Donnerstag, 12. August 2021
ROBINSON & FREITAG
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Zurück zur Natur: ROBINSON & FREITAG
Was ist eine Robinsonade ohne Floßbau, Palisaden und einen ordentlichen Ausguck nach Rettung bringenden Schiffen. HiKu hat ein bisher einmaliges spielerisches Ambiente für den Klassiker Gestrandeter geschaffen. Der Spieleschatz kommt in einer Schatztruhe aus Holz verpackt daher. Fünf Robinsoninseln aus Leder – für jeden der maximal fünf Spieler eine -, dazu fast 150 Bauteile aus Naturmaterial, für alles, was Robinson so auf seiner Insel braucht, notwendiges Strandgut, Fässer, Planken, Bretter und Steine. Richtig eingesetzt, bieten diese Ressourcen Schutz vor den Gefahren der unbekannten Insel. Ein Zaun bietet Deckung vor wilden Tieren, eine Hütte aus Steinen und Brettern hilft bei Überflutung und schützt vor feindlichen Wilden. Notwendiges Frischwasser fließt durch die Wasserrinne. Entscheidend ist letztlich aber der rettende Floßbau, denn nur wer am Ende das größte Floß gebaut hat, darf von seiner Insel ablegen.
Michael Palm setzt sein Spiel ROBINSON & FREITAG mit Hilfe eines einfachen, aber reizvollen Pokermechanismus um. Jede Spielrunde beginnt mit
einem Bietverfahren um das Baumaterial. Aus der Fülle des Materials nimmt sich jeder Spieler drei Teile, die er verdeckt bietet. Um Bauteile auch behalten zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden:
1. Bietet ein Spieler eine Sorte Bauteile alleine an, darf er alle gebotenen Teile behalten.
2. Haben mehr Spieler Bauteile einer Sorte in ihrer Hand, dann erhält nicht der Spieler, der am meisten geboten hat, sondern der, der am wenigsten geboten.
3. Gibt es mehr Spieler, die gleich wenig oder gar nichts geboten haben, bekommt keiner etwas.
Nach der Bietrunde und der Verteilung des Baumaterials, dürfen die Inseln ausgebaut werden. Das gewonnene Material darf im Vorrat bleiben, es sollte aber auch zum Floßbau und zum Schutz der eigenen Insel verwandt werden, denn nur so schützt man sich vor der nach der Baurunde folgenden Ereignisrunde. Wenn ein Spieler nichts gewonnen hat und auch keine Materialien mehr in seinem Vorrat liegen hat, darf er eins von acht Ereignissen auslösen, die in Form von kleinen bedruckten Lederinseln existieren. Dabei gibt es meist negative Ereignisse, einige positive und die Begegnung mit Freitag, die keine direkte Auswirkung hat, dafür aber durch die zweite Begegnung, wenn die Ereignisinseln einmal durchgespielt sind, das Spielende herbeiführt. Sichern kann man sich vor schlechten Ereignissen wie den Angriff feindlicher Inselbewohner nur durch spezifische Schutzbauten, hier zum Beispiel den Palisadenbau. Der Spieler, der sich am wenigsten geschützt hat, verliert ein Bauteil, das der Spieler aussuchen darf, der das Ereignis ausgelöst hat. Umgekehrt können die Spieler bei den Ereignissen „Treibgut“ und „Freundliche Inselbewohner“ Bauteile gewinnen.
Der Reiz des Spiels geht einerseits von dem tollen Material aus, anderseits von dem raffinierten Bietmechanismus. Das hat etwas von spannenden Pokerrunden, da ist viel Psychologie mit im Spiel. Jedes Mal stehen die Spieler vor der Entscheidung, ob die breite Streuung und das Bauen auf eine Sorte die angemessene Strategie sein könnte. Wer viel Glück hat, kann seine drei Teile behalten und zusätzlich noch andere Sorten abkassieren. In jeder Runde ist es immer wieder ein erregendes Spielchen mit den Mitspielern. Problematisch ist allerdings, dass das Ganze in voller Besetzung doch sehr zufällig bleibt. Zu dritt und zu viert machen diese Bietrunden aber viel Vergnügen. Da für den Spielsieg die Planken für den Floßbau wichtig sind, geht es natürlich vor allen Dingen um den Gewinn dieser Bauteile. Die Regel lässt Vorratshaltung zu, was anderseits verhindert, dass Ereignisinseln genommen werden können. Hier besteht eine gewisse Gefahr, dass das Spiel sich selbst aufhängt. Wenn alle nur auf Vorrat spielen, weil sie keine Floßplanken verlieren wollen, kommt die erste Ereigniskette gar nicht so recht in Gang. Problematisch ist auch, dass es keine Baubegrenzung aus dem Vorrat heraus gibt. Wer also lang genug genügend Planken bunkert, könnte am Ende sein Floß bauen, zum zweiten Mal Robinson nehmen und das Spiel gewinnen. Wir haben in unseren Runden auf die Vorratsregelung verzichtet und alle gewonnenen Teile verbauen lassen, das führt zu einem zügigeren Ende des Spiels. Als reizvoll hat sich im Übrigen auch eine Zweier-Variante heraus gestellt, in der jeder für zwei Inseln verantwortlich ist und in der jeder weiß, was sich in seiner rechten und linken Hand für die entsprechenden Inseln verbirgt. Das gibt der Bietrunde zusätzlichen Pfiff.
Mit leichten Regeländerungen und unter Verzicht auf das Spielen in voller Besetzung lohnt ein spielerischer Ausflug in die Inselwelt von ROBINSON & FREITAG. Sie erhalten einen Spieleschatz, der jenseits von ludofaktischen Schachteln und Spielmaterialien angesiedelt ist - etwas ganz Besonderes also!
Titel: ROBINSON & FREITAG
Autor: Michael Palm
Verlag: HiKu
Spieler: 3- 5, besser bis 4, auch für zwei Spieler möglich
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 30 bis 45 Minuten
Spiel 21/2006 R135/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der „Seetroll“ Michael Palm entwickelt seit 25 Jahren Spiele und managt seit fast 30 Jahren das Spielefachgeschäft Seetroll in Konstanz und Friedrichshafen.
Viele seiner Ideen hat er zusammen mit Lukas Zach entwickelt, darunter DIE ZWERGE und die UNDO-Reihe bei Pegasus Spiele, aber auch Kinderspiele wie Bim BAMM! und ZAUBEREI HOCH DREI, die auf der Empfehlungsliste für das Kinderspiel 2013 bzw. 2017 landeten.
Für Hiku hat er neben ROBINSON & FREITAG noch VOODOO PARTY und ÉTOILE veröffentlicht. Das letzte Spiel ist dann später noch einmal bei Gerhards Spiel und Design erschienen.
Das Foto zeigt Michael Palm in einem seiner Läden am Bodensee.
Mittwoch, 11. August 2021
RAPA NUI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Osterinselspiel: RAPA NUI
Der Göttinger Geologe und Spieleerfinder Reinhold Wittig hat schon in den 80er Jahren mit Vielen Ideen die Materiallandschaft für Spiele verändert.
Jenseits von Papp-Plan, Pöppeln und Plastik-Chips spielten bei ihm Leder- oder Skaipläne, Muttern (schon 1974) und Muscheln, opulente Holzausstattungen eine wichtige Rolle. Über 30 Jahre hinweg ist der Autor diesem Prinzip treu geblieben, er liefert Augenschmaus, er bietet Haptik und kulturell oder wissenschaftlich eingebundene Spielideen. Immer noch befindet er sich auf einer Reise „Mit 80 Spielen um die Welt“ und ist dabei zum zweiten Mal auf der Osterinsel gelandet, diesmal begleitet ihn ein neuer Freund und Erfinderkollege, der Jenaer Mathematikprofessor Ingo Althöfer. Nach HOTU MATUA, dem ersten Osterinsel-Spiel, das den Reisen des sagenhaften gleichnamigen Entdeckers der Osterinsel gewidmet war, steht RAPA NUI diesmal selbst im Vordergrund, gespielt wird auf der Osterinsel. Das berühmte Inseldreieck stellt mit seinen geschwungenen Buchten den großen stabilen Holzspielplan dar, der mit 45 Bohrungen versehen ist, in diese Felder kommen Würfel-Sockel, dort hinein Sockel-Würfel, außerdem besitzt jeder Spieler zwei sein Spiel steuernde Spielsteine.
Wittig und Althöfer begeben sich spielerisch auf die Spuren der Besiedlung der Insel. Ihr taktisches Würfelspiel beginnt mit der ersten Siedlungsphase und endet unter dem Druck der sich ausbreitenden Bevölkerung. Am Anfang setzen die zwei bis drei Spieler ihre beiden Spielsteine ein, von diesen Feldern aus beginnen sie ihre Besiedlung der Insel. In der nächsten Phase, die die Autoren als „Kultur-Phase“ bezeichnen, müssen neun Felder belegt werden, dazu bewegen die Spieler ihre Spielsteine abwechselnd. Sie ziehen ein Feld weiter, auch auf diagonal angrenzende Felder. Die verlassenen Felder werden mit Holzsockeln belegt und einer von neun vorher bereit gelegten Würfeln wird oben auf den Sockel gelegt. Danach folgt das eigentliche Spiel, in dem es enger und enger auf RAPA NUI wird. Zu diesem Zeitpunkt sind beim Spiel zu dritt ein Drittel der 45 Felder mit Spielsteinen oder Würfel-Sockel mit Würfeln belegt. Die Spielsteine der Spieler besitzen also noch genügend Bewegungsmöglichkeiten, um sich auf der Insel auszubreiten. Im Prinzip geht das Spiel wie in der „Kultur-Phase“ weiter: Spielstein bewegen, Würfel-Sockel setzen, würfeln und den Würfel in den Sockel setzen. Zusätzlich muss jetzt ein rosa Würfel geworfen werden. Das Wurfergebnis macht es möglich, einen Würfel aus einem Sockel zu entfernen. Sobald das erstmals passiert ist, dürfen die Spieler nach ihrem Zug entscheiden, ob sie mit dem rosa Würfel werfen oder einen leeren Sockel entfernen. Dadurch können neue Bewegungsräume gewonnen werden. Trotzdem sorgt der Zwang, in jeder Runde den Sockel mit Würfel platzieren zu müssen, dafür, dass es immer enger auf der Insel wird. Sobald ein Spieler keinen seiner Setzsteine mehr bewegen kann, scheidet er aus.
Eine Besiedlungspartie geht meist nach einer halben Stunde vorüber, ein zügiges Spiel also, das Revancherunden zulässt. Die sollte man auch nutzen, denn RAPA NUI ist zwar ein Würfelspiel, besitzt aber einigen taktischen Tiefgang. Das geht schon mit der Einsetzphase los, über die Gebiete abgesteckt werden können. Jeder versucht für sich Rückzugsbereiche zu schaffen, die aber durch die Rosa-Phase immer wieder durchbrochen werden. Dieses Glückselement macht den eigentlichen Reiz des Spiels aus, da dadurch Schneisen in Umzingelungen geschlagen werden können, die den Mitspielern gar nicht passen. Tolles Material, klasse Spielidee und viel Spielspaß, RAPA NUI sollten sich auch große Verlage näher ansehen.
Titel: RAPA NUI
Autor: Reinhold Wittig, Ingo Althöfer
Verlag: Edition Perlhuhn
Spieler: 2 - 3
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60 Euro
Spiel 20/2006 R134/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Der 1961 in Lage geborene Mathematiker Ingo Althöfer promovierte 1986 in Bielefeld, seit 1994 hat er den Lehrstuhl für Mathematische Optimierung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena inne.
Seine Forschungsschwerpunk liegen in den Bereichen Spieltheorie und Kombinatorische Optimierung. Althöfer hat experimentell untersucht, wie sich Lego-Steine beim Waschen in der Waschmaschine zu Zufalls-Komplexen zusammensetzen, die Ergebnisse dokumentierte er in „Meine wunderbare Wasch-Saison“. Sein Highlight der Wasch-Saison2013: „Steine von verschiedenen Herstellern (einschließlich LEGO und der DDR-Marken PeBe2000 und Formo) bilden in der Waschmaschine gemeinsame Zufallskomplexe: Es wäscht zusammen, was zusammen gehört!“
Spielideen veröffentlichte er im Eigenverlag 3-Hirn Spiele. 2006 erhielt Altöfer den Inno-SPATZ der Stadt Göttingen.
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 84jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
1990 landete er mit DINO, damals noch von Hexagames auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel.
Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. 2020 wurde Wittig in die Hall of Fame des Origins Award aufgenommen. Aktuell besteht eine enge Kooperation mit Joe Nikisch, der exklusiv bei Abacus einige Perlhühner veröffentlicht.
Das Bild zeigt Wittig und Althöfer bei der SPATZ-Verleihung 2006.
Dienstag, 10. August 2021
DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP
Nach dem Ausflug ins Filmgeschäft 2004 sind auf der Spiel in Essen 2005 Sandfuchs und Sienholz, die Macher von Krimsus, mit ihren Spielen ins altägyptische Ambiente eingestiegen. Dabei bleiben sie bei dem Spiel DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP durchaus filmnah auf den Spuren von Indiana Jones.
Wie gewohnt, kommen die Krimsus- Spiele als preiswerte Kartenspiele daher. Wobei 110 Spielkarten in der Auslage Brettspieldimensionen einnehmen, sogar die Spielfiguren lassen sich aus dem Kartenmaterial basteln. Zwei bis fünf Archäologen befinden sich auf Schatzsuche in der sagenumwobenen PYRAMIDE DES KRIMSUTEP. In die 6 mal 6 Felder große Kartenauslage mit hellen und dunklen anfangs verdeckt liegenden Gangkarten führt der Weg über ein Basislager. Am Anfang suchen die Altertumsforscher nach Eingeweidekrügen, wobei für jeden Spieler nur einer unter den 36 Karten versteckt ist. Sobald eine Kanope entdeckt ist, wird der Geist des Erbauers der Pyramide lebendig und bedroht als wandernde Mumie die Forscher. Erst wenn die Kanopen im Basislager sind, tauchen auf wundersame Weise Schätze in der Pyramide auf. Sobald es einem Spieler gelingt, einen Schatz aus der Pyramide zu schaffen, endet das Spiel. Davor sind aber noch viele Pyramidenabenteuer zu bewältigen, da gibt es nicht nur die Mumie, vor der man sich in acht nehmen muss, sondern Fallgruben, rutschige Rampen, und geheimnisvolle kleine Pyramiden in der Pyramide, die beim Betreten stets zum Verlust mitgeführter Schätze führen, aber auch eine Teleporterfunktion besitzen, die taktisch genutzt werden kann.
