Samstag, 23. Januar 2016
FREMDE TREUE
Vor knapp zwei Monaten ist der schottische Autor William McIlvanney achtzigjährig gestorben. Kurz vor seinem Tod ist der letzte seiner zwischen 1977 und 1991 veröffentlichten drei Kriminalromane um den Glasgower Polizisten Jack Laidlaw auf Deutsch erschienen: FREMDE TREUE.
Im dritten Teil spürt Laidlaw der Verzweiflung über den Tod seines Bruders nach, der betrunken von einem Fahrzeug erfasst wurde. Laidlaw wacht seitdem auch nur noch „mit Rodeo im Kopf“ auf und begibt sich auf den Weg nach Graithnock zu einer sehr persönlichen Ermittlung, die zu Abgründen führt, die sich kaum von denen der Unterwelt Glasgows unterscheiden.
Laidlaws Bruder war Kunsterzieher an einer Schule in Graithnock, seine Bilder geben Rätsel auf, insbesondere der Mann im grünen Mantel, über den niemand etwas sagen will. Laidlaws Privatermittlungen weisen Verbindungen zu einem aktuellen Fall in Glasgow auf, den seine Kollegen verfolgen. Am Ende kann Vieles geklärt werden, aber Laidlaw bleibt desillusioniert zurück. Schuldig sind irgendwie alle, auch er, aber „immer, wenn man glaubt, man sei schon tot, kitzelt einen das Leben an den Füßen.“
Obwohl FREMDE TREUE aus der handylosen Zeit Anfang der 90er Jahre stammt, ist es mit seinen moralischen und gesellschaftlichen Implikationen nicht aus der Zeit gefallen. Es gibt kein Gut und Böse, kein Schwarz und Weiß und auch der grüne Mantel kann braun gewesen sein und der aller schlimmste Verbrecher ein liebevoller Vater. McIlvanneys sprachgewaltige Romane sind Sozialstudien der Thatcher-Ära, durchgehalten werden muss trotzdem, „egal welch tragische Oper sich sonst noch im Kopf abspielt.“
Wertung: *****
Titel: FREMDE TREUE
Verlag: Antje Kunstmann
Autor: William McIlvanney
Seiten: 349 Seiten
Preis: 19,95 Euro
MORD IM ANZUG
Leichte Krimikost, Sommerlektüre im Winter. Goodhind lässt wieder einmal Honey Driver ermitteln, Hotelbesitzerin in Bath, ohne deren Unterstützung Chief Inspector Doherty privat und dienstlich überhaupt nicht klarkäme.
Das Dutzend ist voll für die „moderne Miss Marple in bester britischer Krimitradition" wie die FÜR SIE Honey Driver nennt. Seit 2009 erscheinen Goodhinds Romans in Deutschland. Wer das leichte Geplänkel mag, den cornwallschen Pilcher-Touch, seichte Lektüre, der fühlt sich bei Goodhind gut aufgehoben.
Honey Driver startet diesmal als Jurorin eines Schaufensterwettbewerbs. Auffallend dabei die kühne Gestaltung in einem sehr traditionellen Herrenschneider-Geschäft. Bei Tern und Pauling kehren auch die Royals ein, eine Teilnahme an einen solchen Wettbewerb passt überhaupt nicht zum sonstigen Stil des Ladens. Irgendetwas scheint nicht zu stimmen, zumindest ein Generationenkonflikt tobt. Denn der Juniorchef hängt nach der Siegerparty am Galgen, der Teil seiner Deko war. Bei aller Wut des alten Chefs über den Veränderungswillen seines prassenden Sohnes, einen Mord traut man dem gesundheitlich sehr angeschlagenen Tern eigentlich nicht zu.
Aber Mord war es, sodass Driver und Doherty eine Menge Spuren verfolgen dürfen, bis sie auf die Lösung nach rund 300 Seiten kommen. Daneben viel Privates im Umfeld der beiden Ermittler, Korsettkauf und Töchterprobleme, Geistersuche und Geisterbeschwörung, nichts allzu ernst zu Nehmendes also. Weit weg von Miss Marple, trotzdem abgedreht schrullig.
