Dienstag, 26. Oktober 2021
STERNSAMMLER
Dreidimensionaler Sternenregen
In die ganz große Spielekiste hat Haba im diesjährigen herausragenden Programm die dreidimensionale Umsetzung eines Märchenklassikers gepackt. Wenn Kai Haferkamp bei Selecta in einem ebenfalls dreidimensionalen Spielraum auf spannende Weise den MÄRCHENSCHATZ rettet, dann kann eines dieser geretteten Märchen bei Haba in einer traumhaften Spielelandschaft nachgespielt werden.
Wolfgang Kramer und Markus Lübke haben sich dazu dem Märchen Sterntaler spielerisch genähert. Das arme kleine Mädchen, das sogar sein letztes Hemd wohltätig opfert und dafür mit einem himmlischen Goldregen belohnt wird, kommt natürlich als wunderschöne große Haba-Figur im Spiel vor. Es wandert über einen Rundkurs mit zwölf Waldfeldern in vier Farben. Himmelsbahnen mit Sterntoren erreichen von einem Himmelsturm aus vier dieser Felder. Diese Bahnen transportieren auf Laufrinnen Goldtaler.
Zwei bis vier Kinder ab drei Jahren bewegen reihum die Sterntalerfigur mit einem Würfel. Zeigt dieser ein Farbsymbol, darf Sterntaler auf das nächste Waldfeld der gewürfelten Farbe. Wenn es Glück hat, würfelt es gleich ein Sterntor. Steht das Mädchen durch das gewürfelte Farbfeld oder das Sterntorsymbol unter einer Himmelsbahn, dürfen die Taler in Bewegung gesetzt werden, so dass sie auf das Sterntaler-Mädchen herabregnen. Das Kind darf die Taler in einem glänzenden Säckchen sammeln. Nach jedem Zug bestücken die Kinder eine der Himmelsbahn mit einer neuen Goldmünze, solange noch Münzen im Himmelsturm sind.
Sobald alle Münzen eingesammelt sind, endet das Spiel. Die Kinder bauen aus den Talern Goldtürmchen. Wer den höchsten Münzturm hat, gewinnt nach 10 - 15 Minuten. In einer Variante für etwas ältere Kinder bringen Kramer und Lübke noch zusätzlich Silbertaler ins Spiel. Dabei dürfen Münzen nur so lange gesammelt werden, bis eine andersfarbige Münze die Sternenbahnen herabrollt.
Die Märchenatmosphäre fängt das Spiel gut ein. Drei- und vierjährige Kinder kommen mit dem Spielablauf klar, wobei erwachsene Helfer beim Aufbau und bei der Bedienung der Himmelsbahn notwendig sind. Für ältere Kinder fehlt der Spielreiz, die spielen STERNSAMMLER einmal, vielleicht zweimal, das war's dann auch. Einen Härtetest im Kindergarten überstehen die Pappbahnen und besonders ihre Verankerungen im Himmelsturm auf Dauer auch nicht. Etwas mühsam, für kleine Kinder oft frustrierend, ist die Schlusswürfelei um die vorletzte und letzte gefüllte Bahn. Es bleibt daher ein etwas ambivalenter Eindruck. Das Märchen ist optisch opulent gerettet, aber es wird mir zu viel Aufwand um zu wenig Spielspaß betrieben.
Titel: STERNSAMMLER
Verlag: Haba
Autoren: Wolfgang Kramer, Markus Lübke
Spieleranzahl: 2 - 4
Alter: ab 3 Jahren
Dauer: ca. 15 Min.
Preis: ca. 35 Euro
Spiel 20/2007 R186/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Der 78jährige Wolfgang Kramer ist neben Reinhold Wittig der dienstälteste Spieleautor in Deutschland und der erste, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Der gelernte Betriebswirt und Informatiker hängte 1989, nach zwei Spiel des Jahres-Auszeichnungen seinen Beruf an den Nagel und lebte fortan vom Spielerfinden.
Sein erstes Spiel TEMPO erschien 1974 bei ASS, HEIMLICH & CO. war sein erstes Spiel des Jahres (1986), es folgte gleich danach AUF ACHSE. In vielen seinen späteren Erfolgen war er mindestens im Team unterwegs. Bei EL GRANDE (SDJ 1996) begleitete ihn Richard Ulrich und bei TIKAL und TORRES Michael Kiesling.
Markus Lübke hat zusammen mit Wolfgang Kramer neben STERNSAMMLER noch COLOSSEUM (2007, Days of Wonder) veröffentlicht.
STERNSAMMLER wird auf BGG mit 4,9 bewertet. Die Voten reichen nicht für eine Platzierungswertung aus.
Das Bild zeigt Wolfgang Kramer 2005 während einer SdJ-Veranstaltung in Berlin.
Donnerstag, 21. Oktober 2021
SCHRECKLICHT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Schrecklich(t)er Spieltitel
Mit Spieltiteln begeben sich Verlage schnell aufs Glatteis. Das klassische Beispiel ist Kramers vor 15 Jahren bei Ravensburger erschienenes SO EIN MIST!, der Titel war Programm. Auf brüchiges Titeleis begibt sich Kosmos mit dem sprachschöpferischen Titel SCHRECKLICHT, für den Verlag ist es zwar nur der assoziative Ausflug in die Halloween-Welt, für den Rezensenten aber die Möglichkeit zu einem schnellen Verriss über das schreckliche Spiel, das es zum Glück nicht ist.
Günter Burkhardt zeichnet verantwortlich für die eigentlich rein abstrakte Spielidee. In vier Spielrunden versuchen zwei bis fünf Spieler jeweils drei Aufgabenkarten durch das Ausspielen von Farbkarten punkteträchtig zu erfüllen. Ganz pfiffig löst Burkhard dabei die Wertung der Aufgabenerfüllung. Die Aufgabenkarten sind den drei Spielfarben der Spielkarten zugeordnet, deren Ablage nicht nur die Schlusswertung steuert, sondern die Fortbewegung von drei Farbsteinen auf einem kleinen Spielplan. Am Ende der Runde bringt die Erfüllung von Aufgaben der vorn liegenden Steine erheblich mehr Punkte als der hinterste Platz.
Diese abstrakte Idee hat Kosmos in eine Hexen-, Geister- und Vampirwelt verpackt, die in einer Vollmondnacht „schaurig pfiffig“, wie es im Untertitel heißt, Spielvergnügen bringen soll. Dazu werden Aufgabenkarten zufällig den Spielfarben zugeordnet. Danach könnte ein Spielziel sein, die meisten der auf den Karten befindlichen Kürbisköpfe zu sammeln oder die niedrigste Summe an Kartenwerten am Ende zu besitzen. Von jeder Farbe sind sogenannte 12 Gruselkarten im Spiel mit Werten von 0 bis 11. Eine Karte wird zu Spielbeginn zufällig vor jedem Spieler ausgelegt und der entsprechende Spielstein wird vorwärts gezogen. Für die Spielrunde erhält jeder sechs weitere Handkarten, mit denen der Spielablauf gesteuert wird. Diese Karten dürfen die Spieler entweder in die eigene oder in eine fremde Auslage bringen, eine offen liegende Karte darf vor jedem Spieler auch einmal abgedeckt werden. Beschränkend ist zu beachten, dass die Auslage vor jedem Spieler auf vier offene Karten begrenzt ist und dass abgedeckte Karten mindestens mit dem gleichen oder höheren Kartenwert zugedeckt werden müssen. Eine solche Maßnahme hat natürlich zur Folge, dass der Farbstein der abgedeckten Farbe zurückgesetzt werden muss. Das Rundenende tritt ein, wenn entweder vor allen Spielern vier offene Karten liegen oder ein Zählstein 45 oder 50 Felder vorangekommen ist. Die Aufgabe, die der Siegfarbe zugeordnet ist, wird mit fünf Punkten für die beste Erfüllung gewertet, wobei auch der zweite noch drei Punkte erhält und der dritte Platz mit einem Punkt gewertet wird.
Ausgehend von der Bewertung der Handkarten und der ersten Spielauslage, gilt es, die Runden zu steuern. Da die Mitspieler fleißig die eigene Auslage sabotieren können, die zudem mit nur vier offenen Karten arg beschränkt ist, sind auch die Steuerungsmöglichkeiten begrenzt. Der Spielreiz ergibt sich sehr kartenabhängig weniger aus dem Aufbaucharakter des Ablagespiels als aus dem Ärger, den man anderen bereiten kann. Es stellt sich immer wieder die spannende Frage, wann man mit seinen wertvollen Karten herausrückt. Oft macht es auch Sinn, in der eigenen Auslage eine nicht so wichtige Karte abzudecken, damit eine sehr gute nicht von den Mitspielern zugedeckt wird. Beim Spiel zu viert oder zu fünft kann das aber schnell dazu führen, dass die Mitstreiter die restlichen offenen Plätze belegen, so dass man für die eigene Auslage nur noch indirekt agieren kann.
SO EIN MIST ist SCHRECKLICHT sicherlich nicht, es kommt auch gar nicht so schrecklich daher, ist eher leichte, unterhaltsame Kost. Ein kleines Ärgerspiel für Zwischendurch. Das Spielmaterial ist solide, das Spiel ist preiswert zu erwerben, insofern für Freunde von glücksabhängigen Spielen mit Ärgerkomponente durchaus empfehlenswert, unbedingt haben muss man dieses Spiel aber nicht.
Titel: SCHRECKLICHT
Verlag: Kosmos
Autor: Günter Burkhardt
Illustration: Tanja Donner
Spieleranzahl: 3-5
Alter: ab 10 Jahre
Dauer: ca. 30 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 18/2007 1996 R184/2021
Die Rezension erschien 2007 unter
www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Realschullehrer Günter Burkhardt startete 1997 als 36jähriger zu Beginn gleich richtig durch. Er durfte sich nicht nur über MANITOU freuen, sondern hatte mit LANG LEBE DER KÖNIG und BÜRO CRAZY (beide F.X. Schmid) gleich zwei weitere Spiele in seinem Erstveröffentlichungsprogramm. BGG verzeichnet vorher noch Eigenpublikationen wie die QUASSELSTRIPPE (1994) und DAS LIEBLINGSSPIEL DES ADAM RIESE (1996).
MANITOU gefiel nicht nur den Juroren von Spiel des Jahres, es erreichte den fünften Platz beim Kartenspielpreis der Fairplay und den zehnten beim Deutschen Spielepreis. Im Jahresrhythmus folgten mindestens zwei bis drei weitere Veröffentlichungen. Mit KUPFERKESSEL (Goldsieber) landete er 2002 erneut auf der Auswahlliste der Jury, gewann den österreichischen Titel Spiele Hit für Zwei und erreichte den achten Platz des Kartenspielpreises der Fairplay. Die Spiele MAORI (Hans im Glück, 2009) und POTATO MAN (Zoch, 2014) kamen auf die Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres.
Beim Kartenspielpreis der Fairplay war er noch erfolgreicher, sein VOLLTREFFER (Berliner Spielkarten) gelangte 2000 auf den vierten Platz und mit VOM KAP BIS KAIRO (Adlung Spiele) erreichte er 2002 den ersten Platz.
Sein bisher größter Erfolg im Team mit seiner Tochter Lena war 2018 die Auszeichnung mit dem Kinderspiel des Jahres für FUNKELSCHATZ.
Von seinem Lehrerberuf hat er sich schon vor einiger Zeit beurlauben lassen. Er arbeitet inzwischen hauptberuflich als Spieleautor, engagiert sich in seiner Heimat in der Nähe von Bad Ditzenbach im Sportverein und ist für Die Grünen im Gemeinderat.
Das Bild zeigt Günter Burkhardt 2005 auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Mittwoch, 20. Oktober 2021
DIE REGENSBURGER RITHMOMACHIE
Fast eintausend Jahre alt: Das Regensburger Zahlenspiel
Die Firma Heros ist bekannt für Holzbausteine in der bunten Tonne, einige Kinderspiele hat der Verlag auch im Programm. Fast wie ein Fremdkörper wirkt da ein uraltes Zahlenspiel.
Der Zusammenarbeit des Forums Mittelalter der Universität Regensburg und dem Verlag aus dem bayerischen Wald ist es zu verdanken, dass eins der rätselhaftesten und ältesten deutschen Spiele käuflich zu erwerben ist: DIE REGENSBURGER RITHMOMACHIE.
In Süddeutschland ist das Spiel seit dem 11. Jahrhundert bekannt. Die Herausgeber der Heros-Fassung führen es auf einen Mönch Asilo aus Würzburg zurück. Um 1090 ist ein Ableger Im Kloster Sankt Emmeran in Regensburg aufgetaucht, an der sich die Heros-Ausgabe teilweise orientiert. Abraham Riese Sohn des bekannten Adam, hat das Zahlenspiel 1562 erstmalig in einer deutschen Fassung veröffentlicht. Ein Jahrhundert später soll die REGENSBURGER RITHMOMACHIE beim Adel ebenso beliebt gewesen sein wie das Schachspiel. Der Herzog August von Braunschweig Wolfenbüttel beschreibt sie 1616 unter dem Pseudonym Selinus gleichwertig neben dem Schachspiel. Im 18. Jahrhundert Gerät das Zahlenspiel allerdings in Vergessenheit.
Über die Regeln des Zahlenkampfes herrscht große Unklarheit; erst im 16. Jahrhundert kristallisierten sich einzelne Kernpunkte heraus. Das Spielbrett müssen wir uns als doppeltes Schachbrett vorstellen. Die beiden Kontrahenten im zahlen Kampf besitzen 24 Spielsteine, jeweils acht runde, drei- und viereckige. Diese Spielsteine sind mit Zahlenwerten versehen die sich unter Verwendung von speziellen seit der Antike bekannten Proportionen die auch für die Charakterisierung von Tonverhältnissen der Musik und Längenverhältnissen in Geometrie (Architektur) und Astronomie bedeutsam sind, errechnen lassen. So gehen die runden weißen Spielsteine erst einmal von den geraden zahlen 2, 4, 6 und 8 aus und werden durch ihre Quadratzahlen ergänzt. Bei den schwarzen runden Steinen geschieht dies entsprechend für die ungeraden Zahlen. Für die dreieckigen und viereckigen Steine werden alternierend die Zahlenverhältnisse von 3:2 bis zu 10:9 auf die beiden Parteien verteilt und danach die Werte ausgerechnet, so das weiß die Zahlen 6, 9, 20, 25, 42, 49, 72, 81 (dreieckig) und 15, 45, 81, 91, 153, 169 und 289 (viereckig) erhält, schwarz dagegen die Zahlen 12, 16, 30, 36, 56, 64, 90, 100 (dreieckig) und 28, 49, 66, 120, 121, 190, 225 und 361 (viereckig). Beide Spieler haben einen Pyramidenstein, der aus übereinander liegenden Quadraten besteht. Für weiß ist es der Stein 91 (gebildet aus 36 + 25 + 16 + 9 + 4 + 1), für schwarz die 190 (gebildet aus 64 + 49 + 25 + 16).
Die Spielsteinformen ziehen unterschiedlich weit nach der Regensburger Ausgabe wird festgelegt, dass die runden Steine zwei Felder ziehen, die dreieckigen drei und die viereckigen vier, dabei dürfen sie rechtwinklig abbiegen. Das bedeutet für die runden Steinen einen Diagonalschritt, für die dreieckigen einen Rösselsprung und für die viereckigen zwei Diagonalschritte bzw. einen Rösselsprung mit weiterführendem senkrechten oder waagrechten Schritt. Wie im Schach gibt es eine feste Grundaufstellung, durch die jeweils Felder in den ersten vier Reihen belegt werden.