Gesteuert wird das Spiel über Bewegungspunkte, multifunktionale Ausgrabungskarten und über die ägyptische Lebensenergie Ankh, die über Gang- und Ausgrabungskarten gewonnen werden kann. Für die Zielkarte, die man in seinem Zug erreichen will, muss eine passende Ausgrabungskarte abgelegt werden, diese dienen aber auch dazu, Gänge zu erforschen, die Mumie abzuwehren und andere Forscher zu überfallen oder deren Überfälle abzuwehren.
Das Spiel ist vielschichtig angelegt, vielleicht sogar zu vielschichtig, die Regel erleichtert dabei nicht unbedingt den Zugang. Die Memoanforderungen durch häufige Auslageveränderungen sind in meinen Spielgruppen nicht unbedingt auf Zustimmung gestoßen. Die Vernetzung von Kartensteuerung, direkten und indirekten Bedrohungselementen ist aber gut gelungen. Trotzdem bleibt für das Spiel ein großes Problem, es dauert besonders mit vier und fünf Spielern einfach zu lange.
Titel: DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP
Autor: Ralf Sandfuchs
Grafik: Matthias Catrein
Verlag: Krimsus
Alter: ab 12 Jahren
Spieler: 2- 5
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 8 Euro
Tipp: Guter Service des Verlages, Krimsus bietet zum Herunterladen auf seiner Homepage einen Spielplan für die Kartenauslage an.
Spiel 19/2006 R133/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Ralf Sandfuchs und Mark Sienholz haben 1998 den Kleinverlag Krimsus Krimskrams-Kiste gegründet und bis Mitte 2000 jährlich mindestens ein Kartenspiel und ein Rollenspiel veröffentlicht.
Ihre Wurzeln haben die beiden Verlagsleiter und Autoren im Rollenspielbereich, so hat Ralf Sandfuchs das satirische Knuddeltier Rollenspiel „Plüsch, Power & Plunder“ mit entwickelt. Mit einem neuen PP&P-Abenteuer wollten sie 1997 auch in eine eigene Verlagskarriere starten, ergänzt durch ein Einsteiger-Rollenspiel und einem einfachen Kartenspiel. Als verspielte „Harlekin“e traten sie auf der Spielmesse in Essen an, aber der derbe Possenreißer trieb seine Späße eher mit seinen Erfindern. Die PP&P-Rechte erhielten sie nicht und dann legten gleich zwei Firmen Einspruch gegen die Namensnutzung ein. Krimsu und Sandfox standen gleich zu Beginn ihrer nebenberuflichen Verlagskarriere vor dem Aus. Die beiden Freunde hielten auch dann noch durch, als Guido Paul, der ursprünglich als dritter Kompagnon mit im Boot saß, das Handtuch warf.
Mit der Krimsus Krimskrams-Kiste war bald ein absolut fälschungssicherer Verlagsname gefunden, mit dem sie der bald auch ein klares Verlagsprofil entwickelten. Leise Töne kennt vor allem Krimsu nicht, er macht gern mit Paukenschlägen aufmerksam auf seine
Verlagsveröffentlichungen, das kann über den Weg deftiger Aprilscherze laufen, in Essen sind seine marktschreierischen Sektempfänge zur Mittagszeit berühmt), bei denen den Zuschauern immer mal wieder Kartenspiele um die Ohren flogen.
Das Bild zeigt die beiden Verleger 2006 in Essen.
Sonntag, 8. August 2021
NUMBER ONE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Es wird eng für die NUMBER ONE
Die Crème de la Crème der italienischen Spielautoren hat sich bei dem bei Mespi erschienen Spiel NUMBER ONE mit dem leider im letzten Jahr verstorbenen Alex Randolph zusammengetan. Eine Reminiszenz an den Altmeister, den Nestor aller Spieleautoren, eine Erinnerung an eines seiner Frühwerke PFERDEÄPPEL ist dabei entstanden. Leo Colovini (INKOGNITO, CARTAGENA, CLANS, KÖNIG SALOMONS SCHATZKAMMER u.v.a.), Dario de Toffoli (DUMMY/YUMMY, JAGD DER VAMPIRE u.a.) und Renato de Rosa (INFERNO) greifen zusammen mit Alex Randolph das Isolationsprinzip des 1981 erschienenen Bütehornspiels auf.
Waren es dort kleine Pferdeköttel, die die Pferdefiguren in Schachmanier auf einem Spielplan hinterließen, um damit die Bewegungsmöglichkeiten des Gegenspielers einzuengen, so sind in NUMBER ONE die „Köttel“ alle schon vorhanden. 91 davon liegen – schaumstoffgelagert - in einem sechseckigen Lochbrett und können leicht herausgedrückt werden. Die Spielerzahl hat sich von zwei auf vier verdoppelt, aus den zwei Pferdefiguren sind drei Figuren für jeden Spieler geworden. Das Spielprinzip ist aber geblieben: die Gegenspieler werden in ihren Bewegungsmöglichkeiten eingeengt, so dass der Spieler gewinnt, der sich als letzter noch bewegen kann. Dabei spielt die Spielfigur NUMBER ONE die entscheidende Rolle. Sie ist die kleinste Figur, die jeder Spieler besitzt und kann sich immer nur um ein Feld vorwärts bewegen. Die mittlere Figur muss zwei Felder gehen und die größte drei. Die letzte Figur entspricht durch ihre Winkelzüge am ehesten dem Pferd aus Randolphs Vorläuferspiel. Sobald sich die kleinste Figur eines Spielers nicht mehr bewegen kann, hat dieser verloren. Positiv formuliert: Das Spiel gewinnt der Spieler, dessen kleinste Figur als einzige am Ende noch bewegungsfähig bleibt.
Die tonnenähnlichen Holzfiguren starten je nach Spielerzahl von vorgegebenen Spielplanecken aus. Sie werden so aufgestellt, dass eine Markierung im Kopfteil der kleinen Tönnchen zu sehen ist. Gezogen werden muss immer mit allen drei Figuren. Die Reihenfolge legt jeder Spieler selbst fest. So führt er seine größte Figur über drei Felder, die mittlere über zwei, wobei in der Regel geradlinig gezogen werden muss, ein Abbiegen bei auftretenden Hindernissen (Spielfeldrand oder andere Figuren) aber erlaubt ist. NUMBER ONE kann immer nur ein Feld weitergehen, je nach Position maximal in sechs verschiedene Richtungen. Auf den jeweiligen Zielfeldern werden die schwarzen Markierungssteine hinausgedrückt, so dass in der nächsten Runde, wenn die Tönnchen ihre Felder verlassen, Löcher zurückbleiben. Nur ein einziges Mal dürfen die Spielfiguren solche Felder betreten. Damit die Spieler die Übersicht behalten, welche Figuren diese Möglichkeit genutzt haben, werden sie umgedreht, so dass die Markierung am Kopfende nicht mehr zu sehen ist. Sobald die Spielsituation zum zweiten Mal das Betreten eines Feldes ohne Spielstein nötig macht, muss sie aus dem Spiel genommen werden. Trifft dies die kleinste Figur, ist das Spielende für den entsprechenden Spieler gekommen, auch wenn er noch größere Figuren bewegungsfähig auf dem Spielbrett hat.
NUMBER ONE besitzt deutlich mehr Spieltiefe als das Vorläuferspiel von Alex Randolph. Die Bewegungspflicht für die drei Spielfiguren ermöglicht einerseits aggressives Spiel, das Räubern in den Bewegungsfeldern der Gegner, andererseits kann man versuchen, abzublocken, Schutzräume und damit Bewegungsmöglichkeiten für die eigene NUMBER ONE zu schaffen. Darum geht es im Wesentlichen auch: die Bewegungsspielräume für die kleinste Figur müssen erhalten bleiben, denn das Spielende ist immer schnell absehbar. 91 Spielfelder, von denen in jeder Spielrunde, auch schon durch die Startpositionen je nach Spielerzahl sechs bis zwölf verschwinden, zeigen die Endlichkeit auf. Für Liebhaber taktischer Spiele ist diese italienische Teamarbeit ein Muss, besonders wenn man es zu zweit spielt. Die Südtiroler Firma Mespi hat das Spiel funktionsgerecht produziert. Das Spielmaterial ist hochwertig, die Spielregel lässt keine Frage offen. Ich hätte mir nur eine Farbgestaltung des in Natur gehaltenen Pressholz-Brettes gewünscht.
Titel: NUMBER ONE
Autor: Leo Colovini, Renato de Rosa, Dario de Toffoli, Alex Randolph
Verlag: Mespi
Spieler: 2 - 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 bis 30 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 17/2005 R132/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Diese Teamarbeit von Venice Connection um Randolph, Colovini, de Toffoli und de Rosa darf als Reminiszenz für den 2004 verstorbenen Altmeister Alex Randolph angesehen werden. Seine Partner kleiden den Klassiker PFERDEÄPPEL in ein neues Gewand.
BAZAAR
SAMMELSURIUM
3M Buchkassetten
In den 60er und 70er Jahren hat die Firma 3M (Minnesota Mining & Manufacturing Company) Maßstäbe in der Spielentwicklung gesetzt, die sich auch auf den deutschen Markt auswirkten. Spiele landeten im Buchschuber und damit plötzlich im Bücherregal nicht nur von 3M, sondern als Casino-Spiel von Ravensburger oder in der E-Serie von F.X. Schmid und im kleineren Schuber von Pelikan.
Gut die Hälfte der 3M-Spiele kommt ohne Autorennennung aus, hauptsächlich tauchen Sackson (neben AQUIRE, BAZAAR, EXUCUTIVE DECISION) und Randolph (TWIXT, BREAKTHRU, OH-WAH-REE) auf, daneben noch Frank Thibaut (CONTIGO, PLOY), Winters (HIGH BID), Bernett (PHLOUNDER) und Lipman (POINT OF LAW).
Insgesamt gibt es 29 Spiele der Bookshelf-Reihe, in Deutschland sind dann allerdings nur 10 erschienen (AQUIRE, BAZAAR, BREAKTHRU, EXECUTIVE DECISION, FACTS IN FIVE, FEUDAL, PLOY, STOCKS AND BOUNDS und TWIXT), ergänzt durch drei Klassiker (BACKGAMMON, GO und SCHACH).
Die deutschen Spiele hat Michel Matschoss betreut, der zusammen mit Alex Randolph SAGALAND entwickelt hat und lange Zeit Produktmanager für Winning Moves war.
BAZAAR
In den USA erschien BAZAAR von Sid Sackson zuerst 1967, die deutsche Fassung kam nur ein Jahr später heraus.
BAZAAR ist ein ganz abstraktes Tauschspiel, das sehr variabel immer wieder neue Tauschrelationen von Farbchips neu reguliert, mit denen man Warenkarten erwirbt. Zwei von zehn Kurskarten definieren für jedes Spiel diese Relationen. So bekommt man für einen blauen Chip zwei grüne, oder für einen weißen, einen grünen, einen roten und einen gelben usw.
Ein Warenangebot von vier Karten, deren Erwerb jeweils fünf beliebige Farbchips erfordert, liegt offen aus. Wer am Zug ist erwürfelt sich einen Chip oder nutzt die Tauschoptionen, um später Warenkarten zu kaufen. Der Wert der Karte wird definiert durch die übriggebliebenen Chips. Je knapper man kalkuliert, umso mehr Punkte gibt es. Bei besonders schwierigen mit Sternchen gekennzeichneten Farbkombinationen gibt es mehr Punkte. Wer bei einer einfachen Karte drei oder mehr Chips behält, bekommt nur einen Punkt. Für die Buchhaltung liegt ein kleiner Block bei.
Sobald zwei Warenstapel mit jeweils fünf Karten vollständig verkauft wurden, endet das Spiel. Sid Sackson bietet für BAZAAR auch eine Soloregel an, nach der bewertet wird, wie oft man tauscht, um eine Warenkarte ohne Reststein zu bekommen.
Das Besondere an Sacksons Klassiker ist die Punktwertung. Minimalistisch darf man keinen Tauschwucher betreiben, sondern muss sich auf das Notwendigste reduzieren. Das verstärkt allerdings auch den Grübelfaktor dieses Spiels.
Die Umsetzung mit Plastik-Chips in der 3M-Fassung ist atmosphärisch steril. Zu den vielen Neuauflagen gehörte 1979 eine mit Biersorten. BIER BÖRSE von Parker war aber schnell vom Markt verschwunden. Gelungen war dann aber sieben Jahre später eine Fassung von Schmidt Spiele, in denen kleine Plastikedelsteine das Tauscherlebnis haptischer machten. Die vorerst letzte deutsche Fassung erschien 1993 bei Klee.
Titel: BAZAAR
Verlag: 3M
Autor: Sid Sackson
Spielerzahl: 2 - 6
Alter: o.A.
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 32 – S32/2021
Samstag, 7. August 2021
ECHOES - DIE TÄNZERIN
ECHOES DIE TÄNZERIN – Hör-Spiel
Ravensburger ist ein kleiner Coup gelungen. Mit Dave Neale und Matthew Dunstan konnten sie zwei Autoren für ihr ganz neues und spannendes Projekt gewinnen. ECHOES ist eine Art Zeitreise auf Hörbasis in die Vergangenheit. Gegenstände erzählen Geschichten und die gilt es, in richtiger Reihenfolge zu rekonstruieren.
Das Autorenteam ist Garant für spannende Abenteuer. Neale ist promovierter Spielpsychologe und hat schon an einigen UNLOCK!-Spielen mitgearbeitet und prägt die Sherlock Holmes Reihe der Space Cowboys. Dunstan kennen wir von den ADVENTURE GAMES bei Kosmos und von Spielen wie ELYSIUM und CITY OF ROME.
Das Spiel ECHOES DIE TÄNZERIN ist ohne App nicht spielbar, da die Tonfetzen zu sechs Kapitelkarten und 18 Objektkarten ja irgendwo herkommen müssen. Jeder Tafel, jeder Karte sind Bruchstücke der Geschichte zugeordnet. Wir befinden uns in einem schottischen Landhaus, in dem der Geist eines jungen Mädchens spukt. Das Rätsel um den Tod der kleinen Tänzerin versuchen wir herauszubekommen.
Damit es nicht ganz so schwer wird, werden anfangs neun markierte Karten aussortiert, die erst zur zweiten Hälfte der Geschichte herangezogen werden. Erst einmal geht es darum, die drei Objekte den zugehörigen Kapitelkarten zuzuordnen. Dafür ist Lauschen angesagt, genaues Zuhören, am besten mit geschlossenen Augen, um sich auf das schottische Landhaus mit der merkwürdigen Geschichte der kleinen Tänzerin einzustellen. Ein Lautsprecher lohnt, da die Produktionsqualität exzellent ist.
