SAMMELSURIUM
Steidl Verlag
Die Produkte, die Gerhard Steidl veröffentlicht, sind vor allem Bildbände und Belletristik. Er publizierte ab 1970 Plakate und Poster von Klaus Staeck. Deutschlandweit beachtet wurde der Göttinger Verlag, als er 1993 die Werke von Günter Grass übernahm, der damals Luchterhand unter Protest verlassen hatte.
Kaum jemand weiß, dass der Verlag 1973 und 1974 auch Spiele veröffentlicht hat. Die fünf Titel EL CID, LHASA, NAVAJO, SHINGA und SULAHAI waren alle edel mit Naturmaterialien wie Halbedelsteine und Muscheln ausgestattet, meist mit einem Skai-Plan, den Wittig dann übernahm. Das Material war in einer Art Klappbuchschuber untergebracht, sodass die Spiele direkt in Konkurrenz zur Casino-Serie von Ravensburger oder der E-Serie von F.X. Schmid traten.
Verantwortlich für die Umsetzung der Ideen, die durchweg internationale Klassiker waren, war Bert Schlender beim Steidl-Verlag, der übernahm 1974 die Rechte an allen Spielen und führte die Reihe in seinem Verlag Bert Schlender noch zwei Jahre fort. Schließlich übernahm der Verlag Hornauer alle Spiele. 1978 wurde die Produktion beendet. Vor allem in der Schlender-Phase kam es zu ersten Veröffentlichungen von Reinhold Wittig, so erschien sein WABANTI und WIKINGERSCHGACH bei Bert Schlender.
NAVAJO
NAVAJO ist ein Spiel der Zuni-Indianer von New Mexico. Das Spiel ist eine Modifikation von ALQUERQUE, das von den Spaniern in die Neue Welt gebracht wurde. Es ist auch unter dem Titel AWITHLAKNANNAI bekannt oder in Deutschland als SCHLANGENSPIEL.
Der lang gezogene Spielplan besteht aus drei Reihen mit Schnittpunkten und Verbindungslinien. Auf die Außenreihen und in die mittlere kommen am Anfang die Spielsteine, 23 weiße und schwarze Bachkieselsteine, nur ein Feld in der Mitte bleibt frei. Der Zug in die Mitte lässt das Überspringen von Steinen zu und darum geht es letztlich, die Spielsteine des Gegners zu schlagen. Es darf stets nur von einem Kreuzungspunkt zum nächsten gezogen werden, es sei denn, man hat eine Sprungmöglichkeit. Auch Kettensprünge sind erlaubt, aber nicht Pflicht.
Gespielt wird auf mehrere Gewinnpartien, die mit einer Zählkette bilanziert werden. Der Sieger bringt eine Perle auf die Gewinnerseite, während der Verlierer eine auf die Verlustseite schiebt.
Steidl Spiels bot das Spiel mit tollen Materialien an. NAVAJO ist ein kulturhistorisches Dokument aus Mittelamerika. Ein Spiel, das in vielfachen Varianten auf den deutschen Markt kam. Haba hat es als KÄMPFENDE SCHLANGEN und Grubbe Media als CULEBRA herausgebracht.
Titel: NAVAJO
Verlag: Steidl Spiele
Autor:
Spielerzahl: 2
Alter: o.A.
Spieldauer: ca. 20 - 45 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 36 – S36/2021
Samstag, 4. September 2021
LOST CITIES ROLL&WRITE
Punktejagd im Dschungel: LOST CITIES ROLL&WRITE
Das Vorankommen auf Expeditionen mit steigenden Zahlenwerten pflegt Reiner Knizia mit LOST CITIES schon über 22 Jahre, ein Derivat hat ihn mit KELTIS 2008 sein erstes Spiel des Jahres eingebracht. Es war nur eine Frage der Zeit, dass neben den vielen Ablegern nun auch eine Roll&Write-Variante vorliegt, deren Wiedererkennungswert hoch ist.
Sechs farblich unterschiedliche Expeditionen dürfen in Angriff genommen werden, zusätzlich punktet man mit eingesammelten Artefakten und Punkten für Würfelverzicht. Entsprechend wird mit drei Farbwürfeln und drei Zahlenwürfeln agiert. Die zehnseitigen Zahlenwürfel reichen von den Werten 0-9, die Farbwürfel lassen über Symbole eine leichte Erkennung der sechs Farben zu.
Wer an der Reihe ist, sucht sich aus seinem Wurfergebnis einen Zahlen- und Farbwürfel aus. Besonders ertragreich ist es, eine Expedition mit einer 0 zu starten, die verdoppelt nämlich den Expeditionswert. Sonst gilt das übliche LOST CITIES-Procedere, steigende Zahlenreihen müssen eingehalten werden, zwischendurch gilt es, Artefakte einzusammeln, um auch auf der Randspalte voranzukommen, und Beschleunigungsfelder zu nutzen, die sofort einen Schritt auf einer beliebigen Expedition einbringen. Bei einem Fehlwurf oder wenn ich nichts eintragen will, weil mir die Zahlensprünge zu hoch sind, kann ich in der entsprechenden Spalte sogar noch Punkte kassieren. Generell gilt aber, dass die Eintragungen erst ab dem fünften Feld positiv in die Bilanz eingehen, vorher bringen sie Minuspunkte. Interaktiv ist dabei das Wettrennen um die 20-Punkte-Hürde zwischen dem siebten und achten Feld. Wer die jeweils zuerst überwindet, erhält den Bonus.
Sind diese Boni alle weg, endet meistens das Spiel. In seltenen Fällen auch dann, wenn alle Akteure neun Fehlwürfe zu verzeichnen haben. Dann ist die positive Bilanz in dieser Spalte perdu und man hat 70 zuvor erworbene Punkte verloren.
Der Ablauf ist bekannt, nicht nur von LOST CITIES, sondern auch von Roll&Write-Spielen wie der CLEVER-Reihe Wolfgang Warschs. Der aktive Spieler hat die volle Auswahl aus allen Würfeln, die inaktiven dürfen sich vom Rest beliebig bedienen. Der Wettlauf um die Boni bringt etwas zusätzlich Spannung, sonst sollte man sehen, dass man sich nicht zu sehr bei der Auswahl einschränkt und ruhig auf alle sechs Farbexpeditionen spielt, möglich mit zwei oder drei Spalten, die mit der 0 starten. LOST CITIES ROLL&WRITE ist ein solider Ableger dieser Knizia-Familie, bei dem ich gerne nächste Woche wieder meine Expeditionen starte.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: LOST CITIES ROLL&WRITE
Autoren: Reiner Knizia
Grafik: Sensit Communication
Verlag: Kosmos
Spielerzahl: 2 - 5
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 59/2021
Freitag, 3. September 2021
DINOSAURIER – RIVALEN DER URZEIT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Die Dinos sind los!
Vor gut einem Jahr gab es nur zwei nennenswerte Saurierspiele auf dem Brettspielmarkt. Das schon 1987 entstandene IRIDIUM von Reinhold Wittig und das bei Haba erschienene hübsche Kinderspiel PRONTO BRONTO.
Die vielen Saurierausstellungen, der "Jurassic-Park"-Rummel haben inzwischen dafür gesorgt, dass kein Spieleverlag das Thema mehr auslässt. Auch sonst holen uns an allen Ecken und Enden die Saurier wieder ein. Kennen Sie noch einen Laden, in dem Sie nicht irgendwo von einem Saurierprodukt angemacht werden?
Falls Sie der Sauriermanie verfallen sind, eine Spielempfehlung:
Sogar der Branchenführer aus Ravensburg, der sich sonst spielerisch nie nach dem Zeitgeist streckte, eher durch qualitätsvolle Spielprodukte selbst Akzente setzte, beugt sich 1993 dem Ansturm der Saurier. Natürlich gibt es ein DINOSAURIER MEMORY und viele Saurier-Puzzle.
Rechtzeitig vor dem Weihnachtsgeschäft ist auch ein dreidimensionales Brettspiel erschienen, das im Vergleich mit den anderen Dino-Neuheiten gar nicht so schlecht abschneidet. 2 bis 4 Spieler lässt das Ravensburger DINOSAURIER zu. Um Saurier auf Nahrungssuche geht es, die sich gegenseitig die besten Happen abjagen. Von Zeit zu Zeit stört vulkanisches Gestein den Nahrungserwerb, Wirbelwinde bringen alles durcheinander.
Ein spielbares Brettspiel, kein ganz großer Wurf allerdings, dessen schöne Spielelandschaft aber zum freien Spiel animiert.
Titel:
Autor: Bertram Kaes
Grafik: Werner Ring
Verlag: Ravensburger
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 39.- DM
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 28 / 1993 R151 /2021
Zum Autor:
Bertram Kaes ist so etwas wie der Hausautor des Ravensburger Spieleverlags. Ursprünglich hat er eine kaufmännische Ausbildung im Verlag absolviert, dann aber erfolgreich Spiele wie DAS NILPFERD IN DER ACHTERBAHN entwickelt. 1989 hat er sich mit der Firma Funtasy Factory selbstständig gemacht und rund 50 Spiele veröffentlicht, häufig auch Werbespiele für Mercedes, BMW und Ikea und eben das COLLECTOR für die Post.
Bekannt sind vor allem noch NOBODY IS PERFECT und die MAULWURF COMPANY, die 1995 immerhin auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres landete.
Dienstag, 31. August 2021
ZIRKUSFIEBER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
ZIRKUSFIEBER
Manchmal hat man den Eindruck gewinnen, dass unsere Pädagogen nicht ausgelastet sind. Zumindest scheinen sie viel Zeit für Spielentwicklungen und Verlagsgründungen zu haben. Da bearbeitet der eine Luftikus den skakespearschen Sommernachtstraum und nun kommt schon die nächste Nummer eines gewissen Herrn Adams im Zirkuszelt. Wer dann noch weiß, dass der Rezensent sein Geld ebenfalls mit Schülern verdient, wird sich fragen: „Unterrichten die drei denn auch noch?“
Ja, Jürgen Adams unterrichtet wie Georg Luft in Bayern. Oberstudienrat Adams ist am Münchner Asam-Gymnasium für Sport und Chemie zuständig und, man höre und staune, seit zehn Jahren Zirkusdirektor des schuleignen Asamesischen Zirkus (www.asamesischer-zirkus.de). Mit über 80 Zirkusmitgliedern scheint Adams für ganz schön viel Bewegung an seiner Münchner Schule zu sorgen. Weit über 50 Auftritte hat seine Truppe inzwischen schon absolviert. Erfolgreich hat sie im Mai dieses Jahres das Zehnjährige in einem Viermastzelt zelebriert. ZIRKUSFIEBER hieß das Programm und genauso nennt Adams sein Spiel für zwei bis vier Spieler ab sieben Jahren.
Die Vorgeschichte macht deutlich, dass wir es hier mit einem Pädagogen zu tun haben, der von der thematischen Materie, die er spielerisch aufarbeiten möchte, eine Menge versteht. Das, was Adams als Spielziel vorgibt, spiegelt fast die Erfolgsgeschichte seines Asamesischen Zirkus wider. Aus einem kleinen Betrieb soll ein erfolgreicher Tournee-Zirkus werden, der zu einem Auftritt im Circus Krone kommt. Auf Marktplätzen, Parks, auf kleinen Bühnen, manchmal aber auch im Zirkuszelt können die Spieler mit ihren Darbietungen Punkte für den Spielsieg sammeln.
ZIRKUSFIEBER ist ein Laufspiel auf einem mäandernden Spielplan, die Spielfelder geben dabei die Auftrittsorte und Ereignisfelder vor. Über Bewegungskarten steuern die Spieler ihre Zielfelder an, dort agieren sie aber würfelabhängig. Der Würfelwurf mit einem Spezialwürfel gibt vor, welcher Artist seinen Auftritt hat. Entsprechend werden Auftrittspunkte auf einer Zählleiste für den Jongleur, Clown, Zauberer, Akrobaten und Dompteur gesammelt. Zusätzlich werden ein schwarzer Würfel mit einer 50-prozentigen Sechserchance und ein weißer Würfel (1 bis 4) geworfen. Die Kombination aus Auftrittsort und Artist legt fest, welcher der beiden Würfel gewertet wird. So sammeln die Spieler je nach Artist mit der Zeit acht bis zwölf Punkte, darüber hinaus müssen sie dann Musiker erspielen, von denen sie fünf benötigen, um mit voller Zählleiste und dem entsprechenden Zirkusorchester ausgestattet exakt in den Zielzirkus einzumarschieren. Durch die Bewegungskarten scheint ZIRKUSFIEBER nicht allzu glücksabhängig zu sein. Die Spieler sind aber letztlich ziemlich abhängig vom Artistenwürfel, dessen Jokerfeld manchmal die nötige Rettung bedeutet. Auch die Ereigniskarten beeinflussen teilweise extrem den Spielverlauf. Wer das Pech hat, dass sich am Anfang des Spiels ein Artist verletzt, kann eigentlich gleich aufgeben. Für ihn zählt nämlich bis zum Spielende nur noch der weiße Würfel.
Jürgen Adams hat ein recht einfaches Laufspiel erfunden, das in Ansätzen taktische Überlegungen zulässt. Mit einer Spieldauer von einer halben Stunde ist es schnell vorüber. Das Zirkusthema ist zwar mit im Spiel, spielt aber eigentlich kaum eine Rolle. Der Spielmechanismus lässt sich auf alle möglichen Formen von Sammelaktivitäten übertragen, die mit einem glücksabhängigen Laufspiel verbunden werden können. Das Spielmaterial ist in Ordnung, führt wie die Grafik allerdings nicht zu Beifallsstürmen. Die Spielregel ist unter Einbeziehung der Regelergänzungen solide. Ich muss wahrscheinlich kein Wahrsager sein, um zu prognostizieren, dass Jürgen Adams als Zirkusdirektor erfolgreicher agiert als als Spieleautor. Mit ZIRKUSFIEBER bereichert er nicht unbedingt die Spielelandschaft, er tut aber auch keinem damit weh und hat sicherlich die Möglichkeit bei den vielen Auftritten des asamesischen Zirkus alle produzierten Spiele abzusetzen.
Titel: ZIRKUSFIEBER
Autor: Jürgen Adams
Verlag: Smada Verlag (www.smada-verlag.de)
Spieler: 2 - 4
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 20 bis 45 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 31/2006 R148/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
So richtig bekannt wurde der 74jährige Sport- und Chemielehrer erst nach seiner Pensionierung. 2019 landete er mit dem Kinderspiel GO GECKO GO! (Zoch) auf der Nominierungsliste der Kinderjury. Auch seine zweite Veröffentlichung bei Zoch AB DURCH DIE MAUER fand viel Beachtung.
Auf dem Bild ist Adams 2019 während der Preisverleihung in Hamburg zu sehen.
