Dienstag, 30. November 2021
GO! GORILLA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Plastikorgie, die Spaß macht: GO! GORILLA
Ich hätte nicht gedacht, dass mir ein Plastikhügel mit sechs drehenden Palmen Vergnügen bereiten könnte. Meistens mache ich einen großen Bogen um die üblichen wackelnden, röhrenden, hervorspringenden Plastikorgien, die bei den Kids Begeisterungsstürme erzeugen und bei mir nur Kopfschütteln, stets verbunden mit dem Impetus, dass diese Beschäftigung pädagogisch und spielerisch keinen Wert habe.
Runter vom hohen Ross, ran an die Palmenhebel bin ich erst gekommen, nachdem die Begeisterung nicht nachließ, nachdem Woche für Woche immer wieder das eine Spiel nachgefragt wurde. Da wurden Erinnerungen wach an eine Zeit vor 15 Jahren als ein Flieger über Hühnerhöfe kreuzte und Kinder und Erwachsene an einer bestimmten Bewegung ihres Zeigefingers zu erkennen waren. Was LOOPING LOUIE damals war, scheint GO! GORILLA heute zu sein, der tippende Zeigefinger spielt immer noch mit. Heute hebt er dabei mittels eines großen Palmenblattes einen rotierenden Palmenbaum. Das batteriebetriebene Aktionsspiel von Goliath kann nur zu zweit oder in der Teamvariante zu viert gespielt werden. Eine große Plastikinsel wird an den Längsseiten mit vier kleinen Palmen bestückt, die mithilfe herausragender Palmblätter angehoben werden. im Zentrum und an der Spitze der Insel befinden sich zwei deutlich größere Palmen. An die beiden außenstehenden kleinen Palmen werden Plastikgorillas gehängt, die wie der Flieger in LOOPING LOUIE nun ihre Kreise drehen, sobald GO! GORILLA gestartet wird. Da alle Palmen rotieren und die Greifarme der Menschenaffen ein Weiterhangeln ermöglichen, muss nur die Höhenabstimmung geregelt werden. Wenn der Gorilla samt Palmenstamm auf die passende Höhe gehoben und gesenkt wird, dreht er seine Runde an der großen mittleren Palme weiter, kann von der zweiten kleinen Palme übernommen werden, um sich schließlich auf die Zielpalme zu schwingen. Wer zuerst seine fünf Gorillas über die Wipfel der Palmen ins Ziel geführt hat, gewinnt das Spiel.
Alles wäre ganz einfach, wenn man nur die Affen auf seiner Seite einhängen und abnehmen könnte. Da sie sich drehen, geraten sie natürlich in die Reichweite der Gegenseite. Das ist die Voraussetzung für ein fetziges Duell. Sobald die Affen in den Umkreis der Palmen gelangen, können sie mit kräftigem Druck auf das Palmenblatt schnell in die Luft katapultiert werden, was ihren jähen Absturz zur Folge hat. Gut, dass die Rotationsrichtung häufig wechselt, da geübte Spieler bei passender Drehrichtung sogar ohne Fremdberührung auskommen können.
Spiel und Ärgerfaktor sind mit dem Klassiker von MB vergleichbar. Die Spieldauer ist zusätzlich durch eine Abschaltautomatik begrenzt, nach sechs Minuten drehen sich die Palmen nicht mehr. Dann ist zumindest eine Spielrunde beendet, was allerdings nie bedeutet, dass GO! GORILLA abgeschaltet wird, die Suchtwirkung des reisenden Piloten lässt sich auch bei den hangelnden Affen feststellen. Wenn sie durch die Luft fliegen und wieder an den Start gebracht werden müssen, ist die Schadenfreude ebenso groß wie bei den getroffenen Hühnern. GO! GORILLA ist ein würdiger Nachfolger von LOOPING LOUIE. Erwachsene und Kinder setzen sich mit Begeisterung dem Palmendreh aus. Die voranschreitende Technik hat dem Nachfolger allerdings einen Musikchip beschert, auf den der Flugzeugpilot noch verzichten musste. Mich stört diese laute Dschungelatmosphäre gewaltig, für Kinder gehört sie unverzichtbar hinzu. Leider hat die Firma Goliath einen Lautstärkeregler oder Schalter zum Abstellen der Dudelei vergessen, aber das bleibt auch das einzige „leider“ bei diesem fetzigen Dschungelspiel.
Titel: GO! GORILLA
Verlag: Goliath
Autor: o.A.
Graphik: o.A.
Spieleranzahl: 2 oder 4
Alter: ab 7 Jahren
Dauer: 6 Min.
Preis: ca. 35 Euro
Spiel 2/2009 R 212/2021 Rezension erschien 2009 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel:
GO! GORILLA ist erst in der Goliath-Fassung auf den deutschen Markt gekommen, obwohl es bei MB als Nachfolger von LOOPING LOUIE schon 2000 unter dem nicht so attraktiven Titel HANG IN THERE erschien.
Der Erfolg in Deutschlang führte GO! GORILLA 2009 auf die Empfehlungsliste für das Kinderspiel des Jahres.
Auf BGG wird das Spiel mit einer Wertung von 6,0 auf Rang 215 bei den Kinderspielen geführt (Stand 21.11.21).
Montag, 29. November 2021
GEMBLO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wer BLOKUS kennt, kennt GEMBLO
Nichts Neues also, was Schmidt 2009 in Nürnberg präsentierte. Zumal GEMBLO, aus Korea stammend, seit 2005 auf dem Weltmarkt ist und bisher von der südkoreanischen Firma Dagoy Games (DG) vertrieben wurde. 2007 wurde es erstmalig auf der Spiel in Essen präsentiert. Diese Form der taktischen Legespiele gehört wohl inzwischen in jedes Verlagsprogramm. Winning Moves hatte BLOKUS, nun freut sich Mattel über diesen Dauerbrenner. Kosmos hat um das erfolgreiche EINFACH GENIAL eine ganze Reihe aufgebaut, bei der neben Knizias Spiel besonders UBONGO erfolgreich ist, auch Ravensburger mischt nun kräftig mit und schickt mit FITS einen reizvollen TETRIS-Ableger ins Rennen. Kein Wunder, dass Schmidt für sein Portfolio eine Alternative sucht, zumal die Berliner Firma im letzten Jahr mit dem UBONGO-Klon CODE OMEGA keine Lorbeeren ernten konnte.
Diesmal lehnt sich Schmidt mit dem Spiel von Justin Oh also an BLOKUS an. Das Spielbrett ist wie bei BLOKUS TRIGON ein Sechseck, die Spielsteine unterscheiden sich allerdings deutlich. Die GEMBLO-Steine bestehen aus 108 Sechseckteilen in sechs Farben, die ähnlich wie beim Vorbild in unterschiedlichen Formen aus ein bis fünf Sechsecken zusammengefügt sind. Fairerweise muss an dieser Stelle festgestellt werden, dass die Sechseck-Variante von BLOKUS durchaus sogar von GEMBLO beeinflusst sein könnte, da diese erst 2006 auf den Markt kam. Die Grundidee des raumgewinnenden Legens, das den Gegner einschränkt, eigene Raumoptionen letztlich eröffnen soll, stammt aber von dem 2000 veröffentlichten BLOKUS. Damit ein Plagiatsvorwurf nicht greift, gibt es selbstverständlich eine andere Legeregel: müssen die BLOKUS-Steine sich über Eck berühren, dürfen dies die GEMBLO-Steine gerade nicht.
Abhängig von der Spielerzahl wird GEMBLO auf dem ganzen Brett oder in Teilbereichen gespielt. Die entsprechenden Markierungen zu erkennen, ist anfangs etwas mühsam, man gewöhnt sich aber daran. Jeder startet mit einem beliebigen Spielstein von einem zugeordneten Eckfeld aus. Ab dem zweiten Stein gelten die anderen Legeregeln. Es wirkt schon etwas arg an den Haaren herbeigezogen, wenn diese Regel besagt, dass direkte Berührung der eigenen Steine untersagt wird, aber trotzdem eine Abstands- oder „Nähe“-Regel zu berücksichtigen ist. Der neu gelegte Stein muss im Abstand von exakt einem Feld von einem vorhergelegten eigenen Stein gesetzt werden. Damit sind die Unterschiede beschrieben, gespielt wird, wie gewohnt, bis kein Spielstein mehr gelegt werden kann. Sieger ist der, der die meisten Steine loswerden konnte.
Alle Vorzüge, die für BLOKUS gelten, darf auch GEMBLO für sich beanspruchen: Ein schneller Spielzugang durch die einfachen Regeln, eine überschaubare Spieldauer, die Revancherunden zulässt, durchaus attraktives Spielmaterial, wobei der ästhetische Mondrian-Effekt von BLOKUS sich bei dem Farbgewirr von GEMBLO nicht einstellen kann. Dafür ermöglicht die Farb- und Formvielfalt Puzzleaufgaben für das Solospiel und lässt auch Raum für die eigene Kreativität. Ein weiterer Vorzug liegt in der größeren Spieleranzahl, da nun fünf und sechs Spieler das Spielbrett füllen können. Persönlich gefällt mir das Original weiterhin besser, GEMBLO ist letztlich unübersichtlicher, wirkt irgendwie konstruierter und hinkt damit bis auf wenige Ausnahmen dem Vorläufer hinterher. Wer BLOKUS noch nicht kennt, wird mit GEMBLO zufrieden sein, aber wer kennt schon BLOKUS nicht?
Titel: GEMBLO
Verlag: Schmidt
Autor: Justin Oh
Graphik:
Spieleranzahl: 1-6
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 20 Min.
Preis: ca. 29 Euro
Spiel 1/2009 R 211/2021 Rezension erschien 2009 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Justin Oh gehört zu den bekanntesten Spieleautoren Südkoreas. Für GEMBLO hat er 2003 den Verlag Gemblo Inc. gegründet, der knapp 30 Spiele von ihm in den letzten 18 Jahren veröffentlichte, ein Drittel davon GEMBLO-Varianten.
Neben GEMBLO ist in Deutschland vor allem sein KLING KLANG KLUNKER bekannt, das 2015 bei Pegasus erschien.
GEMBLO wird im Augenblick mit einer Wertung von 6,8 auf Platz 92 bei den abstrakten Spielen geführt (Stand 18.11.21), damit liegt es 48 Plätze hinter BLOKUS.
Das Foto stammt von Jon, User EYE of NIGHT auf BGG, und darf mit seiner Genehmigung hier benutzt werden.
Sonntag, 28. November 2021
ALCAZAR
SAMMELSURIUM
Ravensburger Traveller-Serie: ALCAZAR
Neben der Casino-Serie war die Traveller-Reihe in den 70er Jahren besonders beliebt. Sie erschien in zwei Schachtelformaten, zuerst als flache Ausgabe (202x202x28 mm; 1972 und 1973) und als etwas kleinere dickere Schachtel (190x190x36 mm; 1973-1978). Diese Schachtelform setzte sich durch und diente auch der Veröffentlichung weiterer Titel. Zur Serie gezählt werden aber nur Titel mit dem Logo „traveller serie“. Die Spiele in der Reihe waren fast durchweg Spiele für zwei Personen, meist taktische Spiele mit geringem Glücksanteil.
In der Reihe veröffentlichte Alex Randolph die meisten Spiele, zum Teil wie auch in der Casino-Serie unter dem Pseudonym L.W. Bones (PEGGINO). Daneben erschienen Klassikerausgaben wie REVERSI, GO und GOBANG, TANGRAM, SOGO und 3x16, das alte NÜMMERCHEN.
Herausragend sind für mich die Randolph-Spiele WÖRTERKLAUER, BANDA und HEPTA. Immer wieder gut ist RACKO, das es aber auch in vielen anderen Ausgaben von Ravensburger gibt.
ALCAZAR
ALCAZAR von Martin Davison gehört zu den letzten Spielen dieser Reihe, die 1978 erschienen sind. Es ist das erste Spiel von Davison, der danach aber noch MACAO (1982) und DAS SCHMETTERLINGSSPIEL für Ravensburger veröffentlicht hat. 1984 erschien dann noch CATS‘ MANSION u.a. bei Spear und Schmidt.
Davisons Traveller-Spiel lebt atmosphärisch von der dreidimensionalen Burgturmlandschaft, die das Spielfeld mit 25 Türmen ausmacht, die an den Eckfeldern eines Rasters von 4x4 Feldern stehen. Die beiden Kontrahenten besitzen jeweils eine große Ritterfigur, mit der sie bis zum Eckfeld des Gegners vorzudringen versuchen. Möglich ist auch der Spielsieg, indem man einfach den Gegner einschließt. Dafür dienen acht Mauern, die einfach in die Turmzinnen eingehängt werden. In der Startsituation schützen sie den jeweils eigenen Startbereich, was gleichzeitig auch bedrohend sein kann, da jede Mauer von jedem Spieler bewegt werden darf.
Wer am Zug ist setzt seinen Ritter, was spätestens beim dritten Mal passieren muss. Die Ritter ziehen orthogonal nur ein Feld weit. Das Versetzen der Mauern geschieht schwingend um die beiden Türme herum, an denen sie hängen. Man wählt einen Turm und versetzt die Mauer um 90 °, 180 ° oder 270°. Diese Mauerbewegungen können den Gegner einengen, eventuell sogar einschließen. Da der Spielfeldrand automatisch als Mauer zählt, sollten die Ritter sich schon eher zentral bewegen, da der Gegner dann vier Mauerteile oder mit dem eigenen Ritter für die Umzingelung braucht. Gelingt das, ist das Spiel beendet. Sonst steht der Sieger nur dann fest, wenn der Gegner das feindliche Ausgangsfeld erreicht. Was theoretisch gar nicht so schwer scheint, da es nur sechs Schritte bis dorthin sind, wenn denn da nicht die Mauern wären.
Das Spiel beginnt spannend, da schon die vier Mauern am Anfang mehr Bedrohung als Schutz darstellen. Jederzeit muss man bedenken, dass jede Mauerwendung auch Schaden für den eigenen Ritter bedeuten kann. Es macht schon Sinn schnell loszumarschieren, da das Ziel erreichbar scheint. Wer gute räumliche Vorstellungen hat, besitzt sicherlich Vorteile bei ALCAZAR.
Ein attraktiv umgesetztes Spiel, das auf die Dauer aber doch redundant wird. Der Mensa Select Gewinner 1997 QUORIDOR erinnert etwas an ALCAZAR.
Titel: ALCAZAR
Autor: Martin Davison
Grafik: o.A.
Verlag: Ravensburger
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15-20 Minuten
Preis: ca. 20 DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 48 – S48/2021
Ravensburger Traveller-Serie: ALCAZAR
Neben der Casino-Serie war die Traveller-Reihe in den 70er Jahren besonders beliebt. Sie erschien in zwei Schachtelformaten, zuerst als flache Ausgabe (202x202x28 mm; 1972 und 1973) und als etwas kleinere dickere Schachtel (190x190x36 mm; 1973-1978). Diese Schachtelform setzte sich durch und diente auch der Veröffentlichung weiterer Titel. Zur Serie gezählt werden aber nur Titel mit dem Logo „traveller serie“. Die Spiele in der Reihe waren fast durchweg Spiele für zwei Personen, meist taktische Spiele mit geringem Glücksanteil.
In der Reihe veröffentlichte Alex Randolph die meisten Spiele, zum Teil wie auch in der Casino-Serie unter dem Pseudonym L.W. Bones (PEGGINO). Daneben erschienen Klassikerausgaben wie REVERSI, GO und GOBANG, TANGRAM, SOGO und 3x16, das alte NÜMMERCHEN.
Herausragend sind für mich die Randolph-Spiele WÖRTERKLAUER, BANDA und HEPTA. Immer wieder gut ist RACKO, das es aber auch in vielen anderen Ausgaben von Ravensburger gibt.
ALCAZAR
ALCAZAR von Martin Davison gehört zu den letzten Spielen dieser Reihe, die 1978 erschienen sind. Es ist das erste Spiel von Davison, der danach aber noch MACAO (1982) und DAS SCHMETTERLINGSSPIEL für Ravensburger veröffentlicht hat. 1984 erschien dann noch CATS‘ MANSION u.a. bei Spear und Schmidt.
Davisons Traveller-Spiel lebt atmosphärisch von der dreidimensionalen Burgturmlandschaft, die das Spielfeld mit 25 Türmen ausmacht, die an den Eckfeldern eines Rasters von 4x4 Feldern stehen. Die beiden Kontrahenten besitzen jeweils eine große Ritterfigur, mit der sie bis zum Eckfeld des Gegners vorzudringen versuchen. Möglich ist auch der Spielsieg, indem man einfach den Gegner einschließt. Dafür dienen acht Mauern, die einfach in die Turmzinnen eingehängt werden. In der Startsituation schützen sie den jeweils eigenen Startbereich, was gleichzeitig auch bedrohend sein kann, da jede Mauer von jedem Spieler bewegt werden darf.
