt es nur dieses eine Spiel. Bekannter ist er als Fachbuchautor vor allem für den Vogel Verlag. Dort erschienen Bücher zur Elektronik, Nachrichten- und Digitaltechnik. Seine Standardwerke erscheinen zum Teil schon in der 20. Auflage. Lizenzen dieser Bücher sind zum Teil sogar an China und Russland vergeben worden.
Mittwoch, 3. März 2021
GULO GULO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Alarm bei den Bärenmardern: GULO GULO
Es gibt ihn wirklich, den Gulo Gulo, er ist keine Erfindung der Zochschen Spielefabrik aus München. Unter dem Namen "Bärenmarder" kennt ihn kaum jemand, dabei passt dieser ausgezeichnet zum größten Landmarder aus den Tundren der Nordhalbkugel. Unter dem Namen "Vielfraß" ist er besser bekannt und ab sofort wird er noch viel bekannter werden, denn das KRAG-Team um Wolfgang Kramer hat ihm ein spielerisches Denkmal der Extraklasse gesetzt, kongenial vom Zoch-Verlag umgesetzt.
Kreativität gehört zu den Markenzeichen des KRAG-Teams (Kramer, Raggan, Grunau), dreidimensionale Spielansätze auch (PIEPMATZ, VULCANO). Für den spielerischen Pfiff ist diesmal ein Eiergelege mit „Alarmanlage“ verantwortlich. Geier-Eier sind die Leibspeise der Vielfraße, dafür nehmen sie weite Wege auf sich. Auch vor den ganz kleinen Gulos sind die Geier Nester nicht sicher. Klein Gulo hat sich dabei aber verirrt, so dass die Sippschaft – wir Spieler – auf die Suche nach dem Nachwuchs gehen muss.
Eine Wegstrecke von 19 verdeckten Plättchen liegt vor der Suchmannschaft, am Schluss wartet ein Stapel mit fünf Plättchen, unter denen sich der Ausreißer verbirgt. Die Spieler decken das nächste verdeckt liegende Wegekärtchen auf. Um auf das Feld zu gelangen, muss zuerst ein Ei der entsprechenden Kärtchenfarbe aus dem Gelege geholt werden. Man kann natürlich auch auf schon aufgedeckte Felder gehen, indem man das passende Ei stibitzt. Die Holzeier sind unterschiedlich groß und durch eine raffinierte Alarmanlage geschützt. Bei den Geiern heult keine Sirene los, wenn sich Eierdiebe nähern, die stets nur einhändig räubern dürfen. Sie haben zum Schutz ihrer Nester einen Alarmstab entwickelt, der im Eigelege steckt. Werden Eier gestohlen, verliert der Stab allmählich seine stabilen Halt, senkt sich und fällt schließlich aus dem Nest. Dadurch wird der Eieralarm ausgelöst. Der ungeschickte Vielfraß muss zurück auf das letzte Plättchen der entsprechenden Eierfarbe. Gelingt der Eierklau, darf der Dieb vorwärts ziehen. Das geschieht solange bis ein Vielfraß vor dem Schlussstapel steht, von dem jeweils das oberste Kärtchen aufgedeckt wird, bis der Ausreißer gefunden ist. Gelingt es dann noch, eines der beiden kleinen violetten Eier aus dem Gelege zu fischen, ist Klein Gulo gerettet und das Spiel hat einen Gewinner.
Bei GULO GULO stimmt so ziemlich alles. Das Material – stabile Wegeplättchen, schöne Vielfraße und das Eiergelege aus Holz - fantastisch, die Spielgrafik von Victor Boden witzig-gefällig. Die Idee ist originär und originell, sie birgt in sich alle Vorzüge, die ein gutes Kinder- und Familienspiel ausmachen. In diesem kurzweiligen (15 Minuten) Geschicklichkeitsspiel können Kinder ab fünf Jahren mit ihren kleinen Fingern gut gegen grobmotorische Erwachsene bestehen. Das Spielvergnügen kostet allerdings ein paar Euro, mit knapp 30 müssen Sie schon rechnen.
Titel: GULO GULO
Verlag: Zoch
Autor: KRAG-Team (Kramer, Raggan, Grunau)
Grafik: Viktor Boden
Spieler: 2 bis 6
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: 15 bis 20 Minuten
Preis: 25 - 30 Euro
Spiel 13/2003 R44/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Das KRAG-Team um Wolfgang Kramer, Jürgen Grunau und Hans Raggan war seit 1992 mit SCHAUPLATZ SÜDWEST gemeinsam erfolgreich unterwegs. Die ganz großen Preise wie das Kramer&Kiesling Duo fuhr es zwar nicht ein, aber immerhin waren die drei Autoren mit ROBBYS RUTSCHPARTIE (2003) und MACIUS – ACHTUNG, FERTIG, LOS! (2004) zum Kinderspiel des Jahres nominiert und mit BLOX (2008) auf der Nominierungsliste für das Spiel des Jahres.
GULO GULO ging damals leider leer aus. Haba legte es später als PHARA-OH-OH! 2015 erneut auf.
Gemeinsam im Bild habe ich nur Grunau und Kramer 1995 in Göttingen. In dem Jahr haben die drei Autoren PIEPMATZ (Haba) und PERSONALITY (F.X. Schmid) veröffentlicht.
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