Montag, 30. August 2021
ZEPARATE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Genial verpackt: ZEPARATE
Goldsieber wagt sich in diesem Jahr mit ZEPARATE und SIN & TRAP wieder einmal an abstrakte Spiele, ein Genre, das es seit Jahren nicht leicht hat. Anderseits gibt es einen begrenzten Fankreis, Kris Burm lebt davon, und immer mal wieder große Erfolge wie zuletzt BLOKUS.
An die ganz großen Erfolge wird Goldsieber nicht anknüpfen können, immerhin zeichnet sich zumindest eines der beiden neuen Spiele nicht nur durch Spielbarkeit (was für SPIN & TRAP wegen technischer Probleme nicht gilt), sondern auch durch Spielwitz aus.
ZEPARATE von Guido Lap ist ein kleines taktisches Schmankerl, das sich sehr gut zu zweit, aber auch mit drei oder vier Spielern spielen lässt. Gespielt wird auf einem 7x7 Felder großen Plastikfeld, in dessen Führungsrillen 16 quadratische Spielsteine verschoben werden können. Jeder Spieler besitzt einen farbigen Vierersatz dieser Steine, beim Spiel zu zweit führt jeder zwei Farben. Diese Steine werden anfangs reihum auf dem Spielfeld platziert, sie müssen dabei stets orthogonal aneinanderstoßen. Das Spielziel von ZEPARATE ist, die eigenen Steine aus dieser entstandenen Gruppe zu separieren oder zu befreien. Das gelingt durch senkrechtes oder waagrechtes Verschieben von Steinreihen. Einzelsteine dürfen nie verschoben werden. Sobald ein Stein oder auch eine Steingruppe nur noch eine diagonale Verbindung zu der Hauptgruppe hat, gelten dieser Stein oder diese Gruppe als isoliert und dürfen damit aus dem Spiel genommen werden. Solange Steine isoliert werden können, sind Mehrfachzüge erlaubt, sonst wechselt die Spielreihenfolge nach jedem Spielzug. Wer es auf diese Weise schafft, als erster seine vier Steine vom Spielbrett zu bekommen, gewinnt eine Runde ZEPARATE, was meist schon nach zehn bis fünfzehn Minuten der Fall ist, so dass genügend Zeit für Revancherunden bleibt. Beim Spiel zu zweit reicht im Übrigen schon die Isolierung der vier Steine einer der beiden Spielfarben, die die Spieler führen, zum Spielsieg.
ZEPARATE ist schon spannend in der Aufbauphase. Vorlagen für spätere Isolierungen gilt es zu schaffen und zu verhindern. Die 16 Spielsteine lassen auf den 49 Spielfeldern genügend Raum für Schiebebewegungen. Beim Spiel zu dritt ist es fast zu viel Raum, so dass meist ein schnelles Ende eintritt. Das Spielmaterial funktioniert gut. Sehr praktisch ist auch die Unterbringung der Spielsteine im Boden des Spielbretts geregelt. Konsequenter Weise hätte dann allerdings auch die Schachtel viel schmaler ausfallen können, sie enthält doch arg viel Luft. Ein ordentliches Spiel für – wie heißt es doch immer so schön – Zwischendurch, zum Aufwärmen, nach einem Espresso oder einem Glas Wein, mit drei Partien in einer guten halben Stunde.
ZEPARATE
Verlag: Goldsieber
Autor: Guido Lap
Grafik: o.A.
Alter: ab 7 Jahren (die Regel enthält widersprüchliche Angaben u.a. ab 5 Jahren)
Anzahl Spieler: 2-4
Spieldauer: ca. 10-15 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 30/2006 R147/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Guido Lap hat in Deutschland nur ZEPARATE (ursprünglich ISOLATE, 2003 Educational Insights) und LANDLORD (Noris 2007) veröffentlicht.
Für ZEPARATE war Lap für den Deutschen Lernspielpreis 2006 nominiert.
DER ZAUBERBERG
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DER ZAUBERBERG
Jenseits von Haba, Ravensburger und Kosmos gibt es nur einige Spielideen mit Lerneffekten von eher unbekannten Verlagen. Nicht nur deutsche Verlage wollen am wachsenden Lernspielmarkt Geld verdienen, auch osteuropäische buhlen um Käufer.
Ein beachtliches Programm bietet der litauische Verlag Savas Takas, der seit 1999 Spiele unter dem Label LOGIS entwickelt. Das litauische Pädagogenteam, das hinter den Spielideen steht, versteht es geschickt, thematische Einbindungen für mathematische, sprachliche, naturkundliche, historische Lernprozesse zu finden.
Hinter dem Spieltitel DER ZAUBERBERG verbirgt sich zum Beispiel ein kleines Rechenspiel, zu dem eine märchenhafte Geschichte in die Grundrechenarten einführt. Das Spiel ist ein einfaches Laufspiel, bei dem die Rechenarten zum Vorankommen benutzt werden.
Die Umsetzung ist gut gelungen, grafisch zurückhaltend, aber kindgerecht. Das Material ist eher einfach gehalten, dafür liegt der Preis mit 9 Euro sehr günstig.
Titel: DER ZAUBERBERG
Verlag: Savas Takas www.logis.lt
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 7 Jahren (nicht 3 wie vom Verlag angegeben)
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 9 €
Spiel 01/2008 R146/2021
Die Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Sonntag, 29. August 2021
BABYLON
SAMMELSURIUM
Bütehorn Buchkassetten: BABYLON
Die Buchkassetten, die Ravensburger und Pelikan bis Mitte der 70er Jahre herausbrachten, waren wirtschaftlich nur bedingt Erfolge für die Verlage. Als beide Firmen ihre Reihen einstellten und die hannoverschen Pelikane dann bald auch ihre Spielproduktion, füllte die Lücke eine neue Firma aus dem Umfeld von Hannover. Die Bütehorn KG brachte ab 1976 wertige Buchschuber-Spiele unter dem Dach des Buchholz Verlags in Sarstedt bei Hannover heraus, hielt sich allerdings auch nur bis 1982 auf dem Markt.
Markenzeichen der Buchkassetten aus Sarstedt waren Klappdeckel und Druckknopf-Verschluss an einem Leinenanhänger. Heute ist das zwar eine Schwachstelle vieler in die Jahre gekommenen Spiele, damals war das aber eine originelle Idee. Die Reihe der mittleren Buchkassetten in den 80ern verzichtete dann schon auf diesen Verschluss und nutzte einen normalen Pappdeckel. Von diesen Ausgaben wurden mit der Insolvenz des Verlags einige von Hexagames übernommen. Der Verlag aus Dreieich nutzte die Spiele, um ein gutes Startprogramm neben dem Wirtschaftsspiel LONG SHORT zu haben.
Das Bütehorn-Programm war geprägt von großen, mittleren und kleinen Buchkassetten-Spielen. Daneben gab es einige Spiele in flachen Schachteln u.a. die damals sehr bekannten Ferienrallys. Prägend für die Programmgestaltung war Erik Grischeit als Produktmanager, er hatte vorher für Parker gearbeitet. Grischeit, der mit dem Schweizer Journalisten Walter Luc Haas befreundet war, holte bekanntere Autoren ins Programm. So kam er an DAMPFROSS, das in der Ausgabe von Schmidt Spiele 1984 Spiel des Jahres wurde. Auf der ersten Liste der Jury Spiel des Jahres 1979 waren gleich zwei Titel des Verlages vertreten. SETI bekam den ersten Sonderpreis für das schöne Spiel. Die Jury wollte damit zugleich auch den Buchholz-Verlag für sein Bemühen um besonders schön und aufwändig gestaltete Spiele würdigen. Neben SETI landete BLOCKADE von Sid Sackson auf der Auswahlliste. RÄUBER UND GENDARM von Rudi Hoffmann kam 1981 auf dem Bronzeplatz in diesem Jahr, hinter SAGALAND und FOCUS. 1982 schaffte es dann GEISTER von Alex Randolph auf die Liste der Jury.
BABYLON
Der inzwischen 72jährige Walter Wolf Windisch arbeitete Anfang der 70er Jahre als Art Director in einer Schweizer Werbeagentur. 1973 machte er sich als Erfinder von Kinder- und Erwachsenenspielen sowie als Autor von Kinder- und Sachbüchern selbständig. Vor allem Anfang der 80er Jahre hat er viele Spiele entwickelt, darunter BABYLON für Bütehorn, das 1984 von Fagus übernommen wurde. Der Verlag hat auch die wundervollen Märchenspiele HÄNSEL UND GRETEL und DIE SIEBEN GEISSLEIN von ihm herausgebracht.
BABYLON erschien 1982. Es ist ein abstraktes Turmbewegungsduell auf einem Spielplan mit 5x5 Feldern. Jeder Spieler besitzt 12 Spielsteine in drei Größen. Spielziel ist es, die Steine so in Türmen unterzubringen, dass sie eine diagonale Linie von der unteren Ebene bis in die Turmspitze ergeben. Dazu dürfen die Steine und Türme eingesetzt werden, es darf gesprungen und gezogen werden.
Wer am Zug ist, setzt entweder eine neue Spielfigur auf ein leeres Feld oder auf einen Stein, der eine Stufe größer als der gesetzte ist. Die Zughoheit über einen Turm besitzt nur der Spieler der on top ist. Schließlich kann á la HALMA gesprungen werden, springt man auf andere Spielsteine sind auch dabei die Steinhöhen zu beachten.
Wer es schafft, die Gewinnstellung der diagonalen Steineanordnung in waagrecht oder senkrecht benachbarten Türmen hinzubekommen, gewinnt das Spiel.
Es macht Sinn, nicht sofort alle Steine ins Spiel zu bekommen, sondern erst einmal auf Machthoheiten in den Türmen zu spielen, um strategisch günstige Ausgangskonstellationen zu erreichen.
BABYLON ist ein recht zähes Ringen um die Gewinnstellung, das sich hinziehen kann. Die Grundidee Windischs ist aber durchaus spannend, die babylonische Verwirrung spiegelt sich in der Varianz der Türme wieder.
BABYLON ist in der kleinen Bütehorn-Schachtel erschienen, in einer Klapppackung ohne Druckknopf-Verschluss. Irritierend ist, dass in der Spielregel ein 6x6 Feld gezeigt wird und dass der eigentliche Spielplan neben den 5x5 Ringefeldern theoretisch auch ein Spiel im 4x4 Raster zuließe. Die Schachtelrückseite zeigt aber, dass es anders gemeint ist.
Titel: BABYLON
Verlag: Bütehorn
Autor: Walter Wolf Windisch
Spielerzahl: 2
Alter: o.A.
Spieldauer: ca. 20 - 45 Minuten
Preis: ca. 40.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 35 – S35/2021
Samstag, 28. August 2021
MY GOLD MINE
Dragobert droht: MY GOLD MINE
„Open and play“ scheint das neue Motto für das Schachteldesign der kleinen Verpackungen bei Kosmos zu werden. Mit Klapp- und Magnetverschluss kommt man leicht an das Spielmaterial heran. Das kann so bleiben! Was sich hier entfaltet ist mit MY GOLD MINE eine Schatzsuche für Familien, hinter der der Mogel Verlag steht. Am 4. Februar verkündete Mogel auf Facebook: „Moin, wir freuen uns auf unser erstes Projekt als Studio in Zusammenarbeit mit Kosmos.“ Wer die Loths, die zuletzt mit BELRATTI überzeugten, in weiterer Kooperation mit dem belgischen Verlag Repos Production vermutete, die das Erfolgsspiel um den Kunstfälscher übernahmen, hat sich getäuscht. Kosmos selbst spricht nicht von „Studio“, sondern von „Zusammenarbeit mit Mogel“.
Neben Michael Loth gehen Dr. Hans Joachim Höh (FEED THE KRAKEN, GÖTTERDÄMMERUNG) und Christof Schilling (GÖTTERDÄMMERUNG) mit auf die Entwicklung der Schatzsuche. Kosmos führt MY GOLD MINE unter den Kinderspielen, ich sehe es eher als unterhaltsames Familienspiel für Menschen ab sieben Jahre.
Zwei bis sechs goldgierige Zwerge wagen sich in die Höhle mit dem Drachenschatz von Dragobert Drache. In drei Runden gehen sie auf Goldsuche. Neun Minenkarten liegen als Laufstrecke aus, Holzchips mit dem Konterfei der Zwerge starten mittig, links leuchtet das Licht des Ausgangs von der ganz rechten Seite droht der feuerspeiende Dragobert. Die Zwerge treten an, um sechs beachtlich große Nuggets zu verteilen. Dabei bedienen sie sich von einem offenen Schürfstapel oder einem verdeckten Kartenstapel mit Exit-Karten.
Wer am Zug ist, nimmt eine Schürfkarte, um Nuggets zu sammeln oder eine Exit-Karte, um sich in Richtung Ausgang zu bewegen. Schon bei den Schürfkarten spielt man mit dem Risiko, läuft aber offen in sein Verderben. Sind nämlich zwei Nuggets zu sehen, bekommt man zwar die Karte, bewegt sich aber zusätzlich ein Feld in Richtung des Drachens und der ist anfangs nur vier Felder weit weg. Ist danach auf dem Stapel ein Drache zu sehen, kommt er feuerspeiend näher und ist nur noch zwei Schritte entfernt. Alles Weitere wird wahrlich ein Spiel mit dem Feuer. Wer von Dragobert erwischt wird, ist aus dem Spiel und erhält in dieser Runde keine Nuggets.
Manche Goldkarten bringen immerhin zusätzlich neben dem Gold einen Schritt in Richtung Ausgang, sonst kann man nur auf die verdeckten Exit-Karten setzen, die ein oder zwei rettende Schritte bedeuten, manchmal sogar die ganze Zwergentruppe voranbringen oder einen Platztausch erfordern, der weniger erfreulich für den Zwerg ist, der schon ganz nah am Ausgang ist. Wer es bis zum Ausgang schafft, ist vor dem Drachen sicher. Wer auf seinen gesammelten Karten die meisten Goldklumpen vorweisen kann, erhält drei Nuggets. Bis zum dritten Platz werden die Nuggets verteilt. Dann geht es in die identisch ablaufende zweite Runde. In der Finalrunde wird alles vorher gesammelte Gold zum Ergebnis der dritten Runde addiert, der Spieler mit dem meisten Gold gewinnt.
Auch wenn die zentralen Schürfkarten offenliegen, wirkt sich der Push-Your-Luck-Effekt gerade in diesem Kartenstapel massiv aus. Vor allem bei den zwei Goldstücken geht man meist das Risiko ein und kann ruckzuck dann vom Drachen erwischt werden. Den Spaß haben dann die anderen, die schadenfroh lachen. MY GOLD MINE ist eine unterhaltsame Schatzsuche mit etwas Spiel mit dem Risiko und dem Feuer, wenn Drache Dragobert näher rückt. Grundschulkindern gefällt es! Ein unterhaltsames Familienspiel im unteren Anforderungssegment.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: MY GOLD MINE
Autoren: Dr. Hans Joachim Höh, Michael Loth, Christof Schilling
Grafik: atelier 198
Verlag: Kosmos
Spielerzahl: 2 - 6
Alter: ab 7 Jahre
Spieldauer: ca. 25 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 58/2021
Freitag, 27. August 2021
WIR SIND SCHWANGER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wir sind …
Ein neuer Plural majestatis findet Eingang in die sich ständig verändernde deutsche Sprache. Die Bildzeitung hat mit „Wir sind Papst“ damit begonnen, inzwischen gilt für unser merkelwürdiges Land „Wir sind Deutschland“, demnächst wird es heißen „Wir sind Weltmeister“ - oder auch nicht. In diesem Sinne wollen Amigo und Uwe Rosenberg uns seit Herbst 2005 unterjubeln, wir seien schwanger. Also auch Du (seit gestern wieder groß zu schreiben), ja Du, natürlich auch der Rezensent: WIR SIND SCHWANGER!
Eigentlich gibt es ja nur ein Problem bei der Schwangerschaft, natürlich nicht der Zeugungsakt, auch nicht die Geburt, die Einigung über den Namen des Heranwachsenden hat Familien schon Kriegsbeile auspacken lassen. Zur Streitschlichtung bietet Rosenbergs Spiel einen Fundus von 2600 Vornamen an. Ein bis dreimal, abhängig von der Spielerzahl, trifft jeden der Spielrunde die Schwangerschaft. Der Schwangere, die weibliche Form lassen wir, wie in Spielbeschreibungen üblich, außen vor, zieht zwei Namenskarten und legt eine vor sich ab. Auf der Karte sieht er die Vornamen von 10 Mädchen und 10 Jungen. Immerhin darf er nun entscheiden, ob der Ultraschall das Zipfelchen gezeigt hat oder nicht, dann legt aber die zweite Karte durch eine Pfeilrasterung exakt den Vornamen fest. Skylla und Charybdis! Da liegen die W’s vor mir und ich darf mich gerade einmal zwischen Wastel und Wella entscheiden. Der eigene Nachname muss jetzt auch noch herhalten, also biete ich der lauernden Meute den Wastel oder die Wella Herold an?
Das ist das Vorspiel, das sich sehr zügig abspielt. Der Höhepunkt von WIR SIND SCHWANGER ist die nun folgende Bewertung und dieser Teil kann sich hinziehen. Jeder Spieler besitzt dazu einen Kartensatz mit 20 bewertenden Kommentaren, die durchaus aus dem Leben gegriffen sind.
„So würde ich vielleicht mein Haustier nennen, aber bestimmt nicht mein Kind.“
„Als Elternteil würde ich mich schämen, auf dem Schulhof den Vornamen dieses Kindes rufen zu müssen.“
„Erst bekommt das Kind diesen Nachnamen und nun auch noch diesen Vornamen. So ein Pech!“
Es überwiegen die negativen Kommentare, was bei der Zwangszuordnung auch ganz sinnvoll erscheint. Alle Spieler suchen nach der Festlegung des Namens fünf Kommentarkarten aus, die zu der Namenskombination passen. Da ich mich für Wella entschieden habe, liege ich wahrscheinlich mit, „so könnte auch eine Damenbinde heißen“, nicht schlecht. Dann kommen noch die Pseudonymkarte, die lobende und einprägsame und die „Echt Cool“-Karte dazu. Schließlich geht es darum Übereinstimmungen mit anderen zu finden, aber leider nicht mit allen. Wenn ich also startend mit meiner „Damenbinde“ beginne und mindestens ein Mitspieler auf die gleiche Idee gekommen ist, erhalten wir beide zur Belohnung eine Namenskarte. Haben alle diese Assoziation gehabt, kostet mich das eine Karte aus meinem Startvorrat, das gleiche gilt, wenn niemand die Idee mit dem Haarspray hatte. So geht es reihum, bis ein Spieler keine Bewertungskarte mehr besitzt. Nach einer guten halben Stunde steht der Sieger von WIR SIND SCHWANGER fest.
Die Erregungskurve bei diesem Amigo-Spiel ist männlich, einer hohen Anfangseuphorie folgt ein jäher Absturz und das meistens schon während der ersten Spielrunde. Die Idee ist witzig, aber spielerisch nicht überzeugend. Die Alternativen bei den Bewertungskarten sind zu beschränkt, daher hat man schnell heraus, in welchem Kartenspektrum sich die Antworten bewegen können. Problematisch ist eigentlich nur die Verhinderung der vollen Trefferquote. Das kann es doch dann aber wirklich nicht sein. Das Spiel wird zwar seinen Geschenke-Weg gehen, idealer und launiger kann man doch gar nicht daherkommen, wenn die Linie blau war. Lohnend ist sicherlich das in Karten umgesetzte Namenslexikon, aber das war es dann auch, spielerisch lockt man so keine Babys hervor.
Titel: WIR SIND SCHWANGER
Autor: Uwe Rosenberg
Grafik: Barbara Spelger
Verlag: Amigo
Spieler:3 - 7 Spieler
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 29/2006 R145/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seinen ersten Erfolg fuhr Rosenberg als junger Autor mit dem zweiten Platz für MILLENIUM 1991 im Hippodice Wettbewerb ein. Das Spiel erschien unter der Ägide von Peter Gehrmann 1992 als TIMES bei Salagames. Dort veröffentlichte der Redaktionsleiter außerdem noch die Idee MARLOWE von Uwe Rosenberg. Danach ergab sich die ertragreiche Kooperation mit Amigo.
BOHNANZA (1997) war dann sein erster ganz großer Erfolg, das Spiel landete nicht nur auf der Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres. Es gewann den À la Carte-Preis der Fairplay 1997 und erreichte den fünften Platz beim Deutschen Spielepreis.
Der auch internationale Siegeszug setzte sich aber erst danach in Gang. Seit 23 Jahren schon liefert Amigo Gartenbohnen, Saubohnen und auch die ein oder andere Blaue Bohne in unendlich vielen gelben Schachteln aus. Keiner hat mehr so den rechten Überblick, was da alles in rosenbergscher Gartenerde inzwischen herangezüchtet wurde. Das klassische Saatgut wurde vielfach gemendelt und gegendert, musste sich gegen die Bohnenmafia wehren, trat Seereisen an, gelangte in den Wilden Westen und kämpfte sich in BOHNRÖSCHEN durch Rankenwerke.
Nach seinem Studium der Statistik gründete Uwe Rosenberg 2000 zusammen mit Hanno Girke und Marcel-André Casasola Merke den Lookout Spieleverlag. Er behielt aber im Gegensatz zu Klaus Teuber, der sich an Kosmos band, seine Unabhängigkeit und veröffentlichte weiter Spiele bei vielen Verlagen, so das Zweipersonenspiel BABEL 2001 bei Kosmos oder 2004 YELLOWSTONE PARK bei Amigo. SCHÄTZBOLD erschien 2004 bei Lookout.
Die großen Erfolge mit komplexen Aufbauspielen wie in AGRICOLA gönnte er aber Lookout Games.
Auch in der Folgezeit unterstützte er Neugründungen von Verlagen, so Feuerland und die Edition Spielwiese. Ganz aktuell hat er auch die Wyrmgold GmbH mit angeschoben und dem jungen Verlag ROBIN VON LOCKSLEY spendiert.
WIR SIND SCHWANGER kam 2006 bei uns nicht so gut an, immerhin erreichte das Spiel den 7. Platz beim à la carte.
Auf dem Bild ist der 29jährige Uwe Rosenberg 1999 in Essen mit seinem damaligen Gesamtprogramm zu sehen.
Mittwoch, 25. August 2021
AUSGEBÜXT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Neue sechsteilige Lernspielreihe bei HABA
Gleich mit sechs neuen Spielen eröffnet die für hervorragendes Spielmaterial bekannte Firma HABA eine neue Lernspiel-Reihe. Für Kinder ab vier Jahren haben die HABA-Spielredaktion und einige renommierte Spieleautoren durchweg gute Spiele herausgebracht, die sich für den Einsatz im Familienkreis, aber auch im Kindergarten und in der Vorschule bestens eignen.
Besonders gefällt mir das Spiel AUSGEBÜXT von Manfred Ludwig. Ein Tast- und Memospiel mit 24 Holztieren. Zu Beginn des Spiels reißen die Tiere aus einem Zoo aus, d.h., sie werden von den Kindern in drei verschiedenfarbigen Säckchen versteckt.
In der zweiten Spielphase müssen die Kinder die Tiere wieder zurück in ihre Zoohäuser bringen. Etwas Gedächtnisleistung – in welchem Sack steckt denn mein roter Elefant? -, aber auch Tastvermögen – nehme ich nicht versehentlich das Nashorn heraus? – sorgen für Spielfreude bei den Kleinen. Bei einer Spieldauer von rund 15 Minuten kommt keine Langeweile auf.
Haba nutzt wunderschönes Material und witzige Zeichnungen der Grafikerin Doros Matthäus für ein unterhaltsames Kinderspiel.
Titel: AUSGEBÜXT
Autor: Manfred Ludwig
Grafik: Harald Klavinius
Verlag: Haba
Spielerzahl: 2 – 4
Alter: ab 4 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 29.- DM
Die Rezension erschien 1996
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 28/ 1996 R 149 /2021
Zum Spiel und zum Autor:
Manfred Ludwig, einst Lehrer für Französisch und Sport an einem Gymnasium in Regensburg, gehört zu den erfolgreichsten und produktivsten Autoren Deutschlands. Die erste Spieleveröffentlichung des 84jährigen Autors liegt schon 40 Jahre zurück. Damals kam GEFÄHRLICHGE BRÜCKEN beim Verlag Spear heraus. Für diesen Verlag gewann er 1983 mit FUZZI, HEINZ UND SCHLENDRIAN auch seine erste Auszeichnung. Das Spiel landete auf der AWL der Jury. Es folgten über 70 weitere Spiele und viele Preise, darunter mit DIEGO DRACHENZAHN das Kinderspiel des Jahres 2010.
Dienstag, 24. August 2021
UM RU(H)M UND EHRE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
UM RU(H)M UND EHRE
Viel Ruhm hat der kleine Ableger der Ravensburger am Chiemsee bisher eingeheimst. Stefan Brücks Alea-Spiele waren bislang Garant für hochkarätige Angebote, die die Vielspieler-Gemeinde stets in Entzücken versetzte. Das ging fantastisch los mit RA, und ebenso gut weiter mit TADSCH MAHAL den FÜRSTEN VON FLORENZ oder HÄNDLER VON GENUA bis zu den absoluten Höhepunkten PUERTIO RICO und SAN JUAN. Viel Ehre hat das Stefan Brück bisher eingebracht, ständige Top-Platzierungen beim Deutschen Spielepreis, zum Teil auch Nominierungen beim Spiel des Jahres. Nach den Vorgaben sind die Erwartungen bei Neuerscheinungen von Alea stets hoch. 2006 hat Brück mit Augsburg 1530 diese Erwartungen positiv bestätigt, 2006 hat er aber auch die Fangemeinde seiner Spiele arg enttäuscht. Die Piratenhorden, die in Stefan Felds UM RU(H)M UND EHRE durch die Kneipen eines versteckten Seeräubernests in der Karibik taumeln, hätten wohl besser dem Mutterhaus angestanden, als der Alea-Reihe. Fairspielt vermeldet am 23. August dazu eine fast repräsentative Lesermeinung Paul Arnesens: „Das ist der beste Weg, um bisherige Alea Käufer zu verprellen. Die Erwartungen konnten bei Weitem nicht erfüllt werden.“
Woran liegt’s? Der Materialaufwand, der bei diesem Spiel betrieben wird, ist beträchtlich. 181 Spielplättchen, allein 76 Piratenspielfiguren, dazu Goldmünzen, ein Schiffsmast, ein aufwändiger Sortierkasten, ein variabler Spielplan und – keine Selbstverständlichkeit für Alea – ein Würfel. Viel Aufwand für letztlich nicht allzu viele Effekte.
Der variable Spielplan ergibt immer wieder neue Piratennester, an deren verwinkelten Wegekreuzungen Ereignisse warten, die Kärtchengewinn in Form von Schatzkartenteilen, Schatzkisten, Piratenbedarf, Rumfässer und Rangeleien mit Stadtwachen bringen. Die Fortbewegung in dem Straßengewirr ist spieltechnisch interessant, spiellogisch völlig abstrus gelöst. Eine zentrale Figur, der „rote Korsar“, wird von allen Spielern bewegt, die auf den dazwischen liegenden Wegfeldern eigene Piraten zurücklassen müssen. Am Anfang hat jeder Spieler zehn Figuren zur Verfügung, die über anzulaufende Piratenfelder aber auf fünfzehn ergänzt werden können. Diese Piraten dienen nicht nur der Fortbewegung des Korsaren, sie werden auch eingesetzt in einem die jeweilige Runde abschließenden Würfelduell, das über zwei Seiten hinweg auf das Ausführlichste in der Spielregel erläutert wird. Der Aufwand dient dem Gewinn von Kojenplättchen, die bis zu acht Siegpunkte am Ende bringen. Ganze fünfmal wiederholt sich dieses Procedere mit Ereignissen auf dem Spielplan und Würfelorgien auf dem Schiff. Dann sind die Spieler endlich erlöst, nachdem sie sich einen Überblick über die gesammelten Plättchen verschafft haben.
Das war’s? So ziemlich war es das wirklich. Ich könnte jetzt zwar noch etwas über die „dunkle Gasse“ oder das „Rendez-vous“ –Feld erzählen, oder die Details des langwierigen Auswürfelns der Kojen-Plättchen erläutern, aber das lohnt wirklich nicht. Das Ganze wirkt zusammen gestückelt, überfrachtet, so dass man die Frage stellen muss: Für wen soll dieses Spiel Vergnügen bringen?
Von der Zielgruppe her nimmt sich Alea diesmal wohl eher die Familienspieler vor, schreckt diese aber mit einer zwölfseitigen Regel gewaltig ab. Das Handling des plättchenlastigen Spiels wird zwar durch einen guten Sortierkasten erleichtert, führt aber nicht unbedingt zu einem schnellen Spielzugang. Immerhin gelingt die optische Umsetzung atmosphärisch stimmig, das Spielmaterial ist gut. Man muss dem Spiel auch zugutehalten, dass es auf der Anspruchsleiste den Käufern nicht mehr vorgaukelt, als es wirklich liefert: nämlich fast unterstes Alea-Niveau. Im Kontrast dazu steht der große Werbespruch auf der Schachtelrückseite: „alea ist eine Marke des Ravensburger Spieleverlags, unter der Spiele mit besonders hohem strategischen Anspruch veröffentlicht werden. Zahlreiche nationale wie internationale Auszeichnungen belegen ihre außergewöhnliche Qualität.“ Mit weiterem Ruhm, mit weiterer Ehre wird sich Alea mit diesem Spiel nun leider nicht bekleckern.
Titel: UM RU(H)M UND EHRE
Autor: Stefan Feld
Grafik: Claus Stephan
Verlag: alea
Spieler: 2- 5
Alter: ab 9 Jahren
Spieldauer: 60 bis 75 Minuten werden angegeben, mit 90 Minuten muss man meist rechnen
Spiel 27/2006 R143/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 51jährige Stefan Feld ist Spieleerfinder und Schulleiter an einem Gymnasium in Gengenbach. Studiert hat er Physik und Sport.
REVOLTE IN ROM (Queen Games) war seine erste Veröffentlichung 2005. Ein Jahr später landete es auf der Empfehlungsliste der Jury. Von nun an blieb er fast kein Jahr ohne Auszeichnung, besonders beim Deutschen Spielepreis landete oft auf vorderen Plätzen, so für NOTRE DAME (2. Platz 2007), DIE BURGEN VON BURGUND (2. Platz 2011) und TRAJAN (2012). Nominiert war er für das Kennerspiel des Jahres in den Jahren 2011 (STRASBOURG), 2013 (BRÜGGE) und 2019 (CARPE DIEM).
Das Bild zeigt den Autor 2011 in Göttingen.
UM RU(H)M UND EHRE habe ich damals zwar nicht viel abgewinnen können, es erreichte trotzdem mit dem 10.
Freitag, 20. August 2021
SUSHI EXPRESS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
SUSHI EXPRESS
Was der Pizza-Express in Braunschweig ist, entspricht dem Sushi-Express in München, der schon seit zehn Jahren auf dem Markt ist. „So schmeckt Japan“, ist der Werbespruch für die exquisiten Sushi-Variationen, die die Käufer in attraktiven Verpackungen mit japanischen Holzstäbchen erhalten. Auch der Spielemarkt geht mit der Zeit, der PIZZA-FLITZER von Kosmos ist schon seit Anfang des Jahres unterwegs, nun wird er verfolgt vom SUSHI EXPRESS von Abacus.
Der Verlag aus Dreieich liefert zwar keine Stäbchen mit, aber eine mittelgroße stabile Verpackung, die, satirisch verfremdet, Spielvergnügen verheißt. Michael Schacht, der Autor, lädt uns nicht an die Sushi-Bar ein, worüber ich ganz froh bin, die gesäuerten mit rohem Fisch gefüllten und Seetang umwickelten Reishappen sind wahrlich Geschmacksache. Er schickt drei bis sechs Lieferanten aus, die sich um 28 Kunden- und acht Trinkgeld-Karten rangeln. Das war’s dann auch schon zum Sushi-Thema, der ganze Rest ist ein Konstrukt, das sich auf eine ganze Reihe unterschiedlicher Themen anwenden ließe.
Dreh- und Angelpunkt des Spiels ist eine an ein altes Telefon erinnernde Wählscheibe. Diese steuert die Bewegung der Lieferanten, die sich auf 12 Sechseckplättchen im Kreis bewegen. Jedes Mal wenn sie die Start-Ziel-Karte überschreiten, dürfen sie aus einer Auslage sich von den Kunden- oder Trinkgeldkarten bedienen. Auf einem Sonderfeld, dem Park, erhalten die Spieler Aktionskarten, die unterschiedlich hilfreich für das weitere Spiel sind. Zurück zur Wählscheibe, die SUSHI EXPRESS zu einem ordentlichen Zockerspiel macht. In jeder Spielrunde müssen die Spieler immer erst einen Tipp abgeben, wie weit sie ihr Fahrzeug bewegen wollen. Die entsprechende Zahl zwischen zwei und zwölf wird mit Hilfe eines Tippsteines auf der Wählscheibe eingestellt. Nachfolgende Spieler dürfen in der Regel nicht auf Zahlen tippen, die vorher belegt worden sind. Gezogen wird später in der Reihenfolge der höchsten Zahlen. Wer zuerst ziehen darf, hat meist eine größere Auswahl an Kundenkarten zur Verfügung, so dass oft relativ hohe Zahlen geboten werden. Korrektiv für die Gebote sind zwei Würfel, die immer der Spieler mit dem höchsten Gebot werfen muss. Die Zugweite muss nämlich durch einen entsprechenden Wurf bestätigt werden. Zwei Versuche haben die Spieler, schaffen sie es nicht, bleibt ihr Sushi- Auslieferungswagen stehen. Zum Trost gibt es aber eine Aktionskarte. Sobald ein Spieler seine Vorgabe erreicht hat, endet die Würfelrunde, alle anderen dürfen ohne zu würfeln ihre gesetzten Zahlen fahren. Beim Voranziehen der Fahrzeuge zählen besetzte Felder nicht mit, so dass Rundungen vor allem in voller Besetzung gut machbar sind. Der Spieler mit dem niedrigsten Tipp startet in die nächste Runde. Vorher darf er noch entscheiden, sofern noch Kundenkarten in der Auslage sind, ob sie liegen bleiben oder aus dem Spiel genommen werden, so dass ein neues Angebot in der Zahl der Mitspieler ausgelegt werden kann.
Bei der Auswahl der Kundenkarten ist zu beachten, dass vor allem unterschiedliche Karten Punkte bringen. Die erste Kundenkarte in jeder Farbe zählt stets drei Siegpunkte, jede weitere nur einen Siegpunkt. Da sechs Farben nur je zweimal vorhanden sind, gegenüber zwei Farbe, die achtmal vorkommen, ist das Sammeln der seltenen Karten spielentscheidend. Beachtet werden muss aber auch, dass derjenige, der am wenigsten Trinkgeld erhält, Punkte abgezogen bekommt. Das Spiel endet im Übrigen sofort, wenn die Auslage für die Kundenkarten nicht mehr vollständig ausgeführt werden kann.
SUSHI EXPRESS ist etwas für Zocker. Die Bereitschaft in die Vollen zu gehen, ist groß bei diesem Spiel. Im Spiel zu fünft und zu sechst geht fast keine Bietrunde ohne die statistisch eher unwahrscheinliche Zehn aus. Erstaunlich ist auch, dass die erreichten Ergebnisse meist über der durchschnittlichen Sieben liegen. Das mag ein gefühltes, aber durchaus in vielen Spielen verifiziertes Ergebnis sein. Der Kampf um die raren Farben führt vor allem in den letzten Runden zu spannenden Pokerphasen. Wenn es dann darum geht, die letzte lila Karte zu bekommen, dann versucht es auch einer mit der 11 oder gar 12 – und wenn es dann klappt, ist Stimmung am Tisch. Wenn nicht, dann gibt’s ja die Trostkarten, die es zum Beispiel möglich machen, einen vorher gegebenen Tipp ebenfalls zu nutzen. Auch ein Nachwürfeln ist so möglich und ein weiteres Vorankommen des eigenen Fahrzeuges. Besonders stark ist die Karte Platztausch, mit der man Tippsteine vertauschen darf. Wer Spaß an stark glücksabhängigen Spielen hat, ist mit SUSHI EXPRESS gut bedient. Geboten wird eine lockere Unterhaltung, der man sich vor allem in großen Runden stellen sollte. Ein Spielvergnügen, das zwar nicht abendfüllend ist, aber für eine halbe Stunde als solides Horsd’œuvre genügt.
Titel: SUSHI EXPRESS
Autor: Michael Schacht
Grafik: Michael Schacht
Verlag: Abacus
Spieler: 3 - 62
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: 10 Euro
Spiel 26/2006 R141/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt Michael Schacht mit seiner Partnerin Marianne Hartz im SUSHI EXPRESS-Jahr 2006 in Göttingen.
Donnerstag, 19. August 2021
SPINNENTWIST
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Das Matriarchat dominiert die Spinnenwelt – SPINNENTWIST
Wir Männer können dankbar sein, dass die Evolution irgendwie ihren Weg über die Säuger zum Menschen gegangen ist und sich nicht Gliederfüßer, wie die Spinnen, durchgesetzt haben. Inzwischen ist ja Frauenpower auch bei uns angesagt, politisch merkelts weiblich. Wir sind aber zum Glück meilenweit von der weiblichen Dominanz der Spinnenwelt entfernt. Nicht nur, dass die meisten Spinnenweibchen erheblich größer als ihre männlichen Pendants sind – die weibliche Schwarze Witwe bringt das hundertfache Gewicht ihres männlichen Partners auf die Waage -, sie pflegen auch häufig, ihre Sexualpartner nach dem Akt zu töten und zu verspeisen. Wer überleben will, muss das schnelle Liebespiel beherrschen. Wenn die Wespenspinne sich nicht nach acht Sekunden zurückzieht, wobei fünf Sekunden, wie Wissenschaftler herausgefunden haben, zur Befruchtung ausreichen, hat der Spinnenmann ausgedient. Die männliche Gartenspinne bekommt sogar nach jedem Akt ihren finalen Herzinfarkt. Wer die Homepage des Spielautors und Kleinverlegers Henning Poehl besucht, erfährt das und noch viel mehr über die Welt der Spinnen (http://www.sphinxspiele.de/kartenspiele/brettspiele-SPINNENTWIST.htm). Passend zu seinem neuesten Produkt SPINNENTWIST hat Poehl eine interessante Linkliste zusammengestellt. Jedes Jahr in Essen erweitert der Autor sein Programm um ein Produkt aus der ganz makabren Welt, seiner „schwarzen Reihe“, und um ein Spiel aus der Welt der Natur, der Biologie. Der Diplombiologie Poehl ist so mit AUWEIER dem Paarungsverhalten von Vögeln auf der Spur gewesen, die Hirschbrunft hat er mit NULL BOCK fantastisch eingefangen, nun führt er seine Spieler in die abenteuerliche Welt der Spinnennetze. Diesmal ist es kein Kartenspiel, das uns den Geschlechterkampf in der Natur näher bringt, sondern ein kleines strategisches Brettspiel für zwei Spieler.
Jeder der Spieler führt zehn Spinnenmännchen in das Netz eines Weibchens, um dort zur Paarung zu schreiten. Auf jede Bewegung im Netz reagiert das Weibchen. Wird ein Männchen über die Knotenpunkte des äußeren Netzes ins Spiel gebracht, setzt sich das Weibchen auf dem kürzesten Weg sofort in Richtung des Eindringlings in Bewegung. Die kleinen Männchen dürfen immer nur ein Feld weit ziehen, die Bewegungsweite des Weibchens hängt ab von der Erschütterung des Netzes, die durch die Bewegung des Männchens entstanden ist. Poehl definiert diese durch die Anzahl der Spinnen, die auf der betroffenen Netzspeiche sitzen. Mehr an Spielsteuerung benötigt der Autor nicht, um zu einem spannenden Wettkampf im Spinnennetz zu kommen.
Wichtig für den Spielablauf ist, dass die Spieler nicht abwechselnd ihre Spinnenmännchen führen, sondern dass jeder Spieler, wenn er an der Reihe ist, anfangs immer eine Spinne ins Spiel bringen und zusätzlich alle im Netz befindlichen eigenen Tiere bewegen darf. Die Reaktionsbewegung des Weibchens führt stets der Mitspieler aus, der damit nicht lange tatenlos zuschauen muss, sondern immer mit im Spiel ist. Dabei muss er nicht immer automatischen Bewegungsbefehlen des Spinnenweibchens folgen, oft genug gibt es verschiedene gleich lange Wege zum Männchen, das sich gerade bewegt hat. Sollte das Spinnenweibchen unterwegs aber Beute machen können, hilft kein Zetern und Schreien. Dann muss der Spieler das Weibchen auch zu eigenen Männchen führen. Ein solches Mahl hält das Weibchen erst einmal auf, so ein Männchen muss ja genüsslich verdaut werden. Wie lange das dauert, wird durch einen kleinen sechsseitigen Würfel bestimmt. Bei jeder erforderlichen Bewegung wird die Augenzahl des Würfels, der auf die Spinne gelegt wird, um eins vermindert, so dass spätestens nach sechs Runden, das Weibchen das Netz wieder unsicher macht. Paarungswillig bleibt es aber in diesem Zustand.
Für die Abrechnung am Ende ist wichtig, dass Männchen, die nach dem Paarungsakt aus dem Verkehr gezogen werden, zwei Siegpunkte bringen, für aufgefressene Tiere wird ein Punkt abgezogen. Das macht deutlich, dass es manchmal durchaus Sinn macht, ein eigenes Männchen zu opfern, sofern drumherum weitere eigene sind, die die Verdauungsphase des Weibchens ausnutzen können. Noch besser ist es natürlich, wenn man diese Situation im Rücken des Gegenspielers erreicht.
SPINNENTWIST braucht eine Aufwärmphase bis die Tiere so allmählich ins Netz kommen, im entscheidenden Mittelspiel geht die Post ab, wobei vorsichtiges Taktieren das Ende ziemlich hinauszögern kann. Schluss ist nämlich erst dann, wenn ein Spieler nur noch eine Spinne übrig hat. Die Vielfalt der taktischen Möglichkeiten des Spiels unterschätzt man am Anfang. Hilfreich ist auch die Freiheit, die der Autor beim Bewegen der Spinnen lässt. Die Spieler dürfen Spinnen ins Spiel bringen, sie müssen aber nicht. Die Spieler dürfen alle Figuren in ihrem Zug bewegen, sie müssen aber nur einmal eine Bewegungsreaktion der Spinne auslösen. Das Spinnenweibchen lässt sich nach der Aufwärmphase geschickt steuern, am besten dadurch, dass man sein Spinnenteam in zwei gegenüberliegenden Gruppen agieren lässt. Nach etwa einer halben Stunde endet eine Runde SPINNENTWIST bei einigermaßen gleichwertigen Spielpartnern meist sehr knapp. Partien mit Fünft- und Sechstklässlern haben ergeben, dass das Spielalter doch eher mit 12 Jahren angegeben werden sollte. Manche dieser Altersgruppe waren chancenlos, da sie die jeweiligen Zugkonsequenzen noch nicht recht einzuschätzen wussten.
Die Ausstattung ist nicht üppig. In einer kleinen Klappschachtel befinden sich der doppelseitige Spielplan, 20 Miniholzchips, ein Miniwürfel, ein etwas größerer Spinnenweibchenstein und die recht ordentliche Spielregel. Die grafische Gestaltung von Matthias Catrein ist ansprechend. Trotzdem können die 15 Euro, die für das Spiel verlangt werden, für viele Käufer überhöht erscheinen. Das mitgelieferte Spielvergnügen sieht man dem Material leider nicht an. Beruhigend für alle männlichen Spieler sollte sein, dass der Autor sich letztlich doch eher spielerisch als biologisch hat beeinflussen lassen. Die SPINNENTWIST-Weibchen reagieren nur fremdgesteuert, trieborientiert folgen sie brav jedem Männchen und tun das, was die Männer wollen. Eine schöne, heile Spinnenwelt, die uns der Biologie Poehl da bietet.