Wer am Zug ist setzt seinen Ritter, was spätestens beim dritten Mal passieren muss. Die Ritter ziehen orthogonal nur ein Feld weit. Das Versetzen der Mauern geschieht schwingend um die beiden Türme herum, an denen sie hängen. Man wählt einen Turm und versetzt die Mauer um 90 °, 180 ° oder 270°. Diese Mauerbewegungen können den Gegner einengen, eventuell sogar einschließen. Da der Spielfeldrand automatisch als Mauer zählt, sollten die Ritter sich schon eher zentral bewegen, da der Gegner dann vier Mauerteile oder mit dem eigenen Ritter für die Umzingelung braucht. Gelingt das, ist das Spiel beendet. Sonst steht der Sieger nur dann fest, wenn der Gegner das feindliche Ausgangsfeld erreicht. Was theoretisch gar nicht so schwer scheint, da es nur sechs Schritte bis dorthin sind, wenn denn da nicht die Mauern wären.
Das Spiel beginnt spannend, da schon die vier Mauern am Anfang mehr Bedrohung als Schutz darstellen. Jederzeit muss man bedenken, dass jede Mauerwendung auch Schaden für den eigenen Ritter bedeuten kann. Es macht schon Sinn schnell loszumarschieren, da das Ziel erreichbar scheint. Wer gute räumliche Vorstellungen hat, besitzt sicherlich Vorteile bei ALCAZAR.
Ein attraktiv umgesetztes Spiel, das auf die Dauer aber doch redundant wird. Der Mensa Select Gewinner 1997 QUORIDOR erinnert etwas an ALCAZAR.
Titel: ALCAZAR
Autor: Martin Davison
Grafik: o.A.
Verlag: Ravensburger
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15-20 Minuten
Preis: ca. 20 DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 48 – S48/2021
Samstag, 27. November 2021
KINGS & CREATURES
KINGS & CREATURES
Nicko Böhnke startet als Spieleautor durch. Gleich auf drei Erstveröffentlichungen bringt er es 2021. Zweimal ist er bei HUCH! mit FABULA RASA: CRIME und SEEMANNSGARN vertreten, einmal bei Zoch mit KINGS & CREATURES.
In einer sagenhaften Ritterwelt mit Burgen, Königen, Schatztruhen, Fabelwesen und tapferen Recken, die wir auf 110 Karten wiederfinden, spielt sich ein „Kräftemessen der Heroen“ ab. Über fünf Spielrunden versucht jeder, seine Auslage zu optimieren. Im Idealfall hat dann jeder neben seiner Burg 15 Karten vor sich liegen.
Sämtliche Karten sind durchnummeriert, was den Spielablauf steuert. Jeder startet mit einer Schlosskarte, der Besitzer der Burg mit der „1“ beginnt. Spielerabhängig liegt eine bestimmte Anzahl von Karten offen aus, von denen dieser Burgbesitzer eine auswählt. Da gibt es die Helden, Ritterfiguren, die nach jeder Runde gewertet werden. Dann die Fabelwesen, die so viele Punkte bringen, wie man verschiedene Wesen sammeln konnte. Wer fünf von den sechs Wundertieren am Ende hat, dessen Karten sind damit jeweils fünf Punkte wert. Bei den Legenden-Karten geht es darum, eine bestimmte Anzahl verschiedener Kartenwerte zu sammeln, das bringt dann Siegpunkte. Am einfachsten sind die Schätze zu berechnen, da zählt nur der aufgedruckte Siegpunktwert. Bleiben noch die Könige, die Herrscher einer Kartensorte sind. Punkte bringen sie stets nur im Mehrheitsvergleich mit dem linken und rechten Nachbarn. Ebenso werden die Ritter Runde für Runde gewertet, wobei es aber immer mehr zu gewinnen gibt, sodass durchgehende Ritterdominanz am Ende mit 30 Ruhmespunkten in die Schlussbilanz eingeht.
Kartengruppen und Wertungsspezifika sind erst einmal nichts Besonderes, der Reiz von KINGS & CREATURES besteht in der Verführung durch hohe Kartenzahlen. Da locken das einmalige Einhorn und wertvolle Schätze jenseits der 100er Grenze, aber nimmt man die, dann bleiben oft nur unsteuerbare Restkarten übrig, denn man wird erst am Ende wieder dran sein. Wer kleinere Zahlensprünge macht, wird gut seine Knappenschar zum Schutze der Burg aufbauen können und im Vorfeld schon Fabelwesen abgreifen, die leichter zu bekommen sind. Jeder darf nur drei Karten pro Runde sammeln. Schluss kann schon vorher sein, wenn man eine Karte nimmt, die niedriger ist als der Kartenwert davor.
Diese Sammelaktionen laufen identisch über die fünf Spielrunden ab. Nach jeder Runde werden die Ritterwerte abgeglichen und Punkte vergeben. Am Ende gibt es dann die große Bilanz mit Schätzen, Fabelwesen, Legenden und Königsmehrheiten.
KINGS & CREATURES funktioniert mit Blick auf die Ritter, Schätze und Fabelwesen tadellos, die Abhängigkeiten, die sich aus den Königskarten und vor allem den Legendenanforderungen ergeben, sind doch recht zufällig, vor allem wenn es um viele Punkte geht. Da taucht die notwendige vierte Schatzkarte partout nicht auf oder wird einem vor der Nase weggeschnappt. Da es keine weitere Interaktion mit den Mitspielern gibt, die Optionen wie das Wegnehmen von Karten beinhalten, hat mein keine Chance und kann so ein oder zwei Karten gar nicht werten. So ganz rund fühlt sich das Spiel daher nicht an, unterhaltsam, ja, aber an manchen Stellen auch frustrierend und unsteuerbar.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: KINGS & CREATURES
Autor: Nicko Böhnke
Grafik: Stephan Lorenz
Verlag: Zoch
Spieler: 2-6
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 72/2021
Freitag, 26. November 2021
MAULWURFSHÖHLE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Besetzt die Maulwurfhügel!
Die Titelgrafik verspricht ein lustiges Kinderspiel rund um Maulwürfe, aber man lasse sich nicht täuschen, das was drinsteckt, ist ein raffiniertes strategisches Schmankerl, das Rombol thematisch eingepackt als Familienspiel für 2 - 4 Spieler vermarktet. Für DIE MAULWURFSHÖHLE von Michael Stetter ist schon ein bisschen Hirnschmalz nötig. Auch wenn der Verlag es ab 8 Jahren für spielbar hält, sollten mitspielende Kinder mindestens zwei Jahre älter sein. Im Grunde genommen sind die Regeln zwar leicht zugänglich, das was sich in der Maulwurfwelt abspielt, ist dann aber doch ganz schön vielseitig.
Wer bei einem Rombol-Spiel hochwertige Holzausstattung erwartet, wird eventuell enttäuscht sein: Spielregel, großer Pappspielplan und gut 40 Pappchips als Spielsteine, das ist das ganze Equipment. Der Plan stellt einen großen Garten mit einhunderteinundachtzig Feldern dar, in dessen Zentrum sich neun Maulwurfshügel befinden. Der Garten ist zusätzlich durchwühlt mit 32 Tunneleingängen, die unterirdisch alle miteinander verbunden sind, so dass den Maulwürfen ein überraschendes Auftauchen fast überall möglich ist. Jeweils neun Maulwürfe platziert jeder Spieler nach fester Vorgabe auf den Spielfeldrändern. Außerdem hat jeder Spieler noch zwei Marker mit einem „Besetzt“- Schild, zur Kennzeichnung von in Besitz genommenen Hügeln. Sobald das zweite Schild platziert wird, endet das Spiel, was in Vollbesetzung gut eine Stunde dauern kann.
Die Zugmöglichkeiten sind simpel: Ein Maulwurf-Chip zieht stets nur ein Feld orthogonal oder diagonal weit. Auf einen Hügel darf nicht direkt gezogen werden, sondern - und hier verlässt unser Spiel seine thematische Glaubwürdigkeit und wird strategisch abstrakt - er muss für die Eroberung orthogonal umzingelt werden. Wenn also vier Maulwürfe Ringelreihen um einen Hügel tanzen, dann darf die „Besetzt“-Flagge gehisst werden. 36 Maulwürfe kommen sich trotz des großen Spielfeldes im Kampf um die rund 60 zentralen Felder ganz schön ins Gehege. Um da flexibel zu sein, mach die Nutzung des Tunnels Sinn. Ist ein Maulwurf auf einem Tunneleingang, darf er sofort graben, das heißt, er verschwindet im Erdreich und taucht auf einem beliebigen Tunnelausgang irgendwo auf dem Spielbrett wieder auf. Ein zweiter Effekt, ich nenne ihn einfach ABALONE-Effekt, hilft ebenfalls im Gedränge weiter. Wer auf ein besetztes Feld zieht, schiebt den dort befindlichen Maulwurf und eventuell noch weiter dahinterliegende in Zugrichtung ein Feld weiter. Dabei kann es vorkommen, dass Maulwürfe auf einen Hügel geschoben werden, diese sitzen dort fest und können nur durch eben diesen Schiebe-Effekt wieder befreit werden. Sollte ein solcher Hügel erobert werden, wird der gefangene Maulwurf als geschlagen betrachtet und aus dem Spiel genommen.
Das Spiel lebt von dem Beschleunigungsfaktor der Gänge. In Reichweite von je einem Feld Entfernung zu jedem Hügel befindet sich ein Gangausgang, so dass die Grabowskis schnell zu jedem Hügel eilen können. Sobald der Ausgang aber wieder freigemacht wird, kann ein Gegner im Rücken auftauchen und es besteht die Bedrohung, auf einen Hügel geschoben zu werden. Da müssen eigene Ketten aufgebaut werden, die aus dem Maulwurfsreigen eine Gefahr erwachsen lassen. Manchmal entsteht daraus besonders zu dritt und zu viert ein etwas langwieriges Hin und Her, das nur schwierig aufzulösen ist. Ein direktes Rückgängigmachen des vorangegangenen Zuges wird durch die Regel auch nicht ausdrücklich untersagt, was im Zweierspiel zu einer Pattsituation führen könnte. Trotzdem, gerade zu zweit macht DIE MAULWURFSHÖHLE Spaß. Zu viert sollte man eine in der Regel nicht vorgesehene Teamvariante ausprobieren, in der vier besetzte Hügel für den Sieg notwendig sind.
Titel: DIE MAULWURFSHÖHLE
Verlag: Rombol
Autor: Michael Stetter
Graphik:
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 30 – 60 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 12/2008 R 209/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Michael Stetters erstes Spiel war SCHACH4 (2006) bei Rombol. Es folgte dann ein Jahr später DIE MAULWURFSHÖHLE und zuletzt KONSTELLATION (2013), ebenfalls bei Rombol.
DIE MAULWURFSHÖHLE ist bewertungslos bei BGG.
Donnerstag, 25. November 2021
DIE KLEINE RAUPE NIMMERSATT – DAS KARTENSPIEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
NIMMERSATT wird 40: DIE KLEINE RAUPE NIMMERSATT – DAS SPIEL
Unter dem Titel “The very hungry Caterpillar“ erschien vor 40 Jahren ein Bilderbuch von Eric Carle, das mit seinen Löchern im Buch und seinen einfachen Zeichnungen zum Kinderbuchklassiker wurde. Mehr als 20 Millionen Bände des Kinderbuchs wurden verkauft und DIE KLEINE RAUPE NIMMERSATT verschaffte Carle damit seinen größten Erfolg.
Gerade auf der Welt, entwickelt die kleine Raupe einen enormen Appetit und frisst sich durch alles, was sie so finden kann, wird aber eine ganze Woche lang nicht satt. „Am Montag fraß sie sich durch einen Apfel, doch satt war sie noch lange nicht.“ Am Ende der Woche ist ihr schlecht, weil jeden Tag eine Obstsorte dazu kam und sie wechselt zu gesunder Blätternahrung. Das Buch gibt den Kindern nicht nur Ernährungstipps, es lässt die Zahlen, die Wochentage und etwas über das Wunder der Metamorphose lernen. Denn zum Schluss wird alles gut, da die Raupe Nimmersatt zu einem wunderschönen Schmetterling wird.
Google ließ die kleine Raupe zu ihrem Geburtstag durch das Firmenlogo kriechen, kein Wunder, dass spielerische Reminiszenzen nicht ausblieben. Die Rechte für den deutschen Markt hat die holländische Firma University Games erworben, die neben MEMO und PUZZLE ein Brett und Kartenspiel zum Jubiläum herausgebracht hat.
Nicht immer entpuppt sich das Hauptspiel auch als bestes Spiel. Leider gilt dies für die kleine Raupe aus Holland auch: Die Geschichte ist reduziert auf den Fressakt, der auf einem Rundkurs auf zwei Feldern stattfindet. Kinder, die das Buch kennen, sind enttäuscht, da fehlt der Bezug zu den Wochentagen, da findet der Früchteschmaus auf einem einzigen Feld statt mit gleich fünf Früchten. Ganz schwach fällt der Schlemmertag, der Samstag, aus. Von der Vielfalt der Völlerei der Raupe bleiben vier Picknick-Leckereien übrig, so dass gleich nach fehlenden Eiswaffeln und dem Loli gefragt wird.
Der Wiedererkennungswert für Kinder bei einem Spiel zum Buch muss groß sein. Kai Haferkamp ist der Autor, der sich genial in Astrid Lindgren, Ottfried Preussler und Co. hineinzudenken vermag und authentische Produkte schafft, die das Buch leibhaftig erleben lassen. Die fehlende Hand eines solchen Autors merkt man dem großen Jubiläumsprodukt an. Bearbeitet sind zwar die Bilder Carles, aber nicht seine Geschichte. Immerhin dürfen die Kinder mit den Plastikraupen die Essenskärtchen aufspießen, so dass die Löcher aus dem Buch hier auftauchen. Ursprünglich war das wohl nicht so geplant, denn auf der Rückseite der Schachtel sind noch kleine Papp-Körbchen zum Sammeln von Obst zu sehen. Hier hat zumindest ein Redakteur sich etwas Gedanken gemacht. Trotzdem, das Spiel lässt Kinder, die dieses Buch kennen und lieben, enttäuscht zurück.
Stimmiger läuft das Kartenspiel ab. Es ist sehr nah am Buch, enthält sogar die pädagogischen Elemente. Zwei bis vier Kinder erhalten jeweils eine Raupen-Karte und fünf weitere Spielkarten. Diese 50 großen Karten mit Abbildungen aus dem Buch enthalten 20 Karten zu den fünf Obsttagen von Montag bis Freitag, außerdem 16 Samstagkarten, bei denen es zwar auch nicht alle Speisen gibt, aber hier lässt es sich spieltechnisch gut erklären. Dann gibt es noch zehn Blattkarten für den Sonntag und vier Schmetterlingskarten.
Spielziel ist es, als erster seine Karten loszuwerden und die Raupe in einen Schmetterling zu verwandeln. Abgelegt werden muss in der Folge der Wochentage. Da die Blattnahrung für die Raupe als besonders gesund gilt, werden diese Karten als Joker benutzt. Am Samstag dürfen auch mehrere Karten gespielt werden, wobei die Leckereien sich aber nicht wiederholen dürfen. Zum Gewinnen notwendig ist, dass die Kinder eine Schmetterlings-Karte auf der Hand haben, die sie als letzte Karte ausspielen. Hier stimmt fast alles: der Durchlauf durch die Woche, die Zahl der Früchte, der Verwandlungsprozess der Raupe.
Das Spiel funktioniert, mit der Altersangabe ab drei Jahren überfordert der Verlag aber die ganz Kleinen. Im Grunde genommen müssen die Kinder lesen können, um mit den Wochentagen klarzukommen oder das Buch so gut verinnerlicht haben, dass sie jede Frucht dem passenden Tag zuordnen können. So umgesetzt, erhält Carles Kinderbuchklassiker auch spielerisch eine ansatzweise passende Geburtstagswürdigung.
Titel: DIE KLEINE RAUPE NIMMERSATT – DAS SPIEL
Verlag: University Games
Autor: o.a.
Graphik: Eric Carle
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 3 Jahren
Dauer: 20 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 31/2007 R 208/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 3 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Titel: DIE KLEINE RAUPE NIMMERSATT – DAS KARTENSPIEL
Verlag: University Games
Autor: o.a.
Graphik: Eric Carle
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 3 Jahren
Dauer: 10 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 32/2008 R 209/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Die beiden Spiele waren redaktionelle Bearbeitungen des Themas.
Sie werden auf BGG jeweils mit einer Wertung von 3,7 geführt. (Stand 16.11.21)
Wie im Text angedeutet, braucht es so jemanden wie Kai Haferkamp, um dem Thema gerecht zu werden. 2010 hat Schmidt die Umsetzungsrechte von Carle erworben. Die Fassung von Kai Haferkamp landete dann auch gleich auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury.