Wertung: ***
Titel: MORD IM ANZUG
Verlag: aufbau taschenbuch
Autor: Jean G. Goodhind
Seiten: 319 Seiten
Preis: 9,99 Euro
Freitag, 22. Januar 2016
DIE KÄLTE DES TODES
Der Schauspieler, Regisseur, Drehbuchautor Manzini gehört nun auch zu den italienischen Krimiautoren, die markante Ermittlerfiguren entwerfen. Camilleri, der Erfinder Montalbanos, findet Manzinis Rocco Schiavone „außergewöhnlich“. Ich finde ihn erst einmal gewöhnungsbedürftig, ein Antiheld, der ins abgelegene Aosta-Tal aus der Hauptstadt strafversetzt wurde.
Schiavone hat die Lust an der Arbeit, die Lust am Leben verloren. Frustriert von seiner Abschiebung, verzweifelt über den Tod seiner Frau, retten ihn nur der morgendliche Joint und abfällige Sprüche über Kollegen in den Tag hinein. Etwas mehr Leben kommt in ihn, als er dem scheinbaren Selbstmord einer jungen Frau nachgeht. Schnell wird klar, diese Frau ist entsetzlich gequält worden. Dem Hauptverdächtigen, ihrem Mann, ist aber erst einmal nichts nachzuweisen. Hat er ein perfektes Verbrechen begangen oder gibt es doch einen anderen Täter?
Der Zynismus Roccos ist nicht jedermanns Sache, auch seine unorthodoxen Ermittlungs- und Rachemethoden sind weit weg von denen eines Brunetti in Venedig. Dafür überzeugt der Polizist durch seine entlarvende Ehrlichkeit. Wenn er sein Gegenüber oft mit Tieren vergleicht, wirkt er meist selbst wie ein Elefant im Porzellanladen, durchaus aber auch ausgestattet mit dem beachtlichen Gedächtnis des Rüsseltieres, das es ihm ermöglicht, Intrigen zu entwirren und den Roman zu einem überraschenden Ende zu führen.
Wertung: ***
Titel: DIE KÄLTE DES TODES
Verlag: rororo
Autor: Antonio Manzini
Seiten: 316 Seiten
Preis: 9,99 Euro
TANNIE MARIAS REZEPTE FÜR LIEBE UND MORD
Krimis mit kulinarischem Beiprogramm gibt es inzwischen schon viele. Martin Walkers Bruno ermittelt stets deliziös im Périgord. Sebastian Henn gilt als "Deutschlands König des kulinarischen Krimis". Auf dieser Welle schwimmt auch Tom Hillenbrand mit seinem Luxemburger Koch Xavier Kieffer erfolgreich mit. Alle drei Autoren garnieren ihre Krimis mit geschmackvollen Gerichten.
Was Tannie Maria jetzt in ländlicher Kulisse Südafrikas bietet, geht darüber hinaus. Ihre Rezepte sind Lebenshilfe in Liebesdingen, tiefen Tälern und dienen durchaus dazu, den ein oder anderen Betroffenen die Zunge lockerer zu machen. Denn die begeisterte Köchin und Kolumnistin ist Hobby-Detektivin, die den Mord an einer Leserbriefschreiberin klären möchte.
Dabei wird die Witwe stets auch mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert. Tatverdächtige gibt es viele, da ist der brutale Ehemann, die lesbische Freundin, ein Fracking-Unternehmen oder verrückte Adventisten. Echte Rätselspannung will aber nicht aufkommen, dazu verläuft die Handlung zu additiv.
Ein neuer Bruno oder Kieffer wächst hier in Klein Karoo, dem zentralen Hochplateau Südafrikas nicht heran. Sally Andrew, der Autorin, gelingt die Gratwanderung zwischen echtem Krimi und Kochbuch nicht so richtig, zumal pilchersche Anwandlungen sie auch immer wieder in eine triviale Liebesgeschichte abdriften lassen. Übersetzungstechnisch stören mich auch die vielen Afrikaans-Relikte, die nicht eingedeutscht werden. In anderen Krimis aus Südafrika gibt es dann immerhin einen erklärenden Anhang, der hier nur durch Kochrezepte ersetzt wird.
Wertung: **
Titel: Tannie Marias Rezepte für Liebe und Mord
Verlag: Atrium
Autor: Sally Andrew
Seiten: 478 Seiten
Preis: 19,99 Euro
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