Man kann zwar vorher schon die Bilder nach Gefühl ordnen, aber das sollte nur einer ersten Hör-Reihenfolge dienen. Manche Kapitel und Objektkarten muss man schon mehrmals hören, um Zusammenhänge zu rekonstruieren. Der Fall der Tänzerin ist nicht zu schwer, der Lösungs-Modus recht hilfreich konstruiert. Man erfährt, wie viele Karten zum gewählten Kapitel passen, aber noch nicht deren korrekte Reihenfolge. Stimmt alles, lohnt es sich, das ganze Kapitel noch einmal zu hören, denn nun enthält es zusätzliche Hinweise. Sind alle sechs Kapitel gelöst, bleibt nur noch eine letzte Aufgabe, diese nämlich in eine korrekte Erzählreihenfolge zu bringen, wobei ein Epilog die Geschichte zu Ende bringt. Wer jetzt denkt, dass sei ja ganz einfach, da jeweils nur die drei in einer Phase gelösten Kapitel zu ordnen seien, täuscht sich. Die Startabschnitte entsprechen nicht den Kapiteln eins bis drei, sondern sind durcheinandergewirbelt. Trotzdem ist es nicht allzu schwer, diese Aufgabe zu lösen.
Die Hör-Komponente ist spannend, weil einerseits Gesprächsfetzen, andererseits nur die Geräusche eine Rolle spielen. Das ist neu und äußerst innovativ und vor allem technisch hervorragend umgesetzt. Die Bilder werden ruckzuck erkannt und auch die Tonqualität ist ausgezeichnet. Gut gefällt mir der Wegfall jeglichen Zeitdrucks, den wir aus vergleichbaren Spielen kennen. Wir können uns Zeit lassen und unser genaues Zuhören wird immer mehr belohnt, das hat Hörspielqualität und läuft auch nicht eindimensional ab. Das Autorenteam sorgt immer wieder für überraschende Wendungen und spannende Geschichten.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: ECHOES DIE TÄNZERIN
Autoren: Dave Neale und Matthew Dunstan
Grafik: M81 Studio
Verlag: Ravensburger
Spielerzahl: 1-6
Alter: ab 14 Jahre
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Beachtet werden müssen technische Voraussetzungen: iPhone 6s mit iOS 12.0 oder besser oder iPad (2017, 5. Generation), iPad Pro mit iOS 12.0 oder besser. Android-Gerät mit Android 7.0 oder besser.
Spiel 55/2021
Freitag, 6. August 2021
MACH 3
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MACH 3
Die Praunheimer Werkstätten betreiben verschiedene Rehabilitationseinrichtungen für geistig behinderte Menschen im Frankfurter Raum mit insgesamt 700 Beschäftigungsplätzen. Holzspielzeug, auf hohem Niveau hergestellt, gehört zu den traditionellen Stärken der Werkstätten. Über 30 Artikel wurden von „Spiel Gut“ ausgezeichnet, der Deutsche Designpreis und die Jury „Gut in Form“ haben Artikel aus dem Sortiment der Praunheimer Werkstätten für ihre hohe Designleistung prämiert. Im Spielbereich liegen die Schwerpunkte beim klassischen Gesellschaftsspiel, DAME, MÜHLE, SCHACH, HALMA und MÄDN stellen Schwerpunkte im Sortiment dar. Seit kurzer Zeit machen die Praunheimer Werkstätten aber auch mit eigenen Spielentwicklungen auf sich aufmerksam.
2005 stellten sie in Nürnberg das taktische Legespiel MACH 3 für zwei Spieler vor. Gespielt wird auf einem massiven Birkenholzbrett mit 6x6 Feldern. 32 dicke quadratische Holzspielplättchen können dort abgelegt werden. Diese Scheiben sind mit einem blauen diagonal liegenden kreuzähnlichen Muster bedruckt, das halbkreisförmige helle Ausbuchtungen an den vier Seiten der Quadrate ergibt. werden die Quadrate aneinander gelegt, entstehen so kreisförmige Spielfelder, die die Spieler mit roten bzw. gelben Spielsteinen belegen können. Wer es schafft, dadurch eine orthogonale oder diagonale Dreier-Reihe zu bilden, gewinnt das Spiel.
Die Spielregel sieht zwei Varianten vor, wobei ich empfehle nicht von der Grundvariante auszugehen. Da wird nämlich von einer festen Vorgabe in allen vier Eckfeldern ausgegangen, so dass jeder Spieler schon viermal zwei feste Folgen von eigenen Spielsteinen besitzt. Da der Startspieler ein neues Spielplättchen legen muss und der Gegenspieler, eins legen kann, aber auch das neu entstandene kreisförmige Spielfeld mit einem eigenen Spielstein belegen darf, gerät der Startspieler schnell unter Zugzwang. Besser ist die Variante, in der mit einem leeren Spielfeld begonnen wird und die Spieler abwechselnd Spielplättchen legen, ohne dass geschlossene Spielfelder entstehen. Danach geht es abwechselnd mit den jeweiligen Optionen, Spielplättchen oder Spielstein legen weiter, bis die Siegbedingung erreicht ist oder alle Steine gesetzt sind, ohne dass ein Gewinner feststeht.
Da eine Spielrunde MACH 3 meist nur etwa zehn Minuten dauert, sollte man zwei oder vier Partien hintereinander spielen, so dass jeder einmal oder zweimal Startspieler ist. Wir haben für die Wertung folgende neue Regel eingeführt. Der Sieger erhält die Punkte gutgeschrieben, die der Anzahl seiner noch nicht gesetzten Spielsteine entspricht. Wer bereit ist, auf aufwändiges Schachteldesign zu verzichten, erhält mit MACH 3 ein hochwertiges, optisch ansprechendes taktisches Schmankerl, das großes Denk- und Spielvergnügen bietet.
Titel: MACH 3
Autor: -
Verlag: Praunheimer Werkstätten
Spieler: 2
Alter: angegeben ab 5 Jahren, besser ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 10 bis 15 Minuten
Preis: ca. 40 Euro
Spiel 18/2006 R131/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Donnerstag, 5. August 2021
KEY LARGO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auf Schatzsuche in KEY LARGO
Cayo Lago, die lange Insel, habe ich bisher eigentlich nur mit dem Humphrey Bogart Klassiker „Key Largo“ (1948) in Verbindung gebracht. Seit der Spiel in Essen 2005 lohnt es sich sogar noch weitere 50 Jahre zurück in der Geschichte zu gehen. Paul Randles, Mike Selinker und Bruno Faidutti führen drei bis fünf Spieler ab 10 Jahren in die Meereswelt vor Florida. Versunkene Schiffe mit vergessenen Schätzen liegen vor Key Largo und warten auf ihre Entdeckung. Alles geschieht aber unter enormen Zeitdruck, Katrina warten draußen im Atlantik, nur zehn Tage haben die Taucher zur Verfügung, so wenig, dass das Spiel in Halbtagen abgewickelt wird.
Um aktiv zu werden, besitzen die Schatzsucher am Anfang ein Boot, einen Taucher und etwas Geld. Gold, Edelsteine und Antiquitäten warten an fünf Stellen in drei unterschiedlichen Tiefen auf die Spieler. So ganz unvorbereitet sollten diese aber nicht ins Wasser gehen, dort lauern Seeungeheuer, auf dem Lande ist es auch nicht ganz ungefährlich, da sind es Taschendiebe, die das Leben wenig vergnüglich machen. Um das Spiel zu gewinnen, muss man sich aber aller Gefährdungen mehr oder weniger versichert aussetzen. Ein buntes Treiben herrscht auf Key Largo, nicht unwichtig ist die Kneipe, dort heuern Taucher Diebe an und für eine Lokalrunde gibt es sogar wichtige Tauchtipps. Auf Einkäufe im Tauchladen darf man ebenfalls nicht verzichten, Luftschläuche, Gewichte und Dreizacks helfen bei größeren Tiefen und Angriffen des Seeungeheuers. Wird das Geld knapp, lassen sich immer noch Touristen anheuern, die für halbtägige Schifffahrten bezahlen. Spielentscheidend sind aber letztlich die Schatzfunde, die auf dem Markt verhökert werden können. Angebot und Nachfrage bestimmen an den Aktionsplätzen die Preise, von daher ist auch ein bisschen Psychologie im Spiel, wenn mit Hilfe der zu Rundenbeginn zu spielenden Aktionskarten die Zielorte festgelegt werden. Nach zehn Doppelrunden ist das Spiel vorbei, wer dann am meisten Geld besitzt, gewinnt innerhalb einer knappen Stunde das Spiel.
KEY LARGO hat einen leicht zugänglichen Spielablauf, der besonders in der Besetzung mit vier oder fünf Spielern familienspieltauglich ist. Die Grundelemente des Spiels sind schnell verstanden, das Ineinandergreifen dieser Elemente verspricht Spielspannung. Die Grundspannung entwickelt KEY LARGO aus dem ADEL VERPFLICHTET-Prinzip, dass niemand weiß, wo die anderen agieren. Ärger und Freude sind damit vorprogrammiert. Damit ist KEY LARGO ein gutes Familienspiel, Vielspieler werden eher gelangweilt die Schulter zucken. Sie reißt wahrscheinlich auch nicht die Profivariante mit zusätzlichen Charakterkarten für Sonderaktionen vom Hocker. An der Ausstattung hat Tilsit gespart, der Plan liegt leider nicht plan, die Schiffe sind wohl die zukünftigen Wracks, kippelnd sind sie dem Untergang geweiht. Grafisch weiß Key Largo aber durchaus zu gefallen. Die Arbeit David Cochards, der auch für Himalaya verantwortlich zeichnete, ist hervorragend. Wenn Sie ihn kennen lernen wollen, schauen Sie sich den Verkäufer im Tauchladen näher an, in ihm hat sich Cochards porträtiert. Schön ist auch die Idee, Autoren, Grafiker und Herausgeber auf den Geldscheinen zu verewigen. Eine postume Würdigung des 2003 verstorbenen Paul Randles ((Piratenbucht), der die Ausgangsideen für das Spiel entwickelt hat. Sein Freund Mike Selinker hat sie dann weiterverfolgt und schließlich Bruno Faidutti mit ins Boot geholt. Aus der 2003 beginnenden transatlantischen Kooperation mit dem Arbeitstitel Treasure Island wurde schließlich das spannende Familienspiel Key Largo.
Titel: KEY LARGO
Autor: Paul Randles, Mike Selinker und Bruno Faidutti
Grafik: Johann Aumaitre, David Cochard u.a.
Verlag: Tilsit
Spieler: 3 bis 5
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 17/2006 R130/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Wie im Text damals schon erwähnt, stammt die Idee ursprünglich vom früh verstorbenen Paul Randles (1965-2003), der 2002 PIRATENBUCHT veröffentlichte. Sein Freund Mike Selinger, der für Wizard of the Coast und Avalon Hill arbeitete und rund 200 Veröffentlichungen (darunter AXIS & ALLIES und BETRSYAL AT HOUSE ON THE HILL) vorweisen kann, entwickelte das Spiel mir Bruno Faidutti weiter, bekannt vor allem durch OHNE FURCHT UND ADEL, DIAMANT und BOOMTOWN.
Mittwoch, 4. August 2021
JUST 4 FUN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Kurze Regel – langer Spielspaß: JUST 4 FUN
„Ich will mich nicht lange durch Regeln arbeiten müssen, um spielen zu können“, höre ich immer wieder in Gesprächen über Brett- und Kartenspiele. Deshalb überleben die vielen Klassiker wie SCRABBLE, MONOPOLY und TRIVIAL PURSUIT. Die Regeln sind bekannt, große Vorbereitungen sind nicht nötig, große Erklärungen für die Mitspieler ebenfalls nicht. Man sitzt am Spieltisch und es geht sofort los.
Das bieten nur wenige neue Brettspiele, JUST 4 FUN von Jürgen Grunau gehört dazu. Sein Spiel ist in nicht einmal zwei Minuten erklärt. Der Zuschauerblick auf eine Partie genügt und sofort kann man einsteigen. So einfach ist das Setzspiel aus dem Kosmos Verlag.
Gespielt wird auf einem großen bläulichen Spielplan mit 36 Feldern, denen ungeordnet die Zahlen eins bis sechsunddreißig zugeordnet sind. Das Spielziel ist klassisch an VIER GEWINNT angelehnt. Dazu setzen die Spieler ihre Setzsteine, kleine Plastikhütchen, auf diese Felder. Etwas Rechenarbeit ist allerdings nötig, denn die Spielsteuerung geschieht mit Kartenwerten von eins bis neunzehn. Vier Karten haben die zwei bis vier Spieler stets zur Verfügung, die sie, beliebig kombiniert, ablegen dürfen. Auf das Feld mit der entsprechenden Zahl kommt dann der Spielstein. Hat ein Spieler beispielsweise die Karten 1, 3, 12 und 17 auf der Hand, kann er eine Karte spielen und die entsprechenden vier Felder markieren, er könnte durch Ablegen mehrerer Karten aber auch auf die Felder 13, 16, 20, 33, usw. setzen. Ein Zahlenfeld gehört einem Spieler dann endgültig, wenn er dort zwei Steine mehr als die Mitspieler besitzt. Gewinnt ein Spieler auf diese Weise vier nebeneinander liegende Felder, gewinnt er das Spiel. Schafft es kein Spieler nach Setzen der 20 Spielsteine, zählen die Punktwerte der gewonnenen Spielfelder für den Spielsieg.
JUST 4 FUN macht richtig Spaß! Das scheinbar nüchterne Addieren von Zahlen gerät hier zum reinen Vergnügen, Kinder lernen so ganz nebenbei auch etwas einfache Mathematik. Der Glücksfaktor ist zwar hoch, das muss aber kein Nachteil sein. Fast immer bieten die Karten mehrere Möglichkeiten eigene Ketten zu entwickeln oder die Mitspieler in Schwierigkeiten zu bringen. Das Spiel bereitet eingefleischten Brettspielern Freude, eignet sich aber ebenso als Spiel für Kinder mit ihren Eltern und auch Großeltern. Dabei taucht man zwar nicht großartig in thematische Spielwelten ein, besiedelt keine Inseln, geht nicht auf Schatzsuche. Trotzdem hinterlässt es nach einer Partie, bei der es garantiert nicht bleibt, ein nachhaltiges Spielerlebnis. Ein ganz besonderer Spielschatz kann entdeckt werden. Der Verlag hat das Spiel überzeugend umgesetzt. Mit JUST 4 FUN hat Kosmos gute Chancen 2006, elf Jahre nach der Auszeichnung für die SIEDLER VON CATAN, wieder einmal die lang verdiente Hauptwürdigung zu erhalten. Grunaus Spiel hat alle Qualitäten, ein neuer Spieleklassiker zu werden.