Unter bestimmten Bedingungen können Spielsteine geschlagen werden, wenn beispielsweise Steine mit gleichem Wert aufeinandertreffen. Unabhängig vom Wert gilt ein von vier Seiten umzingelter Stein als geschlagen. Wird ein gegnerischer Spielstein von zwei Seiten in die Zange genommen, gilt er als geschlagen, wenn mit Hilfe von Rechenoperationen sein Wert erreicht werden kann. Am überraschendsten kann der „Überfall“ sein, der Bewegungen über die normale Zugweite hinaus zulässt. Bei diesem Zug werden Rechenoperationen von Spielstand, Wert und Anzahl der Zugschritte zugelassen, die dann dem angegriffenen Wert entsprechen müssen. Zusätzlich kann der Wert eines angrenzenden eigenen Steins mit in die Berechnung einbezogen werden.
Bei den Pyramiden ist besonders zu beachten, dass sie zwei angreifbare Zahlenwerte besitzen, ihre Basis 36 beziehungsweise 64 und die Additionswerte. Wird die weiße Pyramide mit dem Wert 36 geschlagen, fallen weitere fünf Steine (4, 9, 16, 25, neben der 36) dem Angriff zum Opfer. Die Pyramiden müssen ähnlich wie der König im Schach besonders geschützt werden.
Im Laufe des Mittelalters haben sich zwei Varianten für das Spielende herauskristallisiert. Ein einfaches Ende für Anfänger, bei dem es nur auf den Wert der geschlagenen Steine ankommt, und eine komplexe mathematische Variante, die das Setzen von Folgen aus drei Zahlen mit bestimmten Mittelwert-Eigenschaften verlangt.
Analog dazu wird im Spiel eine einfache Fassung vorgeschlagen, bei der man am Anfang auch mit Kindern spielen kann. Als Rechenoperationen wird nur die Addition zugelassen. Gespielt wird, bis eine vorher festgelegte Punktzahl erreicht ist. Im Spiel für Fortgeschrittene kommen die Multiplikation und die Überfall-Regel dazu, gespielt wird hierbei auf 500 Punkte. Gute Mathematiker dürfen sich natürlich mit allen Rechenmöglichkeiten herumschlagen.
Will man sich aber dem eigentlichen mittelalterlichen Zahlenkampfspiel nähern, dann ist man mit der Variante für Fortgeschrittene, was die Schlagmöglichkeiten angeht, schon beim Original angelangt. Die Siegbedingungen sind aber ganz andere und für Nichtmathematiker schwer nachvollziehbare. Bei der REGENSBURGER RITHMOMACHIE geht es nicht um das Beseitigen von Steinen, sondern um das Bilden von Gruppen aus drei Spielsteinen, deren mittlerer einer Mittelwerteigenschaft genügt. Das kann das arithmetische Mittel sein, für das bei den Steinen 6, 9, 12 entsprechend die „9“ mittig sein müsste. Das aus der Musik bekannte harmonische Mittel muss ebenfalls erreicht werden, dabei verhält sich die größte der drei Zahlen zur kleinsten wie die Differenz zwischen der größten und der mittleren zur Differenz zwischen der mittleren und der kleinsten. Solche harmonischen Mittelwerte sind zum Beispiel 6,8, 12 oder 3,4, 6 oder 5,8, 20. Man gewinnt, wenn man als erster sowohl eine arithmetische als auch eine harmonische Dreierfolge in der Spielplanhälfte des Gegners platziert hat.
Regeltechnisch würde man heute von einem kaum ausgewogenen Spiel sprechen, die Harmonien lassen sich nämlich vernünftig nur aus dem Mischbestand beider Farben bilden. Die schwarzen Steine gelangen gar nicht zu einer harmonischen Stellung und bei der Farbe Weiß gibt es nur zwei Konstellationen. Um zu allen 18 möglichen harmonischen Mitteln zu kommen, dürfen geschlagene Steine wieder ins Spiel genommen und in eigene Siegstellungen mit eingebaut werden. Wichtig ist auch die Regel, dass angekündigt werden darf, wenn eine Dreierfolge gebildet werden soll. Die betroffenen Steine dürfen nicht mehr geschlagen werden.
Die REGENSBURGER RITHMOMACHIE erweist sich in seiner einfachen Spielform als ein hervorragendes Lernspiel, das auf ganz besondere Weise einen Zugang zur Zahlenwelt eröffnet. Für die Originalfassung muss man schon ein ausgesprochenes Gespür besitzen, ohne entsprechende Zahlentabellen ist man als Laie hoffnungslos verloren. Auf der Internetseite des Mittelalter Forums der Universität Regensburg gibt es aber ausführliche Hintergrundinformationen, die ein tieferes Einsteigen in die Materie zulassen (www.forum-mittelalter.org).
Heros hat den Spielplan auf nicht ganz knickfreies Leinen gedruckt, die Holzsteine sind von ordentlicher Qualität. Die Regel ist informativ, lässt allerdings Fragen offen, was sich aber aus der Geschichte des Spiels als Problem erklären lässt. Insofern gilt stets die „Spielart für Tüftler“, die der Kreativität beim Erfinden neuer Regel keine Grenzen setzt.
Es muss nicht immer etwas Neues sein, was anspruchsvollen Spielgenuss verspricht. Dieser Rückgriff auf die Anfänge des Spiels in Deutschland macht uns mit einem außergewöhnlichen Spielerlebnis bekannt, mathematisch konstruiert, als würde ein Tüftler wie Reiner Knizia dahinterstehen, dabei waren es Mönche, die ihre Zahlenweltsicht hiermit verarbeiteten. Edith Heister (Universität Regensburg) und Alfred Holl (Fachhochschule Nürnberg) verdienen Dank für ihre Bemühungen um das alte Zahlenspiel, ebenso wie der Verlag Heros, der für sein Verlagsprogramm einen neuen Akzent setzen konnte.
Titel: REGENSBURGER RITHMOMACHIE
Verlag: Heros
Autor: Mönch Asilo aus Würzburg, um 1030
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 8 Jahre
Dauer: 30 bis 60 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 17/2007 R183/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel:
Auf BGG wird das Spiel mit einem Ranking von 5,9 geführt. Hugendubel veröffentlichte
1987 ein lesenswertes Buch von Detlef Ilmer über das Zahlenspiel unter dem Titel RHYTHMOMACHIA
Dienstag, 19. Oktober 2021
PINGUIN RALYYE
Auf’s Glatteis begeben
Jedes Spiel ist ein Lernspiel, gleichgültig ob es direkt für das Lernen angelegt ist oder ob soziales und kommunikatives Miteinander en passant erlernt wird. Die Mindestanforderung an Spiele muss daher sein, dass sie thematisch stimmig und korrekt sind. Im wahrsten Sinne des Wortes aufs Glatteis begeben haben sich Manfred Ludwig und die W&L Verlagsgesellschaft mit dem Spiel PINGUIN RALLYE. Autor und Verlag würfeln antarktische und arktische Tierwelten wild durcheinander, da taucht das auf der Nordhalbkugel heimische Walross mitten unter den südamerikanischen und antarktischen Pinguinen auf. Spätestens seit der Reise der Pinguine oder Happy feet wissen auch die Kleinsten genau über das Lebensumfeld der Königspinguine Bescheid, da irritieren solche elementaren redaktionellen Fehler.
Das Spiel selbst bietet seichte Würfelkost für zwei bis vier Kinder ab fünf Jahren. Die Kinder führen ihre Pinguinfigur auf Eisschollen rund um eine große Eisbergrutsche, die das falsch platzierte Walross bewacht. Der Würfel lässt Fortbewegungen der Pinguine in Einer- bis Viererschritten zu. Wird nur eine „1“ oder „2“ gewürfelt, darf zusätzlich die Walrossfigur zu einer kleinen Eisscholle gestellt werden, steht dort ein Pinguin oder halten sich sogar mehrere auf der Scholle auf, sind sie gefährdet. Wenn der nächste Spieler statt einer Zahl eins der beiden Walrosssymbole würfelt, kippt die Scholle und die Pinguine müssen zurück auf große Schollen, die an jeder fünften Stelle auf dem Weg zum Eisberg ankern. Der Aufstieg zur Eisbergrutsche darf nur noch allein und muss exakt vorgenommen werden. In kleiner Wettlaufrunde ist die Rallye meist schon nach zehn Minuten beendet, in Vollbesetzung kann es auch 20 Minuten dauern, bis der erste Pinguin auf dem Eisberggipfel gelandet ist.
Holzfiguren, leider nur einseitig bedruckt, ein atmosphärisch passender und klar strukturierter Spielplan stellen das nötige Ambiente für das Spiel. Die taktischen Einflussmöglichkeiten halten sich in Grenzen, sind aber vorhanden. Die Schadenfreude ist jedenfalls groß, wenn das Walross an der richtigen Eisscholle wartet. Das passgenaue Würfeln am Ende, das die Spielregel etwas unklar beschreibt, ist mühsam. Von Manfred Ludwig, Autor u.a. von VIVA TOPO, bin ich anspruchsvollere Kost gewohnt. PINGUIN RALLYE funktioniert, ein richtig „heißes Rennen“, wie der Untertitel verspricht, habe ich aber in keiner Spielrunde erlebt. Für in Pinguine vernarrte Kinder bleibt das im letzten Jahr ausgezeichnete PACKEIS AM POL das Nonplusultra.
Titel: PINGUIN RALLYE
Verlag: W & L Verlagsgesellschaft
Autor: Manfred Ludwig
Illustration: Kurt Gall
Spieleranzahl: 2 – 5
Alter: ab 5Jahren
Dauer: ca. 15 Min.
Preis: ca. 17 Euro
Spiel 16/2007 R182/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Manfred Ludwig, einst Lehrer für Französisch und Sport an einem Gymnasium in Regensburg, gehört zu den erfolgreichsten und produktivsten Autoren Deutschlands. Die erste Spieleveröffentlichung des 84jährigen Autors liegt schon 40 Jahre zurück. Damals kam GEFÄHRLICHGE BRÜCKEN beim Verlag Spear heraus. Für diesen Verlag gewann er 1983 mit FUZZI, HEINZ UND SCHLENDRIAN auch seine erste Auszeichnung. Das Spiel landete auf der AWL der Jury. Es folgten über 70 weitere Spiele und viele Preise, darunter mit DIEGO DRACHENZAHN das Kinderspiel des Jahres 2010.
Die PINGUIN RALLYE läuft wertungslos bei BGG.
Samstag, 16. Oktober 2021
KLARE KISTE
KLARE KISTE mit Socken unterm Bett
Kirsten Hiese gehört seit knapp 15 Jahren zu den bekanntesten Spieleautorinnen, die sich vor allem auf Kinderspiele spezialisiert haben. Ihr KÄPT’N KULLER (Schmidt) landete 2020 auf der Empfehlungsliste der Kinderjury, was ihr vor zehn Jahren mit der SCHÄTZINSEL von Haba schon einmal gelungen war.
In KLARE KISTE, ihrem neuesten Spiel bei Haba, geht es um das unbeliebteste Thema in den Kinderzimmern: das Aufräumen. Wenn’s schnell gehen soll, dann wird auch einfach der Rest unters Bett geschoben, ganz realistisch geht es daher in Hieses Spiel zu.
Jedes Kind bekommt ein Bettchen und sechs Spielzeugkisten. Das ganze Spielzeug liegt wild verstreut in der Tischmitte. Alles in Papier- und Pappformat, hinzu kommen noch 15 Chaos-Plättchen mit zwei oder drei Socken.
Der Reiz ergibt sich in Hieses Spiel aus dem Wendecharakter der Spielzeugplättchen. Jede Kiste zeigt zwei Spielzeuge und eben diese Teile gibt es exakt nur auf Vor- und Rückseite eines Plättchens. Da geht es recht hektisch zu, wenn die Kinder ihre passenden Teile suchen. Wer zuerst fertig ist, schnappt sich ein grünes Stäbchen, der zweite bekommt ein gelbes und der dritte ein rotes Stäbchen. Entsprechend gibt es rote und gelbe Chaos-Plättchen, natürlich auch für diejenigen, die nicht fertig wurden oder Fehler gemacht haben. Denn kontrolliert wird, ob alles richtig in den Kisten geordnet ist.
Das Chaos verschwindet unter dem Bett und darf nicht zu sehen sein. Gelingt das, geht’s in die nächste Runde, sonst ist Schluss und der Spieler mit den wenigsten Socken unterm Bett gewinnt.
Die Wendekärtchen machen den eigentlichen Pfiff von KLARE KISTE aus. Ein witziges Suchspiel, das recht hektisch abläuft, aber Vorschulkindern Spaß bereitet. Witzig ist auch die Idee mit dem realen Verstecken der Socken unter dem Bett. Weitere große Preise wird Kirsten Hiese damit zwar nicht gewinnen, aber durchaus für Unterhaltung am Spieltisch sorgen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: KLARE KISTE
Autor: Kirsten Hiese
Grafik: René Amthor
Verlag: Haba
Spieler: 2-4
Alter: ab 5 Jahre
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 9 Euro
Spiel 65/2021
Montag, 11. Oktober 2021
DIE Z STRATEGIE
SAMMELSURIUM
Bütehorn Buchkassetten: DIE Z STRATEGIE
Die Buchkassetten, die Ravensburger und Pelikan bis Mitte der 70er Jahre herausbrachten, waren wirtschaftlich nur bedingt Erfolge für die Verlage. Als beide Firmen ihre Reihen einstellten und die hannoverschen Pelikane dann bald auch ihre Spielproduktion, füllte die Lücke eine neue Firma aus dem Umfeld von Hannover. Die Bütehorn KG brachte ab 1976 wertige Buchschuber-Spiele unter dem Dach des Buchholz Verlags in Sarstedt bei Hannover heraus, hielt sich allerdings auch nur bis 1982 auf dem Markt.
Markenzeichen der Buchkassetten aus Sarstedt waren Klappdeckel und Druckknopf-Verschluss an einem Leinenanhänger. Heute ist das zwar eine Schwachstelle vieler in die Jahre gekommenen Spiele, damals war das aber eine originelle Idee. Eine Reihe der Ausgaben in den 80ern verzichtete dann schon auf diesen Verschluss und nutzte einen normalen Pappdeckel. Von diesen Ausgaben wurden mit der Insolvenz des Verlags einige von Hexagames übernommen. Der Verlag aus Dreieich nutzte die Spiele, um ein gutes Startprogramm neben dem Wirtschaftsspiel LONG SHORT zu haben.
Das Bütehorn-Programm war geprägt von großen, mittleren und kleinen Buchkassetten-Spielen. Daneben gab es einige Spiele in flachen Schachteln u.a. die damals sehr bekannten Ferienrallys. Prägend für die Programmgestaltung war Erik Grischeit als Produktmanager, er hatte vorher für Parker gearbeitet. Grischeit, der mit dem Schweizer Journalisten Walter Luc Haas befreundet war, holte bekanntere Autoren ins Programm. So kam er an DAMPFROSS, das in der Ausgabe von Schmidt Spiele 1984 Spiel des Jahres wurde. Auf der ersten Liste der Jury Spiel des Jahres 1979 waren gleich zwei Titel des Verlages vertreten. SETI bekam den ersten Sonderpreis für das schöne Spiel. Die Jury wollte damit zugleich auch den Buchholz-Verlag für sein Bemühen um besonders schön und aufwändig gestaltete Spiele würdigen. Neben SETI landete BLOCKADE von Sid Sackson auf der Auswahlliste. RÄUBER UND GENDARM von Rudi Hoffmann kam 1981 auf dem Bronzeplatz in diesem Jahr, hinter SAGALAND und FOCUS. 1982 schaffte es dann GEISTER von Alex Randolph auf die Liste der Jury.
DIE Z STRATEGIE
Zwischen 1973 und 1976 hat Brian McCarthy vor allem Spiele für zwei Personen veröffentlicht. Sein erstes Spiel THE NAVY GAME war eine Art Schiffeversenken, das bei Ariel Productions erschien. Mit TANK COMMANDER wechselte McCarthy zur Kriegssimulation auf dem Land, diesmal bei Smurfit Games. Sein englischer Verlag, der alle weiteren vier Spiele von ihm veröffentlichte, ab sofort keine martialischen Feldschlachten mehr, sondern eher abstrakte Duelle.