Titel: SPINNENTWIST
Autor: Henning Poehl
Grafik: Matthias Catrein
Verlag: Sphinx Spiele
Spieler: 2
Alter: ab 10 (besser ab 12) Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: 15 Euro
Spiel 25/2006 R140/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Henning Poehl veröffentlicht seit 20 Jahren Spiele. 2001 erschienen seine ersten Ideen VAMPIRCONNECTION und INTREGRALIS im eigens gegründeten Kleinverlag Sphinx.
Die Mixtur aus Gruselfaktor und naturwissenschaftlichem Begleitprogramm prägten auch in der Folgezeit die Veröffentlichungen des Biologen Poehl.
Poehl engagiert sich sehr für die Vertriebsgenossenschaft Spiel Direkt und ist geschäftsführender Vorstand.
Auf dem Bild ist Poehl auf der Spiel in Essen 2005 mit SPINNENTWIST zu sehen.
Samstag, 14. August 2021
COLUMBUS‘ EG
Solo unterwegs
COLUMBUS‘ EG
Das Ei des Kolumbus hat ursprünglich gar nichts mit dem Entdecker Amerikas zu tun. Die Anekdote, die ihm später zugeschrieben wurde, dass er ein gekochtes Ei auf die Spitze stellen konnte, indem er es auf den Tisch schlug, so dass es leicht eingedrückt zum Stehen kam, ist eigentlich im Kontext mit dem Kuppelbauer des Florenzer Doms Filippo Brunelleschi (1377–1446) zu sehen. Dieser soll durch die Lösung des „Ei-Problems“ den Auftrag zum Bau der ganz besonderen Kuppel dieses Doms erhalten haben. Das macht auch mehr Sinn, da diese Domkuppel in der Tat an die Form eines Eies erinnert, das an der Spitze aufgestoßen ist.
Warum diese lange Vorgeschichte zu dem Solospiel COLUMBUS‘ EG von Timo Jokitalo und Vesa Timonen, das in der logicus-Reihe bei HUCH! erschienen ist. Nun, ganz zuerst haben mich ganz gewaltig die 16 Eier in den üblichen rot, gelb, grün und blau Tönen gestört, so richtig wie Eier sehen sie nämlich nicht aus, umgedreht wirken sie fast wie antike Weinamphoren, aber auf der anderen Seite sind sie standfest gemacht, so wie Brunelleschis‘ oder Kolumbus‘ Ei.
Damit passen sie auch gut in die Stecklöcher eines 4x4 Gitter, das für die nötigen Denksportaufgaben sorgt. Jede Aufgabenkarte enthält Hinweise zur Farbbelegung der Reihen und Spalten, sowie vier weitere Tipps, die sich jeweils zwei Reihen und Spalten beziehen.
Nur 40 Aufgaben stehen doppelseitig zur Verfügung, natürlich steigert sich der Anforderungslevel bis zum fünften Ei, an dem man sich ganz schön die Zähne ausbeißen kann. Anfangs sind es eigentlich nur simple Steckaufgaben, die man auch schon dreijährigen Kindern überlassen kann. Die Anforderungen ans logische Denken wachsen aber an, so dass die Alterseinstufung ab sechs Jahren schon in Ordnung geht. Die Zusammenhänge zwischen Reihen- und Spaltenangaben gilt es zu entdecken, um für die Farben, für die Hinweise fehlen oder nur unvollständig sind, die richtigen Lücken zu entdecken.
Das wird am Ende ganz schön knifflig und lässt sich nicht so einfach lösen wie das Legenden-Ei-Problem des Kolumbus. Praktisch ist die Unterbringung alles Materials in einer kleinen Plastikbox, die Spielbrett, Ei-Aufbewahrung und Aufgabenspender auf einmal ist.
Aus Perspektive von Kindern, die klare Zielgruppe des Spiels sind, ein gutes Logikspiel. Ich hätte mir für Grundschüler allerdings schon eine kleine Hintergrundgeschichte zum Ei des Kolumbus gewünscht. Erwachsene werden durch die Aufgaben nicht so sehr gefordert, deshalb hole ich das Spiel nächste Woche wieder raus, da kommen aber auch unsere Enkel zu Besuch, die gern abwechselnd knobeln.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: COLUMBUS‘ EG
Autoren: Timo Jokitalo, Vesa Timonen
Grafik: Sabine Kondirolli
Verlag: HUCH!
Spielerzahl: 1
Alter: ab 6 Jahre
Spieldauer: ca. 5 -15 Minuten
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 56/2021
Dienstag, 10. August 2021
DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP
Nach dem Ausflug ins Filmgeschäft 2004 sind auf der Spiel in Essen 2005 Sandfuchs und Sienholz, die Macher von Krimsus, mit ihren Spielen ins altägyptische Ambiente eingestiegen. Dabei bleiben sie bei dem Spiel DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP durchaus filmnah auf den Spuren von Indiana Jones.
Wie gewohnt, kommen die Krimsus- Spiele als preiswerte Kartenspiele daher. Wobei 110 Spielkarten in der Auslage Brettspieldimensionen einnehmen, sogar die Spielfiguren lassen sich aus dem Kartenmaterial basteln. Zwei bis fünf Archäologen befinden sich auf Schatzsuche in der sagenumwobenen PYRAMIDE DES KRIMSUTEP. In die 6 mal 6 Felder große Kartenauslage mit hellen und dunklen anfangs verdeckt liegenden Gangkarten führt der Weg über ein Basislager. Am Anfang suchen die Altertumsforscher nach Eingeweidekrügen, wobei für jeden Spieler nur einer unter den 36 Karten versteckt ist. Sobald eine Kanope entdeckt ist, wird der Geist des Erbauers der Pyramide lebendig und bedroht als wandernde Mumie die Forscher. Erst wenn die Kanopen im Basislager sind, tauchen auf wundersame Weise Schätze in der Pyramide auf. Sobald es einem Spieler gelingt, einen Schatz aus der Pyramide zu schaffen, endet das Spiel. Davor sind aber noch viele Pyramidenabenteuer zu bewältigen, da gibt es nicht nur die Mumie, vor der man sich in acht nehmen muss, sondern Fallgruben, rutschige Rampen, und geheimnisvolle kleine Pyramiden in der Pyramide, die beim Betreten stets zum Verlust mitgeführter Schätze führen, aber auch eine Teleporterfunktion besitzen, die taktisch genutzt werden kann.
Gesteuert wird das Spiel über Bewegungspunkte, multifunktionale Ausgrabungskarten und über die ägyptische Lebensenergie Ankh, die über Gang- und Ausgrabungskarten gewonnen werden kann. Für die Zielkarte, die man in seinem Zug erreichen will, muss eine passende Ausgrabungskarte abgelegt werden, diese dienen aber auch dazu, Gänge zu erforschen, die Mumie abzuwehren und andere Forscher zu überfallen oder deren Überfälle abzuwehren.
Das Spiel ist vielschichtig angelegt, vielleicht sogar zu vielschichtig, die Regel erleichtert dabei nicht unbedingt den Zugang. Die Memoanforderungen durch häufige Auslageveränderungen sind in meinen Spielgruppen nicht unbedingt auf Zustimmung gestoßen. Die Vernetzung von Kartensteuerung, direkten und indirekten Bedrohungselementen ist aber gut gelungen. Trotzdem bleibt für das Spiel ein großes Problem, es dauert besonders mit vier und fünf Spielern einfach zu lange.
Titel: DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP
Autor: Ralf Sandfuchs
Grafik: Matthias Catrein
Verlag: Krimsus
Alter: ab 12 Jahren
Spieler: 2- 5
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 8 Euro
Tipp: Guter Service des Verlages, Krimsus bietet zum Herunterladen auf seiner Homepage einen Spielplan für die Kartenauslage an.
Spiel 19/2006 R133/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Ralf Sandfuchs und Mark Sienholz haben 1998 den Kleinverlag Krimsus Krimskrams-Kiste gegründet und bis Mitte 2000 jährlich mindestens ein Kartenspiel und ein Rollenspiel veröffentlicht.
Ihre Wurzeln haben die beiden Verlagsleiter und Autoren im Rollenspielbereich, so hat Ralf Sandfuchs das satirische Knuddeltier Rollenspiel „Plüsch, Power & Plunder“ mit entwickelt. Mit einem neuen PP&P-Abenteuer wollten sie 1997 auch in eine eigene Verlagskarriere starten, ergänzt durch ein Einsteiger-Rollenspiel und einem einfachen Kartenspiel. Als verspielte „Harlekin“e traten sie auf der Spielmesse in Essen an, aber der derbe Possenreißer trieb seine Späße eher mit seinen Erfindern. Die PP&P-Rechte erhielten sie nicht und dann legten gleich zwei Firmen Einspruch gegen die Namensnutzung ein. Krimsu und Sandfox standen gleich zu Beginn ihrer nebenberuflichen Verlagskarriere vor dem Aus. Die beiden Freunde hielten auch dann noch durch, als Guido Paul, der ursprünglich als dritter Kompagnon mit im Boot saß, das Handtuch warf.
Mit der Krimsus Krimskrams-Kiste war bald ein absolut fälschungssicherer Verlagsname gefunden, mit dem sie der bald auch ein klares Verlagsprofil entwickelten. Leise Töne kennt vor allem Krimsu nicht, er macht gern mit Paukenschlägen aufmerksam auf seine
Verlagsveröffentlichungen, das kann über den Weg deftiger Aprilscherze laufen, in Essen sind seine marktschreierischen Sektempfänge zur Mittagszeit berühmt), bei denen den Zuschauern immer mal wieder Kartenspiele um die Ohren flogen.
Das Bild zeigt die beiden Verleger 2006 in Essen.
Freitag, 6. August 2021
MACH 3
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MACH 3
Die Praunheimer Werkstätten betreiben verschiedene Rehabilitationseinrichtungen für geistig behinderte Menschen im Frankfurter Raum mit insgesamt 700 Beschäftigungsplätzen. Holzspielzeug, auf hohem Niveau hergestellt, gehört zu den traditionellen Stärken der Werkstätten. Über 30 Artikel wurden von „Spiel Gut“ ausgezeichnet, der Deutsche Designpreis und die Jury „Gut in Form“ haben Artikel aus dem Sortiment der Praunheimer Werkstätten für ihre hohe Designleistung prämiert. Im Spielbereich liegen die Schwerpunkte beim klassischen Gesellschaftsspiel, DAME, MÜHLE, SCHACH, HALMA und MÄDN stellen Schwerpunkte im Sortiment dar. Seit kurzer Zeit machen die Praunheimer Werkstätten aber auch mit eigenen Spielentwicklungen auf sich aufmerksam.
2005 stellten sie in Nürnberg das taktische Legespiel MACH 3 für zwei Spieler vor. Gespielt wird auf einem massiven Birkenholzbrett mit 6x6 Feldern. 32 dicke quadratische Holzspielplättchen können dort abgelegt werden. Diese Scheiben sind mit einem blauen diagonal liegenden kreuzähnlichen Muster bedruckt, das halbkreisförmige helle Ausbuchtungen an den vier Seiten der Quadrate ergibt. werden die Quadrate aneinander gelegt, entstehen so kreisförmige Spielfelder, die die Spieler mit roten bzw. gelben Spielsteinen belegen können. Wer es schafft, dadurch eine orthogonale oder diagonale Dreier-Reihe zu bilden, gewinnt das Spiel.
Die Spielregel sieht zwei Varianten vor, wobei ich empfehle nicht von der Grundvariante auszugehen. Da wird nämlich von einer festen Vorgabe in allen vier Eckfeldern ausgegangen, so dass jeder Spieler schon viermal zwei feste Folgen von eigenen Spielsteinen besitzt. Da der Startspieler ein neues Spielplättchen legen muss und der Gegenspieler, eins legen kann, aber auch das neu entstandene kreisförmige Spielfeld mit einem eigenen Spielstein belegen darf, gerät der Startspieler schnell unter Zugzwang. Besser ist die Variante, in der mit einem leeren Spielfeld begonnen wird und die Spieler abwechselnd Spielplättchen legen, ohne dass geschlossene Spielfelder entstehen. Danach geht es abwechselnd mit den jeweiligen Optionen, Spielplättchen oder Spielstein legen weiter, bis die Siegbedingung erreicht ist oder alle Steine gesetzt sind, ohne dass ein Gewinner feststeht.
Da eine Spielrunde MACH 3 meist nur etwa zehn Minuten dauert, sollte man zwei oder vier Partien hintereinander spielen, so dass jeder einmal oder zweimal Startspieler ist. Wir haben für die Wertung folgende neue Regel eingeführt. Der Sieger erhält die Punkte gutgeschrieben, die der Anzahl seiner noch nicht gesetzten Spielsteine entspricht. Wer bereit ist, auf aufwändiges Schachteldesign zu verzichten, erhält mit MACH 3 ein hochwertiges, optisch ansprechendes taktisches Schmankerl, das großes Denk- und Spielvergnügen bietet.
Titel: MACH 3
Autor: -
Verlag: Praunheimer Werkstätten
Spieler: 2
Alter: angegeben ab 5 Jahren, besser ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 10 bis 15 Minuten
Preis: ca. 40 Euro
Spiel 18/2006 R131/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Montag, 2. August 2021
GUNTIA – SCHNICK’S DIR!!!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Schaffe, schaffe Spiele mache! GUNTIA
Im Schuljahr 2005/06 traten 15 Schülerinnen und Schüler eines Wirtschaftskurses des St. Thomas Gymnasiums im schwäbischen Wettenhausen (Landkreis Günzburg) mit dem Ziel an, ein Spiel zu produzieren. Die Fragen, die sie sich vor einem Jahr im September 2005 stellten: Was für ein Spiel soll es werden? Wie soll es heißen? Wer produziert es? Wer malt einen Spielplan? Wer gestaltet die Schachtel? Wer verkauft es? konnten erstaunlich zügig beantwortet werden. Schon im Januar 2006 haben die Schüler ihr Spiel GUNTIA bei Ludo Fact – quasi um die Ecke - selbst abgeholt.
Im Mai 2006 wurden die Thomaner für ihr Spielprojekt mit dem dritten Platz des bayerischen Landeswettbewerbs für Juniorunternehmen ausgezeichnet. Gelernt haben die Kids eine ganze Menge bei der Arbeit an diesem Projekt, u. a. auch, dass die Entwicklung und Produktion eines Spiels die eine Seite der Medaille ist, die andere Seite, der Vertrieb, ist es, der meist mehr Schwierigkeiten bereitet. So gibt es immer noch Exemplare von GUNTIA zu kaufen. Das ist vielleicht ja auch gut so, denn der eine oder die andere könnte durch diesen Artikel vielleicht angeregt werden, bei den Schülern ein Spiel zu ordern.
Thematisch ist GUNTIA lokal angesiedelt, was sich sicherlich aus den Marketingüberlegungen der Schüler ergab. Es gilt, den Landkreis Günzburg (Guntia) zu erobern. Wenn man die über vierzig Gemeinden des Landkreises auf der erstaunlich großen Spielplankarte betrachtet, sind die RISIKO-Assoziationen, die sich schnell einstellen, sicherlich nicht falsch. Die Schüler haben aber abgespeckt und vereinfacht. Nicht der Würfel entscheidet über Sieg oder Niederlage, sondern das klassische STEIN-SCHERE-PAPIER oder SCHNICK-SCHNACK-SCHNUCK wie es im Schwäbischen wohl heißt. Mit der Aufforderung SCHNICK’S DIR!!! gehen zwei bis vier Spieler an die Eroberung von GUNTIA.
Zehn Gebiete müssen annektiert werden, dann ist nach einer guten halben Stunde das Spiel vorüber. Der Ablauf ist simpel, es wird gewürfelt, entsprechend muss die eigene Spielfigur gesetzt werden. Schon eroberte Gebiete sind bis auf die zentralen Gebiete Neuburg-West und Burgau-Süd tabu. Um das Zielgebiet kämpft der Zugspieler mit allen restlichen Spielern nach dem SCHNICK-SCHNACK-SCHNUCK- Prinzip, der Angreifer muss mehrheitlich gewinnen, das heißt beim Spiel mit drei oder vier Spielern, muss er mindestens zwei Siege davontragen. Eroberte Gebiete werden mit stabilen Papp-Markern, die Landkreismaskottchen darstellen, gekennzeichnet. Ganz pfiffig sind Zusatzeffekte einzelner Gebiete, da können Feuer, Brunnen und Wind das Handduell erweitern, sofern man ein entsprechendes Gebiet erobert hat, außerdem gibt es für die Endabrechnung Zusatzpunkte durch Wappen- oder Kirchen gekennzeichnete Gebiete. In der Endabrechnung erhalten die Spieler außerdem noch eine Belohnung für zusammenhängende Gemeinden.
Nichts Großartiges, aber ein funktionierendes und preiswertes Spiel, das solide produziert ist, dessen Regelwerk ordentlich daherkommt und das noch Spielraum für eigene Regelinterpretationen lässt. In unseren Proberunden hat sich die Abhängigkeit von dem Bewegungswürfel als besonders nachteilig erwiesen. Wir empfehlen, Bewegungsweiten von ein bis vier Feldern beliebig zuzulassen, oder mit einem Kartensatz von eins bis sechs zu spielen. Für die Günzburger oder die, die diesen schwäbischen Landkreis kennen lernen wollen, gibt es im Übrigen noch die Quiz-Variante. Dazu haben die Schüler sich immerhin 66 Fragen mit jeweils drei Antworten aus dem lokalen Umfeld einfallen lassen, wobei in dieser Version die korrekte Antwort zur Eroberung eines Gebietes ausreicht.
Titel: GUNTIA – SCHNICK’S DIR!!!
Autor: Klasse 10a des St. Thomas Gymnasiums Wettenhausen (Schuljahr 2005/06)
Verlag: Guntia- Games
Spieler: 2- 4
Alter: ab 8 Jahren (nicht ab 5 wie in der Regel angegeben)
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Spiel 14/2006 R127/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Freitag, 30. Juli 2021
GODS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Vom Bastelbogen zum fertigen Spiel: GODS
Es gibt nur wenige Spieleautoren, die ihre Fans besonders preiswert an die eigenen Spielideen heranlassen. Michael Schacht gehört zu diesen Autoren. Seine „Spiele aus Timbuktu“ erscheinen meist als überaus günstige Bastelpackungen. Tolle Spiele wie CONTRA oder DIE TAFELRUNDE sind in dieser Reihe veröffentlicht worden. Das letzte Spiel ist später als KÖNIG DER DIEBE bei Eurogames erschienen, aus dem ersten wurde das Queen Games-Spiel ARCHITEKTON. Auch andere Spiele aus der Reihe haben den Weg in einen Verlag gefunden, für das meines Erachtens beste Spiel, das 2001 veröffentlichte GODS, gilt das allerdings nicht. Als Bastelbogen war es mit seinem umfangreichen Material das Aufwendigste, was Schachts Kleinverlag bislang zu bieten hatte. Trotzdem war die 1000er Auflage schnell vergriffen und das Spiel kam gut an.
Als vollwertiges Spiel, bei dem man ( fast ) ganz ohne Schere und Kleber auskommt, veröffentlicht Michael Schacht sein GODS nun selbst. Wie er sagt, erscheint das Spiel endlich in der Form, „die es sicherlich verdient“, allerdings streng limitiert auf 666 Exemplare.
Die Story bleibt erhalten: Nach der großen Flut ordnen zwei bis vier spielende Götter die Welt neu. Sie besiedeln sie mit Völkern und versuchen diese mit Tempelbauten von der richtigen Religion zu überzeugen. All das kostet auch Göttern Kraft, mit der es geschickt hauszuhalten gilt, um am Ende die zum Gewinn nötigen neun oder zehn Siegpunkte zu erreichen.
Die Götterlandschaft breitet sich auf 84 Hexfeldern aus, 32 davon sind den Völkern zugeordnet, ebenso viele den Tempeln, die die Spieler zu Spielbeginn erhalten, daneben gibt es noch Ödlandkärtchen und Sonderaktionsfelder, diese insgesamt 52 Kärtchen werden für das eigentliche Spiel aus einem Säckchen gezogen.
GODS erweist sich als ein äußerst spannendes taktisches Legespiel, dessen Grundstruktur – wie die meisten Spiele von Michael Schacht – ganz einfach ist. Der Spielablauf reduziert sich auf das Kräftesammeln, wobei es pro Spielrunde drei Kräftepunkte gibt, die nun nicht mehr in Form von Einzelkristallen vergeben, sondern auf einer Zählscheibe angezeigt werden. Mit diesen Punkten müssen zwei Aktionen ausgeführt werden. Dazu füllt man erst einmal seine Auslagetafel auf zwei unterschiedliche Hexplättchen auf, die man danach ins Spiel bringen kann. So können vor allem Völkerstämme gelegt werden. Die Kosten dafür liegen bei einem Kräftepunkt für jede angrenzende Hextafel. Legt man eine Ödlandkarte, erhält man sogar einen Stärkepunkt. Die anderen Sonderaktionen sind meist kostenfrei. Dreimal teurer als bei den Volksstämmen wird es, wenn man einen eigenen Göttertempel ins Spiel bringt, dafür lässt der aber alle anliegenden Volksstämme vom fremden Glauben abspringen. Und nur so kommt man an Punkte. Von der eigenen Religion überzeugte Völker werden mit Göttersteinen gekennzeichnet, sobald drei gleiche Stämme einer Religion angehören, spricht Schacht von einer Volksgründung, die beim ersten Mal mit einem Siegpunkt und zusätzlich einer Punktetafel belohnt wird. Die Stämme wenden sich immer mal wieder anderen Göttern zu, sobald man dadurch keine drei Stämme mehr besitzt, muss man seine Punktetafel abgeben, der anfangs gewonnene Siegpunkt geht aber nicht mehr verloren.
Für entscheidende Aktionen muss langfristig gespart werden, deshalb ist es auch gut, dass man in einer Runde seine beiden Legeplättchen einfach kostenfrei zurück ins Säckchen werfen darf, so dass die drei Kraftpunkte, für das große Kräftemessen und Punktesammeln aufgespart werden können. Zünglein an der Waage sind häufig die vier Einzelsiegpunkte für die vier Völker, die im Spiel sind. Trotzdem brauchen die Spieler zum Sieg in der Regel drei Völkerkarten, um die mindestens neun Siegpunkte zu erreichen, wobei die grünen Völker besonders beliebt sind, da sie vier statt der sonst üblichen drei Siegpunkte bringen. So kann man auch mit zwei Einzelsiegpunkten, einem grünen und einem anderen Volk zum Spielsieg kommen. In GODS läuft aber nichts verdeckt ab, alle Informationen stehen auch den Mitspielern zur Verfügung, so dass ständiges Konvertieren zum Spielalltag gehört.
Für mich ist Schachts Spiel vor allem zu zweit eine besondere Empfehlung wert, die Steuermöglichkeiten im Spiel zu dritt und zu viert lassen dann doch etwas nach. Die grafische Gestaltung hat Michael Schacht vom Vorgängerspiel übernommen. Das Kartenmaterial ist stabil, wird sinnvoll ergänzt durch Holzmaterialien für die Religionsanzeige. Die Regel ist gut strukturiert, enthält auch sinnvolle Anmerkungen zur Spieltaktik. Außerdem war noch soviel Platz auf dem Regelblatt, dass dort die Aktionsphasen vierfach auf kleinen Kärtchen gedruckt werden konnten. Damit geht das Timbuktu-Feeling, mit der Schere zur Spielentstehung beizutragen, doch nicht ganz verloren.
Titel: GODS
Autor: Michael Schacht
Grafik: Michael Schacht
Verlag: Spiele aus Timbuktu
Spieler: 2- 4
Alter: ab 10 Jahren (nicht ab 12 wie in der Regel angegeben)
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Spiel 14/2006 R127/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt Michael Schacht mit seiner Partnerin Marianne Hartz im CALIFORNIA-Jahr 2006 in Göttingen.
Donnerstag, 29. Juli 2021
EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auf den Spuren einer alten Forschungsreise: EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN
Hauptberuflich beschäftigt sich Florian Isensee mit dem Verlegen und Verkaufen von Büchern. Der Isensee-Verlag gewinnt seine Schwerpunkte hauptsächlich aus der Region des Nordwesten Deutschlands, erweitert durch Bücher zur Kunst- und Kulturgeschichte, zur Archäologie sowie Veröffentlichungen in niederdeutscher Sprache. Über die Kulturgeschichte und Archäologie ist der vielseitige Verleger auf ein altes Buch gestoßen, das im 19. Jahrhundert Archäologiegeschichte geschrieben hat. 1839/40 bereiste der amerikanische Reiseschriftsteller und Archäologe John L. Stephens zusammen mit dem englischen Zeichner Frederick Catherwood das Gebiet der ehemaligen Maya-Kultur. Sein 1841 erschienener Reisebericht “Incidents of Travel in Central America, Chiapas, and Yucatan” wird auch von modernen Archäologen vor allem wegen der detailreichen Zeichnungen Catherwoods immer wieder herangezogen. „Die Entdeckung der alten Mayastätten“ (Edition Erdmann) nennt sich die aktuellste deutsche Fassung dieses Bestsellers aus dem 19. Jahrhundert.
Florian Isensee lädt drei bis vier Spieler ein, sich auf die Spuren von Stephens und Catherwood zu begeben. Er braucht dazu keinen Spielplan und keine Spielfiguren, 64 Spielkarten liefern das atmosphärische Ambiente für die EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN. Die Expeditionsroute symbolisieren zehn Wegekarten, die, nebeneinander ausgelegt, den Spielern Schatzfunde, aber auch gefährliche Abenteuer verheißen. Um an die Schätze heranzukommen und die Abenteuer zu bewältigen, benötigen die Spieler Aktionskarten, zusätzlich erhält jeder Spieler eine Rastkarte, die wichtig für den Kartennachschub ist. Schließlich gibt es noch einen Stapel mit zehn Schatzkarten, der Schätze im Wert zwischen 20 und 60 Punkten enthält. Darum geht es letztendlich auch in diesem Spiel: das Sammeln von punkteträchtigen Schätzen. Wer dazu am besten seine Aktionskarten einsetzt, gewinnt meist schon nach einer Viertelstunde die EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN.
Was passiert in dieser Zeit? Die Wegekarten werden nacheinander aufgedeckt. Ist es eine Abenteuerkarte, müssen die Spieler gemeinsam das Abenteuer bestehen. Da gibt es leicht zu bewältigende Ereignisse, wie die Begegnung mit der Schmugglerbande, die einen Gefahrenwert von fünf Punkten besitzt, und schwierige, wie die Überquerung einer verfallenen Hängebrücke, die mit zehn Punkten die Abenteurer oft zu weiteren Versuchen zwingt. Für das Bestehen des Abenteuers legen die Spieler verdeckt eine ihrer Aktionskarten ab, ergeben diese addiert den geforderten Gefahrenwert, gilt das Abenteuer als bestanden und die nächste Wegekarte wird aufgedeckt. Der Spieler mit der höchsten Aktionskarte erhält die Abenteuerkarte, die in der Endabrechnung immerhin zehn Punkte bringt. Wird das Abenteuer nicht bewältigt, muss jeder Spieler seinem linken Nachbarn seine höchste Aktionskarte zuschieben. Der Konflikt, in dem die Spieler immer wieder stehen, besteht hauptsächlich darin, dass man eigentlich die hochwertigen Aktionskarten für die Phasen aufheben möchte, in denen Schätze zu finden sind. An vier Fundorten gibt es ein bis drei Schätze zu finden, um die die Spieler sich mit ihren Karten duellieren.
Isensees Kartenspiel ist von den Siegbedingungen her kompetitiv angelegt, das Besondere an seiner Spielidee ist aber, dass er - durchaus realitätsnah – für die Bewältigung des größeren Teils der Wegestrecke die Kooperation der Spieler verlangt. Daraus entwickelt sich der ganz besondere Reiz der EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN. Welche Karten setze ich wann ein, welches Risiko gehe ich ein, wenn ich mich nur geringfügig beim Bestehen der Abenteuer beteilige? Das sind Fragen, die sich den Spielern immer wieder stellen. Wie die meisten Kartenspiele ist Isensees Expedition glücksabhängig, aber das Glück lässt sich dank der kurzen Spieldauer immer wieder neu herausfordern. Ich empfehle daher viermal zu den Mayastätten aufzubrechen, das schaffen Sie in einer guten Stunde.
Die alten Grafiken, die für die unterschiedlichen Illustrationen verwendet werden, tragen gelungen zur Spielatmosphäre bei. Das Kartenmaterial ist hochwertig, aber spitzkantig. Die Verpackung, eine dünne Faltschachtel, hätte ich mir stabiler gewünscht. Für 6,50 Euro erwerben Sie ein interessantes, innovatives Spiel eines neuen Autors, der nun nicht mehr nur Bücher in seinem Buchverlag veröffentlicht.
Titel: EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN
Autor: Florian Isensee
Verlag: Isensee-Verlag (www.isensee.de)
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: 6,50 Euro
Spiel 11/2006 R124/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seit 1995 ist der Oldenburger Buchhändler und Verleger, seit 2005 verlegt er auch eigene Spiele. Seine EXPEDITION ins Reich der Spiele bestand anfangs ausschließlich aus Kartenspielen, Ausflüge in die Geschichte, die zu den Mayas, nach Frankreich (MUSKETIER), Ägypten (RAMSES), Rom (HÄNDLER AUF DEM FORUM ROMANUM) und Kreta (LABYRINTH DES MINOTAURUS) führten.
Mit RAMSES und den HÄNDLERN verließ Isensee schon das Genre eher klassischer Kartenspiele, arbeitete aber noch kartenbasiert. In dem 2009 erschienenen dreiteiligen Abenteuer um MINOTAURUS ging es im Prinzip nur noch um Elemente des Kartenerwerbs zum Ausbau eines Labyrinths. 2010 lag mit GESCHENKE FÜR DEN RADSCHA in einer großen Schachtel, die als Umverpackung für das gesamt Œuvre Isensees dienen konnte, ein außergewöhnliches Wüstenabenteuer mit einem ungewöhnlichen Bewegungsmechanismus vor, das schon am Samstag auf der Messe ausverkauft war.
2011 erschien mit AKTIENRAUSCH das letzte Spiel, das aus der historischen Reihe herausfiel, aber extrem viel Aufmerksamkeit erregte. „Das hat mich damals total überrascht, dass sich erstmals TV-Stationen für eins meiner Spiele interessierten. Die Medienresonanz war unglaublich.“
Noch größer war die Resonanz 2019 zu einem Wahlspiel in den USA, das sich den damaligen Präsidenten vorknöpfte: FROM IDIOT TO PRESIDENT. Eine Teamarbeit mit Philipp Grasl, Daniel Sip, Mark Schütte und Thorben Schwitalla, für die die Freunde mit Haarenwerk einen eigenen Verlag gründeten. Produziert wurde nun auch nicht mehr im Isensee Verlag, sondern bei LudoFact mit einer Initialfinanzierung über Kickstarter. Das Medienecho auf das Spiel war beachtlich, wichtiger war für das Verlagsteam aber das große internationale Interesse.
Das Foto zeigt Florian Isensee mit allen seinen Spielen 2020.
Mittwoch, 28. Juli 2021
FESTIVAL BEIM PFERDESTALL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Guter Zweck: FESTIVAL BEIM PFERDESTALL
Seit drei Jahren beleben die Kronberger Roland und Tobias Goslar die Spielszene mit genialen Ideen rund um die Raute. Schon mit dem pfiffigen FRANTIC FRANKFURT haben sie allerdings Abstand von den geometrischen Spielereien genommen, noch einen Schritt weiter gehen Sie mit ihrem neuesten Produkt FESTIVAL BEIM PFERDESTALL. Die Goslars sind nicht mehr freakig, sie kommen ganz familiär daher und bieten erstmalig ein klassisches Familienspiel in ihrem Programm an. Die Verbundenheit mit ihrem Kronberger Umfeld bleibt aber, war sogar Anlass für dieses Spiel. Seit vier Jahren veranstaltet die Ann-Kathrin-Linsenhoff-UNICEF-Stiftung im September in Kronberg das so genannte Schafhof-Festival. Die bekannte Dressurreiterin wohnt mit ihrer Familie auf diesem 18 Hektar großen Anwesen in der Nähe Kronbergs. Die Goslars haben 2005 für die Benefizveranstaltung in Zusammenarbeit mit Ann-Kathrin Linsenhoff FESTIVAL BEIM PFERDESTALL entwickelt. Ein Teil der Einnahmen des Spiels wird für ein UNICEF-Hilfsprojekt im Sudan gespendet.
Der spielerische Ansatz geht erst einmal von einem modifizierten Memo-Spiel aus. Damit geben sich die Goslars aber nicht zufrieden. Die Fortbewegungsweiten der zwei bis vier Spieler ab acht Jahren auf dem Schafhof-Gelände ergeben sich aus der Anzahl aufgedeckter Plättchen. Die Autoren nutzen den Reiz des Spiels mit dem Risiko, kombinieren diesen aber mit einem kleinen Schuss Taktik. Unter den 44 Spielplättchen gibt es Clowns, Kinder, Pferde und Kleintiere. Wer ein Plättchen aufdeckt, zieht natürlich nur ein Feld weit. Das gilt auch noch für zwei Plättchen, erst ab drei steigert sich die Bewegungsweite auf vier Felder, für jedes weitere Plättchen dürfen die Spieler vier Felder zusätzlich vorwärts ziehen. Das Problem dabei ist, dass die Kärtchen auf bestimmten Feldern auf dem Spielplan abgelegt werden müssen, damit sich mit der Zeit ein buntes Leben auf dem Schafhof entwickelt. So muss ein Clown immer bei einer der Festival-Attraktionen auftauchen, erst dann dürfen Kinder, die Teams zugeordnet sind, dort erscheinen. Pferde dürfen auf der Pferdeweide nur als Drillinge abgelegt werden. Bei den Kleintieren, die am Rentbach leben, sind es mindestens zwei, die abgelegt werden müssen. Das Aufdecken eines Clowns, eines Kleintieres in Kombination mit einem Nicht-Kleintier oder zweier Kinder aus einem Team beenden den Spielzug. Beim Clown oder wenn man freiwillig aufhört, darf man meistens ablegen und mit seiner Spielfigur auf einem vorgegebenen Weg voranziehen, sonst müssen alle Plättchen umgedreht werden und der nächste Spieler ist an der Reihe. Das Spiel endet, wenn ein Spieler bis zur Festival-Bühne ziehen konnte, oder wenn einer es schafft, alle verdeckt liegenden Kärtchen vorherzusagen. Das ist deshalb nötig, weil drei Clowns im Spiel sind, für die es keinen Ablageplatz gibt. Falsche Versuche werden nicht bestraft, wer es aber schafft, darf für jedes Kärtchen zwei Felder vorwärts ziehen. Wer danach am weitesten vorangekommen ist, ist Sieger des Spiels.
Die Umsetzung des Spiels ist solide: Grafisch gefällig, das Ambiente des Festes wird eingefangen, in der Ferne grüßen Mainhattan, der Limes und natürlich Kronberg, ordentliches Material mit großen Holzpöppeln und stabilen Memo-Plättchen, die Regel wird etwas gewöhnungsbedürftig über mögliche Fragen zum Spielablauf strukturiert.
Grundschulkinder, vor allem Mädchen, haben Spaß an diesem Spiel. Es dauert in voller Besetzung meistens länger als die angegebenen 15 Minuten, aber das macht nichts. Sobald die Ausschlussregelungen – und dafür sind die beiden Spielhilfen ganz wichtig – klar sind, ergeben sich spannende Partien, die meist zum Aufdecken aller Plättchen führen. Tobias und Roland Goslar haben ein rundes Familienspiel entwickelt, das zwar nicht durch viel Originalität auf sich aufmerksam macht, aber durch eine gesunde Mischung bekannter Spielprinzipien, die atmosphärisch dem realen Schafhof-Festival gerecht wird. Ein gutes Spiel für einen guten Zweck, was will man mehr.
Titel: FESTIVAL BEIM PFERDESTALL
Autor: Roland und Tobias Goslar
Verlag: Kronberger Spiele
Spieler: 2- 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 bis 30 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Zu den Autoren:
Tobias und Roland Goslar haben ab 2003 mit Rautenspielen auf sich aufmerksam gemacht, so mit BONOBO BEACH und CRONBERG. Für ihre Ideen gründeten sie den Verlag Kronberger Spiele. Das Legespiel TOM TUBE landete 2004 auf der Empfehlungsliste der Jury.
Roland Goslar ist den Spielen treu geblieben. Mit HALF-PINT HEROES erschien 2017 sein letztes Spiel, redaktionell betreut er Spiele für den Heidelberger Spieleverlag.
Das Bild zeigt Tobias und Roland Goslar bei ihrem ersten Auftritt 2002 auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Spiel 12/2006 R125/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Dienstag, 27. Juli 2021
EQUILIBRIO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Ruhiges Händchen gefordert: EQUILIBRIO
Früher waren es die klassischen Ankerbausteine, die zum Nachbau architektonischer Wunderwerke reizten. Bis in die 50er-Jahre fehlten die Naturbausteine, die im Übrigen seit 1995 im thüringischen Rudolstadt wieder produziert werden, in keinem Kinderzimmer. Ein in diese Richtung gehendes modernes Angebot bietet EQUILIBRIO von Michel und Robert Lyons aus dem Huch-Verlag. Die beiden Autoren folgen nicht dem Prinzip der Steinanhäufung für den Bau gewaltiger Kathedralen, sie kommen mit 18 Kunststoff-Bausteinen in sieben verschiedenen Formen aus.
EQUILIBRIO steht in der Tradition von ARCHITECTO, das ebenfalls von den beiden Autoren 2005 bei Huch erschienen ist. Hier wie dort steht im Zentrum des Spiels ein Aufgabenblock, der gedankliche und taktile Herausforderungen steigenden Schwierigkeitsgrades enthält. Die Aufgaben geben Art und Anzahl der zu benutzenden Bausteine vor und zeigen das zu erstellende Gesamtobjekt. Damit ist klar, EQUILIBRIO ist in der Regel ein Solitärspiel, eine logische Tüftelei, für deren Umsetzung man aber ein ruhiges Händchen benötigt. EQUILIBRIO ist anspruchsvoller als ARCHITECTO, da das Bauen auf Rollen, auf Spitzen, auf Halbkugeln erheblich mehr Feingefühl erfordert, als das bei den logischen Gedankenübungen vom Vorläuferspiel der Fall war. Nicht zu Unrecht verweist daher der spanische Spieltitel auf die Balance, auf das Gleichgewicht, das bei den Bauaufgaben im Vordergrund steht.
Für Grundschulkinder stellen beide Spiele interessante Herausforderungen dar und erfüllen vorbildlich Lernspielfunktion ganz im Sinne der Schulung von Kopf und Hand. Der Reiz für ältere Spieler hält sich nach meinen Erfahrungen in Grenzen, der Aufforderungscharakter am Anfang ist hoch, hält aber nicht an. Ärgerlich finde ich, dass der Verlag bei dem nicht gerade preiswerten Spiel doppelt abkassiert. Die Bausätze beider Spiele sind identisch, so dass die Besitzer von ARCHITECTO eigentlich nur den neuen Aufgabenblock benötigen, den es aber nur im Gesamtpaket gibt. Immerhin lässt sich aus der Not eine Tugend machen, mit beiden Spielen wird aus den Solofassungen ein Zweipersonen-Spiel, das man im direkten Wettstreit austragen kann.
Meine persönliche Meinung zu EQUILIBRIO und Co. ist geteilt. Die Spiele sind teuer, die Farbgestaltung des Materials ist gewöhnungsbedürftig, zumindest das hätte man bei der Zweitfassung ändern können. Ich frage mich, warum dann nicht besser gleich zu den optisch und haptisch überzeugenderen Ursprungsmaterialien von Anker zurückkehren. Positiv ist immerhin zu berücksichtigen, dass diese Spiele den raren Markt der Solitärspiele beleben. Als Lernspielangebote sind sie geeignet.
Titel: EQUILIBRIO
Autor: Michel und Robert Lyons
Grafik: service3.com
Verlag: Huch
Spieler: Solitärspiel
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: beliebig, für die einfachen Bauten benötigt man wenige Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 10/2006 R123/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Sonntag, 25. Juli 2021
XERXES
SAMMELSURIUM
E-Serie von F.X. Schmid
Die bei Spielesammlern bekanntesten Spiele aus dem F.X. Schmid Verlag sind die Spiele der E-Reihe. Das „E“ steht für Erwachsenenspiele, die Serie erschien in den Jahren 1973/74. Die E-Serie war die Antwort aus Prien auf die Casino-Reihe von Ravensburger und die 3M-Serie. Die Spieleschachteln ähnelten aber nur den Buchschubern von 3M. Im Grunde genommen waren es einfache Stülpschachteln mit durchaus edler Innenverkleidung.
Die am meisten gesuchten Spiele dieser Serie sind: TRADE, SAMURAI, PAGODE und SNIFF. Mit LASKA hatte der Verlag einen Klassiker im Programm, der von einem ehemaligen Schachweltmeister stammte.
Die Firma war älter als Ravensburger. Franz Xaver Schmidt gründete den Verlag 1860 in München. Anfangs wurden nur Spielwaren und Karten produziert, nach dem Zweiten Weltkrieg, das Unternehmen war inzwischen in Prien am Chiemsee ansässig, kamen auch Brettspiele und Puzzles dazu. 1997 übernahm Ravensburger die Firma, labelte bis 2000 noch Produkte unter FX, stellte dann aber die Spiele ein.
XERXES
XERXES erschien gleich im Doppelpack als XERXES und FRUNDSBERG, zwei strategische Spiele, die stark an HALMA angelehnt waren. Als Autor wird Kurt Heuser benannt, die Regelbearbeitung übernahm Eugen Oker. Wenige Jahre davor hatte Heuser in der Logiplay-Reihe von F.X. Schmid ein ähnliches Spiel unter dem Titel SOLO veröffentlicht.
In seiner Rezension in der Zeit (49/1968) schrieb Oker damals über die Entwicklung: „Kurt Heuser war – bevor er Schriftsteller und Drehbuchautor wurde – Pflanzer in Mozambique. In der Einsamkeit der Savanne, ‚auf Vorposten‘, wie er es nennt, lernt der Mensch den Wert des Spiels begreifen; da wird er inne, was ihm eine Handvoll HALMA-Kegel sein können. Beinahe zwangsläufig sind dort, wo die Spärlichkeit zur täglichen Realität gehört, Variationen zum Spiel entstanden, darunter eine, die ein völlig neues ergab. Eine HALMA-Variante, sonst nichts – und doch wurde aus der alten amüsanten Hüpferei ein strategisches Problemspiel.“
Heuser hatte das Schlagen eingeführt, übersprungene Gegner kamen aus dem Spiel und damit änderte sich prinzipiell auch das Spielziel, HALMA bekam eine kriegerische Dimension, in der es um die Eroberung eines Spielfeldes ging.
Schon in SOLO standen sich zwei Doppelreihen von Figuren gegenüber, ähnlich der Schlachtordnung von Cannae. Im Rücken jeder Phalanx befand sich das jeweilige Zielfeld. Wer dieses zuerst mit einer Figur erreichte, gewann.
Nichts anderes passiert in XERXES, nur der Titel passt besser und Heuser oder Oker haben dafür gesorgt, dass es gleich drei unterschiedliche Aufstellungsvarianten gibt. Gespielt wird auf einem 15x19 Feld mit jeweils 24 Spielfiguren. Die Figuren ziehen wie beim Klassiker HALMA, diagonal oder orthogonal in jede Richtung. Eigene oder fremde Figuren dürfen übersprungen werden, wenn das Feld dahinter unbesetzt ist, auch Kettensprünge sind erlaubt. Eigene Figuren bleiben dabei stehen, fremde Figuren werden geschlagen.
Das zweite Spiel FRUNDSBERG ist viel spannender, da die Grundaufstellung hinter einem Sichtschirm geheim vorgenommen wird und eine wichtige Flussgrenze spielentscheidend ist. Figuren müssen erst den Fluss überschreiten und diesmal als Ziel ein Doppelfeld erobern.
Die HALMA-Variante hat Reiz und besitzt viele taktische Komponenten mit Blick auf das Vorgehen. Da lässt sich ganz klassisch in der fast unangreifbaren Phalanx marschieren oder mit Spähtrupps und raffinierten Sprungfolgen ein Überraschungsangriff starten.
Als RITTERSCHLACHT erlebte XERXES 1975 seine dritte Auferstehung bei F.X. Schmid. 1987 kam es dann noch einmal unter dem Titel XERXES heraus, damals allerdings ohne die FRUNDSBERG-Variante, sodass die spielbox diese alte Idee als Spiel im Heft anbot.
Titel: XERXES / FRUNDSBERG
Verlag: F.X. Schmid
Autor: Kurt Heuser
Spielerzahl: 2
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 30 - S30/2021
Samstag, 24. Juli 2021
COLOR CODE
COLOR CODE - Wie bunt ist unsere Welt?
Kreativ, kommunikativ und kooperativ soll es in Zukunft in Spielen von Chili Island zugehen. Der junge Ableger von Queen Games ist ein Experimentierfeld für den Verlegersohn Julien Gupta, der schon mit einigen Spieleveröffentlichungen wie IM TAL DER DRACHEN und WALD DER WÖLFE, stets in Kooperation mit Johannes Berger, auf sich aufmerksam gemacht hat.
Schon für Juliens Vater Rajive Gupta spielten Produktionsstandards eine wichtige Rolle, auch Julien setzt hier Maßstäbe, an der sich viele andere orientieren sollten. Seine Spiele kommen komplett ohne Plastik aus, die Folien sind biologisch abbaubar. Alles wird in Deutschland oder der EU hergestellt aus mindestens 70% recycelten Rohstoffen. Zugegeben, bei Materialien, die hauptsächlich aus Pappe und Papier bestehen, ist das auch einfacher, aber der Ansatz ist lobenswert.
Ob das ebenfalls für das erste Spiel des jungen Verlages gilt, werden wir gleich sehen.
COLOR CODE, erneut eine Kooperation Gupta&Berger, ist ein kooperatives Farbassoziationsspiel, bei dem alle mit dem richtigen Einfühlungsvermögen sich am Ende über viele Punkte und das Erreichen des Highscores freuen können.
Sie alle kennen das Lied „Grün, grün, grün sind alle meine Kleider“, die grüne Farbe besitzen sie, weil der „Schatz ein Jäger“ ist. Und weiter geht’s mit dem roten Reiter, dem blauen Matrosen, dem schwarzen Schornsteinfeger, dem weißen Müller und dem bunten Maler. Wenn es denn immer so einfach wäre mit der Zuordnung. Wie sieht für Sie eine Suppe aus oder welche Farbe assoziieren Sie mit Social Media, mit acht Farben dürfen Sie dabei im Grundspiel antworten. Im Modul „Buntes Treiben“ kommen Pink, Lila und Orange dazu.
Der Color-Coder bekommt drei Begriffe zugeordnet, je nach Anzahl der Beteiligten arbeitet das Team zwischen 12 und 18 Begriffen in einer Spielrunde ab, sodass jeder mindestens einmal an der Reihe ist. Wer mit den Karten „Suppe“, „Social Media“ und „USA“ startet, muss jeweils eine von seinen acht Farbkarten den begriffen verdeckt zuordnen. Der zwitschernde Twitter-Vogel ist blau, auch Facebook hat einen blauen Kreis, „Social Media“ übernimmt schon einmal die blaue Farbkarte. Diese Farbe hätte ich durchaus auch für die USA in Betracht gezogen, schon allein wegen der Flagge und der Demokraten. Bleiben die roten Streifen, obwohl man hier ganz schnell in das Fettnäpfchen der Diskriminierung treten könnte, da auch die alte Karl May Bezeichnung „Rothäute“ in diesen Assoziationskreis auftauchen könnte. Entscheidend ist, was die anderen denken. Bleibt die Suppe, Curry als Zutat fällt aus, da die orangene Farbe noch im Erweiterungsdeck steckt, eine schöne Rote Beete-Suppe verhindern die USA, bleiben die klassische grüne Erbsensuppe oder die braune Gulaschsuppe. Mit einem 50/50 Hilfs-Chip könnte ich es meinen Mitspielern leichter machen.
Spannend ist danach die Diskussion in der Gruppe, bei der es dem Color-Coder meist schwer fällt, nichts zu sagen, wenn die anderen die Lösung schon parat haben, aber immer noch diskutieren oder meilenweit weg von der Richtung Zuordnung sind. Bei mir geht’s schon los mit den Sozialen Medien, was für mich eindeutig war, geht eher in die rote Richtung wegen Instagram, Pinterest und YouTube. Für die USA bleibt dann nur noch blau übrig, weil man ja auch über den großen blauen Ozean fliegen müsse. Zumindest bei der Suppe geht’s in die richtige Richtung, da ich es ihnen leichter gemacht habe, setzt das Team auch noch einen Bonus-Chip ein, der die Wertung verdoppelt.
Für die Auswertung gibt es eine Wertungstafel, jeweils zwei richtige Lösungen bringen das Team voran. Berauschend war dieses erste Ergebnis noch nicht, aber wir haben ja noch vier Runden. Am Ende dürfen wir uns über 14 Karten bzw. Bonus-Chips freuen, die uns den „Highscore“ einbringen. Das schafft man auch meistens, wenn man sämtliche Hilfechips, wie den Insider und Farbfilter nutzt, wobei der letzte eine Farbe ausschließt und der erste auf gemeinsamen Erfahrungen beruht. Die insgesamt drei Bonus-Chips richtig eingesetzt, reichen meist für den Sprung über die höchste Wertungsgrenze.
Wer nur mit Erwachsenen spielt, kann auch die 18 extra scharfen Begriffe mit einmischen und sich fragen, welche Farbe hat denn die Ekstase oder müssen Dessous nur schwarz sein? Im Modul „Buntes Treiben“ kommen nach jedem geschafften Level die drei zusätzlichen Farben ins Spiel. So ganz viel bringt das allerdings nicht, da erstaunlich oft die Farben Rot, Blau, Grün, manchmal auch noch Schwarz und Weiß gewählt werden und die Trefferquote mit diesen Farben erheblich höher ausfällt.
Mit COLOR CODE ist Gupta&Berger ein guter Einstieg des neuen Verlages in den Bereich der Kommunikationsspiele gelungen. Das Spielprinzip bietet zwar wenig Neues, deutlich mehr bieten die anregenden Diskussionen um die bunte Vielfalt unserer Welt.
Titel: COLOR CODE
Autor: Johannes Berger, Julien Gupta
Grafik: Annika Jansen, Sandra Grelling
Verlag: Chili Island
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 53/2021
Freitag, 23. Juli 2021
DIABOLO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Teuflisches Spiel: DIABOLO
Michael Schacht gehört zu den vielseitigsten Autoren, die in den 90er-Jahren in Konkurrenz zu Kramer und Co. angetreten sind. Er hat ein gutes Händchen für die großen Spiele, KARDINAL UND KÖNIG gehört immer noch zum Besten, was er je entwickelt hat, eine Reihe seiner Kartenspiele, darunter COLORETTO, gehören aber in die allererste Riege. Dieser Tradition folgt DIABOLO, sein neuestes Amigo-Spiel.
70 Zahlen in fünf Farben mit Werten von 1 bis 5 stehen den drei bis fünf Spielern zur Verfügung. Sechs davon hat jeder auf der Hand, mit jedem Spielzug wird ergänzt, bevor eine Karte passend an farblich zugeordnete „Himmel und Hölle“-Karten in der Tischmitte gelegt wird. Die Entscheidung, die jeweils zu fällen ist, heißt damit: Ordne ich meine Farbkarte lieber dem Himmel oder der Hölle zu. Sobald insgesamt zweimal fünf Karten an beliebigen Farben anliegen, wird zumindest im Spiel zu dritt und zu viert gewertet. Überwiegen die Engelspunkte, wird die Farbe positiv gewertet, im anderen Fall gibt es Minuspunkte, bei Gleichstand, wird die Farbe nicht gewertet. Die Zuordnung der Punkte ergibt sich aus den sechs Handkarten der Spieler. Der Spieler, der die höchste Kartensumme der abgerechneten Farbe besitzt, erhält die Plus- oder Minuspunkte. Zusätzlich darf einmal vor dem Aufdecken der Farbkarten der Spieler eine so genannte „Dopplerkarte“ eingesetzt werden, die den Ergebniswert verdoppelt. Das ist schon das ganze Spiel. Beachtet werden muss nur noch, dass maximal drei Karten auf einer der Kartenseiten angelegt werden dürfen.
Ein typischer Schacht: minimales Regelwerk für ein schnelles Spiel, das Spaß macht. Gespielt werden so viele Runden, wie Spieler teilnehmen, so dass meist nach 15 bis 30 Minuten das teuflische Spielvergnügen DIABOLO schon vorüber ist. Diese Spieldauer hindert niemanden, zu Revancherunden anzutreten. Für die Abrechnung liegt sogar ein Punkteblock dem Spiel bei.
DIABOLO ist nichts für Taktiker, große Überlegungen muss man nicht anstellen, da Planungen häufig genug durch unglückliche Kartenaufnahme zerstört werden können. Trotzdem wird man nicht nur gespielt, hat bei sieben Karten, die jeweils zur Auswahl stehen, schon Einflussmöglichkeiten, wobei besonders das rechtzeitige Herbeiführen der Wertung oft spielentscheidend ist. Himmlisch gut ist DIABOLO sicherlich nicht, teuflisch schlecht aber auch nicht, kein großartiges, aber ein solides Spiel, mit leicht positiver Bilanz auf der himmlischen Seite, zumal es äußerst preiswert auf dem Markt zu erhalten ist.
Titel: DIABOLO
Autor: Michael Schacht
Grafik: Michael Schacht
Verlag: Amigo
Spieler: 3- 5
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: 8 Euro
Spiel 8/2006 R121/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt Michael Schacht mit seiner Partnerin Marianne Hartz im DIABOLO-Jahr 2006 in Göttingen.
Donnerstag, 22. Juli 2021
WER HAT MEHR?
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
WER HAT MEHR?
Geht’s noch ein bisschen hässlicher? Dieses Spiel mit den Temperamenten, das Piatnik von dem englischen Autor Alan Moon in diesem Jahr veröffentlicht hat, wirbt nicht unbedingt mit seinem Cover. Der aufbrausende Choleriker, der träumende Phlegmatiker reizen mich eigentlich nicht, dieses Spiel in die Hand zu nehmen. Dann schon eher das melancholische Konterfei eines Woody Allen Doppelgängers.
Hinter dieser thematischen Verpackung steckt ein Stichspiel, das gar nicht so schlecht ist. Die 60 Spielkarten, die der roten Cholerik, gelben Sanguinik und blauen Phlegmatik zugeordnet sind, besitzen Werte von 1 bis 20. Zusätzlich gibt es vier Trumpfkarten, bei der Allen als Melancholiker den Verzicht auf Trumpf mit sich bringt. Außerdem spielen Bietchips eine nicht unwichtige Rolle.
Die Rundenzahl orientiert sich an der Spielerzahl, sodass zwischen acht und 13 Runden gespielt werden. Die Zahl der Handkarten startet niedrig bei drei Karten und steigert sich von Runde zu Runde um eine Karte. Am Ende bekommt jeder je nach Spielerzahl zwischen 10 und 15 Karten, die Trumpffarbe wird zufällig bestimmt. Vor dem Spiel bewerten alle ihre Kartenhände und wetten der Reihe nach offen auf Farben, von denen man meint, am Ende die meisten Karten zu besitzen. Wer sich für den Melancholiker entscheidet, zeigt damit an, dass er insgesamt die wenigsten Karten am Ende haben möchte. In dieser Bietphase hinten zu sitzen, besitzt Vorteile, da man die vorher abgegebenen Gebote in seine Überlegungen mit einbeziehen kann. Wer will darf auch auf mehr als eine Farbe setzen.
Der Spielablauf entspricht den üblichen Stichspielregeln, die wir aus dem SKAT-Spiel kennen. Es besteht Farb-, aber kein Stichzwang. Wer den Stich gewinnt, spielt weiter aus. Am Ende bringt jede erfüllte Wette fünf Punkte, hinzu addiert wird jede Karte dieser Farbe. Unerfüllte Wetten zählen fünf Minuspunkte. Der graue Chip bringt so viele Plus- oder Minuspunkte wie Handkarten in der entsprechenden Runde verteilt wurden.
Was am Anfang noch eher zufällig abläuft, wird mit steigender Kartenzahl berechenbarer und fängt an Spaß zu machen. Die Spielregel bietet am Ende noch einige Varianten, die keine Langeweile aufkommen lassen. So gibt es doppelte Bietmöglichkeiten und geheime Gebote.
Augen zu und durch, kann ich nur empfehlen, das Spiel ist zwar potthässlich, aber als Stich- und Bietspiel besitzt es Reiz. Bei wenigen Karten ist das Bieten auf eine Farbe eher zufällig, da keiner weiß, welche Karten überhaupt im Spiel sind. Hinten raus wird das alles kalkulierbarer und spannender.
Titel: WER HAT MEHR?
Autor: Alan Moon
Grafik: Wolfgang Rieder
Verlag: Piatnik
Spielerzahl: 3- 6
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: 45 Minuten
Preis: 10.- DM
Spiel 05/1990 R119/2021
Die Rezension erschien 1990
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Alan Moon war in den 80er Jahren für Avalon Hill journalistisch tätig, arbeitete auch an der Spielentwicklung für diese Firma und für Parker Brothers. Dem deutschen Publikum wurde er Anfang der 90er Jahre durch Spiele wie AIRLINES (Abacus) und Spiele des Verlags White Wind bekannt, den er zusammen mit Peter Gehrmann gründete. In dieser frühen Phase erschien WER HAT MEHR (1990) bei Piatnik.
In 1000er Auflagen erschienen die meisten Spiele bei White Wind so auch ELFENROADS, das später in der Version von Amigo als ELFENLAND Moons erstes „Spiel des Jahres“ wurde. Zwischen 1998 und 2004 war Moon besonders erfolgreich.. Mit UNION PACIFIC (1999) und DAS AMULETT (2001) landete er auf der Nominierungsliste. 2004 gelang ihm sein größter Erfolg mit ZUG UM ZUG, zu dem in der Folgezeit verschiedene Varianten und Erweiterungen erschienen sind und immer noch erscheinen.
WER HAT MEHR erschien 2001 in einer attraktiveren Fassung als WHERE’S BOB’S HAT? bei Abacus.
In dieser erfolgreichen Phase war Moon erster Vorsitzender der Spieleautorenzunft. Das Bild stammt aus einem Gespräch zweier Preisträger in Göttingen aus dem Jahre 2005. Werner Hodel und Alan Moon diskutieren, ob der Mississippi oder die Schiene der bessere Transportweg in den USA sei.
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