Wieland Herold
JUST 4 FUN
Verlag: Kosmos
Autor: Jürgen P. K. Grunau
Grafik: Claus Stephan
Alter: ab 10 Jahren
Anzahl Spieler: 2-4
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 16/2006 R129/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 68jährige Psychologe Jürgen Grunau hat über 30 Spiele veröffentlicht, viele davon im Team mit Wolfgang Kramer und Hans Raggan (KRAG-TEAM), so BLOX, das 2008 zum Spiel des Jahres nominiert war.
2006 war für Grunau das wohl erfolgreichste Jahr, mit JUST 4 FUN war er zum Spiel des Jahres nominiert und mit GIRO GALOPPO zum Kinderspiel des Jahres.
Auf dem Bild ist Grunau auf der Spiel in Essen 2004 zu sehen.
Dienstag, 3. August 2021
H2OLLAND
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Im Märzen der Bauer ...
Wacklige Windmühlen in H2OLLAND
Zumindest für das Cover gebührt CardChess Lob. H2OLLAND, das gemeinsame Spiel des Kanadiers Jeff Widderich und des Holländers Richard van Vugt fängt so ziemlich alles ein, was wir mit unserem Nachbarland verbinden. Windmühlen, Tulpen, Kanäle, vielleicht fehlt uns Deutschen nur Antje. Das Schachtelgemälde fängt diese Stimmung wunderschön kitschig ein, „zu Ehren einer Nation“, wie es in der Spielregel aufgesetzt nationalistisch heißt. Wohlgemerkt, es geht nicht um Fußball, sondern um eine idyllische Landschaft rund um einen See und die Holländer tun das, was sie seit Jahrhunderten gut verstehen, sie deichen ein, sie legen trocken und pflanzen Tulpen. Um das alles machen zu können, haben die beiden Autoren eine große quadratische Spieleschachtel proppenvoll gepackt, zumindest das hat alles Gewicht, wenn es auch spielerisch am Ende eher leichtgewichtig scheint.
Zu Spielbeginn erhält jeder Spieler eine Scheunenkarte zum Ablegen seiner Vorräte, gleichzeitig ist diese Karte Preistafel und Entwicklungsübersicht für den Tulpenanbau. Geld scheint in H2OLLAND verpönt, es herrscht Tauschwirtschaft, für Karotten, Bohnen und Kühe rückt der Bankverwalter, „Leiter der Kooperative“ heißt er im Spiel, eine Mühle raus. Mit zwei Bauernhöfen und zwei Windmühlen starten die Spieler aber schon, die Ausgangsdörfer am Rande des großen Sees werden mit jeweils einem Gebäude ausgestattet, die beiden anderen kommen in die Scheune (!). Zusätzlich erhält jeder einmal die Produktionspalette, die das Spiel bietet: Kühe, Mais, Bohnen, Karotten und Kartoffeln. Da es um naturnahen Anbau geht, sucht man natürlich die holländischen Tomaten vergeblich. Zum Start werden noch Wetterkarten bereit gelegt, die im Herbst wirksam werden, der Startspieler erhält einen gelben holländischen Holzschuh, den Klompen.
Das Spiel verläuft in Jahreszeiten, reihum dürfen die Spieler immer wieder einmal agieren, erst wenn alle gepasst haben, wechselt die Jahreszeit. Klar, im Märzen der Bauer sein Land bebaut. Daneben finden im Frühjahr weitere Bautätigkeiten statt, in dieser Jahreszeit dürfen weitere Bauernhöfe und Windmühlen erstellt werden. Dabei sind unendlich viele Legeregeln zu beachten. Ich dachte, wir Deutschen seien regelwütig, die holländisch-kanadische Perfektion übertrifft aber alles. Beispiel zu den Windmühlen gefällig:
„... Windmühlen dürfen nicht auf Kuh-, Feldfrucht- oder Tulpenfelder gestellt werden. ...
Windmühlen können neben einem Bauernhof oder neben einer anderen Windmühle desselben Spielers gebaut werden.
Windmühlen dürfen auch neben ein Kuh- oder Feldfruchtplättchen gestellt werden, das mit einem Bauernhof oder einer anderen Windmühle dieses Spielers verbunden ist.
Windmühlen können neben einem Tulpenfeld erbaut werden, das mit einem Arbeiter der eigenen Farbe besetzt ist (‚die Arbeiter’ siehe weiter unten).
Windmühlen dürfen nicht in die Schutzzonen eines anderen Spielers gesetzt werden.“
Verstanden? Wenn Sie dann noch die überdimensionierten Windmühlen sähen, dann würden Sie am liebsten ganz auf den Windmühlenbau verzichten. Denn, stehen die Dinger einmal, müssen schon Uhrmacher ans Werk, um die restlichen Auslagen ohne umstürzende Windmühlen hinzubekommen. Gebaut werden müssen Sie aber, denn sonst klappt es nicht mit der Entwässerung des Windmühlensees.
Das Grundprinzip ist klar, geregelt wird alles, auch die Platzierung der Bauernhöfe, der Feldfrüchte, der Kuhweiden und der Tulpenfelder. Apropos Tulpenfelder, da war doch die Rede von Arbeitern. Für jedes Tulpenfeld gibt es von der Kooperative einen Arbeiter, der für das Tulpenrennen am Ende von großer Bedeutung ist. Achtung! Auch wenn wir uns hier scheinbar in der Simulation eines landwirtschaftlichen Produktionsprozesses befinden, am Ende wird nur gerannt und der Tulpenlauf entscheidet über den Spielsieg.
Kommen wir zum Sommer. Das Wasser wird knapper, die beste Zeit zum Trockenlegen des Mühlenteichs. Dazu werden Dämme gebaut, das Land wird eingedeicht. Neuland wird aber nur gewonnen, wenn das Wassergebiet aus maximal vier Feldern besteht und zur Entwässerung eine Windmühle bereit steht. Für die Trockenlegung gibt’s pro beteiligter Mühle ein Tulpenplättchen, dessen Wert sich an der Anzahl der errichteten Windmühlen orientiert. Im Herbst wird geerntet, wobei die Ergebnisse von den Wettereinflüssen abhängig sind. Überschwemmungen können massiv zuschlagen, seltsamerweise treffen sie nur manche Ernteplättchen, andere, ebenso am Wasser gebaut, bleiben verschont. Fäulnis und Krankheit kann zusätzlich in der Scheune zuschlagen. Bei den meisten Karten verändern sich Einzelergebnisse ins Positive oder Negative. Da keine Tulpen geerntet werden, kommen die Spieler an Tulpenplättchen nur durch die Trockenlegung von Land und durch Handelsaktionen im Winterquartal. Die erworbenen Ressourcen dürfen eingetauscht werden gegen Tulpen, Deichteile, Windmühlen und Bauernhöfe, zusätzlich, leider nicht auf der Scheunenübersicht erkennbar, gibt es noch weitere Tauschmöglichkeiten. Den Handel der Spieler untereinander sieht die Regel leider nicht vor. Am Ende des Winters darf die Zahl von fünf Plättchen einer Plättchensorte nicht überschritten sein, ausgenommen sind Windmühlen, Bauernhöfe und Deiche.
Spätestens nach sechs Jahren endet dieser Spielteil, im 2er-Spiel, das auf einer kleineren Spielfläche abläuft, schon nach vier Jahren. Das Ende kann aber schon früher eintreten, dann nämlich, wenn der See trocken gelegt ist. Dann folgt nach der Erntephase der Spielteil, der über Sieg und Niederlage entscheidet. „Tulpenrennen“ nennen die beiden Autoren die Endphase, meines Wissens und nach Auskunft meiner Groninger Freunde keine nationale, sondern doch wohl nur eine spielerische Besonderheit. Vor dem Rennen werden die Scheunen leer geräumt, alles wird noch in Tulpenfelder und Windmühlen eingetauscht und sofort auf dem Spielfeld platziert. Die Arbeiter kommen nun von den Tulpenfeldern direkt in die Startdörfer der Spieler, von dort dürfen sie jetzt punkteträchtig neu platziert werden. Ein richtiges Rennen findet im eigentlichen Sinne nicht statt, sondern ein Gerangel um die am besten zu belegenden Plätze. Dabei sind die Punktwerte der Tulpenfelder zu beachten, die vom roten Tulpenfeld für einen Punkt bis zum purpurnen mit sechs Punkten reichen. Und nicht nur das, Widderich und Vugt lassen sich die Gelegenheit nicht entgehen, um wieder viel und vielschichtig das Setzen der Arbeiter zu regeln. Die Spieler beginnen angrenzend zu einer beliebigen eigenen Windmühle mit dem Einsetzen ihrer Arbeiter. Weitere müssen neben den zuvor gesetzten Arbeiter platziert werden, also eventuell auch nicht auf ein Tulpenfeld, so dass eine Arbeiterkette zum nächsten lukrativen Feld führen kann, oder ein neues eigenes Windmühlenfeld wird als neuer Ausgangspunkt genommen. Sind alle Arbeiter gesetzt oder alle Tulpenfelder belegt, wird abgerechnet und der Punktbeste steht nach gut zwei Stunden als Spielsieger fest.
Eindrücke, die bleiben: Eine unübersichtliche Farborgie, ein überreguliertes Spiel, eine stinkende Materialflut, die nur mit Mühe wieder in der Schachtel unterzubringen ist (entsorgen Sie gleich den unnötigen Plastikeinsatz), kippende Windmühlen. Das tolle Cover wiegt wenig auf. Dabei sind die Grundideen des Spiels gar nicht schlecht, Ressourcenentwicklung über Landgewinnung, strategische Anbauplanung in Hinblick auf das Endspiel. Warum musste das Ganze aber so überreguliert werden? Warum wurde es nicht abgespeckt? So holt man wahrscheinlich nicht einmal die Holländer hinter ihren Deichen hervor.
Titel: H2OLLAND
Autoren: Jeff Widderich und Richard van Vugt
Grafik: Richard van Vugt
Verlag: CardChess
Spieler: 2 - 4 Spieler
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Spiel 15/2006 R128/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zu den Autoren:
Der Kanadier Jeff Widerich gründete 2001 für sein Spiel CARDCHESS den gleichnamigen Verlag. Dort erschienen Spiele wie KREUZWORT PYRAMIDEN, KÄSE, MÄUSE CHAOS und POMPEJI. H2OLLAND ist davon das einzige Spiel, das er mit einem Partner veröffentlicht hat. Richard van Vugt war als Holländer prädestiniert dafür.
Der Autor und Rezensent (Gamepack.nl, spielbox u.a.) ist leider schon 2016 im Alter von 63 Jahren verstorben. Das Bild zeigt ihn bei der Präsentation des Spiels 2005 in Essen.
Das Foto von Jeff Widderich stammt von der Spielwarenmesse in Nürnberg 2004.
Montag, 2. August 2021
GUNTIA – SCHNICK’S DIR!!!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Schaffe, schaffe Spiele mache! GUNTIA
Im Schuljahr 2005/06 traten 15 Schülerinnen und Schüler eines Wirtschaftskurses des St. Thomas Gymnasiums im schwäbischen Wettenhausen (Landkreis Günzburg) mit dem Ziel an, ein Spiel zu produzieren. Die Fragen, die sie sich vor einem Jahr im September 2005 stellten: Was für ein Spiel soll es werden? Wie soll es heißen? Wer produziert es? Wer malt einen Spielplan? Wer gestaltet die Schachtel? Wer verkauft es? konnten erstaunlich zügig beantwortet werden. Schon im Januar 2006 haben die Schüler ihr Spiel GUNTIA bei Ludo Fact – quasi um die Ecke - selbst abgeholt.
Im Mai 2006 wurden die Thomaner für ihr Spielprojekt mit dem dritten Platz des bayerischen Landeswettbewerbs für Juniorunternehmen ausgezeichnet. Gelernt haben die Kids eine ganze Menge bei der Arbeit an diesem Projekt, u. a. auch, dass die Entwicklung und Produktion eines Spiels die eine Seite der Medaille ist, die andere Seite, der Vertrieb, ist es, der meist mehr Schwierigkeiten bereitet. So gibt es immer noch Exemplare von GUNTIA zu kaufen. Das ist vielleicht ja auch gut so, denn der eine oder die andere könnte durch diesen Artikel vielleicht angeregt werden, bei den Schülern ein Spiel zu ordern.
Thematisch ist GUNTIA lokal angesiedelt, was sich sicherlich aus den Marketingüberlegungen der Schüler ergab. Es gilt, den Landkreis Günzburg (Guntia) zu erobern. Wenn man die über vierzig Gemeinden des Landkreises auf der erstaunlich großen Spielplankarte betrachtet, sind die RISIKO-Assoziationen, die sich schnell einstellen, sicherlich nicht falsch. Die Schüler haben aber abgespeckt und vereinfacht. Nicht der Würfel entscheidet über Sieg oder Niederlage, sondern das klassische STEIN-SCHERE-PAPIER oder SCHNICK-SCHNACK-SCHNUCK wie es im Schwäbischen wohl heißt. Mit der Aufforderung SCHNICK’S DIR!!! gehen zwei bis vier Spieler an die Eroberung von GUNTIA.
Zehn Gebiete müssen annektiert werden, dann ist nach einer guten halben Stunde das Spiel vorüber. Der Ablauf ist simpel, es wird gewürfelt, entsprechend muss die eigene Spielfigur gesetzt werden. Schon eroberte Gebiete sind bis auf die zentralen Gebiete Neuburg-West und Burgau-Süd tabu. Um das Zielgebiet kämpft der Zugspieler mit allen restlichen Spielern nach dem SCHNICK-SCHNACK-SCHNUCK- Prinzip, der Angreifer muss mehrheitlich gewinnen, das heißt beim Spiel mit drei oder vier Spielern, muss er mindestens zwei Siege davontragen. Eroberte Gebiete werden mit stabilen Papp-Markern, die Landkreismaskottchen darstellen, gekennzeichnet. Ganz pfiffig sind Zusatzeffekte einzelner Gebiete, da können Feuer, Brunnen und Wind das Handduell erweitern, sofern man ein entsprechendes Gebiet erobert hat, außerdem gibt es für die Endabrechnung Zusatzpunkte durch Wappen- oder Kirchen gekennzeichnete Gebiete. In der Endabrechnung erhalten die Spieler außerdem noch eine Belohnung für zusammenhängende Gemeinden.
Nichts Großartiges, aber ein funktionierendes und preiswertes Spiel, das solide produziert ist, dessen Regelwerk ordentlich daherkommt und das noch Spielraum für eigene Regelinterpretationen lässt. In unseren Proberunden hat sich die Abhängigkeit von dem Bewegungswürfel als besonders nachteilig erwiesen. Wir empfehlen, Bewegungsweiten von ein bis vier Feldern beliebig zuzulassen, oder mit einem Kartensatz von eins bis sechs zu spielen. Für die Günzburger oder die, die diesen schwäbischen Landkreis kennen lernen wollen, gibt es im Übrigen noch die Quiz-Variante. Dazu haben die Schüler sich immerhin 66 Fragen mit jeweils drei Antworten aus dem lokalen Umfeld einfallen lassen, wobei in dieser Version die korrekte Antwort zur Eroberung eines Gebietes ausreicht.