Zwei dieser Spiele übernahm Bütehorn, einmal das raffinierte Zahnradspiel THE POWER GAME (1975), das Bütehorn als TURN veröffentlichte. Dann das Z Game, das 1979 als DIE Z STRATEGIE bei Bütehorn in der kleinen Schachtel erschien.
Für das schachartige Duell, in dem es darum geht, den gegnerischen Z-Stein zu schlagen, hat sich McCarthy einen scheinbar raffinierten Dreh ausgedacht, der ein bisschen an STRATEGO erinnert. Jeder besitzt nur acht Spielsteine, wobei die Z-Steine mittig auf den Grundlinien eines 11x7 Rasters für das Duell bereitstehen. Alle anderen Steine liegen vorerst verdeckt zu einer kleinen Phalanx aufgebaut. Da gibt es die markierungslosen Bauern, die Null-Steine, die sich nur ein Feld nach vorn bewegen dürfen. Ein Pfeil-Stein toppt das leicht, er geht ein oder zwei Felder geradeaus nach vorn oder diagonal, aber nicht seitlich oder zurück. Schließlich gibt es je zwei Pendants zum Läufer und Turm mit beliebigen Bewegungen in diagonaler oder orthogonaler Richtung. Kleine Öffnungen in den Spielsteinen, die zum jeweiligen Spieler zeigen, offenbaren durch eine Strichlösung, um welchen Stein es sich handelt.
DIE Z STRATEGIE spielt sich statischer als SCHACH, da Springer und Dame fehlen und alle, die ihre Optionen noch nicht durch Umdrehen offenbart haben, ziehen nur wie die Null-Steine. Deshalb zieht man nach diesen Optionen oder dreht einen Stein um, um ihn voll nutzen zu können. Geschlagen wird in klassischer Manier, indem man auf das Feld des Gegners zieht. Wem das mit dem Z-Stein gelingt, gewinnt das Spiel.
Die Idee klingt reizvoll, ist es aber nur bedingt. Da die Entscheidungen doch nur offen herbeigeführt werden. Spannender und deutlich weniger berechenbar wäre es, wenn auch aus der verdeckten Position heraus voll agiert werden könnte und dann ein MEMO-Effekt für den Gegner eintritt und eine andere Risikoabwägung.
Gespielt wird auf einer Art Vlies-Spielfeld, aus dem die Knicke schlecht herausgehen. Die Lösung für die Erkennung der Plastikspielsteine ist durch die kleine Öffnung in Ordnung und funktioniert bei gutem Lichteinfall sehr gut.
Titel: DIE Z STRATEGIE
Autor: J. Brian McCARTHY
Verlag: Bütehorn
Spielerzahl: 2
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 15.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 41 – S41/2021
Samstag, 9. Oktober 2021
JINX
JINX
Der österreichische Autor Klaus Altenburger konnte mit dem Karten- und Würfelspiel JINX den Preis Spiele Hit Kartenspiel 2021 in Österreich gewinnen. 2021 zählt daher für ihn, der mit ZIPPERS 2013 sein erstes Spiel vorweisen konnte, zum erfolgreichsten Jahr, zumal ihm mit SILENT PLANET bei Amigo noch eine weitere Veröffentlichung gelang.
JINX läuft über drei Runden. 16 Zahlenkarten in sechs Farben mit den Werten 1 bis 6 werden in jeder Runde in ein 4x4 Raster ausgelegt. Wer am Zug ist, würfelt ein oder maximal zweimal und nimmt sich passend zum Wurfergebnis eine Karte aus der Auslage. Die Wertungsbedingungen hat man dabei stets im Hinterkopf. Gewertet wird nämlich immer dann, wenn ein Spieler nach dem zweiten Wurf keine Karte mehr aufnehmen kann. Behalten darf man nur Karten von den Farben, die nicht mehr in der Auslage sind. Der Spieler, der das Rundenende herbeigeführt hat, verliert zusätzlich seine höchste Karte.
Wer möchte, darf danach eine seiner gesicherten Karten gegen eine Glückskarte tauschen, die das Wurfergebnis variieren, die Option auf einen dritten Wurf bieten oder auch Kombinationen von gleichfarbigen Zahlenkarten ermöglichen, sodass man für eine „6“ Karten mit den Werten 1,2 und 3 in einer Farbe aufnehmen dürfte, sofern diese ausliegen. Schließlich gibt es nur einmal nutzbare Glückskarten, die die Aufnahme bestimmter Karten zulassen.
Haben alle, wenn sie denn wollten, eine Glückskarte eingetauscht, geht es in die nächste Runde. Gesammelte Karten bleiben offen liegen, können damit auch später wieder verloren gehen. Die nächste und die abschließende dritte Runde verlaufen identisch. Gerettete Karten werden am Ende addiert und die höchste Summe entscheidet über den Spielsieger.
So einfach wie JINX ist, so spannend ist der Spielablauf. Diese Mischung aus Glück und Taktik, vor allem wenn einen gute Glückskarten unterstützen, sorgt für Emotionen. Es macht auch Sinn, sich in den ersten beiden Runden die Farben zu merken, die im Spiel waren, um das Risiko einzuschätzen, das man später eingeht, Karten noch zu verlieren. Ein schnell erklärter Würfelspaß für zwei bis vier Spieler, der gut als Absacker durchgeht.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: JINX
Autor: Klaus Altenburger
Grafik: Fiore GmbH
Verlag: Piatnik
Spieler: 2-4
Alter: ab 6 Jahre
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 9 Euro
Spiel 65/2021
Donnerstag, 7. Oktober 2021
GEZANKE AUF DER PLANKE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Piraten auf der Planke
Das Piratenthema ist aus der Brettspielwelt für Kinder nicht wegzudenken, allein im letzten Jahr hat es Selectas PIRATISSIMO zur Nominierung für das „Kinderspiel des Jahres“ gebracht und DER SCHWARZE PIRAT von Haba hat diesen Preis gleich gekapert. Kein Wunder, dass 2007 die verwegenen Gestalten mit Augenklappen und Holzbeinen, Säbel rasselnd auf sich aufmerksam machen. Da herrscht ein harter Konkurrenzkampf nicht nur um Preise für ausgezeichnete Spiele, sondern auch auf See.
Den Verdrängungswettbewerb führt uns GEZANKE AUF DER PLANKE von Dominique Ehrhardt exemplarisch und dramatisch vor. Winning Moves hat die Spielidee des französischen Autors in einer imposanten dreidimensionalen Spielelandschaft umgesetzt. Da bewegen die zwei bis vier kleinen Piraten, die aber mindestens sechs Jahre alt sein sollten, 16 kleine Plastikpiraten in vier Farben auf einem großen Piratenschiff, das von einem Hai umkreist wird. Auch der Würfelersatz, eine Windrose zum Drehen ist fest auf dem Spielbrett verankert. Praktisch ist, dass dieser Aufbau einfach aus der Schachtel gehoben und umgedreht wird und sofort kann es losgehen.
Dazu werden die Piraten in einer vorgegebenen Reihenfolge auf die Reling des Schiffes gestellt, an deren Ende ein Haimaul wartet. Die Spieler ziehen aus einem Säckchen einen Glasstein, der ihre Spielfarbe anzeigt. Diese gilt es möglichst lange geheim zu halten, denn der Spieler gewinnt, dessen Pirat sich am längsten auf der Planke halten konnte. Gesteuert wird das Spiel über einen Drehpfeil mit zwei Auswahlmöglichkeiten. Da dürfen Piraten in ihren Positionen vertauscht werden, da darf einer ans Ende oder an die Spitze der Reihe gehen, oder die Piratenmannschaft wird an einer beliebigen Stelle auseinandergerissen und nach vorn verschoben. Neben der Veränderung durch den Drehpfeil müssen die kleinen Piratenspieler ihre Züge stets damit abschließen, dass eine Piratenreihe um ein Feld nach vorn geschoben wird. Dem Wasser und damit auch dem Hai entrinnt nur eine Spielfigur.
GEZANKE AUF DER PLANKE ist ein einfaches Bluffspiel mit hohem Aufforderungscharakter, es erinnert etwas an den Klassiker HEIMLICH & CO., besitzt aber nicht ganz dessen taktische Möglichkeiten. Trotzdem bereitet es Kindern viel Spaß, dem sich auch mitspielende Erwachsene nicht entziehen können. Bleibt nur die Frage, inwieweit ist ein die Piraten verschlingendes Haimaul pädagogisch vertretbar? Die Kinder stört’s nicht, die treibt es nach 15 spannenden Spielminuten gleich in die nächste Runde, in der sie fleißig schubsen und drängeln können, um sich rechtzeitig hintenanzustellen, damit ihre Spielfarbe gewinnt.
Titel: GEZANKE AUF DER PLANKE
Verlag : Winning Moves
Autor : Dominique Ehrhardt
Grafik: Claus Stephan
Spieleranzahl : 2 – 4
Alter : ab 6 Jahre
Dauer : ca. 15 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 10/2007 1996 R174/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 63jährige Dominique Ehrhard ist Spiele- und Buchautor. Er lebt in Orléans. Zu seinen bekanntesten Veröffentlichungen gehört CONDOTTIERE, das 1995 nicht nur auf der Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres landete. Im gleichen Jahr gewann es auch den französischen Spielepreis Super As d’Or. Außerdem reichte es zum 10. Platz beim À la carte Kartenspielpreis der Fairplay.
Ähnlich erfolgreich war er 2008 mit SULEIKA, das zum Spiel des Jahres nominiert war, den As d‘Or gewann und zusätzlich noch den Hauptpreis Spiel der Spiele in Österreich.
GEZANKE AUF DER PLANKE fuhr keine Preise heim. Auf BGG wird es (Stand 01.10.21) mit 4,7 bewertet und liegt auf Rang 20.155. Meinen Testkindern hat es aber 2007 viel Spaß bereitet.
Mittwoch, 6. Oktober 2021
FIGARO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
An den Haaren herbeigezogen: FIGARO
Für ein kleines, einfaches Kartenspiel mit Ärgerfaktor betreibt dV-Games bei FIGARO von Reiner Knizia einen gewaltigen Aufwand. Abstrus wie die Spielgeschichte, aber immerhin zum Spieltitel passend, scheint alles an den Haaren herbeigezogen: Ein König, der ein „Mädchen für alles“ sucht, da sein Hofstaat sich beim Ritterturnier amüsiert.
Wer das „Mädchen für alles“ am Ende ist, wird über ein dreirundiges Kartenspiel entschieden, dessen Wertungsmechanismus Verlag und Autor zusätzlich aufgepeppt haben. Da wird nicht einfach gepunktet, sondern da dienen lange und kurze Wegstrecken dazu, letztlich den kürzesten Weg zum König festzulegen. Viel Lärm um eine simple, aber zu viert und zu fünft durchaus unterhaltsame Kartenspielidee.
60 Karten sind im Spiel, je zehn in fünf Farben mit den Werten von 1 bis 3, außerdem fünf graue Joker, die 1 bis 2 Punkte wert sind und fünf sogenannte „Ringelreihen“-Karten. Alle Karten werden verteilt, nur beim Spiel zu dritt wird mit 45 Karten gespielt. Der Spielablauf ist sehr einfach. Der Reihe nach werden Karten vor den Mitspielern offen abgelegt, wobei man auch vor sich selbst eine Karte ausspielen darf. Dabei dürfen vor den Spielern nur Karten einer Farbe ausliegen und diese Farbe darf nicht gleichzeitig vor einem anderen Spieler liegen. Joker können natürlich zu jeder Farbe gespielt werden. Mit der Sonderkarte „Ringelreihen“ werden die ausliegenden Karten im Uhrzeigersinn weitergeschoben.
Wozu das Ganze? Die Auslegeregeln steuern die Zwangsaufnahme von Karten á la 6 NIMMT! immer dann, wenn ein Spieler zwar nicht sechs Karten, aber Karten im Wert von sechs oder mehr Punkten vor sich liegen hat, muss er sämtliche ausliegenden Karten einsammeln. Am Ende, wenn ein Spieler keine Karten mehr auf der Hand hat, muss man zwar keine Hornochsen, aber alle Strafeinnahmen zählen, da die Karten unabhängig von ihrem Wert in die Endabrechnung gehen. Der Spieler mit den meisten Karten erhält die längste Wegstrecke, das geht so weiter bis zum besten Spieler, der ohne Wegstrecke bleibt. Klar, dass er derjenige in der nächsten Runde sein wird, der von allen Seiten Kartengeschenke erhält. Für die Schlussrunde hat sich Knizia noch eine Sonderregel einfallen lassen, dabei darf der Spieler vor der abschließenden Verteilung der Wegestrecken sein längstes Straßenstück gegen die kürzeste noch verfügbare Wegstrecke austauschen. Eine recht starke Regel, die oft den Spielsieger bestimmt.
FIGARO gaukelt auch über die unterhaltsame Grafik der Spielkarten nichts Tiefgehendes vor, trotzdem ist es nicht banal. Das Spiel wird weniger aus der Kartenhand heraus entschieden als aus dem kommunikativen Miteinander. Hier besitzt das Spiel seinen besonderen Reiz sicherlich auch durch einen beträchtlichen Ärgerfaktor, den der Spielverlauf mit sich bringt. Ein bisschen Aufpassen lohnt natürlich, denn gegen Ende ist es schon hilfreich zu wissen, welche Farben weniger gefährlich sind. Wobei man sich stets darüber im Klaren sein muss, dass das „Ringelreihen“ die besten Pläne immer wieder kaputt macht. Schieben wir also aufgesetztes Thema und aufwändigen Wertungsmechanismus einmal beiseite, dann bleibt spielerische Unterhaltung, die FIGARO zu einem ganz ordentlichen Kartenspiel für die ganze Familie machen.
Titel: FIGARO
Autor: Reiner Knizia
Grafik : Roberta Barletta
Verlag: dV-Games / Abacus
Spieler: 3- 6
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 09/2007 1996 R173/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Reiner Knizia, der weltweit produktivste Spieleautor, der auf inzwischen über 700 Spieleveröffentlichungen stolz sein kann, hatte bis 2006 schon einige Auszeichnungen gewonnen, darunter 1993 für MODERN ART und 1998 für EUPHRAT & TIGRIS. Die besondere Leistung für die spielerische Adaption von DER HERR DER RINGE zeichnete die Jury „Spiel des Jahres“ mit dem Sonderpreis „Literatur im Spiel“ 2001 aus.
2004 war Knizias EINFACH- Jahr. Mit EINFACH GENIAL erschien eines seiner besten Spiele, EINFACH TIERISCH war thematisch überzeugender als sein Vorgänger HIGH SOCIETY.
FIGARO, das 2006 in Essen erschien, gewann keine Preise. Mit einer Wertung auf BGG von 5,3 und einem Rang 20.428 läuft es unter „ferner liefen“ (Stand 01.10.21).
2008 erhielt Knizia dann endlich für KELTIS erstmals den Titel „Spiel des Jahres“ und das gleichzeitig im Doppelpack, da WER WAR’S den blauen Pöppel bekam.
Das Bild stammt aus dem Jahr 2016 als Reiner Knizia mit MMM! für das Kinderspiel des Jahres nominiert war.
Montag, 4. Oktober 2021
ELEMENTO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
SUDOKU im Elementarbereich: ELEMENTO
Dass die ältere Generation durchaus eine attraktive Zielgruppe sein kann, hat Selecta schon vor zwei Jahren mit dem Start seiner Nobile-Reihe entdeckt. Ravensburger reagiert inzwischen auch auf diesen Trend. Zur Spielwarenmesse 2007 in Nürnberg stellte der Verlag eine Reihe mit Gesellschaftsspielen speziell für Menschen ab 50 Jahren vor, die im Herbst erscheinen sollen. Man darf gespannt sein, welche weiteren Verlage noch auf diesen Zug aufspringen. Bei Selecta sind inzwischen schon sieben Spiele unter dem Nobile-Label veröffentlicht. Ganz neu TOMOKO, ein vertracktes Kugelschieben, und ELEMENTO, ein an SUDOKU angelehntes taktisches Lege- und Würfelspiel.