DIE KLEINE RAUPE NIMMERSATT – DAS SPIEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
NIMMERSATT wird 40: DIE KLEINE RAUPE NIMMERSATT – DAS SPIEL
Unter dem Titel “The very hungry Caterpillar“ erschien vor 40 Jahren ein Bilderbuch von Eric Carle, das mit seinen Löchern im Buch und seinen einfachen Zeichnungen zum Kinderbuchklassiker wurde. Mehr als 20 Millionen Bände des Kinderbuchs wurden verkauft und DIE KLEINE RAUPE NIMMERSATT verschaffte Carle damit seinen größten Erfolg.
Gerade auf der Welt, entwickelt die kleine Raupe einen enormen Appetit und frisst sich durch alles, was sie so finden kann, wird aber eine ganze Woche lang nicht satt. „Am Montag fraß sie sich durch einen Apfel, doch satt war sie noch lange nicht.“ Am Ende der Woche ist ihr schlecht, weil jeden Tag eine Obstsorte dazu kam und sie wechselt zu gesunder Blätternahrung. Das Buch gibt den Kindern nicht nur Ernährungstipps, es lässt die Zahlen, die Wochentage und etwas über das Wunder der Metamorphose lernen. Denn zum Schluss wird alles gut, da die Raupe Nimmersatt zu einem wunderschönen Schmetterling wird.
Google ließ die kleine Raupe zu ihrem Geburtstag durch das Firmenlogo kriechen, kein Wunder, dass spielerische Reminiszenzen nicht ausblieben. Die Rechte für den deutschen Markt hat die holländische Firma University Games erworben, die neben MEMO und PUZZLE ein Brett und Kartenspiel zum Jubiläum herausgebracht hat.
Nicht immer entpuppt sich das Hauptspiel auch als bestes Spiel. Leider gilt dies für die kleine Raupe aus Holland auch: Die Geschichte ist reduziert auf den Fressakt, der auf einem Rundkurs auf zwei Feldern stattfindet. Kinder, die das Buch kennen, sind enttäuscht, da fehlt der Bezug zu den Wochentagen, da findet der Früchteschmaus auf einem einzigen Feld statt mit gleich fünf Früchten. Ganz schwach fällt der Schlemmertag, der Samstag, aus. Von der Vielfalt der Völlerei der Raupe bleiben vier Picknick-Leckereien übrig, so dass gleich nach fehlenden Eiswaffeln und dem Loli gefragt wird.
Der Wiedererkennungswert für Kinder bei einem Spiel zum Buch muss groß sein. Kai Haferkamp ist der Autor, der sich genial in Astrid Lindgren, Ottfried Preussler und Co. hineinzudenken vermag und authentische Produkte schafft, die das Buch leibhaftig erleben lassen. Die fehlende Hand eines solchen Autors merkt man dem großen Jubiläumsprodukt an. Bearbeitet sind zwar die Bilder Carles, aber nicht seine Geschichte. Immerhin dürfen die Kinder mit den Plastikraupen die Essenskärtchen aufspießen, so dass die Löcher aus dem Buch hier auftauchen. Ursprünglich war das wohl nicht so geplant, denn auf der Rückseite der Schachtel sind noch kleine Papp-Körbchen zum Sammeln von Obst zu sehen. Hier hat zumindest ein Redakteur sich etwas Gedanken gemacht. Trotzdem, das Spiel lässt Kinder, die dieses Buch kennen und lieben, enttäuscht zurück.
Stimmiger läuft das Kartenspiel ab. Es ist sehr nah am Buch, enthält sogar die pädagogischen Elemente. Zwei bis vier Kinder erhalten jeweils eine Raupen-Karte und fünf weitere Spielkarten. Diese 50 großen Karten mit Abbildungen aus dem Buch enthalten 20 Karten zu den fünf Obsttagen von Montag bis Freitag, außerdem 16 Samstagkarten, bei denen es zwar auch nicht alle Speisen gibt, aber hier lässt es sich spieltechnisch gut erklären. Dann gibt es noch zehn Blattkarten für den Sonntag und vier Schmetterlingskarten.
Spielziel ist es, als erster seine Karten loszuwerden und die Raupe in einen Schmetterling zu verwandeln. Abgelegt werden muss in der Folge der Wochentage. Da die Blattnahrung für die Raupe als besonders gesund gilt, werden diese Karten als Joker benutzt. Am Samstag dürfen auch mehrere Karten gespielt werden, wobei die Leckereien sich aber nicht wiederholen dürfen. Zum Gewinnen notwendig ist, dass die Kinder eine Schmetterlings-Karte auf der Hand haben, die sie als letzte Karte ausspielen. Hier stimmt fast alles: der Durchlauf durch die Woche, die Zahl der Früchte, der Verwandlungsprozess der Raupe.
Das Spiel funktioniert, mit der Altersangabe ab drei Jahren überfordert der Verlag aber die ganz Kleinen. Im Grunde genommen müssen die Kinder lesen können, um mit den Wochentagen klarzukommen oder das Buch so gut verinnerlicht haben, dass sie jede Frucht dem passenden Tag zuordnen können. So umgesetzt, erhält Carles Kinderbuchklassiker auch spielerisch eine ansatzweise passende Geburtstagswürdigung.
Titel: DIE KLEINE RAUPE NIMMERSATT – DAS SPIEL
Verlag: University Games
Autor: o.a.
Graphik: Eric Carle
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 3 Jahren
Dauer: 20 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 31/2007 R 208/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 3 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Titel: DIE KLEINE RAUPE NIMMERSATT – DAS KARTENSPIEL
Verlag: University Games
Autor: o.a.
Graphik: Eric Carle
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 3 Jahren
Dauer: 10 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 32/2008 R 209/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Die beiden Spiele waren redaktionelle Bearbeitungen des Themas.
Sie werden auf BGG jeweils mit einer Wertung von 3,7 geführt. (Stand 16.11.21)
Wie im Text angedeutet, braucht es so jemanden wie Kai Haferkamp, um dem Thema gerecht zu werden. 2010 hat Schmidt die Umsetzungsrechte von Carle erworben. Die Fassung von Kai Haferkamp landete dann auch gleich auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury.
Mittwoch, 24. November 2021
CASINO HOT DOG
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
CASINO HOT DOG: Zockerspiel für Kinder
Die Pokermanie des letzten Jahres ist nun bei den Kinderspielen angekommen, die Hasardeure dürfen jetzt im Grundschulalter sein und werden von Haba ins Casino geschickt. Kindgerecht zocken Hunde am Tisch. Pudeldame Susi und der bullige Boxer Bruno hoffen auf den richtigen Griff ins Stoffsäckchen, dort befinden sich neun echte Pokerchips, die eine entscheidende Rolle in Wolfgang Dirscherls Casino Hotdog spielen.
Die Jetons haben Zahlenwerte von 1 - 5, verdoppeln Ergebnisse und lassen einen so richtig in die Sch ... greifen. Gepokert wird um zwei Würfelergebnisse, die die Hundefiguren auf ihrem Weg vom Pokertisch in ihre Hundehütte über 17 teilweise mit Knochen aufgepeppte Felder voranbringen. Die Zockerrunden laufen für die Kinder nach einem einfachen Schema ab. Sie greifen in ein Säckchen und ziehen einen Chip heraus. Solange es kein Hundehaufen ist, darf weiter gezogen werden.
Hilfreich ist die Verdopplungsmöglichkeit, wer diesen Chip gezogen hat, erhält seine Punktzahl noch einmal angerechnet. Sollte dieser Chip allerdings als Erster gezogen werden, dann muss dieser Spieler in die zweite Runde gehen. Wenn alle gepasst haben oder ausgeschieden sind, wird überprüft, wer die meisten Punkte besitzt. Dieser Spieler darf jetzt Erster einen der beiden Würfel aussuchen und seine Figur entsprechend Richtung Hundehütte voranziehen. Ist ein Knochen abgebildet, dürfen sich die Kinder zum nächsten Feld mit Knochen bewegen, so kann man von Feld 14 direkt ins Ziel springen oder vom Feld zwei auf Feld sieben. Die Pokerrunde dauert meist nur 15 - 20 Minuten, verläuft also so schnell, dass weiter gezockt werden kann.
Das Spiel mit dem Risiko macht Freude, überfordert aber eigentlich Erstrechner, die rechentechnich deutlich Probleme haben und ohne Unterstützung eines erwachsenen Spielbegleiters nicht klarkommen. Das Material von Casino Hotdog ist hervorragend, die Pokerchips könnten den Pokerkoffern der Väter entstammen, auch sonst ist das Ambiente, was Spielplan und Figuren betrifft, stimmig. Wer mit Vorschülern und sechsjährigen spielt sollte, wie in der Variante empfohlen, die Multiplikationschhips weglassen, dadurch greift man zwar häufiger in den Hundehaufen, aber das Rechnen geht einfacher. Was mir ausgesprochen gut gefällt, ist die Autoren- und Grafiker-Vorstellung in der Spielregel. Mit Bild und Kurzbiografie werden Wolfgang Dirscherl und Daniel Döbner ausführlich gewürdigt. Vorbildlich!
Titel: CASINO HOT DOG
Verlag: Haba
Autor: Wolfgang Dirscherl
Graphik: Daniel Döbner
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 7 Jahren
Dauer: 20 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 11/2008 R 207/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Wolfgang Dirscherls (Jahrgang 1974) erfolgreiche Karriere begann vor 20 Jahren in Göttingen mit dem Gewinn des Stipendiums der Jury Spiel des Jahres für den besten Nachwuchsautoren 2001.
Dirscherl stand damals in der letzten Phase seines betriebswirtschaftlichen Studiums an der Fachhochschule Regensburg. Den Weg dorthin hatte er nach der Schule über eine Ausbildung zum Bankkaufmann eingeschlagen. Sein erster Besuch des Autorentreffens lag schon fünf Jahre zurück, seit 1998 nahm er am Spieleautorenwettbewerb des Hippodice Spieleclubs teil, wobei es gleich im ersten Jahr mit TV 2000 immerhin bis zur Empfehlungsliste reichte, ähnlich erfolgreich war er ein Jahr später mit SMASH und 2000 schaffte er mit KÖNIG FUSSBALL immerhin einen vierten Platz im Wettbewerb.
Es folgten neben dem Studienabschluss bald erste Spieleveröffentlichung, vorerst aber nur als Spiel im Heft in der spielbox. 2002 ergriff er die Chance, Redakteur bei Habe zu werden, wo er bis Ende 2009 blieb.
In dieser entstanden viele Spiele für seinen Arbeitgeber, so WILDE WIKINGER, das 2008 auf der Empfehlungsliste der Kinderjury landet.
Inzwischen weist er rund 100 Veröffentlichungen vor, redaktionell betreut er meistens die Kinderspiele von Queen Games mit. Hier fuhr er auch zusammen mit dem österreichischen Autor Manfred Reindl seine größten Erfolge heim. Mit PUSH A MONSTER (2015) und CAPTAIN SILVER (2017) landeten die beiden Autoren auf der Nominierungsliste zum Kinderspiel des Jahres.
Mit CASINO HOT DOG war er nicht so erfolgreich. Das Spiel wird im Augenblick bei 47 Ratings mit einer Wertung von 5,0 auf BGG (Stand 15.11.21) geführt und liegt damit auf Rang 579 bei den Kinderspielen.
Das Bild zeigt Wolfgang Dirscherl 2001 als frisch gekürten Stipendiaten.
Dienstag, 23. November 2021
ZIEGEN KRIEGEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spiel auf der Ziegeninsel
Erinnern Sie sich an die Hornochsen, die im eigenen Kartenstapel am Ende nicht zu oft auftauchen durften? 1994 erblickten sie in Wolfgang Kramers wahrscheinlich genialsten Kartenspiel 6 NIMMT! Das Licht der Welt und noch immer verführen sie am Spieltisch, uns jedenfalls, wenn neben den vielen Neuheiten Oldies einmal wieder gefragt sind. Günter Burkhardt knüpft in einem neuen Amigo Spiel zumindest motivisch an den Mythos 6 NIMMT! an. In seinem Spiel ZIEGEN KRIEGEN geht es um Ziegenköpfe, die man schon haben darf, aber nicht zu viele davon.
Michael Menzel hat herrliche Grafiken für die Ziegenkarten mit den Werten 1 - 50 entworfen. Günter Burkhardt nutzt diese Karten zu einem etwas ungewöhnlichen Stichspiel. Jede Spielrunde läuft unabhängig von der Spielerzahl ab, minimal drei maximal sechs Spieler können teilnehmen. Es geht über genau acht Stichrunden. Die höchste Karte gewinnt den Stich, der Spieler der niedrigsten Karte darf eine sogenannte Hügel-Karte ins Spiel bringen. Auf diesen Karten sind stets zwei durch Wasser getrennte Inselhälften zu sehen, die mit einem höheren und einem niedrigeren Zahlenwert gekennzeichnet sind. Der Spieler, der die Karte legen darf, markiert mit einer kleinen Holzziege den Inselteil, der in die Wertung kommen soll. Das Verfahren gilt bis zum vierten Stich, bis die Insel geschlossen ist. Damit ist die Zielvorgabe für die maximale Ziegenkopfzahl in dieser Runde festgelegt. Wenn die Ziegeninsel den Wert 13 vorgibt, dann können nur Spieler Punkte gewinnen, die nicht mehr als 13 Ziegenköpfe in ihren Stichen vorfinden.
Der pfiffige Mechanismus hat Konsequenzen für den Spielablauf. Alle spielen weitgehend auf den Mittelwert. Die meisten Ziegenkarten zählen ein bis drei Punkte, Zehnerkarten bis zum Wert 40 allerdings fünf Ziegenköpfe. In einem Stich befinden sich durchschnittlich 6 Köpfe, schon der Gewinn von drei Stichen kann oft das Aus bedeuten. Insofern ist ZIEGEN KRIEGEN kein typisches Stichspiel, da es oft um Stichverhinderung geht.
Wie jedes Kartenspiel ist auch dieses recht glücksabhängig, aber sehr unterhaltsam. Wer ausschließlich oder viele hohe Kartenwerte hat, wird auch durch die Ziegeninsel kein Land sehen und jämmerlich baden gehen. Ein Durchmarsch bringt leider keine Extrapunkte. Deshalb sollte auch nicht nach einer Runde Schluss sein und das Kartenglück durch mindestens so viele Runden ausgeglichen werden, wie Spieler ZIEGEN KRIEGEN wollen - oder auch nicht!
Titel: ZIEGEN KRIEGEN
Verlag: Amigo
Autor: Günter Burkhardt
Graphik: Michael Menzel
Spieleranzahl: 3-6
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 15 Min.
Preis: ca. 7 Euro
Spiel 10/2008 R 206/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Realschullehrer Günter Burkhardt startete 1997 als 36jähriger zu Beginn gleich richtig durch. Er durfte sich nicht nur über MANITOU freuen, sondern hatte mit LANG LEBE DER KÖNIG und BÜRO CRAZY (beide F.X. Schmid) gleich zwei weitere Spiele in seinem Erstveröffentlichungsprogramm. BGG verzeichnet vorher noch Eigenpublikationen wie die QUASSELSTRIPPE (1994) und DAS LIEBLINGSSPIEL DES ADAM RIESE (1996).
MANITOU gefiel nicht nur den Juroren von Spiel des Jahres, es erreichte den fünften Platz beim Kartenspielpreis der Fairplay und den zehnten beim Deutschen Spielepreis. Im Jahresrhythmus folgten mindestens zwei bis drei weitere Veröffentlichungen. Mit KUPFERKESSEL (Goldsieber) landete er 2002 erneut auf der Auswahlliste der Jury, gewann den österreichischen Titel Spiele Hit für Zwei und erreichte den achten Platz des Kartenspielpreises der Fairplay. Die Spiele MAORI (Hans im Glück, 2009) und POTATO MAN (Zoch, 2014) kamen auf die Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres.
Beim Kartenspielpreis der Fairplay war er noch erfolgreicher, sein VOLLTREFFER (Berliner Spielkarten) gelangte 2000 auf den vierten Platz und mit VOM KAP BIS KAIRO (Adlung Spiele) erreichte er 2002 den ersten Platz. Auch ZIEGEN KRIEGEN wurde von der Fairplay gewürdigt und kam dort 2008 auf den 8. Platz. Auf BGG wird das Spiel mit einer 6,2 auf Rang 1097 bei den Familienspielen geführt.
Sein bisher größter Erfolg im Team mit seiner Tochter Lena war 2018 die Auszeichnung mit dem Kinderspiel des Jahres für FUNKELSCHATZ.
Von seinem Lehrerberuf hat er sich schon vor einiger Zeit beurlauben lassen. Er arbeitet inzwischen hauptberuflich als Spieleautor, engagiert sich in seiner Heimat in der Nähe von Bad Ditzenbach im Sportverein und ist für Die Grünen im Gemeinderat.
Das Bild zeigt Günter Burkhardt 2005 auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Montag, 22. November 2021
WER HAT’S?