Titel: GUNTIA – SCHNICK’S DIR!!!
Autor: Klasse 10a des St. Thomas Gymnasiums Wettenhausen (Schuljahr 2005/06)
Verlag: Guntia- Games
Spieler: 2- 4
Alter: ab 8 Jahren (nicht ab 5 wie in der Regel angegeben)
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Spiel 14/2006 R127/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Sonntag, 1. August 2021
GEISTER
SAMMELSURIUM
Bütehorn Buchkassetten: GEISTER
Die Buchkassetten, die Ravensburger und Pelikan bis Mitte der 70er Jahre herausbrachten, waren wirtschaftlich nur bedingt Erfolge für die Verlage. Als beide Firmen ihre Reihen einstellten und die hannoverschen Pelikane dann bald auch ihre Spielproduktion, füllte die Lücke eine neue Firma aus dem Umfeld von Hannover. Die Bütehorn KG brachte ab 1976 wertige Buchschuber-Spiele unter dem Dach des Buchholz Verlags in Sarstedt bei Hannover heraus, hielt sich allerdings auch nur bis 1982 auf dem Markt.
Markenzeichen der Buchkassetten aus Sarstedt waren Klappdeckel und Druckknopf-Verschluss an einem Leinenanhänger. Heute ist das zwar eine Schwachstelle vieler in die Jahre gekommenen Spiele, damals war das aber eine originelle Idee. Die Reihe der mittleren Buchkassetten in den 80ern verzichtete dann schon auf diesen Verschluss und nutzte einen normalen Pappdeckel. Von diesen Ausgaben wurden mit der Insolvenz des Verlags einige von Hexagames übernommen. Der Verlag aus Dreieich nutzte die Spiele, um ein gutes Startprogramm neben dem Wirtschaftsspiel LONG SHORT zu haben.
Das Bütehorn-Programm war geprägt von großen, mittleren und kleinen Buchkassetten-Spielen. Daneben gab es einige Spiele in flachen Schachteln u.a. die damals sehr bekannten Ferienrallys. Prägend für die Programmgestaltung war Erik Grischeit als Produktmanager, er hatte vorher für Parker gearbeitet. Grischeit, der mit dem Schweizer Journalisten Walter Luc Haas befreundet war, holte bekanntere Autoren ins Programm. So kam er an DAMPFROSS, das in der Ausgabe von Schmidt Spiele 1984 Spiel des Jahres wurde. Auf der ersten Liste der Jury Spiel des Jahres 1979 waren gleich zwei Titel des Verlages vertreten. SETI bekam den ersten Sonderpreis für das schöne Spiel. Die Jury wollte damit zugleich auch den Buchholz-Verlag für sein Bemühen um besonders schön und aufwändig gestaltete Spiele würdigen. Neben SETI landete BLOCKADE von Sid Sackson auf der Auswahlliste. RÄUBER UND GENDARM von Rudi Hoffmann kam 1981 auf dem Bronzeplatz in diesem Jahr, hinter SAGALAND und FOCUS. 1982 schaffte es dann GEISTER von Alex Randolph auf die Liste der Jury.
GEISTER
In Randolphs Geisterschloss spuken acht gute und acht böse Geister herum. Sie bewegen sich in einem Burglabyrinth, das als 6x6 Felder großer Spielplan angelegt ist. Anfangs stehen sich die acht Geister jedes Spielers frontal in einer 2x4 Aufstellung gegenüber. Keiner weiß , welches dabei die guten, durch einen grünen Rückenstecker gekennzeichnet, und die bösen Geister sind. In dieser Bütehornfassung sind das die mit gelbem Stecker.
Für das Geisterduell hat sich Randolph drei unterschiedliche Spielziele ausgedacht. Entweder fängt einer alle guten Geister seines Gegners, oder er lässt den alle eigenen bösen Geister fangen. Schließlich gewinnt man auch noch, wenn man einen guten Geist durch das Eckzimmer ins Freie führt.
Alles funktioniert ganz simpel durch abwechselndes orthogonales Ziehen der Figuren in alle Richtungen, nur diagonale Bewegungen sind verboten. Wer in einem Raum zieht, in dem sich ein gegnerischer Geist befindet, schlägt diesen. Und dadurch entwickelt sich das spannende Geister-Duell mit Angeboten, Drohgebärden und vor allem ständigen Bluff-Versuchen.
Einfacher geht’s nicht. Es gibt aber auch kaum ein vergleichbar gutes Bluffspiel auf dem Markt, das in unendlich vielen Varianten immer wieder neu aufgelegt wurde. Später dann meist unter dem Titel DIE GUTEN UND DIE BÖSEN GEISTER (1984 von Schmidt Spiele, 1992 von Noris, 2001 von Drei Magier, 2015 von Asmodee).
Titel: GEISTER
Verlag: Bütehorn
Autor: Alex Randolph
Spielerzahl: 2
Alter: o.A. (jung und alt)
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 40.- DM
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 31 – S31/2021
Samstag, 31. Juli 2021
GREAT PLAINS
GREAT PLAINS – Duell der Füchse und Schlangen
Denke ich an Fuchs und Schlange bin ich eher beim Kleinen Prinzen als in grauen Vorzeiten, von denen die Einleitung zu GREAT PLAINS von Trevor Benjamin und Brett J. Gilbert spricht. Da ist von geheimnisvollen Streben zweier Stämme die Rede und dem spirituellen Beistand der Tiere, der Berge überwinden lässt.
Das eingespielte Autorenpärchen aus Kanada und Großbritannien, das zuletzt mit MANDALA für Lookout 2019 erfolgreich war, hat dem Verlag erneut ein spannendes Duell angeboten, das sehr variabel daherkommt.
Sieben doppelseitige Spieltafeln ermöglichen die Entstehung der unterschiedlichsten Landschaftsformationen mit gewaltigen Gebirgen, punkteträchtigem Grasland, begleitet von den magischen Kräften des grünen Tieflands. Letztlich geht es um die Dominanz in den Graslandschaften, die am Ende so viele Punkte, wie die Gebiete groß sind, einbringen. Wasserquellen werten das Grasland auf.
Eingesetzt werden bei dieser Arealkontrolle je 20 Schlangen und Füchse, die von jeweils drei Höhlen in den Gebirgen aus starten. Gebirge selbst dürfen sie nie betreten, sie müssen im Gras- oder Tiefland angrenzend an eine Höhle platziert werden. Das Tiefland bringt Totemplättchen für Sonderaktionen. Mit dem Pferd darf ein Feld geradlinig oder abgewinkelt übersprungen werden, nicht aber ein Gebirgsfeld. Da hilft nur der Adler weiter, der das Gebirge in gerader Richtung überfliegt. Schließlich vertreibt der Bär eine gegnerische Figur, die verschoben wird. Landet sie dabei im Gebirge, kommt sie aus dem Spiel. Wann ein solches Totem-Plättchen eingesetzt wird, entscheiden die Kontrahenten. Aufbewahren lohnt allerdings nicht, da die Plättchen keine zusätzlichen Siegpunkte bringen.
Das Spiel endet, sobald alle Figuren eingesetzt sind. Gewertet werden alle Graslandschaften, sofern dort Tiere stehen. Gebiete mit Gleichständen fallen aus der Wertung heraus.
Die strategische Planung für GREAT PLAINS fängt schon bei der Platzierung der Höhlen an, von denen aus die entscheidenden Graslandschaften erreicht werden sollten. Der Spielablauf unterscheidet sich auch von der jeweiligen Größe der Punktelandschaften. Gibt es viele kleine Gebiete, sollte man dort unbedingt punkten, zumal wenn zusätzlich Quellen auftauchen. Die Schlachten um sehr große Gebiete fallen meist intensiv aus. Drohgebärden muss man immer in der Hinterhand haben, damit der Gegner ein solches Gebiet nicht billig geschenkt bekommt.
Für die Nutzung der Totem-Plättchen braucht es ebenfalls ein gutes Händchen. Es macht wenig Sinn zu viele zu sammeln, ohne kommt man aber auch nicht aus. Vor allem die Bären, als Schiebekraft ins Gebirge eingesetzt, sind unverzichtbar, weil sie durch den Verlust einer Figur den Gegner schwächen.
Ans tolle Material und die Spieltiefe von MANDALA kommt GREAT PLAINS nicht heran. Die Gebietskontrolle in GREAT PLAINS läuft eher klassisch ab, bietet daher nicht allzu viel Neues. Trotzdem macht dieses Duell zwischen Schlangen und Füchsen Spaß, so dass ich es im Augenblick gerne morgen wieder hervorhole, auch wenn ich immer noch nicht so recht weiß, ob ich den Fuchs waagrecht oder senkrecht hinstellen soll. In der Waagrechten geht er als Hund durch.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: GREAT PLAINS
Autor: Trevor Benjamin, Brett J. Gilbert
Grafik: Klemens Franz
Verlag: Lookout Spiele
Spielerzahl: 2
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 54/2021
Freitag, 30. Juli 2021
GODS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Vom Bastelbogen zum fertigen Spiel: GODS
Es gibt nur wenige Spieleautoren, die ihre Fans besonders preiswert an die eigenen Spielideen heranlassen. Michael Schacht gehört zu diesen Autoren. Seine „Spiele aus Timbuktu“ erscheinen meist als überaus günstige Bastelpackungen. Tolle Spiele wie CONTRA oder DIE TAFELRUNDE sind in dieser Reihe veröffentlicht worden. Das letzte Spiel ist später als KÖNIG DER DIEBE bei Eurogames erschienen, aus dem ersten wurde das Queen Games-Spiel ARCHITEKTON. Auch andere Spiele aus der Reihe haben den Weg in einen Verlag gefunden, für das meines Erachtens beste Spiel, das 2001 veröffentlichte GODS, gilt das allerdings nicht. Als Bastelbogen war es mit seinem umfangreichen Material das Aufwendigste, was Schachts Kleinverlag bislang zu bieten hatte. Trotzdem war die 1000er Auflage schnell vergriffen und das Spiel kam gut an.
Als vollwertiges Spiel, bei dem man ( fast ) ganz ohne Schere und Kleber auskommt, veröffentlicht Michael Schacht sein GODS nun selbst. Wie er sagt, erscheint das Spiel endlich in der Form, „die es sicherlich verdient“, allerdings streng limitiert auf 666 Exemplare.
Die Story bleibt erhalten: Nach der großen Flut ordnen zwei bis vier spielende Götter die Welt neu. Sie besiedeln sie mit Völkern und versuchen diese mit Tempelbauten von der richtigen Religion zu überzeugen. All das kostet auch Göttern Kraft, mit der es geschickt hauszuhalten gilt, um am Ende die zum Gewinn nötigen neun oder zehn Siegpunkte zu erreichen.
Die Götterlandschaft breitet sich auf 84 Hexfeldern aus, 32 davon sind den Völkern zugeordnet, ebenso viele den Tempeln, die die Spieler zu Spielbeginn erhalten, daneben gibt es noch Ödlandkärtchen und Sonderaktionsfelder, diese insgesamt 52 Kärtchen werden für das eigentliche Spiel aus einem Säckchen gezogen.
GODS erweist sich als ein äußerst spannendes taktisches Legespiel, dessen Grundstruktur – wie die meisten Spiele von Michael Schacht – ganz einfach ist. Der Spielablauf reduziert sich auf das Kräftesammeln, wobei es pro Spielrunde drei Kräftepunkte gibt, die nun nicht mehr in Form von Einzelkristallen vergeben, sondern auf einer Zählscheibe angezeigt werden. Mit diesen Punkten müssen zwei Aktionen ausgeführt werden. Dazu füllt man erst einmal seine Auslagetafel auf zwei unterschiedliche Hexplättchen auf, die man danach ins Spiel bringen kann. So können vor allem Völkerstämme gelegt werden. Die Kosten dafür liegen bei einem Kräftepunkt für jede angrenzende Hextafel. Legt man eine Ödlandkarte, erhält man sogar einen Stärkepunkt. Die anderen Sonderaktionen sind meist kostenfrei. Dreimal teurer als bei den Volksstämmen wird es, wenn man einen eigenen Göttertempel ins Spiel bringt, dafür lässt der aber alle anliegenden Volksstämme vom fremden Glauben abspringen. Und nur so kommt man an Punkte. Von der eigenen Religion überzeugte Völker werden mit Göttersteinen gekennzeichnet, sobald drei gleiche Stämme einer Religion angehören, spricht Schacht von einer Volksgründung, die beim ersten Mal mit einem Siegpunkt und zusätzlich einer Punktetafel belohnt wird. Die Stämme wenden sich immer mal wieder anderen Göttern zu, sobald man dadurch keine drei Stämme mehr besitzt, muss man seine Punktetafel abgeben, der anfangs gewonnene Siegpunkt geht aber nicht mehr verloren.
Für entscheidende Aktionen muss langfristig gespart werden, deshalb ist es auch gut, dass man in einer Runde seine beiden Legeplättchen einfach kostenfrei zurück ins Säckchen werfen darf, so dass die drei Kraftpunkte, für das große Kräftemessen und Punktesammeln aufgespart werden können. Zünglein an der Waage sind häufig die vier Einzelsiegpunkte für die vier Völker, die im Spiel sind. Trotzdem brauchen die Spieler zum Sieg in der Regel drei Völkerkarten, um die mindestens neun Siegpunkte zu erreichen, wobei die grünen Völker besonders beliebt sind, da sie vier statt der sonst üblichen drei Siegpunkte bringen. So kann man auch mit zwei Einzelsiegpunkten, einem grünen und einem anderen Volk zum Spielsieg kommen. In GODS läuft aber nichts verdeckt ab, alle Informationen stehen auch den Mitspielern zur Verfügung, so dass ständiges Konvertieren zum Spielalltag gehört.
Für mich ist Schachts Spiel vor allem zu zweit eine besondere Empfehlung wert, die Steuermöglichkeiten im Spiel zu dritt und zu viert lassen dann doch etwas nach. Die grafische Gestaltung hat Michael Schacht vom Vorgängerspiel übernommen. Das Kartenmaterial ist stabil, wird sinnvoll ergänzt durch Holzmaterialien für die Religionsanzeige. Die Regel ist gut strukturiert, enthält auch sinnvolle Anmerkungen zur Spieltaktik. Außerdem war noch soviel Platz auf dem Regelblatt, dass dort die Aktionsphasen vierfach auf kleinen Kärtchen gedruckt werden konnten. Damit geht das Timbuktu-Feeling, mit der Schere zur Spielentstehung beizutragen, doch nicht ganz verloren.