An dieser Stelle soll ELEMENTO näher vorgestellt werden. Auf dem großen, stabilen, quadratischen Holzspielbrett gibt es vier mal vier Felder, die vier farbigen Regionen zugeordnet sind. Beim Spiel zu zweit erhält jeder Spieler acht Holzspielsteine, je zwei der vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde. Diese gilt es passend in SUDOKU-Manier abzulegen. Da sie nur einmal in den Reihen, Spalten und Farbquadraten des Spielplans vorkommen dürfen, beendet der Spieler eine Spielrunde, der das entscheidende vierte Element setzt. Wer als erster fünf Siegpunkte, große Glassteine, erhält, gewinnt das Spiel. Ganz ohne Siegpunktberechnung gewinnt im Übrigen der Spieler, der es schafft, alle acht Spielsteine zu platzieren.
Nicht alles in dem Spiel bleibt der Strategie überlassen, ein beträchtliches Glückselement stellen zwei Farbwürfel dar, die den jeweiligen unteren beiden bzw. oberen beiden Farbquadraten zugeordnet sind, so dass ein Spielstein nur auf eins der gewürfelten Farbfelder gesetzt werden darf. Dadurch kann es passieren, dass ein Spieler gar keinen Stein ins Spiel bringen kann. Was gar nicht so tragisch ist, da er dafür einen eigenen Stein orthogonal um ein Feld verschieben darf. Allerdings ist auch bei diesem Ersatzzug der Würfelwurf von Bedeutung, da nur von diesen Farbfeldern aus ein Stein verschoben wird. Geht das auch nicht, verfällt dieser Zug. Kommt es zu einer Wertung, entscheidet der Spieler, der mit dem Glasstein belohnt wird, ob alle gegnerischen oder eigenen Steine aus dieser Wertungsreihe oder dem Wertungsfarbfeld entfernt werden. Sie stehen dem jeweiligen Spieler dann wieder zur Verfügung.
Der Startspieler hat einen gewissen Nachteil, wenn der nachziehende Spieler aufpasst, ist der Startspieler derjenige, der mit der Belegung des neunten Feld die Option zum Schließen einer Reihe oder eines Farbfeldes eröffnet. Die Würfel dienen hier als sinnvolles Korrektiv, da der Zweite seine Chance eventuell nicht nutzen kann. Unbefriedigender verläuft das Spiel zu dritt oder zu viert. In dieser Variante stehen den Spielern alle 16 Spielsteine zur Verfügung. Gespielt wird nach den Regeln des Grundspiels, allerdings nur auf drei Siegpunkte. So richtig steuern kann man den Spielverlauf nicht, aber auch hier ist es so, dass der Spieler an zweiter Stelle oft einen Anfangsvorteil hat.
ELEMENTO ist kein hochkarätiges Strategiespiel, soll es vom Anspruch der Nobile-Reihe her auch gar nicht sein. Wer leichte Kost mag, ist zumindest mit der Zweierversion des Spiels, das Selecta solide, aber nicht nobel umgesetzt hat, ordentlich bedient.
Titel: ELEMENTO
Autor: Momo Besedic, Wilfried Lepuschitz
Verlag: Selecta
Spieler: 2- 4
Alter: ab 9 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Spiel 06/2007 1996 R171/2021
Die Rezension erschien 2007 unter
www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Für das österreichische Autorenduo Besedic und Lepuschitz war es die einzige Zusammenarbeit. Momo Besedic hat dann nur noch mit ADIOS AMIGOS (Pegasus, 2009) ein weiteres Spiel veröffentlicht. Der 41jährige Wiener Wilfried Lepuschitz gehört zu den bekannteren österreichischen Autoren (DEUKALION, Parker 2008; MAKE`N BREAK PARTY, Ravensburger 2012, PROFESSOR TEMPUS, Gigamic 2013).
Für beide war ELEMENTO die erste Veröffentlichung.
Das Spiel hat auf BGG eine Wertung von 6,4, es gibt allerdings nur vier Wertungen.
Sonntag, 3. Oktober 2021
MR. PRESIDENT
SAMMELSURIUM
MR. PRESIDENT
3M Buchkassetten
In den 60er und 70er Jahren hat die Firma 3M (Minnesota Mining & Manufacturing Company) Maßstäbe in der Spielentwicklung gesetzt, die sich auch auf den deutschen Markt auswirkten. Spiele landeten im Buchschuber und damit plötzlich im Bücherregal nicht nur von 3M, sondern als Casino-Spiel von Ravensburger oder in der E-Serie von F.X. Schmid und im kleineren Schuber von Pelikan.
Gut die Hälfte der 3M-Spiele kommt ohne Autorennennung aus, hauptsächlich tauchen Sackson (AQUIRE, BAZAAR, EXUCUTIVE DECISION) und Randolph (TWIXT, BREAKTHRU, OH-WAH-REE) auf, daneben noch Frank Thibaut (CONTIGO, PLOY), Winters (HIGH BID), Bernett (PHLOUNDER) und Lipman (POINT OF LAW).
Insgesamt gibt es 29 Spiele der Bookshelf-Reihe, in Deutschland sind dann allerdings nur 10 erschienen (AQUIRE, BAZAAR, BREAKTHRU, EXECUTIVE DECISION, FACTS IN FIVE, FEUDAL, PLOY, STOCKS AND BOUNDS und TWIXT), ergänzt durch drei Klassiker (BACKGAMMON, GO und SCHACH).
Die deutschen Spiele hat Michel Matschoss betreut, der zusammen mit Alex Randolph SAGALAND entwickelt hat und lange Zeit Produktmanager für Winning Moves war.
MR. PRESIDENT
Das Spiel von Jack Carmichael (BEAT THE CAT, POWERPLAY, beide 1970) ist 1967 in den USA erschienen. Es gehört zu den Spielen der Bookshelf-Reihe, die es nicht zu einer deutschen Ausgabe gebracht haben. Es geht um eine recht nahe Adaption des amerikanischen Wahlkampfes in den 60ern, das mag ein Grund gewesen sein, dass man auf eine deutsche Veröffentlichung verzichtet hat.
Schade eigentlich, denn MR. PRESIDENT gehört zu den guten Wahlspielen. Die zwei oder vier Spieler erhalten Kandidatenkarten mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen beispielsweise in ihrer Kampagnenfähigkeit, ihren Geldgebern, ihrer Presseunterstützung und Werbung. Sie stehen für die Demokraten oder Republikaner und vertreten spezifische politische Ansätze. Zu zweit übernehmen die Kontrahenten die Rolle von Präsidentenkandidat und Vizepräsidenten, zu viert werden die Rollen aufgeteilt.
Zusätzlich gibt es spezifische Decks für die Kandidaten, die Stimmergebnisse für einzelne Staaten anzeigen, die den vier Regionen Südstaaten, Oststaaten, Weststaaten und dem mittleren Westen zugeteilt sind. Im Deck für die Präsidentenkandidaten stecken stärkere Karten als in denen der Vizepräsidenten. Alle Ergebnisse und sonstigen Daten werden auf einer abwischbaren Tafel bilanziert.
Am Anfang geht es um diesen Karteneinsatz in mit zwei Würfeln ausgewürfelten Bundesstaaten. Die Stimmkarten werden dabei verdeckt abgelegt, sodass der Gegenspieler nicht über die dort abgegebenen Stimmen informiert ist. Das machen beide so lange, bis sie keine Karten mehr habe. Briefwahlzettel kommen ebenfalls noch dazu. Am Ende wird gezählt, wer die meisten Stimmen in einem Bundesstaat hat, bekommt dessen Wählerstimmen, mit denen der Präsident bestimmt wird.
In einer Expertenvariante spielen dann Werbung, Spenden und Debattenthemen eine Rolle, die das Spiel deutlich aufwerten. Schon allein die Themen spiegeln die 60er Jahre wider, wenn es beispielsweise um das Weltraumprogramm geht.
Spannend sind die prinzipiellen Entscheidungen, bei welchen Bundesstaaten man kämpfen möchte und welche man aufgibt. Das entspricht fast den aktuellen Kämpfen um die Swing States. Man kann nicht überall sein, aber muss in wichtigen Staaten schon dabei sein.
Einerseits ist MR. PRESIDENT ein Stück Zeitgeschichte der USA in den 60ern, anderseits ist der verdeckte Karteneinsatz ein Spielelement, das auch heute noch trägt.
Titel: MR. PRESIDENT
Verlag: 3M
Autor: Jack Carmichael
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 40 – S40/2021
Donnerstag, 30. September 2021
FIRESIDE FOOTBALL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
UNITED als Kartenspielversion: FIRESIDE FOOTBALL
Der englische Autor Alan Parr hat schon in den frühen 70ern die Postspiel-Simulation einer Fußball-Liga erfunden. UNITED wurde danach neben den DIPLOMACY-Varianten zum beliebtesten Postspiel. Die Spieler managen eine Fußballmannschaft, deren Mannschaftsaufstellung mit individuellen Stärken und Schwächen unter Berücksichtigung des Heimvorteils zu Sieg oder Niederlage führen. Das Spannende ist das Hochleveln des Teams durch Training und Zukäufe über den Spielermarkt. Gespielt wird eine Saison mit 12 Mannschaften.
Die Kartenspielausgabe von Gibsons, die Parr mit betreut hat, geht nur von maximal sechs Teams aus. Die Manager starten mit jeweils 13 gleichstarken Spielern. Je nach Spielerzahl gibt es Spielplanlisten, die festlegen, wer gegen wen antritt. Bei ungeraden Zahlen setzt jeder Manager einmal pro Runde aus. Für die Teamergänzung stehen 24 externe Profis zur Verfügung. Für jeden Spielsieg gibt es eine Million Pfund, auch Mannschaften, die durchweg verloren haben, erhalten zum Rundenende eine Million. Damit können Einkäufe vorgenommen werden.
Für die einzelnen Partien wählen die Manager elf Karten aus, mit denen sie vier Stapel bilden, vom Torwart, über die Verteidigung bis zum Mittelfeld und Sturm. Die Spieler können prinzipiell jede Position spielen, aber sie besitzen Zusatzfähigkeiten, die ihren Angriffs- oder Verteidigungswert verstärken. Die Kartenduelle sind Wertungsvergleiche der eingesetzten Spieler. Gewinnt der Stürmer gegen den Verteidiger erhält er zwei Torschüsse, die mit Würfeln abgewickelt werden. Ist die gewürfelte Zahl höher als der Wert des Torwarts wird ein Tor erzielt. Treffen Mittelfeldspieler aufeinander, gibt es nur einen Torschuss. Spezielle Kartenfähigkeiten reduzieren oder erhöhen die Schusszahl. Außerdem kommt es zu den typischen Vorfällen, die jedes Fußballspiel prägen, von Verletzungen über Fouls bis zum Handspiel. Gelbe Karten gibt es natürlich auch, wobei hier sogar ein Spieler vom Platz fliegt, wenn ein zweites Mannschaftsmitglied mit Gelb bestraft wird. Auswechslungen sind erlaubt, sie sind aber auf drei Spieler beschränkt.
Nach jeder Spielrunde und Verteilung der Einnahmen werden drei Spieler zum Kauf angeboten. Gebote werden verdeckt abgegeben. Wer wenig Geld hat, kann auch eigene Spieler an die Bank verkaufen, die später wieder auf den Markt kommen.
In der Rundenabrechnung muss jedes Team gegen jedes andere einmal zu Hause und dann auswärts antreten. In Minimalbesetzung zu dritt spielt jedes Team damit vier Spiele. Wer will kann auch in der Dreierversion jeweils viermal die Mannschaften gegeneinander antreten lassen.
Wer UNITED mag, wird mit FIRESIDE FOOTBALL schnell zurechtkommen. Parrs Spiel läuft am besten in Viererrunden, das Aussetzen in der Version zu dritt oder zu fünft führt zu Leerlauf bei jeweils einem Spieler. In Vollbesetzung wird es dann doch schnell redundant. Trotzdem gefällt die schnelle Variante des Postspiels, das sich über ein Jahr hinziehen kann, da hier eine Saison in ein bis vier Stunden absolviert ist.
Titel: FIRESIDE FOOTBALL
Verlag: Gibsons
Autor: Alan Parr
Illustration: o.A.
Spieleranzahl: 3 – 6
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: ca. 60 bis 240 Min.
Preis: ca. 36 DM
Spiel 31/1996 R168/2021
Die Rezension erschien 1996 unter
www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Alan Parr ist vor allem durch sein Postspiel UNITED bekannt geworden. Der Engländer hat darüber hinaus zusammen mit Frank Tapson 1979 mit PICK A PAIR! ein Buch über Spiele für zwei Spieler veröffentlicht. Außerdem hat er mit Michael Cornelius 1991 mit WHAT’S YOUR GAME ein Werk zu mathematischen Spielen publiziert.
Eine TIC TAC TOE-Variante ist TRAFFIC LIGHTS, das 1985 herauskam. Schließlich erschien FIRESIDE FOOTBALL 1996 bei Gibsons und dann noch einmal als TOTAL FOOTBALL 2000 ebenfalls in diesem Verlag.
Mittwoch, 29. September 2021
THE QUEEN'S COLLECTION
THE QUEEN’S COLLECTION
Mit 16 Schachtelcovern erinnert Queen Games in den Spiel THE QUEEN’S COLLECTION an sein 30jähriges Jubiläum. Gefeiert wird die Verlagsgründung 1989 als Queen Carroms, die Brett- und Kartenspiele kamen erst 1993 hinzu, da kann der Verlag dann 2023 gleich noch einmal feiern. Ein Carrombrett sucht man auf den 16 Bildkarten vergeblich, die weniger historisch angelegt sind, dafür erinnert Autor Daniel Bernsen an Höhepunkte wie ALHAMBRA, FRESCO, KINGDOM BUILDER, LUXOR und METRO.
Spielerisch bietet Bernsen mehrere Varianten an, vom Solospiel bis zur Kooperation „Alle zusammen für die Königin“ und zur Konfrontation „Jeder gegen Jeden!“ ist alles dabei, außerdem lässt sich die Schwierigkeitsstufe steigern. 24 Holzpöppel in acht Farben, entsprechende Pöppelkarten, die viermal je Farbe vorhanden sind und sechs Joker machen neben den Schachtelcovern, von denen acht ins Spiel kommen, das Spielmaterial aus. In der einfachen Variante wird mit nur zwei Pöppelplätzen pro Schachtelkarte gespielt, anspruchsvoller sind es drei Plätze.
Kooperativ werden erst einmal alle Karten mit 16 oder 24 Pöppeln besetzt, wobei die Verteilung sicherstellt, dass Pöppel- und Kartenfarbe nicht übereinstimmen. Durch Pöppeltausch mit Hilfe der Spielkarten versucht das Team mit Hilfe aller Karten möglichst viele Entsprechungen von Pöppeln und passenden Karten hinzubekommen.
Dafür darf jeder entweder mit zwei Farbkarten Pöppel ihre Plätze tauschen lassen, der Joker lässt das beliebige Versetzen einer Figur zu. Zwei identische Karten können ebenfalls als Joker genutzt werden. Schließlich kann man auch noch mit einem Mitspieler Karten tauschen, das kostet aber eine Karte vom Nachziehstapel. Am Ende gibt es drei oder zwei Punkte für jede korrekt belegte Karte und einen Minuspunkt für jede Figur, die falsch steht. Die 16 Punkte in der einfachen Variante sind recht leicht zu erreichen, diese Version eignet sich daher gut fürs Spiel mit Grundschülern. An 24 Punkte gelangt man nicht so einfach. Das ist eine reizvolle Puzzleaufgabe, die sich mit guter Absprache lösen lässt.
Das kooperative Ziel ist die Ausgangssituation der kompetitiven Fassung. Alle Felder sind mit identischen Pöppeln besetzt und nun steuern die Karten die Pöppelaufnahme beziehungsweise den Gewinn einer Karte, wenn der letzte Pöppel von ihr entfernt wird.
Push-Your-Luck prägt die Kartenaufnahme in dieser Variante Bernsens. Alle starten mit zwei Handkarten und dürfen diese durch Aufdecken neuer Karten fast beliebig erweitern, solange unter den maximal fünf neuen Karten keine Farbe doppelt vorkommt. Im Anschluss daran versucht man, mit den gewonnenen Karten und drei Karten in einer offenen Auslage Pärchen zu bilden, die berechtigen eine entsprechende Figur von den Karten zu nehmen. Maximal kann man dadurch drei Figuren gewinnen. Ist es die letzte der Farbe, gibt’s die Karte obendrauf. Joker und doppelte Farbkarten können dabei immer für die Kombination genutzt werden. Gibt es keine Pöppel der Farbe mehr, kommt das Kartenpaar aus dem Spiel, was auch von Vorteil ist, denn am Ende gibt es drei Punkte für jede Karte, zwei für jeden gewonnenen Pöppel und einen Minuspunkt für restliche Handkarten.
Eher einfache Kost bietet Queen Games zum Jubiläum an. Mir persönlich gefällt die kooperative Variante am besten, das Solospiel habe ich nicht ausprobiert, kompetitiv ist der Glücksfaktor sehr hoch. Wer Pech hat, steht mehrmals hintereinander ohne Kartengewinn da und sieht nur noch zu, wie die anderen die Pöppel einheimsen.
Das Material ist solide, die zu den Spielen passenden Pöppelbilder auf den Karten gefällig, so der grinsende Pharao zu LUXOR und JENSEITS VON THEBEN oder der Maler zu FRESCO und COPENHAGEN.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: THE QUEEN’S COLLECTION
Autor: Daniel Bernsen
Grafik: Patricia Limberger
Verlag: Queen Games
Spielerzahl: 1-4
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 63/2021
Montag, 27. September 2021
CIRKLE KIDS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Hütchenspiel mit CIRKLE KIDS
Der Psychotherapeut Patrick Laterrot hat in Frankreich eine ganze Spielfamilie entwickelt und dafür den Verlag 1-2-3-games gegründet. Farben und Formen spielen in seinen verschiedenen Strategiespielen eine große Rolle. Der Autor lebt die Hälfte des Jahres in dem malerischen Carqueiranne an der Côte d’Azur, die andere Hälfte verbringt er in Stuttgart. Seine Spiele sind in Deutschland noch relativ unbekannt, aber ein Blick darauf lohnt.
Typisch für Laterrots Ideen sind die unterschiedlichen Varianten, die leichte, mittlere und anspruchsvolle Spielanforderungen zulassen. CIRKLE KIDS lässt sich so schon mit Kindergartenkindern ab fünf Jahren spielen. Gespielt wird auf einem quadratischen Spielfeld mit 16 Feldern, denen jeweils 4x4 Farben und Formen zugeordnet sind. Zum Spiel gehören den Feldern entsprechende Spielfiguren und 16 Hütchen, die über die Figuren gestülpt werden. Ein Würfel mit den Zahlen 1 bis 3 und drei Hutsymbolen steuert die ersten beiden Varianten.
In der Grundfassung werden alle Figuren auf ihre entsprechenden Felder gestellt und mit den Hütchen abgedeckt. Wird ein Hut gewürfelt, darf ein beliebiger Zylinder entfernt werden, bei den Ziffernwürfeln, muss der Würfel entsprechend weiter gereicht werden. Das macht deshalb Sinn, weil das Aufdecken zum Spielende beiträgt. Es verliert nämlich der Spieler, der als erster vier gleiche Formen oder Farben aufdeckt. Neben Form- und Farbtraining wird die Konzentrationsfähigkeit geschult. Wenn Kinder nach einigen Spielen gelernt haben, dass es in den Reihen und Spalten zu keiner Form- bzw. Farbwiederholung kommt und wenn sie zusätzlich die Diagonalen mit ihren identischen Formen noch behalten haben, dann kann die Schlussauseinandersetzung richtig spannend werden.
Sobald die Feinheiten des Spielplans bekannt sind, sollte man zur nächsten Variante übergehen, die eine beliebige Aufstellung der Figuren erfordert. Erschwert wird das Einprägen der Positionen dadurch, dass das Spielbrett am Anfang mehrfach gedreht werden soll. Spannung bringt die taktisch gemeinte Zusatzregel, dass bei drei offenen gleichen Formen oder Farben ein Hütchen wieder über eine Figur gestülpt werden darf. Der damit verbundene Memofaktor ist gut gemeint, aber in dieser Variante noch nicht konsequent umgesetzt, da das Hütchen irgendwo entfernt werden muss und sich genau dort die vierte Farbe oder Form befinden kann.
Die letzte ohne Würfel zu spielende Variante trägt dem Rechnung, da hier schon ab zwei gleichen Formen oder Farben gestülpt werden darf. Dies ist ein Duell für Gehirnakrobaten, denn nur, wer sich der Konstellation sicher ist, fängt an Hütchen aus dem Spiel zu entfernen.
Auf der Homepage von 1-2-3-games finden sich noch weitere Varianten, die in der gedruckten Regelfassung nur in Französisch vorliegen. Gut gefällt mir dabei ein leichtes Spiel, das den Negativcharakter des Verlierens, der bei den offiziellen Versionen vorliegt, umkehrt und nach einem Gewinner sucht. In diesem Spiel werden die Figuren aufgeteilt und müssen passend unter die Zylinder gebracht werden. Das Kind, das als erstes seine Figuren losgeworden ist, gewinnt. Da die Spieler sich die Besonderheiten des Spielbretts so am besten einprägen können, ist diese Variante als Einstiegsspiel sehr zu empfehlen. Weitere Ideen eröffnen Möglichkeiten von Solospielen, dem klassischen Hütchenspiel, logischen Reihen und Erweiterungen für zwei bzw. vier Spieler.
Laterrot wird seinem Anspruch, mit seinen Spielen jeweils ein breites Spielespektrum anzubieten, auch mit CIRKLE KIDS gerecht. Das weitgehend aus Plastik bestehende Spielmaterial ist funktionsgerecht, die Klappschachtel wünschte ich mir stabiler. Die deutsche Regelübersetzung ist nicht eindeutig, ein Blick in die englische Übersetzung oder das französische Original hilft hier aber weiter. CIRKLE KIDS bietet Spiel- und Denkvergnügen, das mit den Kindern mitwächst und das auch Eltern ohne Kindern Spaß bereiten kann.
Titel: CIRKLE KIDS
Verlag : 1-2-3-Games-Verlag; deutscher Vertrieb: Ekos
Autor : Patrick Laterrot
Illustration: Christian Moura und Bruno Sintive
Spieleranzahl : 1 – 4
Alter : ab 5 Jahren
Dauer : ca. 10 bis 20 Min.
www.1-2-3-games.com
Blog zur Spielentwicklung: patriccio.skyblog.com
Spiel 05/2007 R167/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
2005 startete Patrick Laterrot mit CIRKLE CARDS seine Spielreihe. 2006 folgten CIRKLE KIDS und CIRKLE MINDS. Ein Jahr später CIRKLE DUO und TOTEM. Zuletzt veröffentlichte Laterrot 2016 CRAZY TURF.
Im Rating von BGG wird CIRKLE KIDS mit 3,7 schlechter bewertet, als das Spiel damals bei mir ankam. Dies aber auch nur auf der Basis von drei Wertungen.
Wer möchte, kann von Patrick Laterrot ein Ferienhaus im malerischen Carqueiranne an der Côte d’Azur mieten. Für ca. 130 Euro gibt es ein Haus mit 110 Quadratmetern und einem großen Pool.
Sonntag, 26. September 2021
GIMEL
SAMMELSURIUM
Bütehorn Buchkassetten: GIMEL
Die Buchkassetten, die Ravensburger und Pelikan bis Mitte der 70er Jahre herausbrachten, waren wirtschaftlich nur bedingt Erfolge für die Verlage. Als beide Firmen ihre Reihen einstellten und die hannoverschen Pelikane dann bald auch ihre Spielproduktion, füllte die Lücke eine neue Firma aus dem Umfeld von Hannover. Die Bütehorn KG brachte ab 1976 wertige Buchschuber-Spiele unter dem Dach des Buchholz Verlags in Sarstedt bei Hannover heraus, hielt sich allerdings auch nur bis 1982 auf dem Markt.
Markenzeichen der Buchkassetten aus Sarstedt waren Klappdeckel und Druckknopf-Verschluss an einem Leinenanhänger. Heute ist das zwar eine Schwachstelle vieler in die Jahre gekommenen Spiele, damals war das aber eine originelle Idee. Die Reihe der mittleren Buchkassetten in den 80ern verzichtete dann schon auf diesen Verschluss und nutzte einen normalen Pappdeckel. Von diesen Ausgaben wurden mit der Insolvenz des Verlags einige von Hexagames übernommen. Der Verlag aus Dreieich nutzte die Spiele, um ein gutes Startprogramm neben dem Wirtschaftsspiel LONG SHORT zu haben.
Das Bütehorn-Programm war geprägt von großen, mittleren und kleinen Buchkassetten-Spielen. Daneben gab es einige Spiele in flachen Schachteln u.a. die damals sehr bekannten Ferienrallys. Prägend für die Programmgestaltung war Erik Grischeit als Produktmanager, er hatte vorher für Parker gearbeitet. Grischeit, der mit dem Schweizer Journalisten Walter Luc Haas befreundet war, holte bekanntere Autoren ins Programm. So kam er an DAMPFROSS, das in der Ausgabe von Schmidt Spiele 1984 Spiel des Jahres wurde. Auf der ersten Liste der Jury Spiel des Jahres 1979 waren gleich zwei Titel des Verlages vertreten. SETI bekam den ersten Sonderpreis für das schöne Spiel. Die Jury wollte damit zugleich auch den Buchholz-Verlag für sein Bemühen um besonders schön und aufwändig gestaltete Spiele würdigen. Neben SETI landete BLOCKADE von Sid Sackson auf der Auswahlliste. RÄUBER UND GENDARM von Rudi Hoffmann kam 1981 auf dem Bronzeplatz in diesem Jahr, hinter SAGALAND und FOCUS. 1982 schaffte es dann GEISTER von Alex Randolph auf die Liste der Jury.
GIMEL
GIMEL von einem Manuel A. Widmaier wurde als „neues Spiel um alte Götter“ thematisch nach Ägypten verlegt. Es ist ein klassisches Schlagspiel mit unterschiedlich wertvollen Spielfiguren, die verschiedene Zugweite besitzen.
Widmaier lässt die beiden Kontrahenten mit jeweils 3x8 Figuren auf einem länglichen Spielplan mit 8x18 Feldern gegeneinander antreten. Da gibt es jeweils acht Skarabäen, die sich nur ein Feld weit bewegen dürfen. Etwas stärker sind die Bastets, die Katzengötter, die sich in Rösselsprung-Manier bewegen. Bleibt der Horus-Falke, eine Schmalspurausgabe der Dame im Schach, nur sein Radius ist auf exakt drei Felder begrenzt.
Widmaier verzichtet auf einen zu schlagenden Pharao, die Duellanten erhalten Punkte, wenn sie eine gegnerische Figur aus dem Weg räumen. Die Skarabäen bringen einen Siegpunkt, die Bastets drei und der Falke sechs. Gespielt wird auf 60 Punkte, man kann natürlich auch kürzere Partien vereinbaren.
Das Besondere an GIMEL, Widmaier verzichtet auf jegliche Startaufstellung. Die Figuren werden erst ins Spiel gebracht, sodass ein Spieler stets entscheiden muss, ob er eine neue Figur auf den Spielplan setzt, eine vorhandene bewegt und eventuell mit ihr einen Gegner vom Tisch fegt.
Das beliebige Einsetzen von Figuren macht GIMEL schwer berechenbar, dadurch werden gerade die Skarabäen recht stark und die Falken angreifbar, zumal sie stets exakt ihre drei Felder in allen Richtungen laufen müssen. Geschlagen wird nicht en passant, sondern nur durch genaues Erreichen des Zielfeldes.
Ein durchaus spannendes Konzept, für das ich mir allerdings etwas atmosphärischere Spielsteine als die abstrakten Formen dieser Ausgabe gewünscht hätte. Für die Erstpartien sollte man mit 30 Siegpunkten beginnen und sich allmählich auf die 60 zuarbeiten. Gleichwertige Duellanten sind nötig, sonst wird der Verlauf schnell einseitig.
GIMEL gehört zu den Spielen, die Hexagames 1983 mit übernahm und in einem neuen Schachteldesign veröffentlichte, das mir aber deutlich weniger gefällt als die beteiligten Figuren aus der ägyptischen Götterwelt, die auf der Bütehorn-Schachtel zu sehen sind.
Titel: GIMEL
Verlag: Bütehorn
Autor: Manuel A. Widmaier
Spielerzahl: 2
Alter: o.A.
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 40.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 39 – S39/2021
Freitag, 24. September 2021
BLINDES HUHN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
BLINDES HUHN
Wer sich an die einfache Grafik von Michael Schachts vor neun Jahren erschienenen Stichspiel BLINDES HUHN (Berliner Spielkarten) zurück erinnern kann, wird mit Vergnügen Mario Coopmanns Hühner in dem gleichnamigen Bluff- und Versteigerungsspiel von Heike Risthaus genießen. Diese witzige Kartengrafik macht Lust auf ein Spiel. Der Berliner Zeichner tobt sich an Bauernhofgeschichten aus, seine blinden Hühner tappen in fast jedes Fettnäpfchen, das man sich auf dem Lande nur vorstellen kann. Da wird der Blindenstock zum Nasenkitzler für das Schwein, da droht die Mistforke oder das Unheil naht in der Widerspiegelung der Blindenbrille eines Huhns, die einen großen näherkommenden Trecker zeigt.
Jetzt muss nur noch das Spiel mit der Grafik mithalten, dann kann diese Kosmos-Ausgabe der kleinen Reihe in einer Liga mit ALLES IM EIMER von Stefan Dorra mitspielen. Für Heike Risthaus, die 2007 beim Autorenwettbewerb des Hippodice Spieleclubs für BACKE BACKE KUCHEN den Sonderpreis für das beste Kinderspiel erhielt, ist es im Übrigen die erste Spielveröffentlichung.
Die 110 Spielkarten bestehen aus drei Kartenarten. Da gibt es einmal die Kükenkarten, von denen jeder der drei bis fünf Spieler am Anfang acht in unterschiedlicher Farbkombination mit den Werten 1 bis 3 erhält. Daneben gibt es weitere 45 dieser Karten in fünf Farben mit den Werten 1 bis 4, hinzu kommen je 12 goldene Korn- und blinde Hühner-Karten. Die Startkarten legt jeder nach Farben sortiert offen vor sich aus. Die restlichen Karten werden gemischt, wobei sich eine Karte für das Spielende unter den letzten zehn Karten befinden muss.
Während des Spiels erwerben die Spieler in einem Auktionsverfahren Karten. Reihum ziehen die jeweiligen Versteigerer drei Karten vom Stapel, die sie im Paket anbieten. Der Versteigerer darf entscheiden, wie viele Karten er den Mitspielern offen zeigt. Die Regel sieht dabei nur vor, dass mindestens eine offen und eine verdeckt sein muss. Bei der Versteigerung darf jeder nur einmal mit Hilfe seiner Kükenkarten bieten, der Auktionator muss dabei das erste Ge bot abgeben. Die anderen Spieler sind nicht verpflichtet, auf die Karten zu bieten. Gewinnt ein Mitspieler, erhält der Versteigerer die Bezahlung. Gewinnt er die Auktion, wird sein KükenObolus reihum verteilt. Die ersteigerten Kükenkarten werden in die stets offene Kartenauslage einsortiert. Blinde Hühner und goldene Körner werden verdeckt abgelegt. Wenn die Karte für das Spielende gezogen wird, endet das Spiel sofort. Bei der Schlusswertung wird erst einmal festgestellt, wer jeweils die Farbmehrheit bei den Kükenkarten besitzt. Meist gibt es acht Punkte für den ersten und vier Punkte für den zweiten Platz. Zusätzlich darf jeder Spieler drei Farben mit den Kartenwerten für seine Endabrechnung berücksichtigen. Schließlich bringen die blinden Hühner drei Minus- und die goldenen Körner zwei Pluspunkte, jeweilige Kartenpaare fahren dagegen fünf Pluspunkte ein. Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt nach einer halben Stunde Spielzeit.
Heike Risthaus bringt mit ihrer Wertungsvorgabe die Spieler ganz schön ins Grübeln. Wer ein fetziges, lockeres Bluffspiel erwartet, sieht sich schnell getäuscht. Da sind stets viele Dinge abzuwägen. Das fängt beim Offenlegen und Verdecken der Karten an und geht bei der Gebotshöhe weiter. ,,Womit bezahle ich?" ist stets eine ganz wichtige Frage. Da ist die Kartenauslage aller Spieler immer im Blick zu behalten, da es ja um Mehrheiten in den Farben geht, aber auch um Kartenwerte, die man am Ende noch in die Wertung einbringen kann. Der Pokerreiz, der sich aus den verdeckten Karten und dem Anfangsgebot des Auktionators ergibt, gibt dem Spiel einen gewissen Pfiff. Die Leichtigkeit des Seins, die Coopmanns Grafik vermittelt, fehlt dem Spiel aber. Trotzdem ein gelungenes erstes Spiel der Autorin, eine nette Idee, die witzig daherkommt.
Titel: BLINDES HUHN
Autor: Heike Risthaus
Grafik: Mario Coopmann
Verlag: Kosmos
Spieler: 3 bis 5
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 04/2007 R166/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zur Autorin:
Für die 52jährige Wolfsburgerin Heike Risthaus war BLINDES HUHN die erste Spielveröffentlichung. 2007 veröffentlichte sie zusammen mit ihrem Mann Stefan auch Siedlerszenarien im Auftrag des österreichischen Spielemuseums. So erschienen für ein Spielefest in der Steiermark die Szenarien CHAFFENBERCH und RENAISSANCE IN DER STEIERMARK. 2008 entwarfen beide für die Österreichische Siedler-Meisterschaft zwei Szenarien, die in Pratchetts Scheibenwelt spielten. RINCEWIND UND DER TOURIST war erneut eine Teamarbeit des Ehepaars Risthaus. DIE GILDEN VON ANKH-MORPORK hat ihr Mann alleine entwickelt.
2011 gründete die Familie, die mit Fabia und Titus auch zwei spielbegeisterte Kinder hat, für ihre Spielideen einen eigenen Verlag. Ostia Spiele verlegte 2015 noch einmal BLINDES HUHN, 2019 erschien dort ihre bisher letzte Veröffentlichung TEE ODER KAFFEE.
BLINDES HUHN wird auf BGG auf Rang 13.711 geführt (Stand 22.09.21) mit einer Note von 5,9 auf der Basis von 111 Wertungen.
Das Bild zeigt Heike Risthaus 2005 auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Donnerstag, 23. September 2021
AUF DIE PALME
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Knizianisch: AUF DIE PALME
Manchmal sind es nur wenige Spielutensilien, die zu viel Spielvergnügen führen können, vor allem dann, wenn sie zu spannungsvollem Miteinander der spielenden Akteure führen. Winning Moves kleines Mitbringspiel AUF DIE PALME führt zwei Spieler nun zwar nicht gerade in Gipfelregionen, aber zu kurzweiligem Spielgenuss. 26 Spielkarten und ein Klappspielplan mit einer Palme reichen für dieses einfache Spiel aus.
Vogelkarten im Wert von 1 bis 12 und eine Tigerkarte erhalten die beiden Spieler. Die Kartenstapel werden gemischt, danach steht für die Spielzüge immer nur eine gezogene Karte zur Verfügung, die an eins der von eins bis zehn nummerierten Palmensegmente verdeckt angelegt wird. Sobald ein Spieler ein Segment wählt, an dem der Gegner schon eine Karte liegen hat, muss die des Verteidigers aufgedeckt werden. Der Angreifer stellt nur seinen Sieg oder seine Niederlage fest, gibt seinen Kartenwert aber nicht preis. Im ersten Fall wird die Karte des Gegenspielers entfernt und die eigene verdeckt platziert. Im anderen Fall bleibt die Karte des Verteidigers offen liegen und der Angreifer muss seine Karte zurückziehen. Bei Gleichstand gewinnt im Übrigen stets der Herausforderer. Ein Tiger muss im Angriffsfall immer offen gespielt werden, denn er vertreibt jedes Tier. An ein noch nicht belegtes Palmensegment darf der Tiger aber auch verdeckt gelegt werden.
Drei Palmenplätze besitzen besondere Eigenschaften, so darf man im Dreierfeld „Gute Aussicht“ sich eine Karte des Gegners ansehen, auf dem wenig interessanten ersten Platz, gewinnt bei Gleichstand ausnahmsweise der Platzhalter und im Feld „Astgabel“, das 8 oder 16 Punkte bringen kann, dürfen zwei Karten platziert werden, gegen die ein Angreifer nacheinander antreten muss. Wenn alle 26 Karten gespielt sind, endet die erste Wertungsrunde. Die gewonnenen Palmenplätze werden addiert. Zum Spielsieg ist aber das beste Ergebnis aus der ersten und einer weiteren Revancherunde mit wechselndem Startspieler nötig.
Verdecktes Kartenablegen um punktbeste Plätze, da muss es sich doch um einen Knizia handeln, irgendwie erinnert das Ganze nämlich an LOST CITIES. Falsch, das Spiel mag zwar knizianisch anmuten, stammt aber vom Magic-Autor Richard Garfield. So simpel dieses schnelle Kartenduell mit den 13 Spielkarten daher kommt, es besitzt Spielreiz und Spielspannung. Wer Psychologie im Spiel mag, wird auch AUF DIE PALME mögen. Die Spieler haben zwar immer nur eine Karte für die Ablage zur Verfügung, aber diese kann Informationen entlocken und Fallen vorbereiten. AUF DIE PALME ist ein fetziges Bluff-Spiel, über dessen grafische Umsetzung man zwar nicht in Begeisterungsstürme ausbricht, das aber Spielvergnügen für mehrere Revancherunden bietet.
Titel: AUF DIE PALME
Autor: Richard Garfield
Verlag: Winning Moves
Spieler: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
www.winning-moves.de
Spiel 03/2007 R165/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Richard Garfield, 1963 in Philadelphia geboren, verdanken wir das Sammelkartenspiel MAGIC: THE GATHERING.
Der graduierte Mathematiker entwickelte schon in seiner Jugendzeit Spiele. ROBO RALLYE erfand er schon 1983. In der Phase der Vertragsverhandlungen für das Spiel mit Wizards of the Coast erfand Garfield MAGIC, das dann auch noch ein Jahr vor ROBO RALLYE 1993 erschien. Mit dem Erfolg wurde Garfield Profiautor und erfand beliebte Spiele wie NETRUNNER, KING OF TOKYO und KEYFORGE.
AUF DIE PALME wird auf BGG (19.09.21) unter dem Rang 3694 (Familienspiele 1007) mit einem Rating von 6,4 geführt.
Mittwoch, 22. September 2021
ALHAMBRA DAS WÜRFELSPIEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Kniffeliges ALHAMBRA
Dirk Henn und Queen Games ist ein geschickter Schachzug im Rahmen der Erweiterung der ALHAMBRA-Familie gelungen. Das neueste Spiel, ALHAMBRA DAS WÜRFELSPIEL, ist einerseits ein völlig eigenständiges Spiel für das DER PALAST VON ALHAMBRA, das Spiel des Jahres 2003, nicht benötigt wird. Anderseits kann auch diese Fassung mit gewendetem Spielplan mit dem Material des ausgezeichneten Spiels als ALCAZABA-Variante gespielt werden.
Kurz charakterisiert stellt dieses eigenständige ALHAMBRA eine KNIFFEL-Variante dar. Wir bleiben in der Spiel- und damit Gebäudewelt der Stadtburg Granadas, wir bleiben in der Wertungswelt mit seinen drei Wertungsphasen, die wir aus dem Spiel des Jahres kennen, aber wir bauen keine eigenen Palastwelten auf, sondern agieren im würfelnden Gegeneinander auf einem zweiteiligen Spielplan.
Im unteren Teil des Spielplans werden für die zwei bis sechs Spieler die Würfelergebnisse einer ersten Spielphase angezeigt. Acht Symbolwürfel dürfen dazu maximal dreimal geworfen werden, wobei die Spieler versuchen, möglichst viele gleiche Symbole zu erwürfeln. In den sechs Gebäudebereichen, vom Pavillon bis zum Turm, markieren die Spieler abhängig von der Spierzahl in drei bis fünf Würfelrunden ihre Ergebnisse. Man kann dadurch nicht überall präsent sein, wer will, darf sogar mehrfach sein Glück in einem Gebäudebereich versuchen. Das macht deshalb Sinn, weil nach der Würfelphase Prämien vergeben werden. Dazu werden die Gebäude einzeln abgerechnet. Der Spieler mit dem höchsten Würfelergebnis, das oft auch davon abhängt, ob in der ersten, zweiten oder erst dritten Würfelrunde das Ergebnis erzielt wurde, darf entweder in der oberen Spielplanhälfte auf der Skala der Gebäudepunkte zwei Felder voranschreiten oder nur ein Feld und dafür einen Bonus-Chip kassieren, der Siegpunkte bringen oder für spätere Würfelphasen verwendet werden kann. Der Zweiplatzierte erhält die übrig gebliebene Prämie. Nach der ersten, dritten und fünften Runde wird die Platzierung auf den Gebäudebahnen in den bekannten ALHAMBRA Wertungspunkten umgesetzt, wobei jedes Mal zusätzlich die Bonus-Chips mit in die Wertung eingehen. Bilanziert wird auf einer Kramerleiste, die um den Spielplan führt. Wer am Ende die Nase vorn hat, gewinnt meist nach einstündiger durchaus spannender Würfelorgie das Spiel.
Klar, ALHAMBRA DAS WÜRFELSPIEL ist fast ein reines Glücksspiel. Die Steuerung über den zweigeteilten Spielplan lässt aber durchaus taktische Überlegungen zu, zumindest kann das Glück strategischer herausgefordert werden. Das geht los bei der Entscheidung, ob die vier Türme, beim ersten Mal erwürfelt, nicht doch ausreichen, da fünf Türme auch durch drei Würfe nicht so einfach zu erreichen sind. Das geht weiter bei der Frage, wo es sich überhaupt noch lohnt, Gebäudepunkte zu sammeln. Nicht zu unterschätzen ist das Element der Bonus-Chips, die das Spiel und die Wertung entscheidend mit beeinflussen können. Dieses Würfelspiel bietet deutlich mehr als KNIFFEL und ist damit ein durchaus unterhaltsames Familienspiel. Der Spielreiz lässt allerdings in großen Spielrunden deutlich nach, da dauert es einfach zu lange, bis man selbst würfelnd wieder ins Geschehen eingreifen kann. Für zwei bis vier Spieler geht das Konzept auf, fünf bis sechs sind meines Erachtens zu viel.
Die Würfelspielkomponente wird auch für die ALCAZABA-Variante verwandt. Der Kartenerwerb der Gebäudeplättchen, ergänzt durch ein zwölftes Turmplättchen, wird dabei durch das Würfelduell gesteuert. Die Bau- und Wertungsregeln entsprechen dem Originalspiel.
Titel: ALHAMBRA DAS WÜRFELSPIEL
Autor: Dirk Henn
Grafik: Jo Hartwig
Verlag: Queen Games (www.queen-games.de)
Spieler: 2 bis 6
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Spiel 02/2007 R164/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Spiele von Dirk Henn und Barbara Henn (geb. Weber) gab es nur selbst gebastelt und in Kleinstauflage aus dem Eigenverlag db-Spiele oder später bis auf ganz wenige Ausnahmen bei Queen Games. Dirk Henns erfolgreiche Spiele sind alle aus der Kooperation mit dem Queen-Redakteur Bernd Dietrich hervorgegangen. Darunter an erster Stelle ALHAMBRA, das ab der zweiten Auflage in DER PALAST VON ALHAMBRA umbenannt wurde, aber auch Spiele wie METRO, SHOWMANAGER und WALLENSTEIN waren herausragend.
ALHAMBRA DAS WÜRFELSPIEL wird auf BGG (19.09.21) unter dem Rang 3980 (Familienspiele 1121) mit einem Rating von 6,2 geführt.
Das Bild zeigt Barbara und Dirk Henn 2004 in Nürnberg mit DIE GUNST DES WESIRS, der ersten von ganz vielen Erweiterungen für die ALHAMBRA-Familie, an der Wolfgang Panning beteiligt war.
Dienstag, 21. September 2021
ABGEZOCKT!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
ABGEZOCKT!
Würfelspiele sind wieder voll im Trend. Die ALHAMBRA wird inzwischen erwürfelt, ganz neu geht es den catanschen SIEDLERN so, Spielcasino-Atmosphäre kommt in Staupes CINCINATTI auf, ein Verlag ohne Würfelbecher im Spiel ist schon fast eine Rarität. Lucy Schultz liefert mit ABGEZOCKT! das Würfelspiel im Programm der W & L Verlagsgesellschaft.
Die Autorin knüpft an Klassiker wie CHICAGO und DREITAUSEND an, ergänzt diese aber durch Aktionswürfel und Aktionskarten. Sechs Würfel und ein Aktionswürfel liegen im Würfelbecher. Für die „1“ gibt es 100 Punkte, für jede „5“ die Hälfte. Bei Drillingen wird die Augenzahl mit hundert multipliziert, nur ein Einser-Drilling bringt 1000 Punkte. Jeder weitere Würfel mit gleicher Augenzahl verdoppelt das vorhergehende Ergebnis, sechs Sechsen bringen dadurch 4800 Punkte. Sonderwertungen von 600 Punkten sind durch drei Paare und eine Straße möglich. Ob der Ausgangswurf verbessert werden darf, entscheidet der Aktionswürfel. Zeigt er die grüne Seite, was immerhin mit 50prozentiger Wahrscheinlichkeit eintritt, darf weiter gewürfelt werden. Mindestens ein Würfel wird dabei für die Wertung herausgenommen und die Folgewürfe müssen eine Erweiterung der Wertung bringen, sonst verfällt der gesamte Wurf. Falls der Aktionswürfel die rote Seite zeigt, muss man mit den Punkten des ersten Wurfes vorliebnehmen. Ganz gemein ist das einmal vorkommende Augensymbol, bei dem nämlich alle erwürfelten Punkte einem Mitspieler geschenkt werden müssen.
Erreicht ein Spieler mit seinen Würfen 500 Punkte, erhält er zusätzlich eine Aktionskarte, von denen zu Beginn jeder Spieler eine bekommt. Mit diesen Karten können die Spieler zum Beispiel den Augenwurf oder überhaupt den Sonderwürfel ignorieren. Ziemlich fies ist die Bulldogge, die eingesetzt wird, wenn ein Spieler das Würfelergebnis eines Mitspielers übernehmen will, der kann sich dem nur entziehen, wenn er über eine Vetokarte verfügt. Die Abzocke prägt tatsächlich dieses Würfelspiel, das geschieht nicht nur durch die Hundekarte, sondern auch nach vielen Würfelrunden. Nach jedem Ergebnis mit grünen Aktionswürfel darf der nachfolgende Spieler die „Abzocker-Chance“ nutzen. Er übernimmt die verbliebenen Augenwürfel, die nicht mit gepunktet haben, und den Aktionswürfel. Reicht das risikoreiche Nachwürfeln zu einer Ergebnisverbesserung, erhält der Spieler die Punkte gutgeschrieben. Die Spielregel lässt leider offen, ob der vorlegende Spieler in diesem Fall ganz leer ausgeht oder sein Ergebnis auch gewertet wird.
Das Gegeneinander wird in diesem „tierisch gemeinen“ Spiel, so der Untertitel, ganz schön groß geschrieben. Die Ärger- und Schadenfreudefaktoren sind hoch, das gibt ABGEZOCKT! durchaus seine Berechtigung im Kreis von KNIFFEL & Co. Würfelfans, die nicht nur Straßen und volle Häuser erreichen wollen, kommen mit Lucy Schultzes Spiel auf ihre Kosten.
Titel: ABGEZOCKT!
Verlag : W & L Verlagsgesellschaft
Autorin : Lucy Schultz
Illustration: Alexander Buck
Spieleranzahl : 2 – 6
Alter : ab 10 Jahren
Dauer : ca. 30 Min.
Spiel 01/2007 R163/2021
Die Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zur Autorin:
Lucy Schultz wird bei BGG nur mit dem Spiel ABGEZOCKT! geführt, Luding führt immerhin noch ein ABGEZOCKT! KOMPAKT aus dem Jahre 2009 auf. Die BGG-Wertung liegt bei 5,4, allerdings haben nur vier Personen das Spiel bewertet. Die Wertungen schwanken zwischen den Noten 4 und 7. Die Rubrik „All Time Plays“ verzeichnet gerade einmal 4 Spiele.
Freitag, 17. September 2021
BUDDEL BANDE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
BUDDEL BANDE
Spätestens seit der tschechischen Zeichentrickserie Der kleine Maulwurf und dem Kinderbuch Maulwurf Grabowski von Luis Murschetz gehören die kleinen Insektenfresser, die große Erdhügel aufwerfen können, zu den beliebtesten Tieren, die man allerdings selten zu Gesicht bekommt.
Spielerisch hat Hajo Bücken schon vor fast zehn Jahren mit LAUF, MAULWURF, LAUF ein kooperatives Spiel im Herder-Verlag zu der Zeichentrickserie veröffentlicht. Am bekanntesten war dann die MAULWURF-COMPANY von Ravensburger, die 1995 auf der AWL der Jury Spiel des Jahres landete. Aktuell folgt Edith Grein-Böttcher in der Goldsieber-Reihe Maxis in der Minibox mit BUDDEL BANDE diesem Trend.
Der Bauer Klaus Klee leidet unter den vielen Maulwurfshügeln auf seiner Wiese. Eine ganze Rennstrecke haben die kleinen Grabowskis auf seinem Grün aufgeworfen. Da hilft auch Dackel Daniel nur bedingt, das Vorankommen der Maulwürfe einzudämmen. Für das Laufspiel bekommt jeder drei Maulwürfe unterschiedlicher Größe, gesteuert wird das Ganze über zwei Spezialwürfel, die festlegen welches Tier, ein Maulwurf bestimmter Größe und/oder der Hund laufen darf. Die Zugweite wird über einen Symbolwürfel geregelt. Wie in HEXENTANZ sehen die Maulwürfe identisch aus, nur ein Symbol im Fuß der Tiere lassen eine Zuordnung zu. Man merkt sich zwar anfangs, wo die eigenen Graber starten, kann aber schnell durcheinanderkommen. Manchmal will man sogar bewusst eine fremde Figur führen. Nach einer Bewegung darf man immer unter die vorangeführte Figur blicken. Die Zugweite ergibt sich über den zweiten Würfel, der Symbolen neben den Maulwurfshügeln zugeordnet wird. Es geht immer voran Richtung Maulwurfs-Bau, von dort startet aber auch Dackel Daniel. Immer wenn er gewürfelt wird, landet er neben dem entsprechenden Hügel-Symbol. Ein Maulwurf dort fühlt sich ertappt und darf nicht mehr gezogen werden, bis Daniel weiterzieht.
Ist die Höhle erreicht, wird die Familienzugehörigkeit des Maulwurfs offenbart. Sobald ein Spieler seine drei Tiere in den Bau geführt hat, ist die BUDDEL BANDE beendet.
Trotz der Nähe zu HEXENTANZ macht Grein-Böttchers Verwirrspiel mit Maulwürfen und dem kleinen Ärgerfaktor mit Dackel Daniel Vergnügen. Die Zielgruppe mag die Figuren und beherrscht die MEMO-Anforderungen meist souverän, zumindest gegen ihre Eltern.
Titel: BUDDEL BANDE
Autor: Edith Grein-Böttcher
Grafik: Dorit Gutt
Verlag: Goldsieber
Spieler: 2 - 4
Alter: ab 6 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 23 DM
Spiel 23/1999 R161/2021
Die Rezension erschien 1999 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zur Autorin:
Die in Neuss lebende Diplom-Designerin Edith Grein-Böttcher gehört zu den dienstältesten Spieleautorinnen Deutschlands. Vor 33 Jahren veröffentlichte sie mit GOLDGRÄBER (Ravensburger) ihr erstes Spiel, dem mehr als ein Dutzend weitere folgten. Mit FLOSSEN HOCH (Zoch) landete sie 2012 auf der Empfehlungsliste für das Kinderspiel des Jahres.
Als BUDDEL BANDE erschien gab es noch den Sonderpreis Kinderspiel, den 1999 KAYANAK gewann, damit waren die Chancen auf eine weitere Erwähnung klein, die die Spielidee aber durchaus besessen hätte.
Das Bild zeigt die Autorin 1993 in Essen.
Donnerstag, 16. September 2021
WISSEN UND SPASS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Der Magier macht Quizspiele
Eine ganze Wissensspielsammlung erwerben Sie beim Kauf des Spiels WISSEN UND SPASS der Firma Noris. Sechs kreative Wissensspiele, die auch allein viel Spaß bereiten und fast alle als eigenständige Spiele auf dem Markt zu erwerben sind, haben Johann und Matthias Rüttinger in diesem Spiel zu einem Ganzen verschmolzen. Von den beiden Brüdern ist vor allem Johann Rüttinger bekannt, der mit Spielen die die DREI MAGIER, DER SCHWARZE PRINZ und VOKABO schon mehrfach von der Jury Spiel des Jahres ausgezeichnet wurde.
Wissenseulen in sechs unterschiedlichen Bereichen sind zu erwerben. Da gibt es das pfiffige Definitionsspiel "Wer's glaubt, wird selig". Für weitgehend unbekannte Begriffe werden drei Definitionen angeboten, die richtige muss erraten werden. Das LEXIKONSPIEL( Noris) oder NOBODY IS PERFECT (Ravensburger) lassen grüßen. Ganz ähnlich aufgebaut ist "Herz & Schmerz" mit Fragen und vorgegebenen Antworten um die schönste Sache der Welt.
Begriffsumschreibungen liefert das Spiel "Was ist gesucht?" . Sechs Hinweise führen zum gesuchten Begriff hin. Sie brauchen doch sicher auch nur die beiden folgenden: "Ohne ihn bleibt das Zelt nicht lange stehen" und "Geräuchert gilt er als 'höflichster Fisch'", um auf den Hering zu kommen. Im Gesamtpaket preiswerter, als 20 QUESTIONS (MB) als Brettspiel zu kaufen.
In einem weiteren Spiel gilt es, 330 unglaubliche Kurzgeschichten auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. "Wahr oder unwahr", ist hier die Frage. Bei "Schlag auf Schlag" müssen innerhalb einer Minute möglichst viele Begriffe zu einem vorgegebenen Themenbereich genannt werden. Das Spiel OUTBURST (Parker) beruht auf einem ähnlichen Spielprinzip.
An Robert Lembkes alte WAS BIN ICH-Serie, übrigens in den 60er Jahren ein Norisspiel, erinnert das letzte Ratesegment "Beruferaten".
Da die meisten Fragen nicht schwer zu lösen sind, haben die Rüttingers eine gelungene Spielmixtur zusammengestellt, an der die ganze Familie teilnehmen kann. Lässt man "Herz & Schmerz" weg, können Kinder ab zehn Jahren schon gut mit in der Spielrunde sitzen. Bei der Entwicklung von DREI MAGIER & Co. war Johann Rüttinger sicherlich kreativer, aber die Spielevorbilder, die er und sein Bruder in das Quizspiel von Noris einfließen lassen, sind gut gewählt.
Titel: WISSEN UND SPASS
Verlag: Noris
Autor: Johann und Michael Rüttinger
Spielerzahl: 2-12
Alter: ab 14 Jahre
Spieldauer: 60 Min.
Preis: ca. 55.00 DM
Spiel 33 /1993 R160 /2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zu den Autoren:
Der 73jährige Grafiker Johann Rüttinger arbeitete seit Anfang der 80er Jahre quasi als Hausautor für Noris und bereicherte das Programm des auf Fernsehserien und Spielesammlungen spezialisierten Verlag beachtlich. Fast im jährlichen Rhythmus wurden ab 1982 Noris Spiele von Johann Rüttinger gewürdigt. 1982 landete VOKABO auf der Auswahlliste zum Spiel des Jahres, ein Jahr später DER SCHWARZE PRINZ. 1984 erhielt INKA die Essener Feder für die beste Spielregel. 1985 startete die fantastische Reihe der magischen Spiele mit DREI MAGIER, die auch sofort den Sonderpreis „Schönes Spiel“ gewannen. Für das Nachfolgespiel, DAS BLAUE AMULETT, gewann Rüttinger wieder die Essener Feder.
1994 gründete Rüttinger mit seiner Frau Kathi Kappler in Uehlfeld den Spieleverlag Drei Magier Spiele, den er ebenfalls sehr erfolgreich aufstellte. Gemeinsam mit Erwin Glonnegger überarbeitete er „Das Spiele-Buch“, welches 1999 bei Drei Magier Spiele neu aufgelegt wurde.
Michael Rüttinger hat eigentlich als Lehrer gearbeitet, aber nebenberuflich viele Spiele für Noris erfunden. In seinem Hauptberuf war er zwischen 1990 und 2017 27 Jahre Schulleiter an der Theo-Betz-Schule in Neumarkt. Für Noris hat er in dieser Zeit mindestens 60 Spiele entwickelt, vielfach zusammen mit seinem Bruder, aber Spiele fürs Alltagsgeschäft von Noris häufig alleine.
Große Erfolge kann er nicht vorweisen, im Gegensatz zu seiner Frau Heidemarie, die für die Grafik des Kinderspiel des Jahres 2011, DA IST DER WURM DRIN, verantwortlich zeichnet.
Das Bild zeigt Johann Rüttinger in Göttingen 2012.
Dienstag, 14. September 2021
PUNK SUCHT LADY
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
PUNK SUCHT LADY
Spieleverlage suchen jedes Jahr Juroren, die ihre Brettspielneuheiten besonders auszeichnen. Die Firma Ravensburger ist seit 1979, solange gibt es solche Auszeichnungen schon, stets berücksichtigt worden. Auf der sogenannten Auswahlliste für das "Spiel des Jahres" waren die Branchenführer mindestens mit einem Spiel vertreten. 1993 ist die Enttäuschung der Firma am Bodensee daher besonders groß, sie sind zum ersten Mal nicht mit dabei. Dass das keine Marotte der Jury war, belegt die publikumsorientiertere Konkurrenzveranstaltung, der "Deutsche Spiele Preis". Merz&Co. führen unter ihren Top Ten ebenfalls kein Spiel mit dem blauen Dreieck.
Nichts Attraktives im Sortiment, könnte man annehmen. Dem ist gar nicht so. Der Firma Ravensburger geht es heuer damit wie manchen Spielern, die sich als Heiratsvermittler in dem neuen Spiel von Wolfgang Kramer und Richard Ulrich PUNK SUCHT LADY versuchen: Auch noch so reizvolle Heiratskandidaten sind manchmal gar nicht so einfach an den Mann oder an die Frau zu bringen.
Die beiden Autoren haben ein überaus witziges, kommunikatives Spiel für Jugendliche ab 12 Jahre (Verlagsangabe 16 Jahre) und Erwachsene entwickelt, das besonders in großer Spielrunde viel Vergnügen bringt. Drei Männlein und Weiblein hat jeder Spieler in seinem Heiratsbüro zu vermitteln. Witzig gezeichnete Kandidatenkarten stellen die Kartei des Instituts dar, inklusive der Beschreibung aller Vorzüge und Nachteile der anzupreisenden Personen. Denn darum geht es, möglichst loswerden sollte man seine Kandidaten. Dafür gibt es zwar kein Geld, aber Wertungspunkte, die einem den Spielsieg näherbringen. Das spielt aber nur eine untergeordnete Rolle auf diesem Heiratsmarkt. Spaß bringt das Anpreisen eigener Kandidaten, die Suche nach möglichen Partnern aus dem Angebot der Mitspieler. Hier muss man sich zwar an Eigenschaftsvorgaben halten, der ausschmückenden Phantasie sind aber keine Grenzen gesetzt. Die Stunde der Wahrheit schlägt, wenn ein "Liebesbarometer" prognostisch Auskunft über die Übereinstimmungen des ausgewählten Paares gibt. Einspruchsmöglichkeiten zu kurz gekommener Heiratsinstitute und die Stimmabgabe über das beste Paar verfeinern den Spielablauf.
Nicht unbedingt der große Wurf für Profispieler, aber für lockere Spielrunden ein abwechslungsreiches Kommunikationsspiel, dessen Spieldauer auch angenehm kurz ist. Für Spielgruppen, die Freude an kommunikativen Spielen haben, kann ich das Spiel bedenkenlos empfehlen. Wer das Spiel gewinnorientiert und taktisch angehen möchte, der lasse besser seine Finger davon.
Um zum Ausgangspunkt zurückzukehren: Vielleicht haben die Ravensburger in diesem Jahr den unterschiedlichen Juroren nicht deutlich genug gemacht, dass auch kommunikative Spiele auf die Bestenlisten gehören, nicht nur taktische und strategische. Werbung gehört zum Handwerk, ohne PR bleibt man auf seinen Kandidaten sitzen. Mit PUNK SUCHT LADY kann geübt werden.
Titel: PUNK SUCHT LADY
Verlag: Ravensburger
Autor: Wolfgang Kramer und Richard Ulrich
Grafik: Brian Pagnall, Iris Schotten
Spielerzahl: 3-6
Alter: ab 16 Jahre
Spieldauer: 30 bis 60 min; je nach Spielerzahl
Preis: ca. 40.00 DM
Spiel 32/1993 R158/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 78jährige Wolfgang Kramer ist neben Reinhold Wittig der dienstälteste Spieleautor in Deutschland und der erste, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Der gelernte Betriebswirt und Informatiker hängte 1989, nach zwei Spiel des Jahres-Auszeichnungen seinen Beruf an den Nagel und lebte fortan vom Spielerfinden.
Sein erstes Spiel TEMPO erschien 1974 bei ASS, HEIMLICH & CO. war sein erstes Spiel des Jahres (1986), es folgte gleich danach AUF ACHSE. In vielen seinen späteren Erfolgen war er mindestens im Team unterwegs. Bei EL GRANDE (SDJ 1996) begleitete ihn Richard Ulrich und bei TIKAL und TORRES Michael Kiesling.
Richard Ulrich, wie Kramer Jahrgang 1942, veröffentlichte sein erstes Spiel beim Verlag Herder. Dem kooperativen FISCHERSPIEL (1987) folgten weitere Kinderspiele und Spiele mit Umweltthema, so 1992 ÖKO DETEKTIV. PUNK SUCHT LADY war für ihn die erste Kooperation mit Wolfgang Kramer, der einige weitere folgten. Neben EL GRANDE überzeugten sie vor allem durch DIE HÄNDLER (Queen Games, 1999) und DIE FÜRSTEN VON FLORENZ (Alea, 2000).
Das Bild zeigt Ursula und Wolfgang Kramer 1993 in Essen mit seinen damaligen Neuheiten, darunter PUNK SUCHT LADY.
Montag, 13. September 2021
DIE PERLEN DER SCHEHERAZADE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
SPIELE aus TAUSENDUNDEINER NACHT: DIE PERLEN DER SCHEHERAZADE
Klaus Zoch und Albrecht Werstein lassen ihr Scheherazadespiel am 1002 Tag beginnen. Die anstehende Hochzeit mit Sultan Schachriar, die Scheherazade sich durch lange Erzählungen hindurch verdient hat, knüpft die Tochter eines Wesirs an Bedingungen. Die Besten seines Landes - die Spieler dieses Spiels natürlich - sollen sich auf den Weg zu dem Sommerpalast Scheherazades machen, um ihr dort drei wertvolle Perlen zu übergeben. Dabei müssen die Abenteurer aber auch das Geheimnis der Haremszimmer lüften, um die Perlen in das richtige Zimmer zu bringen. Eine schwierige Aufgabe, der sich 3-6 Spieler stellen dürfen.
Jeder erhält zu Beginn eine Beduinenfarbe geheim zugeteilt. Da stets ein Beduinenpaar mehr im Spiel ist, als Mitspieler vorhanden sind, entspricht die Farbe des angestrebten Haremszimmers diesem zusätzlichen Paar. Unterwegs können die Spieler Frageperlen einsammeln, die hilfreich bei der Eingrenzung der gesuchten Farbe sind. Sieger ist, wer zuerst mit einem Beduinen seiner Farbe in das richtige Haremszimmer der Scheherezade gelangt und ihr dort drei Perlen überreicht.
Die Beduinen bewegen sich in Knobelmanier voran, wobei drei Kamele die Beduinen vorwärtsbringen. Jeder hat zu Beginn des Spieles zehn Perlen erhalten, von denen in jeder Knobelrunde eine beliebige Anzahl in die Hand genommen werden. Danach schätzen die Spieler die Gesamtzahl der Perlen. Wer am meisten geboten hat, darf ein Kamel bewegen. Seine Perlen kommen in eine kleine Schale. Der beste Tipper erhält diese Schale samt Inhalt. Der Kamelführer bewegt dann ein Kamel und mit ihm die Beduinen in seiner Nähe 1 bis 3 Felder vorwärts. Jeder darf also jede Figur bewegen. Hier gilt es natürlich, möglichst lange seine Beduinenfarbe geheim zu halten, denn sonst wird man schnell abgehängt.
Hat man mit einigen Frageperlen, die man als Karawanenführer unterwegs einsammelt, die mögliche Haremszimmerfarbe eingegrenzt, darf man im Palast nun aber ausschließlich mit einer seiner eigenen Spielfiguren in das vermutete Haremszimmer ziehen. Stimmt die Farbe nicht, schlägt die grausame Justitia des alten Orients brutal zu. Dem Tode entgeht man nur dank eines wunderbaren Chirurgen in Samarkand, was aber gleichbedeutend mit einem neuen Start ist. Stimmen Zimmer und Anzahl der mitgebrachten Perlen darf der Spielsieger sich auf einen Fliegenden Teppich freuen, den Sultan Schachriar als Siegpreis ausgeschrieben hat. Wer schon einen besitzen sollte, startet zum Abenteuerurlaub mit Sindbad.
Zoch und Werstein haben eine gute Mischung bekannter Spielelemente reizvoll thematisch eingepackt. Der Karawanenzugmechanismus ist originär, Knobel- und Deduktionselemente machen den zusätzlichen Spielreiz aus. Für einen Kleinverlag ist das Spiel in hervorragender Qualität produziert worden, wenn ich mir auch die Kamele etwas standfester gewünscht hätte. Wir werden jedenfalls Scheherazade noch häufiger nach Basra enteilen lassen, um auf die Suche nach ihrem geheimnisvollen Zimmer zu gehen.
Titel: DIE PERLEN DER SCHEHERAZADE
Verlag: Zoch Verlag
Autor: Albrecht Werstein und Klaus Zoch
Grafik: Sälzer & Co.
Spielerzahl: 3-6
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: etwa 60 min
Preis: ca. 39.00 DM
Spiel 12 /1992 R157/2021
Die Rezension erschien 1992
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Klaus Zoch und Albrecht Werstein, die den Zoch Verlag 1987 für den BAUSACK gegründet haben, sind Schulfreunde. Während ihres gemeinsamen Schulbesuches in der Schwarzwaldgemeinde Hornberg hatten sie Mitte der 60er-Jahre schon komplexe Spielsysteme entwickelt. Von der Steinzeit bis ins Raumfahrtzeitalter spielte ihr frühes CIVILIZATION, den Spielplan gab ein Diercke-Weltatlas her.
Zoch, gescheiterter Physikstudent, Werstein, Jurist, gingen eine kreative und organisatorische Symbiose ein: Der Handwerker, Designer und häufige Ideengeber Klaus Zoch, der Redakteur, Organisator, Mann für die Vertragswerke, Albrecht Werstein.
1988 landete BAUSACK auf der AWL der Jury. Danach ging es aber nur zögerlich weiter, eine Lizenzvergabe vom BAUSACK an MB hielt sie über Wasser. Die Teamarbeit der beiden als Autoren des Spiels SCHEHERAZADE überzeugte nicht so ganz, auch die gar nicht so schlechte Kartenspiel-Reminiszenz an ihren Geburtsort Hornberg und DAS HORNBERGER SCHIESSEN stieß auf nicht allzu viel Gegenliebe.
Die Wende und der Erfolg kamen mit der Rückwendung zu Holzprodukten und Kinderspielen. AZTEC (Sonderpreis Schönes Spiel, 1997) und BAMBOLEO (1997) überzeugten. Mit ZICKE ZACKE HÜHNERKACKE gewannen sie den Sonderpreis Kinderspiel 1998. Es folgten Siege mit VILLA PALETTI (2002), NIAGARA (2005), DA IST DER WURM DRIN (2011) und SPINDERELLA (2015). 2010 hat Simba Zoch übernommen, als Marke jedoch weitergeführt.
Die Bilder zeigen Albrecht Werstein bei der Preisverleihung für SPINDERELLA 2015. Klaus Zoch ist auf einer Aufnahme in Göttingen von 2008 zu sehen.
Sonntag, 12. September 2021
ÜBER BORD
SAMMELSURIUM
Ravensburger Traveller-Serie: ÜBER BORD
Neben der Casino-Serie war die Traveller-Reihe in den 70er Jahren besonders beliebt. Sie erschien in zwei Schachtelformaten, zuerst als flache Ausgabe (202x202x28 mm; 1972 und 1973) und als etwas kleinere dickere Schachtel (190x190x36 mm; 1973-1978). Diese Schachtelform setzte sich durch und diente auch der Veröffentlichung weiterer Titel. Zur Serie gezählt werden aber nur Titel mit dem Logo „traveller serie“. Die Spiele in der Reihe waren fast durchweg Spiele für zwei Personen, meist taktische Spiele mit geringem Glücksanteil.
In der Reihe veröffentlichte Alex Randolph die meisten Spiele, zum Teil wie auch in der Casino-Serie unter dem Pseudonym L.W. Bones (PEGGINO). Daneben erschienen Klassikerausgaben wie REVERSI, GO und GOBANG, TANGRAM, SOGO und 3x16, das alte NÜMMERCHEN.
Herausragend sind für mich die Randolph-Spiele WÖRTERKLAUER, PEGGINO und HEPTA. Immer wieder gut ist RACKO, das es aber auch in vielen anderen Ausgaben von Ravensburger gibt.
ÜBER BORD
ÜBER BORD gehört zu den vielen Randolph-Spielen der Traveller Serie. Es ist 1977 in der großen Schachtelausgabe erschienen und gehört damit zu den letzten Veröffentlichungen dieser Reihe.
ÜBER BORD wirkt wie ein Vorläufer von ABALONE, nur haben wir hier keine Kugeln, sondern 18 weiße und rote runde Spielsteine, die sich dank einer Nut in einem 6x6 Kreuzungsraster eines blauen Plastikspielfeldes herumschieben lassen, und vor allem wie die Kugeln Lévis und Lalets aus dem Spielfeld herausgeschoben werden können.
Der Start erfolgt in randolphscher Manier. Abwechselnd ziehen die Kontrahenten Spielsteine aus einem Säckchen und platzieren diese beliebig auf den 36 Schnittpunkten des Spielplans. Ein ausgeloster Spieler oder in späteren Partien der Verlierer der letzten Spielrunde sucht die Spielfarbe aus oder ob er beginnen möchte.
In seinen Spielzügen schiebt man gegnerische Steine ÜBER BORD, dabei dürfen aber keine eigenen Steine vom Brett fallen. Die Steine dürfen beliebig weit gezogen werden, Voraussetzung ist, dass ein gegnerischer Stein vom Brett fällt. Wer das nicht kann oder will, darf einen eigenen Stein um ein Feld verschieben.
Das Spiel endet, wenn die Steine einer Farbe ÜBER BORD gegangen sind. Der Sieger muss dabei mindestens noch über einen Spielstein verfügen.
Schon die Auswahl am Anfang ist spannend, da die Ausgangslage auf dem Spielbrett bewertet werden muss. Da schaut man schon genau, wie viele Steine einer Farbe doppelt oder sogar dreifach aus dem Brett geschoben werden können, was einen enormen Zugvorteil bringt. Der Ablauf danach ist regeltechnisch einfach, er ist in einer Minute erklärt, trotzdem entwickelt das Spiel eine beträchtliche Tiefe. So macht es Sinn, gegnerische Steine anfangs überleben zu lassen, da sie durchaus auch als Schutz eigener Steine fungieren, wenn sie außen stehen. Bei gleichwertigen Spielern kommen Pattsituationen durchaus häufiger vor. ÜBER BORD eignet sich gut fürs Spielen mit Grundschülern, die das Spiel schnell verstehen und Freude an der Herausforderung haben, mit ihren Spielsteinen zu überleben.
Das Material ist zwar durchweg aus Plastik, aber funktional. Das erhöhte Spielbrett besitzt die Wirkung einer großen Wasserfläche. Die Nut-Steine lassen sich gut schieben. ÜBER BORD gehört zu den soliden Spielen der Traveller-Reihe.
Titel: ÜBER BORD
Autor: Alex Randolph
Verlag: Ravensburger
Spielerzahl: 2
Alter: o.A.
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 37 – S37/2021
Montag, 6. September 2021
DIE AUGEN DER KALI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DIE AUGEN DER KALI
Auffallend ist es schon, wenn immer wieder Spiele mit nahezu identischen Spielmechanismen auf den Markt kommen. Mit dem Plagiatsvorwurf sollte man dabei allerdings nicht vorschnell sein. Dieses Jahr trifft es zwei renommierte Spieleautoren, die zu einer vergleichbaren Grundidee zwei völlig unterschiedliche Spielgeschichten erzählen. Auf der einen Seite Reinhold Wittig, dessen Fortbewegungsmechanimus in KULA KULA, vom Kartenaufdecken abhängt, auf der anderen Seite Alex Randolph, der eben dieses Kartenprinzip zur Fortbewegung in seinem neuen Spiel DIE AUGEN DER KALI verwendet.
Randolphs Spiel ist sein Beitrag zur Schmidtschen Autorenedition. Es gehört zu den schwächeren Spielen dieser Reihe. Der grundlegende Spielmechanismus bringt zwar wie bei Wittig Spannung, enthält aber Detailmängel, die nur mageren Spielreiz aufkommen lassen.
Die Göttin Kali bewacht, einer Medusa gleich, einen großen Edelsteinschatz. Um zu ihr zu gelangen, müssen 18 Fußspuren überwunden werden, ähnlich wie auf Wittigs Meeresspielfeldern können dort Juwelen eingesammelt werden. Diese Aufgabe übernimmt eine „Sklavenfigur“ - wieso eigentlich nicht Abenteurer oder Schatzsucher etc. ? -, die versucht, so nah wie möglich an die Göttin Kali heranzukommen, um so an immer größere Schätze zu gelangen.
Bei Wittig steuern 42 Orakelkarten den Weg der Schiffe, zwölf Götzenkarten unterbrechen den Weg. In Randolphs Spiel treiben 52 Karten den Sklaven voran, zwölf Geräusche- und zwei Schreckkarten beenden hier die Sammelaktivitäten. Wenn auch die Fortbewegungsmöglichkeiten von ein bis vier Feldern variantenreicher in dem Schmidtspiel scheinen und zusätzlich eine pfiffige Abkaufmöglichkeit besteht, so dass man den Spielstand eines Mitspielers übernehmen kann, bleibt doch das identische Grundprinzip auffallend. Da Wittigs Spiel in der Fassung der Edition Perlhuhn schon länger bekannt war, halte ich die Entscheidung von Schmidt Spiel und Freizeit, DIE AUGEN DER KALI in ihr Programm aufzunehmen, für problematisch.
Alex Randolph wird sicherlich nicht abgekupfert haben. Er ist bekannt für seine guten Mischungen von Spielprinzipien, die häufig auf Vorhandenes zurückgreifen.
KULA KULA und DIE AUGEN DER KALI gehen letztlich auf das 17-und-4-Prinzip zurück. Trotzdem sollten die Verlage Spielentwicklungen auch im Kleinverlagsumfeld mit berücksichtigen. Ein Käufer beider Spiele wird sich über den vergleichbaren Spielmechanismus ärgern.
Titel: DIE AUGEN DER KALI
Verlag: Schmidt Spiele
Autor: Alex Randolph
Spielerzahl: 2-6
Spieldauer: etwa 10 bis 20 Minuten
Preis: ca. 45.00 DM
Spiel 29/1993 R152 /2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Autor:
Alex Randolph war der Kosmopolit unter den Spieleautoren. 1922 in Böhmen geboren. Seine Mutter stammte aus Colorado, sein Vater war Russe. Schon als Kind lebte er mehrere Jahre in Venedig, bevor er als Zehnjähriger in ein Schweizer Internat geschickt wurde. Ein Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg ging die Familie zurück in die USA. Während des Krieges arbeitete er am Entschlüsseln feindlicher Codes.
Nach dem Krieg lebte er als Werbetexter und Romancier in Boston, bevor er 1961 mit Pentomino-Steinen sein erstes Spiel veröffentlichte. Randolph siedelte dann nach Wien um, spielte dort im Café Hawelka TWIXT mit Herbert Feuerstein, das bald als 3M-Spiel in einer edlen Buchschuberausgabe erschien und ihm einen mehrjährigen Aufenthalt in Japan finanzierte. Mitte der 70er Jahre fand der Spieleautor nach Venedig zurück, wo er 2004 starb.
Anfangs entwickelte er, inspiriert durch die Japanreise, hauptsächlich taktische Spiele für zwei, wie EVADE, BUFFALO und GEISTER. In den 80er Jahren erfand er erfolgreich viele Familienspiele wie SAGALAND, „Spiel des Jahres“ 1981, das er zusammen mit seinem engen Freund Michael Matschoss entwickelte. Es blieb zwar sein einziges „Spiel des Jahres“, für GUTE FREUNDE (1989) gewann er den ersten Sonderpreis „Kinderspiel“, was er mit LEINEN LOS! 1997 noch einmal wiederholte. INKOGNITO (1988) und VENICE CONNECTION (1996) bescherten ihm den Sonderpreis „Schönes Spiel“.
In den 90er Jahren arbeitete Randolph eng mit Johann Rüttinger zusammen, der auch XE CIAO CIAO … in sein Programm nahm. Posthum veröffentlichten Rüttinger und Kathi Kappler 2012 das lesenswerte Buch Randolphs „Die Sonnenseite. Fragmente aus dem Leben eines Spieleerfinders“.
In seinem 68. Lebensjahr wird der Philosoph unter den Spieleautoren mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet, außerdem erhält er 1992 einen Sonderpreis für sein Lebenswerk beim Deutschen Spielepreis. Randolph gilt neben Sid Sackson als einer der ersten Spieleautoren, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Er hat schon in den 70er Jahren dafür gesorgt, dass Autorennamen auf den Schachteln auftauchten.
Das Bild zeigt Randolph 1993 in Essen.
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