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MEMO-Quartett
Das klassische QUARTETT erlebt in Hartmut Kommerells Spiel WER HAT’S? (Adlung Spiele) eine Renaissance. Dem Berliner Autor gelingt es, durch eine simple spielerische Ergänzung ein pfiffiges neues Spiel aus dem Klassiker zu machen. Bei WER HAT’S? bekommen drei bis fünf Spieler ab sechs Jahren (funktioniert aber auch schon mit jüngeren Kindern gut) zuerst einmal ihre Karten und benennen beim Aufnehmen die kindgerecht gezeichneten Motive. Dadurch entfällt der Glücksfaktor, der am Anfang eines QUARTETT-Spiels stets ein Herumstochern im Dunkeln mit sich bringt.
Nach der Kartenaufnahme darf in QUARTETT-Manier nach entsprechenden Motiven bei einem anderen Spieler gefragt werden. Hat er es, darf der Fragende das Kartenpärchen vor sich ablegen. Auch diese Regel vereinfacht den Spielablauf, da nicht vier Karten, sondern nur zwei Karten gesammelt werden. Die Kartenzusammenstellung für WER HAT’S? enthält für einige Motive zwei Karten, andere dagegen sind viermal vorhanden. Da man sich nicht selbst befragen darf, dürfen gesammelte Pärchen während des Spiels nicht abgelegt werden. Bei allen Viererkombination ist damit die Gefahr, dass solche Paare gut nachgefragt werden, natürlich groß. Wird der falsche Mitspieler gefragt, muss eine schon gesammelte Karte abgegeben werden.
Nach diesen einfachen Regeln läuft das Spiel, bis die Karten aufgebraucht sind. In der Schlussrunde darf jeder Spieler noch einmal nach einer fehlenden Karte fragen. Zum Schluss dürfen alle Pärchen, die die Spieler noch in den Handkarten halten, abgelegt werden. Wer die meisten Karten besitzt, gewinnt nach etwa 15 Minuten das unterhaltsame Spiel.
WER HAT’S? kommt ganz einfach daher, entfaltet aber einen erstaunlichen Spielreiz, dem sich die meisten Kinder nicht entziehen können, Kommerell bietet für die ganz kleinen noch zwei Varianten an, so können schon Dreijährige in einem offenen Spiel an Benennung und Beobachtung herangeführt werden. Deutlich schneller und leichter spielt sich das Spiel auch dann, wenn alle Motive nur zweifach benutzt werden. Neben dem hervorragenden MANIMALS hat Adlung Spiele mit WER HAT’S? ein weiteres gutes Kinderspiel im aktuellen Programm, für das der kleine Verlag aus Remseck im Kartenspielbereich für Kinder inzwischen erste Anlaufadresse ist.
Titel: WER HAT’S?
Verlag: Adlung Spiele
Autor: Hartmut Kommerell
Graphik: Sascha Wiechert
Spieleranzahl: 3-5
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: 10-20 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 30/2007 R205/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 55jährige Hartmut Kommerell, der in Berlin lebt und arbeitet, ist spezialisiert auf taktische Schmankerl für zwei Spieler. Kommerell hat rund 40 Spiele veröffentlicht.
DIE SEIDENSTRASSE war 1998 sein erstes großes Spiel. Kommerell engagiert sich über das Spieleerfinden hinaus sehr für die SAZ. Seit 2015 arbeitet er im Vorstand der Autorenzunft mit und ist seit 2017 deren erster Vorsitzender.
Im Bild sehen wir ihn 2005 auf dem Spieleautorentreffen in Göttingen.
Seine QUARTETT-Variante WER HAT’S? wird auf BGG mit einer 6,6 bewertet, allerdings haben nur 8 User eine Wertung abgegeben (Stand 12.11.21).
Sonntag, 21. November 2021
BANDA
SAMMELSURIUM
Ravensburger Traveller-Serie: BANDA
Neben der Casino-Serie war die Traveller-Reihe in den 70er Jahren besonders beliebt. Sie erschien in zwei Schachtelformaten, zuerst als flache Ausgabe (202x202x28 mm; 1972 und 1973) und als etwas kleinere dickere Schachtel (190x190x36 mm; 1973-1978). Diese Schachtelform setzte sich durch und diente auch der Veröffentlichung weiterer Titel. Zur Serie gezählt werden aber nur Titel mit dem Logo „traveller serie“. Die Spiele in der Reihe waren fast durchweg Spiele für zwei Personen, meist taktische Spiele mit geringem Glücksanteil.
In der Reihe veröffentlichte Alex Randolph die meisten Spiele, zum Teil wie auch in der Casino-Serie unter dem Pseudonym L.W. Bones (PEGGINO). Daneben erschienen Klassikerausgaben wie REVERSI, GO und GOBANG, TANGRAM, SOGO und 3x16, das alte NÜMMERCHEN.
Herausragend sind für mich die Randolph-Spiele WÖRTERKLAUER, BANDA und HEPTA. Immer wieder gut ist RACKO, das es aber auch in vielen anderen Ausgaben von Ravensburger gibt.
BANDA
Die 36 Spielsteine stellen Teilstücke eines langen grünen Bandes dar, geradlinig, verzweigt und in U-Form abschließend. Alle Teile kommen nur im Solospiel zum Einsatz. Eine Puzzleaufgabe, in der ein geschlossenes Band ohne Inseln oder lose Ende entstehen muss.
Im Duell werden 25 der 36 Teile in ein 5x5 Raster gelegt werden. Der Startspieler beginnt mit zwei Steinen, die isoliert platziert werden. Danach dürfen auch mehr Steine gelegt werden, die aber stets zusammenhängende Reihen ergeben müssen, sonst darf nur ein einzelner Stein platziert werden.
Einerseits kooperieren die Spieler bei ihrer gemeinsamen Arbeit am Band. Letztlich denkt jeder aber ans Spielende, denn es gewinnt der Spieler, der den letzten verbindenden Stein legt.
Sollte ein Spieler zwischendurch glauben, dass der zuletzt vom Gegner gelegte Stein ein durchgehendes Band unmöglich macht, darf er Einspruch einlegen. Der Gegner muss nun beweisen, dass es doch möglich ist. Gelingt ihm das nicht, hat der Spieler, der Einspruch einlegte gewonnen.
Man braucht schon ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen, um sich in die abstrakte Schnurwelt einzudenken. Aus den NIM-Welt stammt die Nutzung beliebig vieler Steine. Eine Begrenzung wäre mir lieber gewesen.
Deutlich schöner, überschaubarerer und beschränkt auf die maximale Nutzung von drei Kärtchen ist Alex Randolphs Neubearbeitung in VENICE CONNECTION gelungen, die Johann Rüttinger 1996 herausbrachte und die den Sonderpreis „Schönes Spiel“ gewann.
Titel: BANDA
Autor: Alex Randolph
Grafik: o.A.
Verlag: Ravensburger
Spielerzahl: 1 - 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15-20 Minuten
Preis: ca. 15 DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 47 – S47/2021
Samstag, 20. November 2021
GHOST ADVENTURE
Nicht wirklich neu: GHOST ADVENTURE
Etwas verwundert habe ich mir bei der Entscheidung für den diesjährigen Preis „inno-Spiel“ 2021 die Augen gerieben. Gewann doch ein simples Geschicklichkeitsspiel auf Beyblade-Basis oder mit Handbetrieb den Preis gegenüber Hochkarätern wie MICROMACRO CRIME CITY oder DER PERFEKTE MOMENT. Wahrscheinlich hat sich die Jury gedacht, dass Johann Sichs Spiel schon genügend Preise abkassiert habe, aber den PERFEKTE(n) MOMENT habe ich schon deutlich vor GHOST ADVENTURE gesehen.
Im Grunde genommen haben wir in Wlad Watines Spiel eine Abwandlung des KUGELLABYRINTHs, nur fördert die Spielplanbewegung hier keine kleine Kugel voran, sondern einen Kreisel, der per Aufzugsystem mit Reißleine gestartet wird oder ganz traditionell mit dem Fingerdreh. In GHOST ADVENTURE bewegen wir uns in verschiedenen Welten, wechseln dabei auch Spielpläne. Ähnliches bot SLIDE QUEST mit einem kugelgelagerten Ritter, wo wir uns unterschiedlichen Questen stellen durften. Hier sind es Soloabenteuer und Teamaufgaben, in denen sich unser Kreisel stets ausgehend von einem Steinkreis von Mission zu Mission fortbewegt. Die Brettneigungen für die gewünschten Wege werden händisch vorgenommen und nicht über Seitenhebel wie in SLIDE QUEST, was den Teamgedanken in diesem Spiel verstärkte.
Hat in GHOST ADVENTURE der Kreisel das vorgegebene Ziel erreicht, muss dieser Erfolg durch Rückkehr in den Steinkreis erst einmal sichernd abgespeichert werden, erst dann bewegt man sich zum Ausgang einer der acht Welten, wo ein Partner wartet, um den Kreisel in der neuen Zielwelt vom dortigen Steinkreis aus weiter laufen zu lassen. Es klappt natürlich nicht immer, das kostet einen von drei gefüllten Erfrischungstränken. Geht der Getränkevorrat aus, hat das Team verloren. Sonst ist die Mission erfolgreich beendet, wenn alle Zielfelder erreicht wurden und auch das letzte Ziel sicher abgespeichert ist.
Übung am Anfang ist dringend nötig, dafür gibt es sogar eine spezielle Übungsarena. Nicht jeder kommt mit der Zugvorrichtung des Spinners klar. Klappt es aber, dreht sich der Kreisel schon deutlich länger und kann locker die einfachen Aufgaben in einer Welt schaffen. Spezielle Felder geben der ganzen Geschichte zusätzlichen Pfiff, so können Tränke wieder aufgefüllt werden, giftige Tümpel verlangen aber auch einen Neustart. Insgesamt 56 Missionen sieht die Spielregel vor und bietet damit mehr Varianz als SLIDE QUEST. Ansonsten ist der wesentlich neue Effekt eigentlich nur der direkte Übergang, das Springen des Kreisels, von der einen zur anderen Welt. Für den inno-SPIEL Preis ist das für mich ein bisschen wenig, denn alles andere kennen wir und in der Kooperation vielleicht sogar noch besser umgesetzt.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: GHOST ADVENTURE
Autor: Wlad Watine
Grafik: Jules Dubost, Yann Valeani
Verlag: Pegasus
Spieler: 1-4
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 15-30 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 71/2021
Freitag, 19. November 2021
STIX
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spielesammlung von Steffen Mühlhäuser
Holz ist das typische Spielmaterial, aus dem Steffen Mühlhäuser immer wieder überraschende Spielideen zaubert. Da dienen Bambusstäbchen als Feldbegrenzung in dem taktischen Laufspiel LINJA, da wird mit Holzquadraten oder Sechsecken taktisch gespielt, da liefern 60 bunte Holzscheiben in COLOMO eine ganze Spielesammlung mit zwölf verschiedenen Ideen. Ganz in dieser Tradition steht STIX, das neueste Spiel des Autors und Verlegers Mühlhäuser. 40 lange Hölzchen und zehn kurze, außerdem vier Spielfiguren und eine Pappscheibe reichen ihm für die Entwicklung von drei ganz unterschiedlichen Spielen. Alles verpackt in einer kleinen quadratischen Schachtel, die erstaunliche Spielunterhaltung liefert.
Da haben wir einmal den kreativen Spielanteil in PICASSO. Hier dienen die Holzstäbchen der Begriffsbildung. Ein Hölzchenleger baut Stöckchen für Stöckchen einen ausgedachten Begriff auf, wobei die Mitspieler ständig ihre Vermutungen äußern dürfen, was aus dem Holz-Code entstehen könnte. Wird der Begriff erraten, bevor das sechste Hölzchen gelegt wurde, gibt es drei Hölzer zur Belohnung, bis zu zehn Hölzern zwei und danach noch ein Holzstäbchen. Durch die Honorierung reduziert sich die Anzahl der Hölzer, sobald kein Bild mehr gelegt werden kann, endet das Spiel.
Da die Begriffe wie in ähnlichen Spielen nicht durch Karten vorgegeben werden, müssen die Spieler ehrlich bleiben und sich nicht ständig neue, noch zur Auslage passende Begriffe ausdenken. Zur Sicherheit kann der zu legende Begriff auch vorher aufgeschrieben werden.
Bei der Spielvariante FLIPPER baut Mühlhäuser auf die Geschicklichkeit der Spieler. Die meisten werden sich in einer Kneipe schon am Bierdeckelstapeldrehen versucht haben. Ähnliches verlangt das Flipper Spiel: Ein langer Holzstab, auf dem flachen Handteller liegend, wird Richtung Pappscheibe geschleudert. Dazu schlägt man mit der richtigen Dynamik gegen die Unterseite einer Tischplatte. Landet das Hölzchen neben der Zielscheibe, bleibt es liegen. Landet es halb im Zielbereich, darf der Spieler zwei herumliegende Hölzer an sich nehmen. Fünf gibt es sogar für den eher seltenen Fall, dass das Holzstäbchen exakt auf der Scheibe landet. Immer dann, wenn ein Hölzchen im Umfeld oder auf der Scheibe auf einem anderen Holzstab landet, gewinnt man beide Hölzer zusätzlich. Etwas Übung ist nötig, dann erweist sich FLIPPER durchaus als kneipentauglich.
Ein typischer Mühlhäuser ist die letzte Spielvariante, die er AL CAPONE nennt. Ein schnelles Abbauspiel für zwei bis vier Spieler. Aus den 40 langen Hölzchen wird ein 5 x 5 Felder großes Spielfeld ohne Außenbegrenzung gelegt. Die Spiele setzen reihum ihre Spielfiguren in ein Spielfeld. Wer am Zug ist, darf seine Figur orthogonal über maximal drei Hölzchen hinweg bewegen. Alle übersprungenen Hölzer werden dabei eingesammelt. Dadurch entstandene Lücken dürfen von nachfolgenden Spielern ebenfalls übersprungen werden wie fremde Spielfiguren. Allerdings dürfen Hölzer, die direkt vor oder hinter einer übersprungenen Figur liegen, nicht eingesammelt werden. Wer keine Hölzchen mehr erreichen kann, ist zugunfähig und scheidet aus. Sobald kein Spieler mehr ziehen kann, endet das Spiel, das natürlich von dem gewonnen wird, der die meisten Hölzer sammeln konnte.
Klein verpackt, überall mit hinnehmbar, liefert Steffen Mühlhäuser mit seinen Hölzchen und Figuren abwechslungsreiche Spielvergnügen. Es erreicht zwar noch nicht die Vielfalt von Spielideen wie in COLOMO, aber was noch nicht ist, kann durchaus noch werden, so lässt sich ganz simpel mit den Hölzchen natürlich auch knobeln. Wer das kurzweilige Buch STREICHHOLZSPIELE von Sophus Tromholt besitzt , das schon im vorletzten Jahrhundert erschienen ist und seitdem bis in unsere Tage in vielfältigen Ausgaben herausgegeben wurde, findet dort schier endlose Anregungen für das Spielmaterial von STIX.
Titel: STIX
Verlag: Steffen Spiele
Autor: Steffen Mühlhäuser
Graphik: Bernhard Kümmelmann
Spieleranzahl: 2-8
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: 5-15 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 9/2008 R204/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
2003 trat der jetzt 65jährige Steffen Mühlhäuser erstmalig in Essen auf der Spiel auf und zeigte seine wunderbaren Ideen. Sein Hunsrücker Kleinverlag mit der schönen Adresse Krastel, Zum Spielplatz 1, ist seitdem nicht mehr aus der Kleinverlagsszene wegzudenken. Vorher verdiente er mit der Bären-Presse mit handgedruckten Bilderbüchern und Hampelmännern sein Geld.
Mühlhäuser bedient mit seinen Holzspielen konsequent eine Nische, die sich nicht nur auf taktische Zweipersonenspiele reduzieren lässt. Für die großen Verlage lohnt der Markt der abstrakten Taktikspiele kaum. Deshalb können Verlage wie Steffen-Spiele und Gerhards überleben. Steffen-Spiele behauptet sich inzwischen fast 20 Jahre auf dem Markt mit wachsender Fangemeinde im In- und Ausland.
Steffen Mühlhäuser ist mit Leib und Seele Autor und Verleger, der den Publikumskontakt sucht. Sein Verlag ruht zwar inzwischen auf vielen Standbeinen, die wichtigste Rolle spielt der Einzelhandel, wichtig sind aber auch der eigene Internetverkauf, der Großhandel, die großen Messen, der Verkauf von Lizenzen und - von Anfang an eine Herzensangelegenheit für ihn – der Besuch vieler kleiner Märkte. Dafür hat er einen eigenen Stand gebaut, mit dem er vor Corona durch die ganze Bundesrepublik auf Kunsthandwerkermärkten und Musikfestivals tingelte. „Wenn ich da Erfolg habe, dann ist das für mich ein großes Kompliment. Das sind meist Menschen, die sind gar nicht gekommen, um ein Spiel zu kaufen, sondern Ketten oder Töpferware und dann bleiben sie bei mir am Spieltisch sitzen.“ Auf solchen Märkten testet Mühlhäuser auch seine Prototypen.
Ursprünglich waren Steffen-Spiele Veröffentlichungsforum für die Ideen des Autors und Verlegers. Seit 2007 erscheinen Gastautoren im Programm, da taucht sehr früh schon Reiner Knizia (TIKU, 2008) auf, auch Bruno Faidutti (SOLUNA, 2012), Niek Neuwahl (SEDICI, 2011) oder Jaques Zeimet (FINDEVIER, 2010) haben Ideen bei Mühlhäuser veröffentlicht. „Mir gehen die Ideen nicht aus, mir werden aber so viel gute angeboten.“ In der Regel soll es schon jedes Jahr ein Spiel von Mühlhäuser geben, dazu können ein oder zwei weitere Spiele von anderen Autoren ins Programm kommen.
Sein Hölzchenspiel STIX wird auf BGG mit einer 5,5 bewertet, allerdings haben nur 12 User eine Wertung abgegeben (Stand 12.11.21).
Das Foto zeigt Mühlhäuser 2005 mit dem im Text erwähnten COLOMO in Essen.
Donnerstag, 18. November 2021
SCHAFE SCHNAPPEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Schacht schnappt Schafe
Michael Schacht geht nicht nur auf die Zoojagd nach Elefanten und Pandas, in einem fetzigen Würfelspiel lässt er auch SCHAFE SCHNAPPEN. In klassischer CAN‘T STOP-Manier würfeln zwei bis vier Spieler um eine Schafherde. Zu Beginn des Spiels besitzt jeder nur eine kleine Herde mit drei Schafen. Wer es schafft, als erster seine Herde auf mindestens 20 Tiere zu vergrößern, gewinnt das Spiel.
Für das Spiel mit dem Risiko stehen fünf Würfel zur Verfügung. Jeder Würfel zeigt jeweils zweimal ein Schaf, einen Wolf und ein Verdopplungszeichen. Die Würfel werden einzeln geworfen. Nach jedem Wurf darf jeder Spieler entscheiden, ob er weitermachen möchte oder ob der Wurf abgerechnet werden soll. Nach dem fünften Würfel wird auf jeden Fall gewertet. Für jeden Schafwurf gibt es einen Schafchip aus dem Vorrat, für jeden Wolf muss ein Schaf aus der eigenen Herde abgegeben werden, entsprechend positiv oder negativ fallen die Verdopplungen aus. Mit ganz viel Glück können so auf einen Schlag 16 Schafe in den Stall gebracht werden, So groß können aber auch die Verluste sein.
Die Verdopplung bringt den Spielreiz. Würfelt man einen Wolf, versucht man auf alle Fälle einen weiteren Wurf, um mit einem Schaf auszugleichen. Schwierig wird es, wenn der Wolf verdoppelt wird. Minimiert man das Risiko und opfert zwei Schafe oder versucht man erneut auszugleichen. Wird dann ein zweites Mal die Verdopplung gewürfelt, sind es schon vier Schafe, die zu zahlen wären. Andererseits weiß man, dass ein Schaf immer noch ein Nullsummenspiel daraus macht. Geht man das Risiko ein?
Ständig sind die Spieler bei SCHAFE SCHNAPPEN mit der Risikofrage konfrontiert. Entsprechend spannend verlaufen die Würfelrunden.
SCHAFE SCHNAPPEN ist nicht mehr und nicht weniger als ein Glücksspiel, aber eines, bei dem man meint, das Glück steuern zu können. Das Spiel macht richtig Spaß und eignet sich gut als Familienspiel. Kinder ab sechs Jahren kommen schon gut klar damit und Eltern würfeln mit den gleichen Chancen mit ihrem Nachwuchs gerne mit. Für ein preiswertes Mitbringspiel ist das Material solide, die Regel lässt keine Fragen offen.
Titel: SCHAFE SCHNAPPEN
Verlag: Schmidt Spiele
Autor: Michael Schacht
Graphik: Michael Menzel
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: 15 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 87/2008 R203/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt Michael Schacht 2007 in Göttingen.
SCHAFE SCHNAPPEN wird auf BGG (Stand 11.11.21) mit einer Wertung von 4,9 geführt und liegt auf Rang 19.485 bei 30 Ratings.
Mittwoch, 17. November 2021
RAMSES
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
RAMSES: WETTLAUF UM DIE REICHTÜMER ÄGYPTENS
Florian Isensee, Oldenburger Buchhändler und Verleger, liebt das Genre der Kartenspiele mit historischem Hintergrund. Da kann er mit überschaubarem Kartenmaterial seine Spieler in Historie eintauchen lassen und jenseits des klassischen Stichspiels Spielabenteuer entwickeln, die alle ihren besonderen Reiz haben. Als Isensee I. hat er sich auf EXPEDITIONEN ZU DEN MAYASTÄTTEN aufgemacht, Isensee II. focht mit den MUSKETIER(en) IM AUFTRAG DER KÖNIGIN, ganz aktuell ist Isensee III. im Museumsauftrag hinter RAMSES hinterher und versucht in einem „Wettlauf um die Reichtümer Ägyptens“, eine opulente und publikumswirksame Grabschatzausstellung ägyptischer Kunst rund um Tutanchamun und Nofretete zusammenzustellen.
Nicht nur optisch das Auffälligste der bisherigen drei Spiele des Buchverlegers aus Oldenburg , aus spielerisch bietet er anspruchsvolle Kost. Isensee versetzt seine Spieler in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts; Carter hat gerade das sagenhafte Grab Tutanchamun im Tal der Könige entdeckt und damit einer Ägyptomanie in Europa und den Vereinigten Staaten ausgelöst. Die großen Museen wetteifern um den ersten Rang mit eindrucksvollen Ausstellungen.
Zwei bis vier angehende Museumsdirektoren, die mindestens im gehobenen Grundschulalter sein sollten, suchen nach 15 Altertümern, die in der ägyptischen Abteilung des Louvre präsentiert werden sollen. Die Ausstellungsfläche ist allerdings beschränkt. Streng wacht die Sphinx des Königs Amenemes II. aus der 12. Dynastie darüber, dass die 4200 Quadratmeter große Fläche nicht überschritten wird; Zugeständnisse macht sie nur bei den Längen- und Seitenverhältnissen, die 60x70 Meter, aber auch 70x60 Meter groß sein dürfen.
Für die Ausstellung kommen Ausstellungsgegenstände in Frage, die aus drei Karten senkrecht oder waagrecht zusammengesetzt werden können, wobei jeweils zwei Objekte insgesamt viermal vorhanden sind. Die Nofretete bleibt wie in der realen Welt einmalig. Zwei Objekte mit vier Karten sind jeweils doppelt vorhanden, Das gilt auch für die Goldmaske Tutanchamuns, die aus sechs Karten im Format 2x3 gebildet wird. Wegen diesen Objektkarten die von drei unterschiedlichen Stapeln gezogen werden, gibt es noch zwei rare Karten, die einen Skarabäus zeigen, der Jokerfunktion besitzt, und acht Handelskarten. Die Joker werden in beide Kartenstapel gemischt, die überwiegend 4er und 6er Kunstwerke enthalten, die Handelskarten liegen daneben aus.
Die Spiele starten mit jeweils einer Karte von den drei stapeln, so dass jeder meist eine 3er, 4er und 6er Karte besitzt. Reihum haben sie verschiedene Optionen. Sie starten mit einer sogenannten „Ankaufphase“, in der sie einen neue Kunstwerkkarte ziehen oder sich eine Handelskarte nehmen. Wählen Sie die zweite Option, eröffnen Sie sofort eine verpflichtende Handelsphase, der sich kein Museumsleiter entziehen darf. Der Spieler, der die Karte gezogen hat, darf in jedem Fall einen Handel ausführen, alle weiteren dürfen freiwillig in dieser Phase untereinander handeln. Die Aktion selbst ist Regeln unterworfen. Alle müssen für die Handelsphase zwei Karten zur Verfügung stellen, von denen eine offen die andere verdeckt gelegt wird. Getauscht wird immer das Gesamtpaket, wobei der Handel des auslösenden Spielers nicht abgelehnt werden kann. Wer durch die Ankaufphase oder den Handel in der Lage ist, die Ausstellung vorzubereiten, darf anschließend Karten auslegen, wobei 3er Objekte direkt in der Ausstellungsfläche platziert werden, größere Objekte müssen dagegen mit mindestens drei Karten in die vorbereitende Auslage für jeden Spieler gehen. Außerdem dürfen in dieser Phase auch Handelskarten in die Museumsausstellung gebracht werden. Dadurch lassen sich Räume verengen, sodass der Platz für große Objekte vermindert wird. Schließlich kann noch eine Handkarte verschenkt und die Kartenhand auf vier Karten ergänzt werden. Falls ein Spiele am Anfang keine Handelsphase ausgelöst hat, darf er dies am Ende seines Zuges tun, sofern noch Handelskarten zur Verfügung stehen oder er selbst eine spielen kann.
Das Spiel endet augenblicklich, wenn durch die Kartenablage in der Ausstellung kein Platz mehr für weitere Objekte ist. Handelskarten werden dabei ausgenommen. In der abschließenden Wertung erhalten die Spieler Punkte für ihren Beitrag zur Ausstellung. Jedes Objekt wurde mit einem entsprechenden Museumsmarker gekennzeichnet. Wer es schafft, einen Tutanchamun zu platzieren, erhält acht wertvolle Punkte, die 4er Objekte bringen fünf Punkte und die 3er mit der Ausnahme der Nofretete drei Punkte. Für die ägyptische Königin erhält ein Spieler sieben Punkte. Sie lässt sich meistens nur mit einem Joker vorbereiten, der in der Aufbauphase eingetauscht werden darf. Vorbereitete Objekte, die es nicht in die Ausstellung geschafft haben, bringen unabhängig von ihrer Kartenzahl einen Minuspunkt. Außerdem werden bis auf die Handelskarten, alle Handkarten mit Minuspunkten belegt, ein nicht ausgelegter Joker zählt sogar drei Minuspunkte. Wer nach dieser Abrechnung die meisten Punkte vorweisen kann, gewinnt nach etwa 30 Minuten das Spiel.
RAMSES ist vielschichtiger als die meisten Spieler anfangs denken. Das geht mit der Kartenaufnahme los. Orientiert man sich besser auf die relativ leicht erreichbaren 3er Objekte oder versucht man doch die Punkte trächtige Goldmaske Tutanchamuns zu legen, mit der Chance dabei an einen Joker zu gelangen. Andere konzentrieren sich lieber auf die 4er Objekte, bei denen ebenfalls ein Joker liegt und nehmen gerne das eine oder das andere kleinere Ausstellungsstück im Tauschverfahren mit. Auf alle Fälle muss die Aufmerksamkeit der Sammeltätigkeit der Mitspieler gelten. Wichtige Informationen bieten dazu die Tauschphasen, die durch die offenen Karten zumindest Teilinformationen aller Spieler preisgeben.
Am Ende geht es meist knapp und spannend zu, wenn die Räume eng werden und die Handelskarten Chancen vernichten. Hier wird RAMSES zum taktischen Legespiel. Ein Legespiel, das in seiner Gesamtauslage auch ästhetischen Genuss bietet. Die Fotoqualität der Spielkarten ist vorzüglich. Die kleine, immer noch etwas instabile Pappschachtel enthält neben den Spielkarten und Museumsmarken für jeden Spieler eine hilfreiche Kurzübersicht über den Spielablauf, auch die gut strukturierte Regel ist Florian Isensee ordentlich gelungen. Mit seinem dritten Spiel hat der Autor eine Professionalität erreicht, die mit Produkten renommierter Verlage durchaus mithalten kann.
Titel: RAMSES: WETTLAUF UM DIE REICHTÜMER ÄGYPTENS
Verlag: Isensee Verlag
Autor: Florian Isensee
Graphik:
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 30 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 7/2008 R202/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seit 1995 ist der Oldenburger Buchhändler und Verleger, seit 2005 verlegt er auch eigene Spiele. Seine EXPEDITION ins Reich der Spiele bestand anfangs ausschließlich aus Kartenspielen, Ausflüge in die Geschichte, die zu den Mayas, nach Frankreich (MUSKETIER), Ägypten (RAMSES), Rom (HÄNDLER AUF DEM FORUM ROMANUM) und Kreta (LABYRINTH DES MINOTAURUS) führten.
Mit RAMSES und den HÄNDLERN verließ Isensee schon das Genre eher klassischer Kartenspiele, arbeitete aber noch kartenbasiert. In dem 2009 erschienenen dreiteiligen Abenteuer um MINOTAURUS ging es im Prinzip nur noch um Elemente des Kartenerwerbs zum Ausbau eines Labyrinths. 2010 lag mit GESCHENKE FÜR DEN RADSCHA in einer großen Schachtel, die als Umverpackung für das gesamt Œuvre Isensees dienen konnte, ein außergewöhnliches Wüstenabenteuer mit einem ungewöhnlichen Bewegungsmechanismus vor, das schon am Samstag auf der Messe ausverkauft war.
2011 erschien mit AKTIENRAUSCH das letzte Spiel, das aus der historischen Reihe herausfiel, aber extrem viel Aufmerksamkeit erregte. Isensee kommentierte das nach der Messe wie folgt: „Das hat mich damals total überrascht, dass sich erstmals TV-Stationen für eins meiner Spiele interessierten. Die Medienresonanz war unglaublich.“
Noch größer war die Resonanz 2019 zu einem Wahlspiel in den USA, das sich den damaligen Präsidenten vorknöpfte: FROM IDIOT TO PRESIDENT. Eine Teamarbeit mit Philipp Grasl, Daniel Sip, Mark Schütte und Thorben Schwitalla, für die die Freunde mit Haarenwerk einen eigenen Verlag gründeten. Produziert wurde nun auch nicht mehr im Isensee Verlag, sondern bei LudoFact mit einer Initialfinanzierung über Kickstarter. Das Medienecho auf das Spiel war beachtlich, wichtiger war für das Verlagsteam aber das große internationale Interesse und das der Drogeriekette Müller.
Mit nur 10 Ratings wird das RAMSES-Spiel im Augenblick (01.10.21) auf BGG nur mit 4,4 bewertet.
Das Foto zeigt Florian Isensee mit Ramses 2007 auf der Spiel in Essen.
Dienstag, 16. November 2021
PATRIZIER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 201
Häuserbau in Italien
Spielen bildet! Das Geschlechtertürme im mittelalterlichen Italien Statussymbole waren, wissen wir spätestens seit CAMPANILE oder SAN GIMIGNANO. Dieses „Manhattan des Mittelalters“ taucht in Michael Schachts neuestem Amigo Spiel PATRIZIER zwar nicht auf, thematisch geht es aber sehr wohl um mittelalterlichen Häuserturmbau in neun beziehungsweise zehn italienischen Städten.
Die ständige Flucht der Spieleautoren in die Historie produziert ästhetisch wohl gefälligere Themen als aktuelle: Da wäre ein Wettkampf um die höchsten Müllberge wohl eher angemessen gewesen. Politisch weniger anrüchig und damit sicherlich auch besser zu vermarkten ist das, wenn zwei bis fünf Baumeister nach Ruhm und Ehre streben. Michael Schacht entwirft dazu einen leicht zugänglichen kartengesteuerten Bauwettkampf. Ruhmespunkte erhalten die Spieler, wenn sie mehr zum Turmbau in einzelnen Städten beitragen als Mitspieler, Punkte erhalten sie aber auch, wenn sie die richtigen Karten zu ihrem Häuserbau benutzen.
Der beidseitig nutzbare Spielplan zeigt im Spiel zu fünft zehn italienische Städte, sonst neun mit jeweils zwei Bauplätzen. Die maximale Zahl der dort zu errichtenden Stockwerke wird nur für die Städte und nicht für die Bauplätze vorgeschrieben, so können insgesamt fünf, sieben oder neun Stockwerke in fast beliebiger Verteilung errichtet werden. Entsprechend gibt es für diese Städte vier, fünf oder sieben Baukarten. Sind alle Stockwerke in einer Stadt auf beiden Bauplätzen errichtet, werden Ruhmespunkte verteilt. Der Spieler mit den meisten Bauanteilen im höchsten Turm erhält ein Plättchen, das den Punktwert der maximalen Stockwerke der jeweiligen Stadt entspricht, für den niedrigeren Turm gibt es mit sechs, vier und zwei Punkten entsprechend weniger. Im Falle des Gleichstands zählt für den Punktgewinn natürlich das höhere Stockwerk.
Sehr geschickt hat Michael Schacht den Kartennachschub in PATRIZIER geregelt. Jeder startet mit drei Auftragskarten für den Turmbau in den Städten. Die Karten tragen das jeweilige Stadtwappen und meistens einen von drei unterschiedlichen Patrizierköpfen. An jeder Stadt liegt eine Auftragskarte offen aus, wobei darunter auch Sonderkarten ohne Kopf sein können, die zum Beispiel ein Doppelwappen tragen und damit den Bau von zwei Stockwerken in einer Stadt ermöglichen, oder Verschiebekarten, die das Versetzen eines obersten Stockwerks in einer Stadt gestatten. Den Kartennachschub erhalten die Spieler in der Regel in der Stadt, in der sie bauen. Dadurch schafft Schacht es, die Optionsauswahl vielschichtig zu verknüpfen. Einerseits müssen die Spieler auf die Stockwerkmehrheit achten, andererseits geht es aber auch um den Baukartenerwerb, da Sonderkarten, zur richtigen Zeit eingesetzt, erhebliche Veränderungen bewirken. Schließlich ist es nicht von Nachteil, die Schlusswertung der Patrizierköpfe mit dem Blick zu behalten, da jeweils drei identische Köpfe sechs Ruhmespunkte bringen. Gewertet wird im Übrigen, sobald kein Spieler mehr eine Auftragskarte besitzt. Wer dann nach allen Stadtwertungen und den Punkten für die Köpfe die meisten Ruhmespunkte gesammelt hat, gewinnt.
Michael Schacht Spielidee ist wieder einmal genial einfach, entwickelt aber trotzdem eine erstaunliche Spieltiefe. Sicherlich ist der Glücksfaktor in dem Spiel recht hoch, wer aber PATRIZIER erfolgreich spielen will, muss über ein vorzügliches Gedächtnis verfügen und kann dadurch vor allem bei weniger Spielern das Spiel kalkulierbar machen. Bis auf die Ausgangssituation liefert PATRIZIER alle Informationen offen, so dass eine Abwägung der Chancen, ob Bauinvestitionen lohnen, sehr wohl möglich ist. Die Spieler haben zwar nur drei Baukarten zur Auswahl, aber sie haben es in einem gewissen Rahmen selbst in der Hand, wie ihre Handkarten mit der Zeit aussehen.
Eine Runde Turmbau in PATRIZIER geht erstaunlich schnell vorüber, die angegebene Spieldauer von 45 Minuten wird nur mit Grüblern am Spieltisch erreicht. In der Regel reichen 30 zügige Bauminuten, die zu Revancherunden einladen. Das macht auch deshalb Sinn, weil das Spiel von hinten deutlich besser kontrolliert werden kann und deshalb die letzten auch einmal die ersten sein sollten. Die grafische Umsetzung des Spiels ist gelungen, der Holzanteil - 149 gut stapelbare Stockwerke - ist beachtlich, die Regel lässt keine Fragen offen. Erneut ein gutes, elegantes Spiel des „Spiel des Jahres“ Preisträgers 2007, ein typischer Schacht, der etwas an KARDINAL UND KÖNIG erinnert und fast ebenso viel Spaß bereitet.
Titel: PATRIZIER
Verlag: Amigo
Autor: Michael Schacht
Graphik: Design Main
Spieleranzahl: 2-5
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 30-45 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 6/2008 R201/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt Michael Schacht 2007 in Göttingen.
PATRIZIER wird auf BGG (Stand 11.11.21) mit einer Wertung von 6,6 geführt und liegt auf Rang 676 bei den Familienspielen.
Montag, 15. November 2021
NEXT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Das nächste bitte!
Spiele für ganz große Spielerunden sind selten. Das kleine Mitbring Spiel NEXT von Jeffrey Berndt gibt vor, sogar bis zu zehn Spielern Spaß zu bringen. Worin dieser Spielspaß besteht? Nun ja, der Untertitel des Spiels spricht von hektischem Würfeln und von Zahlensuche und beschreibt damit recht genau den Spielablauf.
NEXT ist im Prinzip ein Papier-und-Bleistiftspiel, wobei ein sechsseitiger Würfel noch hinzukommt. Jeder Spieler hat ein Blatt vor sich, auf den Zahlen von 1 - 60 in wilder Verteilung vorkommen. Spielziel ist es, die Zahlen in absteigender Reihenfolge zu finden und auf dem Blatt durchzustreichen. Der linke Nachbar würfelt in dieser Zeit, sobald er das auf dem Würfel zweimal vorkommende „Next“ geworfen hat, nimmt er den Stift und sucht auf seinem Zettel die absteigende Zahlenfolge, wobei er unter dem Druck seines linken Nachbarn steht. Die Zahlensucherei läuft so lange, bis der erste Spieler seine „1“ durchstreichen konnte. Jeder darf dann sein Blatt umdrehen und für die nächste Suchrunde starten.
Einfallslos werden Sie sicher jetzt sagen. Es kommt noch schlimmer. Die Grundidee des Autoren gibt schon nicht allzu viel her, aber was der Verlag redaktionell daraus gemacht hat, ist eine wahre Katastrophe. Die Zahlenfolgen sind für alle identisch, zum Abgucken wird man geradezu herausgefordert. Es gibt auf dem ganzen Block auch nur die gleiche Zahlenverteilung der Vor- und Rückseiten der Blätter, so dass ganz schnell die bekannte Suchroutine nur noch von der Würfelzahl unterbrochen wird.
Gähnende Langeweile käme in der Zehnerbesetzung auf. Der einzige Vorteil wäre, dass der Spielblock ein schnelleres Ende finden würde. Was bleibt, ist der Wunsch nach dem nächsten und hoffentlich besseren Spiel.
Titel: NEXT
Verlag: Schmidt Spiele
Autor: Jeffrey W. Berndt
Graphik: Michael Menzel
Spieleranzahl: 2-10
Alter: ab 7 Jahren
Dauer: 15 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 5/2008 R200/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 3 von 10 Sternen,
das entspricht: Vielleicht nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Von Jeffrey W. Berndt (Jahrgang 1963) gibt es nur zwei Spiele. Der gelernte Journalist war Ende der 90er Jahre an der Gründung der Firma Reveal Entertainment in Abilene beteiligt, die 1997 den MONOPOLY-Clon TRIOPOLY herausbrachte, an dessen Entwicklung er beteiligt war. Das Spiel lief recht erfolgreich.
Insgesamt verzeichnet BGG 28 Veröffentlichungen des Verlages, die letzte 2008.
Zu diesen gehört auch das 2000 erschienene QUICK COUNT von Berndt, aus dem Schmidt sieben Jahre später NEXT machte.
BGG führt NEXT mit einer Wertung von 5,5 auf einer Basis von 23 Wertungen.
Sonntag, 14. November 2021
AKROPOLIS
SAMMELSURIUM
Bütehorn Buchkassetten: AKROPOLIS
Die Buchkassetten, die Ravensburger und Pelikan bis Mitte der 70er Jahre herausbrachten, waren wirtschaftlich nur bedingt Erfolge für die Verlage. Als beide Firmen ihre Reihen einstellten und die hannoverschen Pelikane dann bald auch ihre Spielproduktion, füllte die Lücke eine neue Firma aus dem Umfeld von Hannover. Die Bütehorn KG brachte ab 1976 wertige Buchschuber-Spiele unter dem Dach des Buchholz Verlags in Sarstedt bei Hannover heraus, hielt sich allerdings auch nur bis 1982 auf dem Markt.
Markenzeichen der Buchkassetten aus Sarstedt waren Klappdeckel und Druckknopf-Verschluss an einem Leinenanhänger. Heute ist das zwar eine Schwachstelle vieler in die Jahre gekommenen Spiele, damals war das aber eine originelle Idee. Eine Reihe der Ausgaben in den 80ern verzichtete dann schon auf diesen Verschluss und nutzte einen normalen Pappdeckel. Von diesen Ausgaben wurden mit der Insolvenz des Verlags einige von Hexagames übernommen. Der Verlag aus Dreieich nutzte die Spiele, um ein gutes Startprogramm neben dem Wirtschaftsspiel LONG SHORT zu haben.
Das Bütehorn-Programm war geprägt von großen, mittleren und kleinen Buchkassetten-Spielen. Daneben gab es einige Spiele in flachen Schachteln u.a. die damals sehr bekannten Ferienrallys. Prägend für die Programmgestaltung war Erik Grischeit als Produktmanager, er hatte vorher für Parker gearbeitet. Grischeit, der mit dem Schweizer Journalisten Walter Luc Haas befreundet war, holte bekanntere Autoren ins Programm. So kam er an DAMPFROSS, das in der Ausgabe von Schmidt Spiele 1984 Spiel des Jahres wurde. Auf der ersten Liste der Jury Spiel des Jahres 1979 waren gleich zwei Titel des Verlages vertreten. SETI bekam den ersten Sonderpreis für das schöne Spiel. Die Jury wollte damit zugleich auch den Buchholz-Verlag für sein Bemühen um besonders schön und aufwändig gestaltete Spiele würdigen. Neben SETI landete BLOCKADE von Sid Sackson auf der Auswahlliste. RÄUBER UND GENDARM von Rudi Hoffmann kam 1981 auf dem Bronzeplatz in diesem Jahr, hinter SAGALAND und FOCUS. 1982 schaffte es dann GEISTER von Alex Randolph auf die Liste der Jury.
AKROPOLIS
Der inzwischen 72jährige Walter Wolf Windisch arbeitete Anfang der 70er Jahre als Art Director in einer Schweizer Werbeagentur. 1973 machte er sich als Erfinder von Kinder- und Erwachsenenspielen sowie als Autor von Kinder- und Sachbüchern selbständig. Vor allem Anfang der 80er Jahre hat er viele Spiele entwickelt, darunter AKROPOLIS für Bütehorn, das 1984 von Fagus übernommen wurde. Der Verlag hat auch die wundervollen Märchenspiele HÄNSEL UND GRETEL und DIE SIEBEN GEISSLEIN von ihm herausgebracht.
AKROPOLIS erschien 1981. Der Autor war dem Verlag so wichtig, dass er sogar in der Spielregel mit Bild und Signatur auftaucht, was nicht einmal Alex Randolph schaffte. Der Materialaufwand für das Baumeisterspiel ist beträchtlich. Mit 40 Boden- und Deckplatten, 50 Säulenteilen und 12 Friesen steckt eine Menge Holz in der Klappschachtel. Alle Teile haben eine jeweils helle und braune Seite, deren Farbe den Gegnern anfangs zugeordnet wird.
Windisch definiert den Tempelbau wie folgt: Ein Tempel besteht auf vier gleichhohen Säulen, die aus mindestens zwei oder drei Säulenstücken bestehen müssen und mit vier Friesen verbunden sind.
Entscheidend ist beim Säulenbau, dass der endgültige Besitz erst durch die letzte Deckplatte definiert wird, sodass zwischendurch beide Spieler an einer Säule bauen dürfen. Wer nicht bis zum fertigen Tempelbau warten will, kann niederschwelligere Spielziele vereinbaren, wie den Bau von drei Säulen, die mit zwei Friesen verbunden sind.
Gespielt wird abwechselnd. Zuerst kommen die Bodenplatten auf das Baurasten von 12x12 Feldern. Insgesamt dürfen nie mehr als drei leere Bodenplatten auf dem Plan sein. Die Platten selbst dürfen nur von ihren Besitzern bebaut werden. Auf die erste Säule darf dann jeder bauen. Das gilt auch für die dritte Säule, wer abschließen will, muss aber im Besitz der zuvor gesetzten Säule sein. Entsprechend dürfen Friese auch nur zwischen gleichfarbigen Deckplatten gesetzt werden.
Da man sich ständig in die Quere kommt, ist konstruktiver Bau gar nicht so einfach, sodass es durchaus häufig vorkommt, dass auch die einfacheren Spielziele nicht erreicht werden. Dann wird der Säulenbau nach Punkten abgerechnet. Kleine Säulen bringen zwei Punkte, die großen drei, mit Fries verbundene Säulen bringen zusätzlich noch einmal die hälftige Punktzahl beider Säulen also zwei oder drei Punkte.
Ein schönes Spiel, bei dem letztlich unbefriedigend bleibt, dass echte Tempel kaum errichtet werden. Fingerspitzengefühl ist nötig, da gegen Ende ein ziemliches Säulenwirrwarr auf dem Spielfeld entsteht. Am Tisch darf man jedenfalls nicht ruckeln, sonst stürzt die ganze AKROPOLIS ein.
Titel: AKROPOLIS
Autor: Walter Wolf Windisch
Verlag: Bütehorn
Spielerzahl: 2
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 50.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 46 – S46/2021
Samstag, 13. November 2021
SNOWHERE
Welt im Wandel
Zum notwendigen Umdenken in unserer Welt im Wandel will NSV mit der neuen Produktreihe NATURELINE beitragen. Der Fürther Verlag verzichtet bei Spielen dieser Linie ganz auf Plastik. Statt Folie drumherum gibt es eine Art Papierschuber, der die Verpackung schützt. Spielregel, Schachtel und Verpackung sind aus recyceltem Kartonmaterial. Die Karten (100% FSC) werden von einer Papierbanderole zusammengehalten. Kleinere Verpackungen bei Kosmos, der Plastikverzicht bei NSV, diese Signale sollten Schule machen.
Zum Start der Reihe hat sich der Hausautor des Verlags, Steffen Benndorf, ein Feuerinferno aus 111 Karten einfallen lassen, das es zu löschen gilt. Benndorf überrascht immer wieder durch genial einfache Ideen mit pfiffigem Dreh. Das muss man in SNOWHERE wörtlich nehmen, denn seine Wendekarten zeigen einerseits das Flammenmeer und andererseits eine Schneelandschaft, die als Löschteppich fungiert.
Wie groß der Feuerteppich ist, entscheidet der Solospieler oder das Team. Die Karten werden einfach als zusammenhängende Fläche auf dem Tisch ausgebreitet. Nur freie, nicht überdeckte Karten dürfen aufgenommen, umgedreht und als Schneefeld platziert werden. Deckungsgleich darf nie gelegt werden, leichte Überlappungen zu den Karten und auch zu den Rändern des Feuerteppichs sind nötig. Dafür ist die Puzzleaufgabe klar: Wie schafft man es, effektiv an möglichst viele Karten heranzukommen, die das gesamte Feuer abdecken. Meistens geht es in den ersten Runden bei SNOWHERE so zu wie bei vielen Waldbränden, da lässt sich nicht sofort alles bekämpfen, da und dort züngeln noch Flammen oder größere Brände.
Wer meint ein kompakter Feuerteppich mache es leichter, irrt, da er von vornherein an weniger Karten herankommt und der Rest wird bald unzugänglich durch die Schneekarten. Mit einem flächigeren Brand zu arbeiten, macht es auch nur bedingt leichter, da ja auch eine viel größere Fläche abgedeckt werden muss. In diesem Fall kommt man aber vom Abbau her leichter an Karten heran, das ist ja auch eine Form der Feuerbekämpfung, und vor allem an mehr Karten. Die Chance, damit auf einige von sechs Sonderkarten zu stoßen, wächst zusätzlich. Das sind Schneeflocken, die nicht sofort zur Abdeckung genutzt werden, sondern helfen, am Ende die Lücken zu füllen.
Die fast patienceartige Aufgabe, die Benndorf hier stellt, besitzt auf alle Fälle Reiz. Stellen sich die Erfolge aber häufiger ein, ist bald die Luft raus. Und wie das so ist mit dem Feuer, ohne den Sauerstoff der Luft geht es von alleine aus. Das bedeutet nicht das Ende des Spiels, es kann gut weiterverschenkt werden.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: SNOWHERE
Autor: Steffen Benndorf
Grafik: Christian Opperer
Verlag: NSV
Spieler: 1-
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 15-20 Minuten
Preis: ca. 12 Euro
Spiel 70/2021
Freitag, 12. November 2021
MING DYNASTIE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MING DYNASTIE: Elfenland lässt grüßen
Robert F Watson ist bisher ausschließlich durch Kinderspiele bei Haba in Erscheinung getreten, wobei sein 2005 erschienen ist Geschicklichkeitsspiel POLLY POTTWAL äußerst innovative Elemente besitzt.
Um die Wertung gleich vorwegzunehmen, ähnlich Innovatives gelingt dem Autor mit seinem ersten abendfüllenden Spiel MING DYNASTIE, das bei Hans im Glück erschienen ist, leider nicht. Das in letzter Zeit beliebte China Thema greift Watson aus der Perspektive des 14. Jahrhunderts auf. Die Mongolen sind vertrieben und die Ming Dynastie kam nach vielen Jahrhunderten Fremdherrschaft wieder als eine rein chinesische Dynastie an die Macht, die sie bis ins 17. Jahrhundert behielt. Zwei bis vier Spieler agieren als kaiserliche Prinzen und versuchen den größten dynastischen Einfluss zu gewinnen.
Der Autor hat sich Mühe gegeben und vielfältige Elemente in seinen Mehrheitenspiel verwoben, Erinnerungen an EL GRANDE und ELFENLAND werden wach. Um Mehrheiten in sechs kaiserlichen Provinzen geht es letztlich. Dazu stellt Watson viel Material zur Verfügung, da ist einmal die kaiserliche Prinzenfigur, die zusätzlich auf 31 Familienmitglieder zurückgreifen kann. Reihum stellen die Spieler ihre Prinzen in eine Provinz und erhalten dafür eines von jeweils 18 Provinzplättchen. Jede Provinz ist in durch Wege begrenzte drei Gebiete eingeteilt, die im Zentrum eine gemeinsame Metropole besitzen, deren drei Stadtbezirke mit jeweils drei Häusern den drei Gebieten zugeordnet sind. Jedes Gebiet verfügt zusätzlich noch über ein Klosterfeld.
Den Provinzen zugeordnet sind Provinzfelder, neben denen Bewegungskarten ausliegen, die wiederum für die Fortbewegung der Prinzen notwendig sind. Das läuft ähnlich wie in ELFENLAND ab, für das Überschreiten von Grenzen sind jeweils bestimmte Fortbewegungsmittel vorgeschrieben, für die man eine entsprechende Karte benötigt. Zu Beginn jeder Spielrunde setzen die Spieler reihum jeweils fünf Familienmitglieder in Einzelschritten auf die Provinzfelder. Einerseits eröffnen sie damit die Optionen für den Kartenerwerb, andererseits können sie, sofern der Prinz sich in die entsprechende Provinz bewegen kann, dort zum Einsatz kommen. Das müssen Sie auch, denn in jeder geraden Rundenzahl von insgesamt sechs Spielrunden führt ihr Einsatz zu Siegpunkten, die auf einer Kramerleiste angezeigt werden. Mehrheiten in den jeweils drei Gebieten der sechs Provinzen werden abgerechnet. Der Spieler mit den meisten Anhängern darf zwei der drei Häuser des zugeordneten Stadtbezirks besetzen, der zweite das dritte Haus. Für jedes Familienmitglied in einer Stadt gibt es im Anschluss daran ein Provinzplätzchen, die wiederum bringen im Sechserpack die Siegpunkte, 28 nach der ersten Wertung bis hinzu nur nach 20 nach der dritten und letzten Wertung, einzelne Plättchen zählen dann nur noch einen Punkt. Punkte gibt es dann zusätzlich noch für in der Stadt verbliebene Figuren und Anhänger in den Klöstern
In MING DYNASTIE wird für wenig Spiel ein gewaltiger Abrechnungsaufwand betrieben. Die Vernetzung von Figureneinsatz, Kartenerwerb und Mehrheitsveränderungen scheint auf den ersten Blick interessant, erweist sich dann aber doch als viel weniger steuerbar als ursprünglich vermutet. Oft kann die eingeplante Wegeroute für den Prinzen nicht umgesetzt werden, weil die entsprechenden Karten nicht zur Verfügung stehen. Die gegensteuernde Jokerlösung muss unter Verzicht eines Familienmitglieds recht teuer erkauft werden. Auch die Wertung verläuft in Dimensionen ab, die die Kramerleiste mit ihren 50 Punkten regelmäßig sprengt. Der Verlag hat dafür zwar extra Zählplättchen vorgesehen, aber elegantere Lösungen hätte es sicherlich auch geben können. Was sich die Redaktion mit den beiden Regelfassungen gedacht hat, von denen die zweiseitige eine Kurzfassung scheint, die aber ohne das vielseitige Erklärungsblatt unverständlich bleibt, wird wohl Verlagsgeheimnis bleiben. Hinzukommt eine Schludrigkeit bei den Kurzspielregeln, da auf der Wertungsseite die entscheidende Berechnung der Provinzplättchen fehlt.
Positiv sei eine Neuerung anzumerken, die Schule machen sollte: Autor und Grafiker werden mit Bild und Kurzbiografie auf den inneren Schachtellängsseiten vorgestellt. Die Erwartungshaltung bei Spielen dieses Münchner Verlags ist in der Regel hoch, von daher fällt die Enttäuschung vielleicht noch etwas größer aus als bei einem anderen Verlag. Der Autor, der mit diesem Spiel 2001 im Hippodice-Wettbewerb vertreten war, hat durchaus interessante Elemente seinem Spiel zugrunde gelegt, allerdings ist seine Idee schon vor sieben Jahren nur auf der Empfehlungsliste gelandet und nicht bis zur Endrunde vorgedrungen. Irgendwie bleibt auch bei diesem Produkt der Eindruck zurück, dass weniger mehr gewesen wäre oder, um im Kulturkreis Chinas zu bleiben, Laotse war der Auffassung, das „in Einfachheit und Veredelung“ am Ende der Reichtum läge.
Titel: MING DYNASTIE
Verlag: Hans im Glück
Autor: Robert F. Watson
Graphik: Harald Lieske
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: 90 Min.
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 4/2008 R199/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Für Robert F. Watson war MING DYNASTIE die letzte Veröffentlichung. Es blieb bei diesem Spiel und den im Text erwähnten Haba-Spielen POLLY POTTWAL und DIE NASCHBÄREN.
MING DYNASTIE wird auf BGG mit einer Wertung von 5,9 bei immerhin 521 Ratings auf Platz 2015 bei den Strategiespielen geführt.
Das Bild zeigt Watson 2002 auf dem Autorentreffen in Göttingen mit dem Prototypen von MING DYNASTIE.
Donnerstag, 11. November 2021
LINQ
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Um die Ecke gedacht
Arg wortkarg geht es in diesem neuen Kommunikationsspiel von Erik Nielsen zu, ganz im Gegensatz zu dem, was gedanklich und nonverbal während der Spielrunden abläuft und ganz im Gegensatz zu den Wortkaskaden nach der Auflösungsphase einer Spielrunde. Hören Sie doch einfach mal zu:
Annette Wirft einen „Dieb“ in die Runde, Bernhard glänzt schmunzelnd mit dem „Stern“, Christiane hält sich ganz kurz an das Adverb „ab“, Doris setzt lächelnd den „Himmel“ hinzu, Eberhard ergänzt stirnrunzelnd mit einem Blick in die Runde den Begriff „Kreuz“, Fridolin greift ihn amüsiert im „Busch“ auf, Gerlinde schließt die Runde mit dem Begriff „Elefant“ ab. Verstanden? Nein? Das macht nichts. Gerlinde hat alles mitgeschrieben.
Trotzdem sollten Sie jetzt erst einmal auf den Kenntnisstand von Annette und Co. gebracht werden. Die sieben Spieler haben zu Beginn der Spielrunde jeweils eine Karte mit 12 Begriffen zugeteilt erhalten, auf einer Karte ist allerdings nur ein Fragezeichen zu sehen. Jeweils zwei Spieler besitzen identische Karten. Der für die Spielrunde geltende Begriff wird ausgewürfelt, in unserem Fall ist die „12“ geworfen worden. Die Spieler haben nun reihum einen sprachlichen Hinweis gegeben, der zu ihrem Begriff führen soll. Nach dieser ersten Runde gibt jeder einen ersten Tipp ab, welche Spieler Partner sein könnten. Erstes Ziel sollte dabei sein, den eigenen Partner zu erkennen, denn dafür gibt es die meisten Punkte. Tippt man andere Paarungen richtig, müssen diese dafür jeweils einen Punktechip bezahlen, das gilt auch dann, wenn man das Fragezeichen getippt hat.
Nach der ersten Begriff Runde geht es in eine zweite, die der weiteren Klärung dienen kann, aber zusätzlich oft extreme Verwirrung stiftet. Wer der Meinung ist, seinen Partner gefunden zu haben, kann noch freie assoziieren und die Mitspieler bluffen. Im Prinzip läuft die Runde wie die erste ab, so dass wir uns die Beispiele sparen können und gleich zur Auflösung schreiten.
Anette und Fridolin haben sich ihre Spielbälle in „Bagdad“ zugeworfen, der „Dieb“ war für Fridolin ein guter Hinweis, der für die anderen kaum zu entschlüsseln war, dass mit seinem Busch eigentlich der Buschkrieger gemeint war, ahnte auch nur Annette. Da beide sich gefunden haben, erhalten sie fünf Siegpunkte aus der Kasse. Den Hinweis auf den Cullinan, den „Stern von Afrika“ oder auch auf das gleichnamige Piatnik Spiel hat Gerlinde verstanden, sie konnte daher fast Klartext reden und mit dem Elefanten einen eindeutigen Hinweis auf „Afrika“ geben, auch dieses Paar geht mit voller Punktzahl aus der Runde raus. Eberhard hat allerdings mit Christianes Idee „Ab in den Süden“ nicht das Richtige anfangen können, wobei sein Kreuz für Christiane ein guter Hinweis auf den gemeinsamen Begriff „Süden“ war. Die beiden finden sich nicht, da Eberhard Doris als Partnerin wählt, die aber nur für himmlische Verwirrung sorgen wollte.
Gespielt wird über mehrere Runden, bis ein Spieler 25 Siegpunkte erreicht hat. Das ist aber fast nebensächlich bei dem Spielerlebnis in LINQ-Runden. So wortkarg die Runden verlaufen, so erklärungsfreudig geht es danach zu. Erik Nielsen Spiel, das erstmalig bei Endless Games in den USA erschienen ist, lebt von der hervorragenden redaktionellen Bearbeitung durch Andrea Meier, die damit erstmalig einen Gastautor in ihrem Eigenverlag veröffentlicht. Heidelberger vertreibt dieses ausgezeichnete assoziative Wortspiel, das vor allem in großen Runden riesigen Spaß macht. Die Obergrenze sieht Andrea Meier bei acht Spielern, wobei meine Erfahrung auch mit zehn Spielern positiv waren. LINQ ist im Sektor der kommunikativen Spiele ein absolutes Highlight, das besonders in Spielrunden, die sich gut kennen, ein außergewöhnliches intellektuelles Vergnügen bietet.
Titel: LINQ
Verlag: BeWitched Spiele
Autor: Erik Nielsen
Graphik: keine Angabe
Spieleranzahl: 4-10
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 45 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 3/2008 R198/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der in Dallas lebende Erik Nielsen hat Wirtschaftswissenschaften und Geschichte an der Sorbonne und in San Diego studiert. Zurzeit arbeitet er als CEO für das Startup WatchTAG.
Was seine Erfindertätigkeit angeht, beschränkt sie sich auf LINQ und LINQUER, die Erweiterung, die 2008 erschien.
Mit dem Spiel war er recht erfolgreich. In Deutschland landete er 2008 auf der Empfehlungsliste für das Spiel des Jahres.
BGG führt LINQ mit einer Wertung von 6,9 bei den Partyspielen auf Rang 120 (Stand 08.11.21).
Mittwoch, 10. November 2021
LANDLORD
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wo ist die Regel?
Flohmarktfunde mit Spielen aus den 60er Jahren enden bei der Überprüfung des Spielmaterials meist mit der mühsamen Spielregel suche. „Die steht doch auf der Rückseite oder im Schachteldeckel !“, versuchen sich die Verkäufer stets rauszureden. Bei Noris Spielen aus dieser Zeit haben sie sogar oft Recht. Meist finden sich aber auf den Rückseiten der Schachtel nur Regelkurzfassungen, mit denen das Spiel nur in Ansätzen rekonstruierbar ist. Ähnliche Erfahrungen machen Spieler 2008 mit einem brandneuen Noris Spiel, die Regel zu LANDLORD ist einfach nicht auffindbar. Auf der Suche nach einer ordentlichen Spielregel versuchte ich sogar den schwarzen Plastikteller, der einen Druckmechanismus besitzt, zu öffnen, um dort die eventuelle eingelegte Regel zu ergattern. Vergebliche Mühe. Auch das Tiefziehteil erwies sich als wenig aussagekräftig. Wo war die Regel? Kurz und gut, nach langem Suchen musste ich mich damit abfinden, dass tatsächlich die Schachtelrückseite nicht nur der Demonstration des Schachtelinhalts und von Spielzügen dient: Die sieben maximal fünfzeiligen Absätze stellen die Regeln für das Spiel LANDLORD dar.
In dem Spiel für zwei Personen geht es um Landgewinn. Zwei Plastiklords bewegen sich auf 21 Spielfeldern orthogonal oder diagonal. Die Wege, die sie dabei marschieren, gelbe Stege im Spielbrett, werden durch die Figuren nach unten gedrückt und dadurch als nicht mehr durch gehbar markiert. Sobald durch diese Markierungen Flächen umschlossen sind, dürfen diese farblich gekennzeichnet werden. Wer am Ende auf diese Weise die meisten Gebiete gewonnen hat, gewinnt das Spiel.
So weit so gut, das Material ist in Ordnung, der Druckmechanismus funktioniert, wobei ein genaues Hinsehen oft nötig ist, um festzustellen, ob dieser oder jener Weg schon markiert ist. Auch nach dem Spiel lässt sich durch Drücken auf die Rückseite des Spielbrettes der Ausgangszustand schnell wiederherstellen.
Funktioniert das Ganze auch als vernünftiges Spiel? Um diese Frage zu beantworten, brauchten wir wahrscheinlich doch so etwas wie eine richtige Regel, die uns klarer mitteilt, wie LANDLORD funktionieren soll. Die entscheidende Frage, wie weit bewegen sich die Figuren, wird sehr widersprüchlich von der Schachtel Rückseite beantwortet. Da heißt es einmal, „abwechselnd bewegen Sie ihre Spielfiguren über die Wege (horizontal, vertikal oder - soweit möglich - diagonal)“. Was ist gemeint? Ziehen die Figuren so weit wie möglich oder nur, wenn es möglich ist? Wobei die zweite Interpretation wahrscheinlicher ist, aber trotzdem unlogisch scheint, denn diese Aussage müsste auch für orthogonale Züge gelten. Spielziel soll der Flächengewinn sein, in den Partien, die wir nach der Regel von beliebiger Zugweite gespielt haben, stellt sich schnell heraus, dass die Isolierung des Gegners oft zu einem schnellen Spielende führte. Das Schachtelcover zeigt genau diese Situation , der blaue Lord dürfte sich nicht mehr bewegen.
Wenn ich ernst nehme, dass markierte Wege nicht mehr begehbar sind, muss die Einengung des Gegners die zentrale Strategie sein. So gespielt , bietet LANDLORD sogar einen gewissen Reiz, aber soll es wirklich so gespielt werden? Es könnte ja auch sein, dass Bewegung im eigenen Gebiet noch möglich ist. Wer weiß das schon? Vielleicht die Regel, die dem Spiel demnächst noch bei liegt!
Titel: LANDLORD
Verlag: Noris
Autor: Guido Lap
Graphik: keine Angabe
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: 20 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 2/2008 R197/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Guido Lap hat in Deutschland nur ZEPARATE (ursprünglich ISOLATE, 2003 Educational Insights) und LANDLORD (Noris 2007) veröffentlicht.
Für ZEPARATE war Lap für den Deutschen Lernspielpreis 2006 nominiert.
LANDLORD wird auf BGG (Stand 8.11.21) bei neun Wertungen mit einer 5,6 geführt.
Dienstag, 9. November 2021
GEMISCHTES DOPPEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MEMO mit Wortwitz
Christian Gottwalt hat die kürzeste Kolumne der Welt erschaffen, zwei Worte reichen ihm im Magazin der Süddeutschen Zeitung, seine wachsende Fangemeinde mit GEMISCHTES DOPPEL zu erfreuen. Gottwald spielt mit Worten, verdrehte Buchstaben und kommt mit Wortwitz zu neuen Sichtweisen.
In seiner Kolumne wird aus „Klitschko“ „Kitschklo“, das „Heidekraut“ zur „Kreidehaut“ oder die „Gartenkunst“ zur „Kartenkunst“. Kein Wunder, dass die Wortpaare sich irgendwann im Spiel wiederfinden mussten. Bastian Sicks RETTUNG DES GENITIVS wird inzwischen erfolgreich von Kosmos vermarktet, Gottwalds GEMISCHTES DOPPEL setzt der Frankfurter Verlag MeterMorphosen passend in ein MEMO-Spiel um.
Das klassische Gedächtnisspiel geht von der Suche nach Bildpaaren aus. Die Anforderungen in Gottwalts Spiel toppt den Klassiker gleich doppelt. Einerseits dürfen sich die Spiele auf Wortverdrehungen einlassen, andererseits muss auch bei dem Bildsignalen total umgedacht werden.
Wer denkt denn schon bei unserer Kanzlerin an ein Schweinchen? Wenn diese aber nur fast so aussieht wie das Original, also eigentlich nur eine „Fastmerkel“ ist, dann ist der Weg zum „Mastferkel“ nicht weit. Die
besondere redaktionelle Leistung liegt In der Umsetzung der Sprachschöpfung Gottwalts. Die Bildauswahl steht dem Sprachwitz des Autos in nichts nach und interpretiert seine Wortschöpfung kongenial. So wie Gottwalt sprachschöpferisch mit seinen Lesern spielt, so spielt auch der Frankfurter Verlag MeterMorphosen mit seinen Spielern.
Die Spielanregung führt sich selbst ad absurdum. „Die wichtigste Regel ist dabei allerdings, dass sie keine der folgenden Regeln ernst nehmen müssen. Was sie am Ende mit den Spielkarten anstellen, ist allein ihre Sache.“ Bevor mit dem Pappkärtchen (KapptPärchen) das Kaminholz entzündet wird oder sie in irgendwelchen Schubladen (Schulbaden) verschwinden, sollten Sie sich der Kartengunst stellen.
GEMISCHTES DOPPEL ist mehr als eine reizvolle MEMO-Variante, ein tolles Partyspiel, bei dem der Gesprächsstoff nie ausgeht. Wenn sie demnächst mal wieder richtig Powershoppen (Schauerpoppen), dann denken Sie daran ein gemischtes Doppel mit in die Tüte zu packen. Der stabile Kartenschuber, den Sie dann erwerben, enthält 72 Kartenmotive für Anregendes Denkvergnügen. Sollten Sie aber tatsächlich nichts damit anfangen können, verzichten Sie auf die Kaminlösung, als Geschenk taugt das Spiel allemal.
Titel: GEMISCHTES DOPPEL
Verlag: MeterMorphosen
Autor: Christian Gottwalt
Graphik: Mirko Borsche
Spieleranzahl : 1-6
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 30 Min.
Preis: ca. 17 Euro
Spiel 29/2007 R196/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Christian Gottwalt, 1968 in Mellrichstadt in Unterfranken geboren, studierte Volkswirtschaft in Würzburg und absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München.
Er arbeitete Ende der 90er und Anfang der 00er Jahre zehn Jahre lang als Redakteur beim "Süddeutsche Zeitung Magazin", wo er sich um schräge Geschichten und die Wortspiel-Kolumne GEMISCHTES DOPPEL kümmerte. Danach war er mehrere Jahre Textchef beim Frauenmagazin InStyle und arbeitete für das Allianz Magazin 1890.
Vom GEMISCHTEN DOPPEL sind inzwischen vier Ausgaben bei MeterMorphosen erschienen.
Die erste Fassung wird auf BGG mit 5,6 bewertet und liegt auf Rang 17.406 aller Spiele. (Stand 8.11.21).
Montag, 8. November 2021
ZUG UM ZUG MÄRKLIN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Deutschlandreise á la Alan Moon: ZUG UM ZUG MÄRKLIN
Ohne Erweiterungen kommen erfolgreiche „Spiele des Jahres“ nicht mehr aus. Kosmos hat mit den SIEDLERN VON CATAN mit der Erweiterungsorgie begonnen, Hans im Glück hat sie extensiv mit CARCASSONNE fortgesetzt und in diese Riege reiht sich Days of Wonder mit ZUG UM ZUG-Nachfolgern ein. Nicht immer brachten die an die Originale angelehnten Erweiterungen Verbesserungen, wie es dabei um die dritte Erweiterung von Alan Moon steht, werden Sie gleich erfahren.
Vom Start weg war dieses geniale Eisenbahnspiel Moons erfolgreich mit seinem US- amerikanischen Streckenplan, kamen der Europaplan mit Bahnhöfen und unkalkulierbaren Tunneldurchfahrten, erst 2006 bietet das Spiel seiner deutschen Fangemeinde heimisches Ambiente. Und nicht nur das: Days of Wonder verknüpft dank einer gelungenen Kooperation die Brettspielwelt mit der der Spielzeugeisenbahnen. Ob damit neue Käuferschichten gefunden werden, weiß ich nicht, aber der Schachzug scheint genial, wenn die bisher uniformen Lokomotiven und Waggons ihren individuellen Märklin-Charakter erhalten.
ZUG UM ZUG MÄRKLIN bleibt natürlich die logistische Herausforderung mit Streckenbau und Zielkarten mittels Wagenkarten und platzierter Kleinwaggons aus Plastik. Die Märklin-Variante bietet aber viel mehr als einen Abklatsch des Originals, erstmalig tauchen Passagiere, Passagierkarten und Waren auf , zudem gibt es besondere Jokerkarten, die sogenannten "4+-Lokomotiven", die erst bei Zügen ab einer Länge von 4 Wagenkarten und mehr eingesetzt werden können.
ZUG UM ZUG MÄRKLIN benötigt deutlich mehr Vorbereitung als seine Vorgängerspiele. Punkteplättchen, das sind die Warensteine, müssen erst einmal in jede Stadt gelegt werden, meist ist es nur ein 2er-Pappchip, aber es gibt auch viele kleine Stapel mit abnehmenden Punktwert. Berlin wird seinem Hauptstadtstatus insofern gerecht, dass dort der einzige Viererstapel mit immerhin 7,6,5 und 4 Punkten liegt. In anderen Zentren wie Hamburg und München müssen sich die Spieler schon am Anfang mit 4 Punkten begnügen. Neben den 45 Eisenbahnwaggons erhalten die Spieler zu Spielbeginn jeweils drei Passagiere und vier Wagenkarten. Von den Zielkarten, die in dieser Version in je einem Stapel mit kurzen und langen Strecken aufgeteilt sind, müssen vier aufgenommen und mindestens zwei behalten werden. Auf den den meisten Lesern sicherlich bekannten Ablauf wird nur in aller Kürze eingegangen. Einerseits gilt es, die Zielkarten zu erfüllen, denn das bringt am Ende Zusatzpunkte, bzw. bei Nichterfüllung Punktabzug. Zum Streckenbau sammeln die Spieler farbige Waggonkarten, mit denen entsprechend farbige Bahnstrecken zwischen Städten bebaut werden, auch dafür gibt es Punkte, die sofort auf einer Wertungsskala angezeigt werden. Jokerkarten erleichtern den Streckenbau, im Laufe des Spiels können auch weitere Auftragskarten angenommen werden. Das Spiel geht in eine Schlussrunde, sobald ein Spieler nur noch ein oder zwei Waggons besitzt. Erst dann werden die Zielkarten ausgewertet, zusätzlich wird der Spieler mit den meisten erfüllten Aufträgen (bisher: längste Strecke) belohnt. Soweit das übliche Procedere mit seinem dynamischen Spielverlauf.
Sobald eine Strecke gebaut ist, darf ein Passagier in eine der beiden Städte gestellt werden, wobei in jeder Stadt nur ein Reisender stehen darf. Soll dieser Fahrgast reisen, kostet das eine vollständige Aktion. Seine Reiseroute führt weitgehend über eigene Strecken, die der Mitspieler dürfen dann benutzt werden, wenn zusätzlich Fahrgastkarten ausgespielt werden, die sich bei den Wagenkarten befinden. Außerdem darf ein Passagier jede Strecke nur einmal benutzen. In allen besuchten Orten, allerdings nicht im Startort, gibt es, sofern noch vorhanden, die Punktechips als Handelsgüter. Eine frühe Reise kann deshalb äußerst lukrativ sein, die Planungen der Gegenspieler, die sich zum Teil aus den aufgestellten Passagieren ablesen lassen, sind im Blick zu behalten.
Diese neue Form des Punktesammelns verändert deutlich die Taktik des Spiels. Wer dreimal lukrativ seine Passagiere in Deutschland herumschicken konnte und dabei durchaus mit 30 und mehr Punkten rechnen kann, muss sich nicht mehr so viel Mühe mit den Zielkarten geben. Das Problem war dem Autor sicherlich auch bewusst, der deshalb erstmalig die Erfüllung besonders vieler Aufträge mit einer Bonuskarte belohnt. Dem kommen außerdem die differenzierten Auftragsstapel mit den kurzen und langen Strecken entgegen. Der Deutschland-Plan selbst erzwingt einen anderen Spielrhythmus, das kleinmaschige Netz mit vielen Kürzeststrecken im Westen steht im deutlichen Gegensatz zu dem eher langstreckigen Osten. Das bedingt, besonders wenn nur zwei oder drei Spieler beteiligt sind, einen beschleunigten Streckenbau. Da werden keine Karten gehortet, wie beim Eisenbahnbau in den USA, sondern da schließt der Startspieler (der mit der besten Märklin-Sammlung natürlich) gleich am Anfang aus der Hand die Verbindung Köln-Düsseldorf. Sobald vier Spieler im Spiel sind, darf diese Strecke sogar dreimal gebaut werden.
Days of Wonder hat ZUG UM ZUG MÄRKLIN erneut hervorragend umgesetzt. Nicht nur für Märklin-Fans sind die vielfältigen Zugkarten ein Augenschmaus. Die Regel ist akzeptabel, Kenner der Vorgängerspiele werden kaum Probleme damit haben. Fehler sind wohl nie ganz zu vermeiden, nur gut, dass zumindest ein ganz grober geografischer Schnitzer nur noch im Spielaufbauplan der Regel erkennbar ist. Der dortige Spielplan zeigt nämlich Expansionsgelüste der Brüder Kwasnieski, die Tschechien vereinnahmt haben.
Die Werbebeigaben sind vielfältig: Das Märklin Gesamtsortiment kommt auf CD daher, das Days of Wonder-Programm sogar auf DVD.
Meine Kaufempfehlung am Ende hat nichts mit der Werbung zu tun, auch nichts mit dem Märklin-Ambiente, von mir aus hätten es Heros-Bahnen sein können. Das Spiel selbst überholt seine Vorgänger mindestens um Lokomotivenlänge. Es ist zwar fummeliger im Spielaufbau und auch beim Einsammeln der Punktechips braucht man ruhige Finger, aber deutlich weniger glücksbetont und spannender. Die indirekte Interaktion wächst, da das Mitspielerverhalten stärker im Blick sein muss. Damit ist ZUG UM ZUG MÄRKLIN aber auch anspruchsvoller als das Spiel des Jahres 2004. Ob wirklich achtjährige Kinder mit dieser Version klar kommen, bezweifele ich. Ab zehn Jahren und aufwärts wird Alan Moons Deutschlandreise aber zum Hochgenuss.
Titel: ZUG UM ZUG MÄRKLIN
Verlag : Days of Wonder
Autor : Alan R. Moon
Graphik: Julien Delval
Spieleranzahl : 2-5
Alter : ab 8 Jahren
Dauer : 30-60 Min.
Spiel 28/2007 R195/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Alan Moon war in den 80er Jahren für Avalon Hill journalistisch tätig, arbeitete auch an der Spielentwicklung für diese Firma und für Parker Brothers. Dem deutschen Publikum wurde er Anfang der 90er Jahre durch Spiele wie AIRLINES (Abacus) und Spiele des Verlags White Wind bekannt, den er zusammen mit Peter Gehrmann gründete
In 1000er Auflagen erschienen die meisten Spiele bei White Wind so auch ELFENROADS, das später in der Version von Amigo als ELFENLAND Moons erstes „Spiel des Jahres“ wurde. Zwischen 1998 und 2004 war Moon besonders erfolgreich. Mit UNION PACIFIC (1999) und DAS AMULETT (2001) landete er auf der Nominierungsliste. 2004 gelang ihm sein größter Erfolg mit ZUG UM ZUG, zu dem in der Folgezeit verschiedene Varianten und Erweiterungen erschienen sind und immer noch erscheinen.
In dieser erfolgreichen Phase war Moon erster Vorsitzender der Spieleautorenzunft. Das Bild stammt aus einem Gespräch zweier Preisträger in Göttingen aus dem Jahre 2005. Werner Hodel und Alan Moon diskutieren, ob der Mississippi oder die Schiene der bessere Transportweg in den USA sei.
ZUG UM ZUG MÄRKLIN wird mit einer Wertung von 7,4 auf Platz 55 der Familienspiele auf BGG geführt (Stand 31.10.21). Das Original steht auf Platz 35. Unter Sammlern ist diese Ausgabe sehr beliebt und ist nur um die 100 Euro zu bekommen.
Sonntag, 7. November 2021
POLYP
SAMMELSURIUM
Bütehorn Buchkassetten: POLYP
Die Buchkassetten, die Ravensburger und Pelikan bis Mitte der 70er Jahre herausbrachten, waren wirtschaftlich nur bedingt Erfolge für die Verlage. Als beide Firmen ihre Reihen einstellten und die hannoverschen Pelikane dann bald auch ihre Spielproduktion, füllte die Lücke eine neue Firma aus dem Umfeld von Hannover. Die Bütehorn KG brachte ab 1976 wertige Buchschuber-Spiele unter dem Dach des Buchholz Verlags in Sarstedt bei Hannover heraus, hielt sich allerdings auch nur bis 1982 auf dem Markt.
Markenzeichen der Buchkassetten aus Sarstedt waren Klappdeckel und Druckknopf-Verschluss an einem Leinenanhänger. Heute ist das zwar eine Schwachstelle vieler in die Jahre gekommenen Spiele, damals war das aber eine originelle Idee. Eine Reihe der Ausgaben in den 80ern verzichtete dann schon auf diesen Verschluss und nutzte einen normalen Pappdeckel. Von diesen Ausgaben wurden mit der Insolvenz des Verlags einige von Hexagames übernommen. Der Verlag aus Dreieich nutzte die Spiele, um ein gutes Startprogramm neben dem Wirtschaftsspiel LONG SHORT zu haben.
Das Bütehorn-Programm war geprägt von großen, mittleren und kleinen Buchkassetten-Spielen. Daneben gab es einige Spiele in flachen Schachteln u.a. die damals sehr bekannten Ferienrallys. Prägend für die Programmgestaltung war Erik Grischeit als Produktmanager, er hatte vorher für Parker gearbeitet. Grischeit, der mit dem Schweizer Journalisten Walter Luc Haas befreundet war, holte bekanntere Autoren ins Programm. So kam er an DAMPFROSS, das in der Ausgabe von Schmidt Spiele 1984 Spiel des Jahres wurde. Auf der ersten Liste der Jury Spiel des Jahres 1979 waren gleich zwei Titel des Verlages vertreten. SETI bekam den ersten Sonderpreis für das schöne Spiel. Die Jury wollte damit zugleich auch den Buchholz-Verlag für sein Bemühen um besonders schön und aufwändig gestaltete Spiele würdigen. Neben SETI landete BLOCKADE von Sid Sackson auf der Auswahlliste. RÄUBER UND GENDARM von Rudi Hoffmann kam 1981 auf dem Bronzeplatz in diesem Jahr, hinter SAGALAND und FOCUS. 1982 schaffte es dann GEISTER von Alex Randolph auf die Liste der Jury.
POLYP
Wer ungewöhnliches Spielmaterial in Spielen sucht, wird in POLYP fündig. Die Metallfigur aus Farbzylinder mit angehängten vier kleinen Stülpzylindern aus Metall, die den namensgebenden Polypen ausmachen, ist schon speziell.
Die Idee ist es weniger. Einen Spieleautor weist Bütehorn nicht aus. Erstmalig erschien POLYP in der flachen Schachtel 1977, die mir vorliegende Buchkassettenausgabe stammt aus dem Jahre 1979. Im Grunde genommen spielen wir eine HALMA-Variante mit Störfaktor, angesiedelt in einer Wasserwelt mit Fischen und Polypen.
Jeder hat neun Fische, die er aus einem Eckbereich des 19x19 Felder großen Spielbretts in den diagonal gegenüberliegenden Zielbereich bringen muss. Bewegt werden die Fische wie HALMA-Figuren durch einfaches Ziehen um ein Feld oder die bekannten Kettensprünge. Auf einer mittigen Kreuzschiene mit fünf Feldern stören Polypen mit ihren Fangarmen diese Fischzüge. Im Gegensatz zu den Fischen, die nur ein Feld weit ziehen oder springen, kann sich ein Polyp um maximal sechs Felder weit bewegen, wobei die Bewegungspunkte auf den Hauptkörper und die Fangarme aufgeteilt werden müssen. Der Bewegungssektor der Polypen ist eingeschränkt auf die fünf blauen Bahnen, wobei der Kopf des Polypen die mittlere Bahn nicht verlassen darf. Der Fangvorgang geschieht real, erreicht der Arm eines Polypen einen Fisch, wird der kleine Metallzylinder über den Fisch gestülpt, der fortan mitgeschleppt werden muss. Dieser Arm kann ab sofort keinen Fisch mehr fangen und stellt damit keine Bedrohung für andere Fische mehr dar. Theoretisch kann ein Polyp so maximal fünf Fische fangen. Es sei denn, er kehrt vorher zurück zu seiner Startreihe und entlässt den Fang in ein kleines Aquarium, um dann neu wieder auf Fischjagd zu gehen.
Das Spiel endet, wenn ein Spieler alle seine nicht unterwegs abgefangenen Fische ins Zielquadrat gebracht hat und auch mit seinem Polypen wieder auf Startposition steht. Dann zählen alle gefangenen Fische drei Siegpunkte und alle geretteten zwei. Fische, die noch unterwegs sind, bringen keine Punkte. Der Spieler, der das Spiel beendet hat, darf zusätzlich drei weitere Punkte ins seine Schlussbilanz übernehmen.
Wie viele Bütehorn-Spiele ist auch POLYP letztlich ein abstrakter Klassiker-Aufguss, hier wird HALMA variiert, der durch die gierigen Fangarme des Polypen eine Prise Spannung bringt. Die Bewegungsoptionen des Polypen darf man aber nicht überschätzen. Da alle Arme durch kleine Ketten verbunden sind, müssen die Teilbewegungen von sechs Punkten häufig gut verteilt werden, damit der Hauptkörper vorankommt. Im Spiel zu zweit lässt sich der gegnerische Polyp daher oft umgehen. Spannender sind Partien zu dritt und zu viert.
Titel: POLYP
Autor: ohne Angabe
Verlag: Bütehorn
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 30 - 45 Minuten
Preis: ca. 50.- DM
Wertung: Nächsten Monat wieder
Sammelsurium 45 – S45/2021
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