Titel: GODS
Autor: Michael Schacht
Grafik: Michael Schacht
Verlag: Spiele aus Timbuktu
Spieler: 2- 4
Alter: ab 10 Jahren (nicht ab 12 wie in der Regel angegeben)
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Spiel 14/2006 R127/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt Michael Schacht mit seiner Partnerin Marianne Hartz im CALIFORNIA-Jahr 2006 in Göttingen.
Donnerstag, 29. Juli 2021
EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auf den Spuren einer alten Forschungsreise: EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN
Hauptberuflich beschäftigt sich Florian Isensee mit dem Verlegen und Verkaufen von Büchern. Der Isensee-Verlag gewinnt seine Schwerpunkte hauptsächlich aus der Region des Nordwesten Deutschlands, erweitert durch Bücher zur Kunst- und Kulturgeschichte, zur Archäologie sowie Veröffentlichungen in niederdeutscher Sprache. Über die Kulturgeschichte und Archäologie ist der vielseitige Verleger auf ein altes Buch gestoßen, das im 19. Jahrhundert Archäologiegeschichte geschrieben hat. 1839/40 bereiste der amerikanische Reiseschriftsteller und Archäologe John L. Stephens zusammen mit dem englischen Zeichner Frederick Catherwood das Gebiet der ehemaligen Maya-Kultur. Sein 1841 erschienener Reisebericht “Incidents of Travel in Central America, Chiapas, and Yucatan” wird auch von modernen Archäologen vor allem wegen der detailreichen Zeichnungen Catherwoods immer wieder herangezogen. „Die Entdeckung der alten Mayastätten“ (Edition Erdmann) nennt sich die aktuellste deutsche Fassung dieses Bestsellers aus dem 19. Jahrhundert.
Florian Isensee lädt drei bis vier Spieler ein, sich auf die Spuren von Stephens und Catherwood zu begeben. Er braucht dazu keinen Spielplan und keine Spielfiguren, 64 Spielkarten liefern das atmosphärische Ambiente für die EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN. Die Expeditionsroute symbolisieren zehn Wegekarten, die, nebeneinander ausgelegt, den Spielern Schatzfunde, aber auch gefährliche Abenteuer verheißen. Um an die Schätze heranzukommen und die Abenteuer zu bewältigen, benötigen die Spieler Aktionskarten, zusätzlich erhält jeder Spieler eine Rastkarte, die wichtig für den Kartennachschub ist. Schließlich gibt es noch einen Stapel mit zehn Schatzkarten, der Schätze im Wert zwischen 20 und 60 Punkten enthält. Darum geht es letztendlich auch in diesem Spiel: das Sammeln von punkteträchtigen Schätzen. Wer dazu am besten seine Aktionskarten einsetzt, gewinnt meist schon nach einer Viertelstunde die EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN.
Was passiert in dieser Zeit? Die Wegekarten werden nacheinander aufgedeckt. Ist es eine Abenteuerkarte, müssen die Spieler gemeinsam das Abenteuer bestehen. Da gibt es leicht zu bewältigende Ereignisse, wie die Begegnung mit der Schmugglerbande, die einen Gefahrenwert von fünf Punkten besitzt, und schwierige, wie die Überquerung einer verfallenen Hängebrücke, die mit zehn Punkten die Abenteurer oft zu weiteren Versuchen zwingt. Für das Bestehen des Abenteuers legen die Spieler verdeckt eine ihrer Aktionskarten ab, ergeben diese addiert den geforderten Gefahrenwert, gilt das Abenteuer als bestanden und die nächste Wegekarte wird aufgedeckt. Der Spieler mit der höchsten Aktionskarte erhält die Abenteuerkarte, die in der Endabrechnung immerhin zehn Punkte bringt. Wird das Abenteuer nicht bewältigt, muss jeder Spieler seinem linken Nachbarn seine höchste Aktionskarte zuschieben. Der Konflikt, in dem die Spieler immer wieder stehen, besteht hauptsächlich darin, dass man eigentlich die hochwertigen Aktionskarten für die Phasen aufheben möchte, in denen Schätze zu finden sind. An vier Fundorten gibt es ein bis drei Schätze zu finden, um die die Spieler sich mit ihren Karten duellieren.
Isensees Kartenspiel ist von den Siegbedingungen her kompetitiv angelegt, das Besondere an seiner Spielidee ist aber, dass er - durchaus realitätsnah – für die Bewältigung des größeren Teils der Wegestrecke die Kooperation der Spieler verlangt. Daraus entwickelt sich der ganz besondere Reiz der EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN. Welche Karten setze ich wann ein, welches Risiko gehe ich ein, wenn ich mich nur geringfügig beim Bestehen der Abenteuer beteilige? Das sind Fragen, die sich den Spielern immer wieder stellen. Wie die meisten Kartenspiele ist Isensees Expedition glücksabhängig, aber das Glück lässt sich dank der kurzen Spieldauer immer wieder neu herausfordern. Ich empfehle daher viermal zu den Mayastätten aufzubrechen, das schaffen Sie in einer guten Stunde.
Die alten Grafiken, die für die unterschiedlichen Illustrationen verwendet werden, tragen gelungen zur Spielatmosphäre bei. Das Kartenmaterial ist hochwertig, aber spitzkantig. Die Verpackung, eine dünne Faltschachtel, hätte ich mir stabiler gewünscht. Für 6,50 Euro erwerben Sie ein interessantes, innovatives Spiel eines neuen Autors, der nun nicht mehr nur Bücher in seinem Buchverlag veröffentlicht.
Titel: EXPEDITION ZU DEN ALTEN MAYASTÄTTEN
Autor: Florian Isensee
Verlag: Isensee-Verlag (www.isensee.de)
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: 6,50 Euro
Spiel 11/2006 R124/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seit 1995 ist der Oldenburger Buchhändler und Verleger, seit 2005 verlegt er auch eigene Spiele. Seine EXPEDITION ins Reich der Spiele bestand anfangs ausschließlich aus Kartenspielen, Ausflüge in die Geschichte, die zu den Mayas, nach Frankreich (MUSKETIER), Ägypten (RAMSES), Rom (HÄNDLER AUF DEM FORUM ROMANUM) und Kreta (LABYRINTH DES MINOTAURUS) führten.
Mit RAMSES und den HÄNDLERN verließ Isensee schon das Genre eher klassischer Kartenspiele, arbeitete aber noch kartenbasiert. In dem 2009 erschienenen dreiteiligen Abenteuer um MINOTAURUS ging es im Prinzip nur noch um Elemente des Kartenerwerbs zum Ausbau eines Labyrinths. 2010 lag mit GESCHENKE FÜR DEN RADSCHA in einer großen Schachtel, die als Umverpackung für das gesamt Œuvre Isensees dienen konnte, ein außergewöhnliches Wüstenabenteuer mit einem ungewöhnlichen Bewegungsmechanismus vor, das schon am Samstag auf der Messe ausverkauft war.
2011 erschien mit AKTIENRAUSCH das letzte Spiel, das aus der historischen Reihe herausfiel, aber extrem viel Aufmerksamkeit erregte. „Das hat mich damals total überrascht, dass sich erstmals TV-Stationen für eins meiner Spiele interessierten. Die Medienresonanz war unglaublich.“
Noch größer war die Resonanz 2019 zu einem Wahlspiel in den USA, das sich den damaligen Präsidenten vorknöpfte: FROM IDIOT TO PRESIDENT. Eine Teamarbeit mit Philipp Grasl, Daniel Sip, Mark Schütte und Thorben Schwitalla, für die die Freunde mit Haarenwerk einen eigenen Verlag gründeten. Produziert wurde nun auch nicht mehr im Isensee Verlag, sondern bei LudoFact mit einer Initialfinanzierung über Kickstarter. Das Medienecho auf das Spiel war beachtlich, wichtiger war für das Verlagsteam aber das große internationale Interesse.
Das Foto zeigt Florian Isensee mit allen seinen Spielen 2020.
Mittwoch, 28. Juli 2021
FESTIVAL BEIM PFERDESTALL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Guter Zweck: FESTIVAL BEIM PFERDESTALL
Seit drei Jahren beleben die Kronberger Roland und Tobias Goslar die Spielszene mit genialen Ideen rund um die Raute. Schon mit dem pfiffigen FRANTIC FRANKFURT haben sie allerdings Abstand von den geometrischen Spielereien genommen, noch einen Schritt weiter gehen Sie mit ihrem neuesten Produkt FESTIVAL BEIM PFERDESTALL. Die Goslars sind nicht mehr freakig, sie kommen ganz familiär daher und bieten erstmalig ein klassisches Familienspiel in ihrem Programm an. Die Verbundenheit mit ihrem Kronberger Umfeld bleibt aber, war sogar Anlass für dieses Spiel. Seit vier Jahren veranstaltet die Ann-Kathrin-Linsenhoff-UNICEF-Stiftung im September in Kronberg das so genannte Schafhof-Festival. Die bekannte Dressurreiterin wohnt mit ihrer Familie auf diesem 18 Hektar großen Anwesen in der Nähe Kronbergs. Die Goslars haben 2005 für die Benefizveranstaltung in Zusammenarbeit mit Ann-Kathrin Linsenhoff FESTIVAL BEIM PFERDESTALL entwickelt. Ein Teil der Einnahmen des Spiels wird für ein UNICEF-Hilfsprojekt im Sudan gespendet.
Der spielerische Ansatz geht erst einmal von einem modifizierten Memo-Spiel aus. Damit geben sich die Goslars aber nicht zufrieden. Die Fortbewegungsweiten der zwei bis vier Spieler ab acht Jahren auf dem Schafhof-Gelände ergeben sich aus der Anzahl aufgedeckter Plättchen. Die Autoren nutzen den Reiz des Spiels mit dem Risiko, kombinieren diesen aber mit einem kleinen Schuss Taktik. Unter den 44 Spielplättchen gibt es Clowns, Kinder, Pferde und Kleintiere. Wer ein Plättchen aufdeckt, zieht natürlich nur ein Feld weit. Das gilt auch noch für zwei Plättchen, erst ab drei steigert sich die Bewegungsweite auf vier Felder, für jedes weitere Plättchen dürfen die Spieler vier Felder zusätzlich vorwärts ziehen. Das Problem dabei ist, dass die Kärtchen auf bestimmten Feldern auf dem Spielplan abgelegt werden müssen, damit sich mit der Zeit ein buntes Leben auf dem Schafhof entwickelt. So muss ein Clown immer bei einer der Festival-Attraktionen auftauchen, erst dann dürfen Kinder, die Teams zugeordnet sind, dort erscheinen. Pferde dürfen auf der Pferdeweide nur als Drillinge abgelegt werden. Bei den Kleintieren, die am Rentbach leben, sind es mindestens zwei, die abgelegt werden müssen. Das Aufdecken eines Clowns, eines Kleintieres in Kombination mit einem Nicht-Kleintier oder zweier Kinder aus einem Team beenden den Spielzug. Beim Clown oder wenn man freiwillig aufhört, darf man meistens ablegen und mit seiner Spielfigur auf einem vorgegebenen Weg voranziehen, sonst müssen alle Plättchen umgedreht werden und der nächste Spieler ist an der Reihe. Das Spiel endet, wenn ein Spieler bis zur Festival-Bühne ziehen konnte, oder wenn einer es schafft, alle verdeckt liegenden Kärtchen vorherzusagen. Das ist deshalb nötig, weil drei Clowns im Spiel sind, für die es keinen Ablageplatz gibt. Falsche Versuche werden nicht bestraft, wer es aber schafft, darf für jedes Kärtchen zwei Felder vorwärts ziehen. Wer danach am weitesten vorangekommen ist, ist Sieger des Spiels.
Die Umsetzung des Spiels ist solide: Grafisch gefällig, das Ambiente des Festes wird eingefangen, in der Ferne grüßen Mainhattan, der Limes und natürlich Kronberg, ordentliches Material mit großen Holzpöppeln und stabilen Memo-Plättchen, die Regel wird etwas gewöhnungsbedürftig über mögliche Fragen zum Spielablauf strukturiert.
Grundschulkinder, vor allem Mädchen, haben Spaß an diesem Spiel. Es dauert in voller Besetzung meistens länger als die angegebenen 15 Minuten, aber das macht nichts. Sobald die Ausschlussregelungen – und dafür sind die beiden Spielhilfen ganz wichtig – klar sind, ergeben sich spannende Partien, die meist zum Aufdecken aller Plättchen führen. Tobias und Roland Goslar haben ein rundes Familienspiel entwickelt, das zwar nicht durch viel Originalität auf sich aufmerksam macht, aber durch eine gesunde Mischung bekannter Spielprinzipien, die atmosphärisch dem realen Schafhof-Festival gerecht wird. Ein gutes Spiel für einen guten Zweck, was will man mehr.
Titel: FESTIVAL BEIM PFERDESTALL
Autor: Roland und Tobias Goslar
Verlag: Kronberger Spiele
Spieler: 2- 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 bis 30 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Zu den Autoren:
Tobias und Roland Goslar haben ab 2003 mit Rautenspielen auf sich aufmerksam gemacht, so mit BONOBO BEACH und CRONBERG. Für ihre Ideen gründeten sie den Verlag Kronberger Spiele. Das Legespiel TOM TUBE landete 2004 auf der Empfehlungsliste der Jury.
Roland Goslar ist den Spielen treu geblieben. Mit HALF-PINT HEROES erschien 2017 sein letztes Spiel, redaktionell betreut er Spiele für den Heidelberger Spieleverlag.
Das Bild zeigt Tobias und Roland Goslar bei ihrem ersten Auftritt 2002 auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Spiel 12/2006 R125/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Dienstag, 27. Juli 2021
EQUILIBRIO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Ruhiges Händchen gefordert: EQUILIBRIO
Früher waren es die klassischen Ankerbausteine, die zum Nachbau architektonischer Wunderwerke reizten. Bis in die 50er-Jahre fehlten die Naturbausteine, die im Übrigen seit 1995 im thüringischen Rudolstadt wieder produziert werden, in keinem Kinderzimmer. Ein in diese Richtung gehendes modernes Angebot bietet EQUILIBRIO von Michel und Robert Lyons aus dem Huch-Verlag. Die beiden Autoren folgen nicht dem Prinzip der Steinanhäufung für den Bau gewaltiger Kathedralen, sie kommen mit 18 Kunststoff-Bausteinen in sieben verschiedenen Formen aus.
EQUILIBRIO steht in der Tradition von ARCHITECTO, das ebenfalls von den beiden Autoren 2005 bei Huch erschienen ist. Hier wie dort steht im Zentrum des Spiels ein Aufgabenblock, der gedankliche und taktile Herausforderungen steigenden Schwierigkeitsgrades enthält. Die Aufgaben geben Art und Anzahl der zu benutzenden Bausteine vor und zeigen das zu erstellende Gesamtobjekt. Damit ist klar, EQUILIBRIO ist in der Regel ein Solitärspiel, eine logische Tüftelei, für deren Umsetzung man aber ein ruhiges Händchen benötigt. EQUILIBRIO ist anspruchsvoller als ARCHITECTO, da das Bauen auf Rollen, auf Spitzen, auf Halbkugeln erheblich mehr Feingefühl erfordert, als das bei den logischen Gedankenübungen vom Vorläuferspiel der Fall war. Nicht zu Unrecht verweist daher der spanische Spieltitel auf die Balance, auf das Gleichgewicht, das bei den Bauaufgaben im Vordergrund steht.
Für Grundschulkinder stellen beide Spiele interessante Herausforderungen dar und erfüllen vorbildlich Lernspielfunktion ganz im Sinne der Schulung von Kopf und Hand. Der Reiz für ältere Spieler hält sich nach meinen Erfahrungen in Grenzen, der Aufforderungscharakter am Anfang ist hoch, hält aber nicht an. Ärgerlich finde ich, dass der Verlag bei dem nicht gerade preiswerten Spiel doppelt abkassiert. Die Bausätze beider Spiele sind identisch, so dass die Besitzer von ARCHITECTO eigentlich nur den neuen Aufgabenblock benötigen, den es aber nur im Gesamtpaket gibt. Immerhin lässt sich aus der Not eine Tugend machen, mit beiden Spielen wird aus den Solofassungen ein Zweipersonen-Spiel, das man im direkten Wettstreit austragen kann.
Meine persönliche Meinung zu EQUILIBRIO und Co. ist geteilt. Die Spiele sind teuer, die Farbgestaltung des Materials ist gewöhnungsbedürftig, zumindest das hätte man bei der Zweitfassung ändern können. Ich frage mich, warum dann nicht besser gleich zu den optisch und haptisch überzeugenderen Ursprungsmaterialien von Anker zurückkehren. Positiv ist immerhin zu berücksichtigen, dass diese Spiele den raren Markt der Solitärspiele beleben. Als Lernspielangebote sind sie geeignet.
Titel: EQUILIBRIO
Autor: Michel und Robert Lyons
Grafik: service3.com
Verlag: Huch
Spieler: Solitärspiel
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: beliebig, für die einfachen Bauten benötigt man wenige Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 10/2006 R123/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Montag, 26. Juli 2021
ELASUND
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Knallhartes Gerangel: ELASUND – DIE ERSTE STADT
„Ein Abenteuer auf Catan“ heißt es rundum auf der Schachtelgrafik von ELASUND, Klaus Teubers aktueller SIEDLERfortsetzung. Lassen Sie sich nicht täuschen, mit den handelsfreudigen Siedlern, die CATAN besiedelt haben, hat ELASUND wenig zu tun. Die Spielgeschichte wird zwar fortgesetzt, ELASUND spiegelt die erste Stadtentwicklung auf CATAN wieder, aber das war’s auch fast schon, was an die Gründerväter erinnert. Zwei Würfel noch für die Ertragsgewinnung – und die Sieben ist immer noch ein Räuber, hier ein Seeräuber, denn ELASUND ist eine Küstenstadt.
Je nach Spielerzahl (zwei bis vier) wird die Ausdehnung der Stadt über Stadtmauertore festgelegt. Jeder Spieler erhält vier Startgebäude, fünf Baubriefe, Stadtmauerteile und zehn Siegpunktsteine. Zwei von den Gebäudekarten werden nach Spielplanvorgabe platziert, 21 weitere neutrale Gebäude unterschiedlicher Größe werden bereit gelegt. Diese dürfen gegen Zahlung von Gold erworben und mit Hilfe von Baubriefen in der Stadt platziert werden. Dafür gibt es Siegpunkte, die man auch bei bestimmten Stadtmauerfeldern erhält und vor allem beim Bau an der Kirche, die alleine mit ihren neun Teilen neun Siegpunkte bringt und rigoros alle um sie liegenden Gebäude verdrängt. Schließlich helfen noch mit Mühlen gekennzeichnete Handelsfelder an die zum Gewinn nötigen zehn Siegpunkte zu kommen.
In Teubers ELASUND herrscht ein knallharter Verdrängungswettbewerb, die Bauplätze sind rar, klein fängt man an und kann durch größere Gebäude schnell überbaut werden. Im Spielablauf hat jeder Spieler reihum maximal vier Aktionen zur Verfügung. Spielsteuernd sind am Anfang des Zuges erst einmal die Würfel. Der Würfelwurf bestimmt, vom Meer aus gesehen, eine der 11 Reihen ELASUNDs, die für jedes dort gebaute Gebäude Erträge bringt, das können Golderträge sein, aber auch so genannte Machtkarten. Bei einer „7“ darf der würfelnde Spieler, die Seeräuber aktivieren. Das Schiff wird in eine beliebige Reihe gesetzt, in der nicht nur die Einnahmen entfallen, sondern Macht oder Goldkarten abgegeben werden müssen, sofern Siegpunktsteine sich in der Reihe befinden. Als zweite Aktion darf unter Berücksichtigung der Baukosten und Bauregeln ein- oder zweimal gebaut werden, ein eigenes oder neutrales Gebäude, ein Teil der Stadtmauer oder der Kirche. Der Kirchenbau ist mit den Kosten von sieben Goldstücken zwar besonders teuer, aber auch besonders lukrativ, da er sichere Siegpunkte bringt. Der Spieler, der mit der Grundsteinlegung beginnt, hat auch noch gewisse Einflussmöglichkeiten auf die Ausdehnung der Kirche, die spieltaktisch von Bedeutung ist. Nach dem Bauen darf einer von fünf Baubriefen in der durch den Würfelwurf vorgegebenen Reihe platziert werden. Diese Baubriefe mit Werten von null bis vier Punkten sind für die Erstellung neutraler Bauten wichtig. Für größere Bauten brauchen die Spieler nämlich zwei oder drei Baubriefe, wobei gegnerische mitzählen können, solange man die Punktemehrheit besitzt. Wer keinen Baubrief legt, erhält zwei Gold. Unter Abgabe von meist gleichfarbigen Machtkarten haben die Spieler dann noch die Möglichkeit eine Bonusaktion durchzuführen, mit der Baubriefe versetzt, aufgewertet, beliebig platziert werden können oder zusätzlich Gold erworben werden kann. Mit Hilfe der Machtkarten, die es in drei Farben gibt, kann auch sonst der Spielverlauf beeinflusst werden, so können drei gleichfarbige Machtkarten dazu dienen, gleich große Gebäude zu überbauen, um damit dem Gegner Siegpunkte wegzunehmen. Mit zwei gleichfarbigen Karten lassen sich Baubriefe auch in beliebige Reihen setzen. Werden Mühlenfelder überbaut, erhalten die Spieler Handelspunkte, die auf einer Skala markiert werden, Siegpunkte gibt es ab drei Punkten aufsteigend in Zweierschritten, auch diese Punkte kann man, sofern eigene Gebäude wieder überbaut werden, verlieren.
Die angegebene Spieldauer von 60 Minuten lässt sich schwerlich erreichen. Besonders in der Endphase, kann sich ELASUND hinziehen, ohne dass es allerdings langweilig wird. Der Spannungsbögen sind viele, da ist einmal der Kampf um die Windmühlen, dann der um die wichtigen Baugründe. Beim Platzieren der Gebäude sind natürlich die häufigeren Würfelzahlen für die Einnahmen mit im Blick zu behalten. Wenn dann doch immer einmal wieder häufig 2, 3 oder 11, 12 hintereinander gewürfelt werden, kommen fast CATAN-Gefühle auf. Man kann versuchen die etwas vorsichtigere Strategie über stetige Goldeinnahmen und Kirchenbauten zu fahren, man kann aber auch bewusst auf die zwei Siegpunkte bringenden großen Sechsergebäude spielen. Der Ärgerfaktor ist natürlich viel höher als bei den SIEDLERn VON CATAN, dadurch ist ELASUND auch eher etwas für die Freaks und weniger für die Familie. Die Vielspieler und Liebhaber härterer Spielkost kommen aber voll auf ihre Kosten. Für die Freaks stellt Klaus Teuber auf seiner Seite (www.klausteuber.de) nicht nur die Professor Easy-Regeln zur Verfügung, sondern weitere Gebäude zum Herunterladen.
Titel: ELASUND – DIE ERSTE STADT
Autor Klaus Teuber
Grafik: Tanja Donner
Verlag Kosmos
Spieler 2 bis 4
Alter ab 10 Jahren
Dauer ca. 90 Minuten
Preis: ca. 26 Euro
Spiel 9/2006 R122/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Die Marke CATAN gilt inzwischen als zweiterfolgreichste nach MONOPOLY. Im letzten feierte das Kultspiel CATAN (früher DIE SIEDLER VON CATAN) seinen 25. Geburtstag. Zum Jubiläum ist auf der Insel Mainau ein überdimensionales CATAN-Feld mit der typischen Wabenstruktur entstanden, das im Juli 2020 feierlich eröffnet wurde.
Der gelernte Zahntechniker Klaus Teuber war schon vor CATAN einer der bekanntesten Spieleautoren Deutschlands, hatte er doch schon für sein Erstlingswerk BARBAROSSA 1988 das Spiel des Jahres gewonnen. Es folgten Doppelsiege 1990 und 1991 für ADEL VERPFLICHTET und DRUNTER & DRÜBER.
Den Weg zu dem Jahrhundertspiel CATAN beschreibt Klaus Teuber in dem ganz aktuell zum Jubiläum erschienenen Buch MEIN WEG NACH CATAN, mit dem er seine Leser auf eine Reise in seine persönliche Geschichte und die Spielgeschichte der 60er und der folgenden Jahrzehnte nimmt.
Die CATAN GmbH, die Teuber inzwischen mit seinem Sohn Benjamin führt, dient der Verbreitung der Ideen rund um die weltbekannte CATAN-Reihe. In die gehört auch ELASUND, das 2006 auf dem 6. Platz beim Deutschen Spielepreis landete.
Das Bild zeigt Klaus Teuber auf dem Goldsieberabend 1997.
Sonntag, 25. Juli 2021
XERXES
SAMMELSURIUM
E-Serie von F.X. Schmid
Die bei Spielesammlern bekanntesten Spiele aus dem F.X. Schmid Verlag sind die Spiele der E-Reihe. Das „E“ steht für Erwachsenenspiele, die Serie erschien in den Jahren 1973/74. Die E-Serie war die Antwort aus Prien auf die Casino-Reihe von Ravensburger und die 3M-Serie. Die Spieleschachteln ähnelten aber nur den Buchschubern von 3M. Im Grunde genommen waren es einfache Stülpschachteln mit durchaus edler Innenverkleidung.
Die am meisten gesuchten Spiele dieser Serie sind: TRADE, SAMURAI, PAGODE und SNIFF. Mit LASKA hatte der Verlag einen Klassiker im Programm, der von einem ehemaligen Schachweltmeister stammte.
Die Firma war älter als Ravensburger. Franz Xaver Schmidt gründete den Verlag 1860 in München. Anfangs wurden nur Spielwaren und Karten produziert, nach dem Zweiten Weltkrieg, das Unternehmen war inzwischen in Prien am Chiemsee ansässig, kamen auch Brettspiele und Puzzles dazu. 1997 übernahm Ravensburger die Firma, labelte bis 2000 noch Produkte unter FX, stellte dann aber die Spiele ein.
XERXES
XERXES erschien gleich im Doppelpack als XERXES und FRUNDSBERG, zwei strategische Spiele, die stark an HALMA angelehnt waren. Als Autor wird Kurt Heuser benannt, die Regelbearbeitung übernahm Eugen Oker. Wenige Jahre davor hatte Heuser in der Logiplay-Reihe von F.X. Schmid ein ähnliches Spiel unter dem Titel SOLO veröffentlicht.
In seiner Rezension in der Zeit (49/1968) schrieb Oker damals über die Entwicklung: „Kurt Heuser war – bevor er Schriftsteller und Drehbuchautor wurde – Pflanzer in Mozambique. In der Einsamkeit der Savanne, ‚auf Vorposten‘, wie er es nennt, lernt der Mensch den Wert des Spiels begreifen; da wird er inne, was ihm eine Handvoll HALMA-Kegel sein können. Beinahe zwangsläufig sind dort, wo die Spärlichkeit zur täglichen Realität gehört, Variationen zum Spiel entstanden, darunter eine, die ein völlig neues ergab. Eine HALMA-Variante, sonst nichts – und doch wurde aus der alten amüsanten Hüpferei ein strategisches Problemspiel.“
Heuser hatte das Schlagen eingeführt, übersprungene Gegner kamen aus dem Spiel und damit änderte sich prinzipiell auch das Spielziel, HALMA bekam eine kriegerische Dimension, in der es um die Eroberung eines Spielfeldes ging.
Schon in SOLO standen sich zwei Doppelreihen von Figuren gegenüber, ähnlich der Schlachtordnung von Cannae. Im Rücken jeder Phalanx befand sich das jeweilige Zielfeld. Wer dieses zuerst mit einer Figur erreichte, gewann.
Nichts anderes passiert in XERXES, nur der Titel passt besser und Heuser oder Oker haben dafür gesorgt, dass es gleich drei unterschiedliche Aufstellungsvarianten gibt. Gespielt wird auf einem 15x19 Feld mit jeweils 24 Spielfiguren. Die Figuren ziehen wie beim Klassiker HALMA, diagonal oder orthogonal in jede Richtung. Eigene oder fremde Figuren dürfen übersprungen werden, wenn das Feld dahinter unbesetzt ist, auch Kettensprünge sind erlaubt. Eigene Figuren bleiben dabei stehen, fremde Figuren werden geschlagen.
Das zweite Spiel FRUNDSBERG ist viel spannender, da die Grundaufstellung hinter einem Sichtschirm geheim vorgenommen wird und eine wichtige Flussgrenze spielentscheidend ist. Figuren müssen erst den Fluss überschreiten und diesmal als Ziel ein Doppelfeld erobern.
Die HALMA-Variante hat Reiz und besitzt viele taktische Komponenten mit Blick auf das Vorgehen. Da lässt sich ganz klassisch in der fast unangreifbaren Phalanx marschieren oder mit Spähtrupps und raffinierten Sprungfolgen ein Überraschungsangriff starten.
Als RITTERSCHLACHT erlebte XERXES 1975 seine dritte Auferstehung bei F.X. Schmid. 1987 kam es dann noch einmal unter dem Titel XERXES heraus, damals allerdings ohne die FRUNDSBERG-Variante, sodass die spielbox diese alte Idee als Spiel im Heft anbot.
Titel: XERXES / FRUNDSBERG
Verlag: F.X. Schmid
Autor: Kurt Heuser
Spielerzahl: 2
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 30 - S30/2021
Samstag, 24. Juli 2021
COLOR CODE
COLOR CODE - Wie bunt ist unsere Welt?
Kreativ, kommunikativ und kooperativ soll es in Zukunft in Spielen von Chili Island zugehen. Der junge Ableger von Queen Games ist ein Experimentierfeld für den Verlegersohn Julien Gupta, der schon mit einigen Spieleveröffentlichungen wie IM TAL DER DRACHEN und WALD DER WÖLFE, stets in Kooperation mit Johannes Berger, auf sich aufmerksam gemacht hat.
Schon für Juliens Vater Rajive Gupta spielten Produktionsstandards eine wichtige Rolle, auch Julien setzt hier Maßstäbe, an der sich viele andere orientieren sollten. Seine Spiele kommen komplett ohne Plastik aus, die Folien sind biologisch abbaubar. Alles wird in Deutschland oder der EU hergestellt aus mindestens 70% recycelten Rohstoffen. Zugegeben, bei Materialien, die hauptsächlich aus Pappe und Papier bestehen, ist das auch einfacher, aber der Ansatz ist lobenswert.
Ob das ebenfalls für das erste Spiel des jungen Verlages gilt, werden wir gleich sehen.
COLOR CODE, erneut eine Kooperation Gupta&Berger, ist ein kooperatives Farbassoziationsspiel, bei dem alle mit dem richtigen Einfühlungsvermögen sich am Ende über viele Punkte und das Erreichen des Highscores freuen können.
Sie alle kennen das Lied „Grün, grün, grün sind alle meine Kleider“, die grüne Farbe besitzen sie, weil der „Schatz ein Jäger“ ist. Und weiter geht’s mit dem roten Reiter, dem blauen Matrosen, dem schwarzen Schornsteinfeger, dem weißen Müller und dem bunten Maler. Wenn es denn immer so einfach wäre mit der Zuordnung. Wie sieht für Sie eine Suppe aus oder welche Farbe assoziieren Sie mit Social Media, mit acht Farben dürfen Sie dabei im Grundspiel antworten. Im Modul „Buntes Treiben“ kommen Pink, Lila und Orange dazu.
Der Color-Coder bekommt drei Begriffe zugeordnet, je nach Anzahl der Beteiligten arbeitet das Team zwischen 12 und 18 Begriffen in einer Spielrunde ab, sodass jeder mindestens einmal an der Reihe ist. Wer mit den Karten „Suppe“, „Social Media“ und „USA“ startet, muss jeweils eine von seinen acht Farbkarten den begriffen verdeckt zuordnen. Der zwitschernde Twitter-Vogel ist blau, auch Facebook hat einen blauen Kreis, „Social Media“ übernimmt schon einmal die blaue Farbkarte. Diese Farbe hätte ich durchaus auch für die USA in Betracht gezogen, schon allein wegen der Flagge und der Demokraten. Bleiben die roten Streifen, obwohl man hier ganz schnell in das Fettnäpfchen der Diskriminierung treten könnte, da auch die alte Karl May Bezeichnung „Rothäute“ in diesen Assoziationskreis auftauchen könnte. Entscheidend ist, was die anderen denken. Bleibt die Suppe, Curry als Zutat fällt aus, da die orangene Farbe noch im Erweiterungsdeck steckt, eine schöne Rote Beete-Suppe verhindern die USA, bleiben die klassische grüne Erbsensuppe oder die braune Gulaschsuppe. Mit einem 50/50 Hilfs-Chip könnte ich es meinen Mitspielern leichter machen.
Spannend ist danach die Diskussion in der Gruppe, bei der es dem Color-Coder meist schwer fällt, nichts zu sagen, wenn die anderen die Lösung schon parat haben, aber immer noch diskutieren oder meilenweit weg von der Richtung Zuordnung sind. Bei mir geht’s schon los mit den Sozialen Medien, was für mich eindeutig war, geht eher in die rote Richtung wegen Instagram, Pinterest und YouTube. Für die USA bleibt dann nur noch blau übrig, weil man ja auch über den großen blauen Ozean fliegen müsse. Zumindest bei der Suppe geht’s in die richtige Richtung, da ich es ihnen leichter gemacht habe, setzt das Team auch noch einen Bonus-Chip ein, der die Wertung verdoppelt.
Für die Auswertung gibt es eine Wertungstafel, jeweils zwei richtige Lösungen bringen das Team voran. Berauschend war dieses erste Ergebnis noch nicht, aber wir haben ja noch vier Runden. Am Ende dürfen wir uns über 14 Karten bzw. Bonus-Chips freuen, die uns den „Highscore“ einbringen. Das schafft man auch meistens, wenn man sämtliche Hilfechips, wie den Insider und Farbfilter nutzt, wobei der letzte eine Farbe ausschließt und der erste auf gemeinsamen Erfahrungen beruht. Die insgesamt drei Bonus-Chips richtig eingesetzt, reichen meist für den Sprung über die höchste Wertungsgrenze.
Wer nur mit Erwachsenen spielt, kann auch die 18 extra scharfen Begriffe mit einmischen und sich fragen, welche Farbe hat denn die Ekstase oder müssen Dessous nur schwarz sein? Im Modul „Buntes Treiben“ kommen nach jedem geschafften Level die drei zusätzlichen Farben ins Spiel. So ganz viel bringt das allerdings nicht, da erstaunlich oft die Farben Rot, Blau, Grün, manchmal auch noch Schwarz und Weiß gewählt werden und die Trefferquote mit diesen Farben erheblich höher ausfällt.
Mit COLOR CODE ist Gupta&Berger ein guter Einstieg des neuen Verlages in den Bereich der Kommunikationsspiele gelungen. Das Spielprinzip bietet zwar wenig Neues, deutlich mehr bieten die anregenden Diskussionen um die bunte Vielfalt unserer Welt.
Titel: COLOR CODE
Autor: Johannes Berger, Julien Gupta
Grafik: Annika Jansen, Sandra Grelling
Verlag: Chili Island
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 53/2021
Freitag, 23. Juli 2021
DIABOLO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Teuflisches Spiel: DIABOLO
Michael Schacht gehört zu den vielseitigsten Autoren, die in den 90er-Jahren in Konkurrenz zu Kramer und Co. angetreten sind. Er hat ein gutes Händchen für die großen Spiele, KARDINAL UND KÖNIG gehört immer noch zum Besten, was er je entwickelt hat, eine Reihe seiner Kartenspiele, darunter COLORETTO, gehören aber in die allererste Riege. Dieser Tradition folgt DIABOLO, sein neuestes Amigo-Spiel.
70 Zahlen in fünf Farben mit Werten von 1 bis 5 stehen den drei bis fünf Spielern zur Verfügung. Sechs davon hat jeder auf der Hand, mit jedem Spielzug wird ergänzt, bevor eine Karte passend an farblich zugeordnete „Himmel und Hölle“-Karten in der Tischmitte gelegt wird. Die Entscheidung, die jeweils zu fällen ist, heißt damit: Ordne ich meine Farbkarte lieber dem Himmel oder der Hölle zu. Sobald insgesamt zweimal fünf Karten an beliebigen Farben anliegen, wird zumindest im Spiel zu dritt und zu viert gewertet. Überwiegen die Engelspunkte, wird die Farbe positiv gewertet, im anderen Fall gibt es Minuspunkte, bei Gleichstand, wird die Farbe nicht gewertet. Die Zuordnung der Punkte ergibt sich aus den sechs Handkarten der Spieler. Der Spieler, der die höchste Kartensumme der abgerechneten Farbe besitzt, erhält die Plus- oder Minuspunkte. Zusätzlich darf einmal vor dem Aufdecken der Farbkarten der Spieler eine so genannte „Dopplerkarte“ eingesetzt werden, die den Ergebniswert verdoppelt. Das ist schon das ganze Spiel. Beachtet werden muss nur noch, dass maximal drei Karten auf einer der Kartenseiten angelegt werden dürfen.
Ein typischer Schacht: minimales Regelwerk für ein schnelles Spiel, das Spaß macht. Gespielt werden so viele Runden, wie Spieler teilnehmen, so dass meist nach 15 bis 30 Minuten das teuflische Spielvergnügen DIABOLO schon vorüber ist. Diese Spieldauer hindert niemanden, zu Revancherunden anzutreten. Für die Abrechnung liegt sogar ein Punkteblock dem Spiel bei.
DIABOLO ist nichts für Taktiker, große Überlegungen muss man nicht anstellen, da Planungen häufig genug durch unglückliche Kartenaufnahme zerstört werden können. Trotzdem wird man nicht nur gespielt, hat bei sieben Karten, die jeweils zur Auswahl stehen, schon Einflussmöglichkeiten, wobei besonders das rechtzeitige Herbeiführen der Wertung oft spielentscheidend ist. Himmlisch gut ist DIABOLO sicherlich nicht, teuflisch schlecht aber auch nicht, kein großartiges, aber ein solides Spiel, mit leicht positiver Bilanz auf der himmlischen Seite, zumal es äußerst preiswert auf dem Markt zu erhalten ist.
Titel: DIABOLO
Autor: Michael Schacht
Grafik: Michael Schacht
Verlag: Amigo
Spieler: 3- 5
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: 8 Euro
Spiel 8/2006 R121/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt Michael Schacht mit seiner Partnerin Marianne Hartz im DIABOLO-Jahr 2006 in Göttingen.
Donnerstag, 22. Juli 2021
WER HAT MEHR?
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
WER HAT MEHR?
Geht’s noch ein bisschen hässlicher? Dieses Spiel mit den Temperamenten, das Piatnik von dem englischen Autor Alan Moon in diesem Jahr veröffentlicht hat, wirbt nicht unbedingt mit seinem Cover. Der aufbrausende Choleriker, der träumende Phlegmatiker reizen mich eigentlich nicht, dieses Spiel in die Hand zu nehmen. Dann schon eher das melancholische Konterfei eines Woody Allen Doppelgängers.
Hinter dieser thematischen Verpackung steckt ein Stichspiel, das gar nicht so schlecht ist. Die 60 Spielkarten, die der roten Cholerik, gelben Sanguinik und blauen Phlegmatik zugeordnet sind, besitzen Werte von 1 bis 20. Zusätzlich gibt es vier Trumpfkarten, bei der Allen als Melancholiker den Verzicht auf Trumpf mit sich bringt. Außerdem spielen Bietchips eine nicht unwichtige Rolle.
Die Rundenzahl orientiert sich an der Spielerzahl, sodass zwischen acht und 13 Runden gespielt werden. Die Zahl der Handkarten startet niedrig bei drei Karten und steigert sich von Runde zu Runde um eine Karte. Am Ende bekommt jeder je nach Spielerzahl zwischen 10 und 15 Karten, die Trumpffarbe wird zufällig bestimmt. Vor dem Spiel bewerten alle ihre Kartenhände und wetten der Reihe nach offen auf Farben, von denen man meint, am Ende die meisten Karten zu besitzen. Wer sich für den Melancholiker entscheidet, zeigt damit an, dass er insgesamt die wenigsten Karten am Ende haben möchte. In dieser Bietphase hinten zu sitzen, besitzt Vorteile, da man die vorher abgegebenen Gebote in seine Überlegungen mit einbeziehen kann. Wer will darf auch auf mehr als eine Farbe setzen.
Der Spielablauf entspricht den üblichen Stichspielregeln, die wir aus dem SKAT-Spiel kennen. Es besteht Farb-, aber kein Stichzwang. Wer den Stich gewinnt, spielt weiter aus. Am Ende bringt jede erfüllte Wette fünf Punkte, hinzu addiert wird jede Karte dieser Farbe. Unerfüllte Wetten zählen fünf Minuspunkte. Der graue Chip bringt so viele Plus- oder Minuspunkte wie Handkarten in der entsprechenden Runde verteilt wurden.
Was am Anfang noch eher zufällig abläuft, wird mit steigender Kartenzahl berechenbarer und fängt an Spaß zu machen. Die Spielregel bietet am Ende noch einige Varianten, die keine Langeweile aufkommen lassen. So gibt es doppelte Bietmöglichkeiten und geheime Gebote.
Augen zu und durch, kann ich nur empfehlen, das Spiel ist zwar potthässlich, aber als Stich- und Bietspiel besitzt es Reiz. Bei wenigen Karten ist das Bieten auf eine Farbe eher zufällig, da keiner weiß, welche Karten überhaupt im Spiel sind. Hinten raus wird das alles kalkulierbarer und spannender.
Titel: WER HAT MEHR?
Autor: Alan Moon
Grafik: Wolfgang Rieder
Verlag: Piatnik
Spielerzahl: 3- 6
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: 45 Minuten
Preis: 10.- DM
Spiel 05/1990 R119/2021
Die Rezension erschien 1990
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Alan Moon war in den 80er Jahren für Avalon Hill journalistisch tätig, arbeitete auch an der Spielentwicklung für diese Firma und für Parker Brothers. Dem deutschen Publikum wurde er Anfang der 90er Jahre durch Spiele wie AIRLINES (Abacus) und Spiele des Verlags White Wind bekannt, den er zusammen mit Peter Gehrmann gründete. In dieser frühen Phase erschien WER HAT MEHR (1990) bei Piatnik.
In 1000er Auflagen erschienen die meisten Spiele bei White Wind so auch ELFENROADS, das später in der Version von Amigo als ELFENLAND Moons erstes „Spiel des Jahres“ wurde. Zwischen 1998 und 2004 war Moon besonders erfolgreich.. Mit UNION PACIFIC (1999) und DAS AMULETT (2001) landete er auf der Nominierungsliste. 2004 gelang ihm sein größter Erfolg mit ZUG UM ZUG, zu dem in der Folgezeit verschiedene Varianten und Erweiterungen erschienen sind und immer noch erscheinen.
WER HAT MEHR erschien 2001 in einer attraktiveren Fassung als WHERE’S BOB’S HAT? bei Abacus.
In dieser erfolgreichen Phase war Moon erster Vorsitzender der Spieleautorenzunft. Das Bild stammt aus einem Gespräch zweier Preisträger in Göttingen aus dem Jahre 2005. Werner Hodel und Alan Moon diskutieren, ob der Mississippi oder die Schiene der bessere Transportweg in den USA sei.
Mittwoch, 21. Juli 2021
TORJÄGER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spiel zur WM in Südafrika: TORJÄGER
Nach dem Sommermärchen 2006 in Deutschland, das uns nur den Bronzeplatz einbrachte, treten nun erneut, diesmal in Südafrika, unsere TORJÄGER um Miroslav Klose, Lukas Podolski und vielversprechenden Thomas Müller an, den Siegerpokal nach Deutschland zu holen. Die Ergebnisse in der Vorrunde gegen Finnland waren zwar nicht berauschend, aber zum klaren Gruppensieg hat es gereicht und gegen Serbien, