Montag, 24. August 2020
DREAM RUNNERS
Der August ist der Monat der Perseiden-Sternschnuppen, die fast im Minutentakt am Firmament aufleuchten. Eine spielerische Sternschnuppe taucht aktuell Ende August aus der Schweiz auf im Rahmen der bewährten Zusammenarbeit von der Board Game Box mit dem französischen Verlag Ankama. In DREAM RUNNERS von Joan Dufour sammeln wir Sternsplitter und vertreiben Albträume.
DREAM RUNNERS gehört zum Genre der schnellen PUZZLE-Spiele, von denen uns NINE TILES PANIC und COSMIC FACTORY schon viel Freude gemacht haben. Diesmal werden keine Galaxien erbaut oder Aliens gejagt, bei Dufour muss auf ein Traumbild im 3x3-Raster reagiert werden.
Von den 24 Traumkarten in vier Schwierigkeitsstufen liegen jeweils zwei aus jeder Ebene für eine Partie zufällig bereit, das sorgt für Varianz. Die wirren Träume bringen in ihrer Steigerung immer mehr Albtraumgestalten, deren Nichtbekämpfung die Nachtruhe stört und sich damit negativ auf die Punktebilanz am Ende der acht Runden auswirkt. Alle starten auf einer persönlichen Skala mit 20 Traumpunkten, die sie im Laufe des Spiels auf 30 verbessern können. Wahrscheinlicher sind aber Punktverluste. Theoretisch kann man sogar ganz nach unten fallen und aus seinen Albträumen aufwachen, das würde dann das vorzeitige Spielende für den entsprechenden Spieler bedeuten, was ich aber in rund ein Dutzend Partien noch nie erleben musste.
Neben den Traummonstern tauchen Belohnungsfelder in dem Traumbild auf, da sind Sternsplitter in vier unterschiedlichen Farben, dort gibt es Geld und Schlüssel. Die Schlüssel benötigt man zum Öffnen von ebenfalls vorhandenen Schatztruhen, die attraktive Belohnungen in sich tragen. Auf höheren Traumebenen kommen dann noch Sammelfelder hinzu, deren Erträge unter allen Beteiligten aufgeteilt werden.
Um auf die Anforderungen der Traumkarten reagieren zu können, puzzeln die Spieler mit einfachen Tetrisformen das 3x3-Raster nach. Jeder startet mit einem individuellen Kartensatz, der am Anfang allen zwei den Albtraum verscheuchende Hände beschert und zwei besitzergreifende Hände, die Belohnung einbringen, in einem Fall sogar doppelte. Wer schnell fertig ist, greift nach einer Sanduhr, die den anderen dann nur noch knapp 30 Sekunden Zeit lässt, um ihre Antwort auf die Albtraum-Karte zu beenden.
Der Schnellste hat mehrere Vorteile, er bekommt einen Belohnungstaler und wird zum Startspieler, damit hat er den ersten Zugriff auf Sammelfelder und geht zuerst auf Einkaufstour. Nach der ersten Traumrunde kann das Geld dazu verwendet werden, um neue Puzzleplättchen zu erwerben, mit denen beispielsweise mehr Traum-Monster bekämpft werden können. Da schon ab der dritten Traumebene vier dieser Nachtmahre auftauchen, ist Aufrüstung dringend notwendig. Teilweise bringen die neuen Kärtchen Siegpunkte und natürlich mehr Sammel-Optionen. Wer möchte, darf daneben Geld ausgeben, um die Traumpunkte auf der persönlichen Skala aufzuwerten. Jeder Schritt nach oben kostet drei Münzen.
Mit Blick auf die Wertung nach der achten Traumrunde muss nicht nur die Traumskala im Blick sein, sondern außerdem die anfangs erwähnten Sternschnuppen. Jeweils ein voller Farbsatz bringt hier die Spieler auf einer Wertungsleiste voran, die erst in Fünferschritten abläuft, gegen Ende dann aber fast galoppierend auf 30 Gewinnpunkte zueilt. Wer zum vierten Mal ein Set abgibt und damit von 15 auf 22 Punkte springt und außerdem über eine gute Traumbilanz verfügt, kommt dem Spielsieg näher. Das Ende tritt schnell nach etwa 30 Minuten im Traumduell ein, in Vollbesetzung zu viert kann das Spiel durchaus eine knappe dreiviertel Stunde dauern.
Der PUZZLE-Anspruch mit den einfachen Formteilen ist nicht allzu hoch. Insofern passt die Alterseinordung für Kinder ab acht Jahren durchaus. Im Spiel mit Grundschülern sollte man aber den Zeitdruck der Sanduhr weglassen. Das Schöne an DREAM RUNNERS ist der leicht ansteigende Schwierigkeitsgrad. Zwei Nachtmahre zu bekämpfen, fällt noch leicht, drei schafft man dann auch noch, weil die neuen Legeteile das hergeben, vier sind aber ganz schön schwer, zumal man ja zusätzlich noch Erträge einsammeln möchte. Die Optimierung des Spiels durch den Zukauf neuer Legeteile lässt strategische Planung mit Blick auf Abwehr und Sammelaktivitäten zu. Durch den wachsenden Schwierigkeitsgrad steigt nicht nur die Zahl der Monster, sondern zusätzlich wachsen die Strafpunkte, wenn ein Albtraum nicht erfolgreich bekämpft wird. Da gilt es dann abzuwägen, ob ein Rückschritt von eventuell vier Feldern auf der Traumskala sich gegen den Fortschritt bei den Sternschnuppen aufrechnen lässt.
Die wachsenden Anforderungen fordern auch Kenner, alle Interessen zu befriedigen schafft auf der vierten Traumebene fast keiner mehr. Da will man die passenden Sternschnuppen zur Set-Komplettierung, die zwei Schlüssel zum Öffnen einer Schatztruhe und vielleicht auch noch etwas Geld, um die Traumbilanz zu verbessern, außerdem müssen die Nachtmahre bekämpft werden. Die Probleme wachsen nicht nur mit den Traumkarten, auch die größere Auswahl an Puzzleteilchen erleichtert zwar meist das Bekämpfen der Albträume, führt aber zu längerer Überlegungszeit. Der Autor lässt dabei sogar zu, dass über das 3x3-Raster hinaus gebaut werden darf. Das kostet zwar ebenfalls Punkte, optimiert aber oft die positiven Effekte der Karten.
Im Vergleich zu den anfangs erwähnten Echtzeitspielen NINE TILES PANIC und COSMIC FACTORY kann DREAM RUNNERS gut mithalten, ist vom Anspruch her aber etwas leichter zu bewältigen und daher eher ein Spiel für die ganze Familie, das Kinder begeistert, dessen Anspruch sich aber auch Erwachsene nicht entziehen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DREAM RUNNERS
Autor: Joan Dufour
Grafik/Design: Jade Mosch
Verlag: Board Game Box
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 29 Euro
Spiel 57/2020
Dienstag, 11. August 2020
DER SCHATZ DER MRS. JONES
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Erste 96er Empfehlungen:
DER SCHATZ DER MRS. JONES
Das Äußere des Spiels stimmt auf Schatzsuche in einer ägyptischen Pyramide ein. Der Schachteleinsatz ergibt einen stimmungsvollen Spielplan. Rubine und Goldmünzen - DER SCHATZ VON MRS. JONES - sollen gesucht werden. Spieltechnisch ist das Thema dann aber sehr eigenartig umgesetzt: Da buddeln die beteiligten Spieler nicht nach Schätzen, sondern legen sie sogar noch in Form von quadratischen Kärtchen in zwei Vertiefungen der Spielschachtel hinein. Wieso eine Mrs. Jones ihr Geschmeide in einem Pharaonengrab gelassen hat, bleibt auch unklar. Nicht einmal eine Spielgeschichte haben sich die Ravensburger dafür einfallen lassen.
Was bleibt, ist ein aufgesetztes Thema für ein wirklich gutes taktisches Legespiel für zwei Personen. Jeder Spieler besitzt einen identischen Kartensatz, auf dem Rubine oder Goldmünzen und ausgestanzte Feldbereiche sind. Der Spieler, der die Karten mit den Rubinen besitzt, sammelt die Goldmünzen, der andere entsprechend den Rubinschatz. Auf eine Rubinkarte sollte der Gegenspieler seine Goldkarte stets so legen, dass durch die Löcher viele Rubine zu sehen sind, die als Schatzpunkte für den Rubinsammler gewertet werden. Auf einer Zählleiste können die erreichten Punkte sofort angezeigt werden. Nach dem Legen der letzten Karte steht fest, wer den besten Durchblick bei der Suche nach dem Schatz der Mrs. Jones gehabt hat.
Bei einer Spieldauer von zehn Minuten steht Revanchespielen nichts im Wege. Für Freunde taktischer Legespiel ist DER SCHATZ DER MRS. JONES durchaus zu empfehlen, wer eher auf fantastische Schatzsuche mit Grabräubern und Sandvipern aus ist, sollte die Finger von diesem Spiel lassen.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: Der Schatz von Mrs. Jones
Verlag: Ravensburger
Autor: Christine Welz
Spielerzahl: 2
Spieldauer: 10 Minuten
Preis: ca. 39.- DM
Die Rezension erschien 1996 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 15/1996 R 100/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Vor allem in den 90er Jahren hat Christine Welz viele Spiele bei Ravensburger und Schmidt veröffentlicht. Meist waren es einfache Kinderspiel mit Lernaspekten, wie LEGEN & LESEN und FARBENBÄR. DER SCHATZ DER MRS. JONES gehört zu den wenigen etwas anspruchsvolleren Spielen der Autorin.
Montag, 10. August 2020
HEXENTANZ
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Oldies - neu belebt
Reigen auf dem Blocksberg
Nur die Schachtelgestaltung ist neu bei einem der besten und erfolgreichsten Spiele der Firma FX Schmid, am Spielplan und vor allem an der Spielregel hat man zum Glück nicht gefeilt. Denn alles ist stimmig an diesem hervorragenden Familienspiel, sogar der Autorenname (kein Pseudonym) könnte nicht besser gewählt sein. Björn Hölle hat vor acht Jahren zum ersten Mal seine 24 Hexen einen wilden Reigen auf dem Blocksberg tanzen lassen, seit dieser Zeit haben sich immer mehr Familien von der Walpurgisnachtstimmung anstecken lassen.
Vom Spielegenre gehört HEXENTANZ zu den MENSCH ÄRGERE DICH NICHT- Spielen: Vier Spielfiguren müssen über einen Rundkurs ins Ziel gebracht werden. Der besondere Reiz in Björn Hölles Spiel liegt darin, dass alle Hexen gleich aussehen. Farblich werden sie einem Spieler nur durch die entsprechend gekennzeichnete, aber nicht sichtbare Unterseite zugeordnet. Sobald einige Hexen auf ihrem Rundkurs sind, beginnt das Verwirrspiel und schnell hat man die Übersicht verloren, da jede Hexe von jedem Spieler gezogen werden darf.
HEXENTANZ ist ein unbedingtes Muss für jede Familienspielsammlung. Ein riesiger Spielspaß für Kinder, Eltern und Großeltern.
Heo
Titel: Hexentanz
Autor: Björn Hölle
Verlag: FX Schmid
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 8 Jahren
Preis: ca. 39.- DM
Die Rezension erschien 1996 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 14/1996 R 99/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Ein Björn Hölle, angeblich kein Pseudonym, wird als Autor des erfolgreichen Spiels HEXENTANZ geführt. Von ihm stammen noch KOMM IN DEN ZAUBERGARTEN (1986, FX Schmid), VIECHEREI (1992, ASS) und RAN ANS BEET (2014, Grubbe Media).
HEXENTANZ wurde 1989 in die Auswahlliste für das Spiel des Jahres aufgenommen und nicht nur 1996 neu aufgelegt. Im Hause Ravensburger folgten weitere Veröffentlichungen 1999 und 2007.
Sonntag, 9. August 2020
FOR SALE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Sehr gut gefällt mir das aktuelle Spiel FOR SALE des Hannoveraners Stefan Dorra, der sich in den letzten drei Jahren in die Spitzengruppe der deutschen Spieleautoren hochgearbeitet hat (LINIE 1, INTRIGE).
FOR SALE ist ein raffiniertes Versteigerungsspiel, das über zwei Runden läuft. Für die erste Versteigerungsrunde hat jeder der drei bis fünf Spieler 15 Chips zur Verfügung, mit denen Gebäudekarten im Wert von 1 Million bis 20 Millionen ersteigert werden. Der besondere Reiz liegt darin, dass jeder der vorher aus der Versteigerungsrunde aussteigt, die Hälfte seines Geldes zurückerhält und nur der letzte, der dann auch die wertvollste Gebäudekarte erhält, sein ganzes Geld abgeben muss.
In der zweiten Spielphase werden dieser Häuser verkauft, wobei man tunlichst vermeiden sollte, ungedeckte Schecks zu bekommen. Ein schnelles und preisgünstiges kleines Kartenspiel mit Bluffelementen, die eine Menge Spielspaß bringen.
Wieland Herold
Titel: FOR SALE
Zeichner: Stefan Dorra
Verlag: Ravensburger
Spielerzahl: 3-5
Alter: ab 10 Jahren
Preis: ca. 14.- DM
Die Rezension erschien 1995 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 5/1997 R 98/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Der in der Nähe von Hildesheim lebende Sprachheilpädagoge Dorra startete 1992 seine Autorenkarriere mit einem Achtungserfolg. Sein Zocker-Spiel RAZZIA landete auf der Auswahlliste der Jury, erreichte den 9. Platz beim Deutschen Spielpreis und den 6. bei À la Carte. 1994 bestimmte sein INTRIGE die Messediskussion auf der Spiel in Essen.
Mit LINIE 1 war er wahrscheinlich am dichtesten am Spiel des Jahres dran. Er hatte nur das Pech, dass Teubers CATAN unschlagbar war. Daher reichte es „nur“ für die Auswahlliste und den zweiten Platz beim Deutschen Spielepreis.
Mit den Spielern SEERÄUBER (2006), LAND IN SICHT (2009) und ESELSBRÜCKE (2011) war er dann später ebenfalls nominiert. Für MEDINA (2001) bekam er noch einmal den 2. Platz beim Deutschen Spielepreis.
FOR SALE erwies sich als Dauerbrenner für den Autor. 1998 folgte eine Ausgabe für F.X. Schmid, 2004 eine für Uberplay und 2017 die zurzeit aktuellste für iello. BGG verzeichnet 27 verschiedene Verlage, die Versionen dieser Idee Dorras veröffentlicht haben. Im Bereich der Familienspiele wird es auf der amerikanischen Plattform immerhin auf Platz 55 geführt. In Ungarn war es 2017 auf der Nominierungsliste zum dortigen Spiel des Jahres.
Das Foto zeigt Stefan Dorra mit Karsten Höser 1993 bei seiner ersten Auszeichnung beim Hippodice Wettbewerb 1993 für CHALYS PUB, das 1997 als VOLLE HÜTTE bei ASS erschien.
Samstag, 8. August 2020
CHARTS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auf den Sprung in die CHARTS
Der 94er Wettbewerb für Spieleautoren des Hippodice Spieleclub ist, was die vorzeigbaren Erfolge angeht, eher dürftig gewesen. Wir warten immer noch auf das herausragende Spiel dieses Jahrgangs, DAS SPIEL DER WEINBERGE von Christwart Conrad, dem nach dem misslungenen Ausflug in die Wüste (WÜSTENTRUCK) die Veröffentlichung eines wirklich guten Spieles zu gönnen ist, aber Abacus verschiebt von Halbjahr zu Halbjahr. In Anbetracht der wirtschaftlichen Situation des gesamten Spielemarktes sind aber auch solche Verlagsentscheidungen verständlich.
Nur ein Spiel dieses Wettbewerbs hat es bisher zur Marktreife gebracht. Michael Schacht, der mit seinem Spiel CHARTS immerhin bis auf Platz 5 gelangte, konnte sich in diesem Jahr über eine Veröffentlichung bei Piatnik freuen. Im Augenblick scheint der österreichische Verlag der mutigste unter den deutschsprachigen Verlagen zu sein, der immerhin noch den einen oder anderen Newcomer verlegt. Die meisten anderen Verlage setzten doch eher auf die bekannten Autorennamen. Im Rahmen des insgesamt beachtlichen 96er-Programms von Piatnik fand also auch Michael Schacht sein Plätzchen.
Optisch haben die Österreicher in diesem Jahr deutlich zugelegt. Ich denke noch mit Grausen an die verhunzte Schachtel der LEUCHTTURMARCHITEKTEN aus dem letzten Jahr, im Übrigen auch ein Wettbewerbsspiel. Michael Schacht kann mit der Umsetzung seines Spiels zufrieden sein, von zwei Unstimmigkeiten beim Spielplandruck einmal abgesehen.
Spielerisch verspricht der Verlag „ein spannendes Legespiel“ für drei bis fünf Spieler ab 12 Jahren. Als Plattenproduzenten versuchen die Spieler möglichst die Nummer 1 in den Charts zu werden. Dafür hat jeder drei Bands unter Vertrag, für die er in der ersten Spielphase Platten produzieren lässt. Plattenproduktionen sind aber recht teuer, zumal man nur mit 15 Millionen Dollar Startkapital ins Spiel geht. Knapp die Hälfte davon, nämlich 7 Mio. Dollar muss man investieren, um in die Charts zu kommen. Nicht ganz logisch, aber spieltechnisch wohl unumgänglich, gerät die Anfangsplatzierung. Alle Newcomer erwürfeln sich ihre Plätze mit einem Viererwürfel, starten also gleich ganz oben in den Charts. In der zweiten Phase können die Spieler Aktionskarten ausspielen, von denen jeder zu Beginn drei auf der Hand hat. Mit diesen Karten erhalten die Spieler Steuerungsmöglichkeiten, um ihre Position in den Charts zu verbessern. In der dritten Phase werden je nach Platzierung und Spielerzahl, die sich im Übrigen auch auf die Länge der Charts auswirkt, Gewinne ausgezahlt. Der Spitzenreiter erhält zwar kein Geld, dafür von einem verdeckten Plattenstapel eine Gold-, Silber- oder Platinplatte, die allein für das Spielende entscheiden sind.
Das Spiel gewinnt nämlich der Plattenproduzent, der sich als erster drei gleichfarbige oder verschiedenfarbige Platten erwirtschaftet hat. In einer vierten Spielphase können für 1 Mio. Dollar Aktionskarten nachgekauft werden, mehr als drei Karten darf man aber nicht auf der Hand haben. In der dann folgenden nächsten Runde wechselt der Startspieler und die vier Spielphasen wiederholen sich.
Der Spielablauf klingt rund, funktioniert auch gut, aber man hat ständig den Eindruck, dass man kaum selbst spielt, sondern meist gespielt wird. Die Einflussmöglichkeiten auf das Spiel sind einfach zu gering. Der glücksabhängige Einstieg wird durch die maximal drei Aktionskarten kaum aufgefangen, zumal diese sich zum Teil auch nur auf bestimmte Bands auswirken. Der Glücksfaktor gilt im Übrigen genauso für die Aktionskarten, da einige enorme Vorteile bringen, die ein Spieler, der schnell aus den Charts mit mehreren Bands herausgefallen ist, gar nicht mehr einholen kann. Kostenlose Plattenproduktion oder 10 Millionen, die man in der Portokasse findet, gehören zu den herausragenden Aktionskarten. Das ist bei einem Startkapital von 15 Millionen einfach zu viel des Guten und verschiebt das spielerische Gleichgewicht. Ganz absurd wird der Einsatz des Glücksfaktors beim Spielende, da rackert sich einer ab und braucht fünf Spitzenplätze, bis er die Siegbedingung erreicht hat, ein anderer hat schon beim dritten Mal seine passende Platte gezogen. Wenn er dies wenigstens durch taktisch geschickten Einsatz seiner Aktionskarten erreicht hätte, aber meistens wird er in der ersten Runde immer eine „1“ gewürfelt haben.
Ich muss gestehen, dass ich CHARTS nach dem einmaligen Spielen während des Autorenwettbewerbs 1994 in ganz guter Erinnerung hatte. Die Spieletests mit dem produzierten Spiel haben mich aber eines Besseren belehrt. Nur wer unbedingt Elton Jim oder Joe Rocker zur Goldenen Schallplatte verhelfen möchte, also Spaß an diesem Spielegenre hat, der sollte bei CHARTS zugreifen.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: CHARTS
Verlag: Piatnik
Autor: Michael Schacht
Spielerzahl: 3-5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 40 Minuten
Preis: 29.- DM
Die Rezension erschien 1996 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 13/1996 R 97/2020
Zum Spiel und zum Autor:
1996 war CHARTS erst das zweite Spiel, das der junge Frankfurter Autor veröffentlichen konnte. Der Grafik-Designer Schacht arbeitete in dieser Zeit für Werbeagenturen. Für seinen erfolgreichen Weg zum professionellen Spielautor spielte der Wettbewerb für Spieleautoren, den der Hippodice-Spielclub unter der Leitung Karsten Hösers veranstaltete, eine entscheidende Rolle.
Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR (vgl. Bild von der Preisverleihung mit Karsten Höser). Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das „Spiel des Jahres“, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
Freitag, 7. August 2020
PIEPMATZ
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spielspaß für die Kleinen
Immer mehr Spielverlage wenden sich der Zielgruppe der Kindergarten- und Vorschulkinder zu und immer mehr renommierte Spieleautoren sind sich nicht zu schade, ihre erfinderische Kreativität für die Jüngsten einzubringen.
Dass es dabei auch um Marktanteile geht, die es zu verteidigen gilt, weiß man zum Beispiel bei der Firma Haba ganz genau. Ihre Kinderspiele, in gelben Schachteln verpackt, stehen schon seit Jahren für höchstes Spiel- und Materialniveau.
Das aktuelle Programm stellt aber alles in Schatten, was bisher aus Bad Rodach erschienen ist: Spiel- und Kunstobjekt zugleich erwirbt man mit dem Vogelbaum, in dem kleine Vogelkinder herumhüpfen. PIEPMATZ heißt das dazugehörige Spiel, an dessen Umsetzung Deutschlands bekanntester Spieleautor Wolfgang Kramer mitgewirkt hat.
Junge Piepmätze, noch nicht recht flügge, müssen nach ihrem ersten Nestausflug mit Würmern gefüttert werden, damit sie den weiten Weg zurück ins Nest an die Spitze des Baumes schaffen.
Zwei bis sechs Kinder ab vier Jahren spielen die Vogeleltern und versorgen die kleinen Holzvögel aus einem Fadenknäuel heraus mit Nahrung. Das alte Fadenziehen, von Jahrmärkten her bekannt, liefert den tragenden Spielmechanismus. Ein tolles Spiel, bei dem auch noch die Großeltern mit Begeisterung dabei sind.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: PIEPMATZ
Verlag: HABA
Autor: Wolfgang Kramer, Jürgen Grunau, Hans Raggan
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 6 Jahren
Spieldauer: ca. 10 - 15 Minuten
Preis: 58.- DM
Die Rezension erschien 1995 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 12/1995 R 96/2020
Zum Autor:
Wolfgang Kramer ist neben Reinhold Wittig der dienstälteste Spieleautor in Deutschland und der erste, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Der gelernte Betriebswirt und Informatiker hängte 1989, nach zwei Spiel des Jahres-Auszeichnungen seinen Beruf an den Nagel und lebte fortan vom Spielerfinden.
Sein erstes Spiel TEMPO erschien 1974 bei ASS, HEIMLICH & CO. war sein erstes Spiel des Jahres (1986), es folgte gleich danach AUF ACHSE. In vielen seinen späteren Erfolgen war er mindestens im Team unterwegs. Bei EL GRANDE (SDJ 1996) begleitete ihn Richard Ulrich und bei TIKAL und TORRES Michael Kiesling.
Auf dem Bild ist Kramer in Essen 1994 zusammen mit Alex Randolph zu sehen.
Mittwoch, 5. August 2020
JERUSALEM
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
REISE NACH JERUSALEM
Wer zum 3000jährigen Jubiläum nach Jerusalem über die Weihnachtstage aufbrechen wollte, aber das nötige Kleingeld nicht in der Tasche hatte, kann mit dem Spiel JERUSALEM aus dem Uljö-Verlag wenigstens zu einer eindrucksvollen Besichtigungstour durch dieses Zentrum der Weltreligionen starten.
Da darf fotografiert werden, die Bildauswahl ist vorzüglich, um Souvenirs kann gefeilscht werden, ein reizvolles Pokerelement ist auch noch mit im Spiel. Die ganze Stadt wird spielerisch erschlossen.
JERUSALEM ist ein Spiel für die ganze Familie, an dem zwei bis sechs Spieler eine Stunde lang Freude haben, ohne allzu tief in die Tasche greifen zu müssen.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: JERUSALEM
Verlag: Uljö
Autor: Anne und Jürgen Diehl
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: 40.- DM
Die Rezension erschien 1995 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 10/1995 R 94/2020
Zu den Autoren:
Anne und Jürgen Diehl waren so etwas wie die Hausautoren des christlich orientierten Uljö-Verlages.
Zwischen 1991 und 1995 haben sie in jedem Jahr ein Spiel bei Uljö veröffentlicht.
Die Klammer bietet der Reiseteil, 1991 beginnen sie mit ISRAEL: REISE DURCH DAS LAND DER WUNDER und das besprochene JERUSALEM beendet 1995 die Reihe.
Dazwischen liegen:
1992 – GOTT SORGT FÜR UNS
1993: GESUCHT WIRD …
1994: WERTVOLLE SCHÄTZE
MALSTROM
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
SPIELE IM BILDERRAHMEN
In Wellpappe verpackt ist eine reizvolle neue Spielidee, die den MEMO-Gedanken nutzt, aber ein taktisches Spiel daraus macht. Produziert wird diese Spielidee von Thomas Fackler, dessen Spiele stets Kunstobjekte sind und bisher in Preisregionen um die 3000 Mark angesiedelt waren.
Sein neuestes Projekt nennt er MALSTROM: Für jedes Spiel wird ein antiquarisches, besonders zerlesenes Buch verwendet. Die Buchseiten sind graphisch bearbeitet, künstlerisch gestaltet, für MEMO-Karten vorbereitet. Die Motive der jeweiligen Ausgabe sind durch den Inhalt oder den Autor des verwendeten Buches inspiriert.
Ausgaben gibt es bisher u. a. von Nietzsches ,,AJso sprach Zarathustra" und Schillers ,,Kleine Prosaische Schriften". Die Kunstobjekte können nicht nur gespielt, sondern auch in einem Rahmen zu einem eigenen Bild komponiert werden.
Spiel und Bild besitzen einen für Thomas Fackler günstigen Preis und sind ab 240 Mark zu haben.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: MALSTROM
Verlag: Thomas Fackler
Autor: Thomas Fackler
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 6 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: 240.- DM
Die Rezension erschien 1995 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 11/1995 R 95/2020
Zum Autor:
Thomas Fackler ist 1991 durch DIE ABTEI DER WANDERNDEN BÜCHER bekannt geworden. Die individuelle Gestaltung mit hochwertigen Materialien machten jedes Spiel zum Unikat, mit dem er damals an der Preisobergrenze von 1000 DM kratzte. Ein Schnäppchenpreis wie sich bald herausstellte, denn die OPER DER SCHWARZEN SPIEGEL konnte er 1993 locker für das Dreifache verkaufen. Augenblicklich liegt der Verkaufspreis seines ersten Spiels bei 3800 Euro. Wer eines der ersten Spiele für 820 DM erworben hat, dessen Einsatz hat sich fast verzehnfacht.
Die MALSTROM-Ausgaben waren die ersten „günstigen“ Spiele Facklers.
Fackler, der 1998 mit dem „Inno-Spatz“ der Stadt Göttingen ausgezeichnet wurde, arbeitete danach ein knappes Jahrzehnt als Spieleredakteur für Prestel. 2001 bekam er für TROIA – DAS SPIEL den Sonderpreis „Geschichte im Spiel“, den die Jury „Spiel des Jahres“ damals vergab. DIE MAUER wurde ebenfalls 2001 für den Deutschen Designpreis Holzspielzeug nominiert.
Aktuell arbeitet der 58järige Fackler als freier Künstler in Aystetten. Zu Beginn des Jahres wurde er mit dem Kunstpreis der Stadt Donauwörth ausgezeichnet.
Das Bild zeigt Thomas Fackler 1995 in Essen bei der Präsentation von MALSTROM.
Montag, 3. August 2020
TRIBALANCE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
NEUES AUS KLEINMACHNOW 2. Teil
Der Balanceakt zwischen schönem Spielobjekt und hohem Spielwert gelingt beim zweiten Spiel aus Kleinmachnow. Mit TRIBALANCE stellt Michael Sohre ein taktisches Waagespiel für zwei oder drei Personen vor, das einen Spitzenplatz in dieser Spielart verdient. Das Konkurrenzprodukt dieses Jahres von Ravensburger, die BÄRENWAAGE, ist produktionstechnisch ein totaler Flop, da die kleinen Bären ständig aus ihren Waagepositionen kippen. Auch das kleine Mitbringspiel BALANCE von Heinz Meister kommt nicht an TRIBALANCE heran. Von älteren Spielen wie WAAGEMUT (Parker und Schmidt) und KIPPLING (Ravensburger), entspricht das Ravensburger Spiel Frank Thibaults noch am ehesten der spielerischen Qualität des neuen Produktes aus dem Hause Theta Promotion.
TRIBALANCE wird in einer dreieckigen Schachtel angeboten mit einem dreieckigen schwarzen Holzspielbrett und einem Holzrahmen. Vor jedem Spiel muss das Brett auf einer Kugel parallel zum Rahmen ausbalanciert werden. Das ist anfangs eine ganz schöne Fummelei, so ganz hundertprozentig stimmt es nie, aber das ist für den Spielablauf auch gut so.
Jeder der zwei oder drei Spieler erhält einen Satz gleichfarbiger Spielsteine in fünf unterschiedlichen Größen. Die Ringmarkierungen der Spielsteine kennzeichnen das jeweilige Gewicht von 1 bis 5 Gewichtseinheiten. Abwechselnd muss nun jeder Spieler versuchen, seine Steine auf möglichst optimale Spielfelder zu setzen. Das Spielbrett besitzt 27 Felder, denen ebenfalls Wertungspunkte von 1 bis 5 zugeordnet sind. In den drei Ecken, wo der Ausschlag des Brettes am größten ist, gibt es fünf Punkte, zur Mitte hin werden es immer weniger. Das Gewicht des Steines mit dem Wert des Feldes multipliziert, ergibt die Punktzahl für einen gesetzten Stein. Bei einem gültigen Spielzug muss die Waage noch in der Luft sein, darf also nicht auf dem Rahmenrand liegen. Theoretisch sind dadurch für den 5er-Stein 25 Punkte möglich, die Waage reagiert aber so sensibel, dass eine solche Konstellation unmöglich ist, zumal der Gegner eine solche Vorlage auch nicht machen würde.
Meistens ist man schon mit 15 Punkten für den großen Stein ganz gut bedient. Ist ein Spielzug ungültig, liegt das Spielbrett also auf dem Rahmen, erhält der Spieler seinen Stein zurück und der nächste ist an der Reihe. Wenn keiner mehr setzen kann, endet das Spiel. Es kann durchaus passieren, dass man nicht alle seine Steine in einer Runde platzieren kann. Genauso ist es möglich, dass einer der Spieler, der nie oder selten einen Stein zurücknehmen musste, frühzeitig fertig ist, während die anderen Spieler munter weitersetzen können, bis nichts mehr geht.
Mit TRIBALANCE hat Theta Promotion einen ähnlichen Volltreffer wie mit PUSHER gelandet. Auf den ersten Eindruck wirkt das Spiel kalkulierbar. Exakte Berechnungen sind aber zum Glück nicht möglich, das Spiel würde sonst schnell langweilig werden. Diese dreiseitige Waage hat es in sich, manchmal verkraftet sie noch einen 4er-Stein auf einem 4er-Feld, manchmal scheitert man mit dem 5er auf einem sicher geglaubten 2er Feld. Auch die Spieltaktik kommt nicht zu kurz, der Wertungsmechanismus erweist sich als dynamisches Element. Strittig ist oft nur, ob ein Spielzug nun gültig war oder nicht. Wir haben in unseren Spielrunden den "Spielregeltest" eingeführt: Lässt sich eine Seite der Spielregel noch problemlos unter das Spielbrett schieben, dann gilt der Zug. Unstrittig war bisher bei allen Spielern das Schlussurteil: Ein tolles Spiel, das zu vielen Spielrunden einlädt.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: TRIBALANCE
Verlag: Theta
Autor: Michael Sohre
Spielerzahl: 2-3
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: 90.- DM
Die Rezension erschien 1995 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 9/1995 R 93/2020
Zu den Autoren:
Michael Sohre war neben Wolfgang Großkopf der erste Spieleautor aus der DDR, der im Westen präsent war. Sohre war zu DDR-Zeiten Produktionsleiter für die Defa, aber auch schon vor 1989 interessierte sich der ausgebildete Werkzeugmacher für die Spielzeugentwicklung und entwarf Baukastensysteme.
1993 gründete er mit dem Bonner Werner Falkhof, der gerade mit PUSHER reüssierte (Auswahlliste 1993) den Theta Verlag, der 1995 für Sohres TRI-BA-LANCE mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet wurde und in Frankreich den „Super As D’Or“ erhielt. Folgeprodukte wie HEADQUARTER und HANDICAP waren weitere herausragende Spiele.
Die Designobjekte von Theta setzten sich leider nie so richtig durch. Zwischenzeitlich übernahm sie ASS, dann stellte die Firma aber ihre Produktion ein.
Seit der Jahrtausendwende experimentierten beide in Kleinmachnow mit einem Material, das zu neuer ästhetischer Qualität im Brettspielbereich führen sollte. Sohre wandte sich vom Holz ab und begab sich auf die Suche nach Möglichkeiten, Kunststoffe zu ersetzen. Ihr Ergebnis nannten sie „THETA-Stone“. Ihr Geheimrezept lässt wie Steinholz eine sehr kurze kalte Aushärtung von nur zwei Stunden zu. Abgeformt wurde in kostengünstige Kautschukformen, Figuren, Objekte einzeln, Spielsteine in Platten, die mit Wasserstrahltechnik exakt geschnitten werden. Die Nachbearbeitung fand wie bei Holzfiguren in Schleiftrommeln statt. In Spielen wie LETTER STONE und einer Neuauflage von MINOTAURUS zeigten sie die Qualitäten des Stoffes.
2011 verstarb Sohre leider viel zu früh mit 62 Jahren, drei Tage vor seiner liebsten Spielemesse in Essen.
Das untere Bild zeigt Michael Sohre in Essen 1995 mit TRIBALANCE im Hintergrund, die obere Aufnahme stammt von der Spiel in Essen 1994.
Sonntag, 2. August 2020
WESTWÄRTS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
WESTWÄRTS
Es geht nichts über die liebevolle Spielegestaltung eines Kleinverlags. Ich mag diese Spiele, die das Flair des Prototypens bewahren, Atmosphäre ausstrahlen, zu denen auch kleine Unebenheiten gehören, da Hand- und Klebearbeit gespürt und gerochen werden kann. Ein solches Spiel ist WESTWÄRTS von Marion und Andreas Dettelbach aus Stuttgart, die grafisch geschickt, mit spielerischem Gespür und wahrscheinlich in unendlich vielen Stunden Heimarbeit ihr Spiel in Kleinauflage produziert haben.
WESTWÄRTS ist ein Treckspiel im Wilden Westen, in dem Mc Trucker einen Nachfolger sucht, der, wie er es jahrelang gemacht hat, die Siedlertrecks sicher durch Weideland, Wüsten- und Berggebiete, vor allem aber auch durchs Indianerland bringen kann. Dafür muss man einen Treck mit zwanzig Wagen richtig organisieren können, was sich im Laufe des Spiels als ganz schön schwierig erweist.
Zwei bis sechs Spieler machen sich an die Treckorganisation. Zwanzig Wagenkarten mit vielen Siedlern und Goldgräbern und Sonderkarten mit einem Scout, Lehrer, Koch und Totengräber sind mit im Treck. Dreißig Auftragskarten wollen erledigt werden. Vier der Aufträge liegen auf einer Angebotstafel offen bereit, ein, zwei oder drei Goldnuggets gibt es für die Auftragserfüllung. Die Treckbewegung wird über Spielkarten gesteuert, von denen jeder Spieler drei auf der Hand hält.
Der Spielablauf ist recht simpel, die Erfüllung der Aufträge allerdings nicht immer. Mit den Spielkarten bringt man den Treck auf Trab. Einfach ist die Treckumorganisation bei Aufträgen, bei denen zum Beispiel der Koch nicht im Weideland sein darf. Meist lässt sich eine solche Anweisung schon mit einfachen Bewegungskarten erfüllen, in denen ein beliebiger Wagen drei Felder vorziehen darf. Hat man die "Koch-Karte", der seinen Platz mit irgendeinem Wagen tauschen darf, auf der Hand, wird die Angelegenheit ganz einfach. Schwieriger sind Auftragskarten, die mehrere Bedingungen stellen. Da soll zum Beispiel ein Landgebiet mit zwei Goldgräbern, ein anderes mit drei Siedlern ausgestattet sein, oder der Lehrer soll sich zwischen einem Siedler und einem Goldgräber aufhalten. Da wird es knifflig und reizvoll.
WESTWÄRTS ist ein vielseitiges Spiel! Spielreiz auf der einen Seite, aber auch der eingangs beschriebene optische und haptische Genuss an der Kleinstauflage, Spielkärtchen, die auf Korkplatten aufgezogen sind und "echte" kleine Goldnuggets, 71 an der Zahl: Das hat was!
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: Westwärts
Verlag: Spielteufel; Eisenhutweg 4, 70374 Stuttgart
Autor: Marion und Andreas Dettelbach
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 60 bis 90 Minuten
Preis: 50.- DM
Die Rezension erschien 1995 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 8/1995 R 92/2020
Zum Spiel, Verlag und zu den Autoren:
Andreas und Marion Dettelbach haben den Kleinstverlag Spielteufel 1995 gegründet, um ihre Spiele in liebevoller Handarbeit gefertigt, an die Frau oder an den Mann zu bringen. Fast in einem regelmäßigen Rhythmus von fünf Jahren zwischen 1995 und 2011 brachten sie meist jeweils zwei Spiele heraus.
Sie starteten 1995 mit dem hier beschriebenen WESTWÄRTS, hinzu kam FETTE KÜHE. 1999/2000 folgten SCHWIMMER IN DER WÜSTE und WELT DER WINDE. 2005 kamen ABUSIR und mit AGGERSBORG, das einzige Spiel eines Gastautors (Uwe Fischle). In einer letzten Phase zwischen 2009 und 2011 erschienen noch 1314 A.D., DAS GEHEIMNIS VON TRELLEBORG und DIE TRÄNEN DER GÖTTER.
Bei einem anderen Verlag erschien nur ein einziges Spiel der Dettelbachs, 1999 das Ablegespiel PULS bei Adlung.
Aus der Anfangszeit des Verlags stammt das Foto, es zeigt Andreas Dettelbach auf dem Autorentreffen 1996 in Göttingen.
Samstag, 1. August 2020
FLASCHENPOST
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Würfelmemory für Kinder
In den letzten Jahren gibt es immer häufiger bekannte Spieleautoren, die sich dem Sektor Kleinkinderspiel widmen. Der einzige Profiautor Deutschlands, Wolfgang Kramer, 1995 bei Haba mit PIEPMATZ erfolgreich, versucht sich in diesem Jahr bei Selecta erneut in diesem Genre. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und sollte Ansporn für Kramer sein, sich noch häufiger im Kinderspielebereich zu engagieren.
Das Spiel FLASCHENPOST ist ein Würfel-MEMO für zwei bis sechs Spieler ab vier Jahren. Auf neun großen Wasserfeldern "schwimmen" vier Holzflaschen, die eine Botschaft enthalten. 16 Botschaften, kleine Holzkärtchen, müssen insgesamt vom Startfeld bis ins Zielfeld gebracht werden. Sie werden am Anfang geheim von den Spielern in die Flaschen gesteckt, erst im Laufe des Spiels hat man die Möglichkeit auf Spezialfeldern und bei bestimmten Würfelsymbolen sich fremde Botschaften anzusehen, auch Flaschen miteinander zu vertauschen.
Obwohl maximal "nur" vier Flaschen unterwegs sind, ist es ganz schön schwer, die Übersicht zu behalten. Jeder darf jede Flasche ziehen und sie dem Zielfeld näherbringen. Ist dort eine Flasche angelangt, kennt man hoffentlich noch ihren Inhalt, denn dann darf man das Holzkärtchen behalten.
Eine MEMO-Variante, die ihre Spielspannung durch die ständigen Positionswechsel gewinnt und in der Kinder vor erwachsenen Mitspielern meist die Nase vorn haben. Deshalb eignet sich FLASCHENPOST hervorragend als Familienspiel.
WIELAND HEROLD
Spieletelegramm:
Titel: Flaschenpost
Verlag: Selecta
Autor: Wolfgang Kramer, Richard Ulrich
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 4 Jahre
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 30.- DM
Die Rezension erschien 1996 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 12/1996 R 91/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Wolfgang Kramer ist neben Reinhold Wittig der dienstälteste Spieleautor in Deutschland und der erste, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Der gelernte Betriebswirt und Informatiker hängte 1989, nach zwei Spiel des Jahres-Auszeichnungen seinen Beruf an den Nagel und lebte fortan vom Spielerfinden.
Sein erstes Spiel TEMPO erschien 1974 bei ASS, HEIMLICH & CO. war sein erstes Spiel des Jahres (1986), es folgte gleich danach AUF ACHSE. In vielen seinen späteren Erfolgen war er mindestens im Team unterwegs. Bei EL GRANDE (SDJ 1996) begleitete ihn Richard Ulrich und bei TIKAL und TORRES Michael Kiesling.
Die Zusammenarbeit mit Ulrich begann 1992, zu den erfolgreichsten Spielen der beiden Autoren gehören neben EL GRANDE, DIE FÜRSTEN VON FLORENZ (2000) und DIE HÄNDLER (1999).
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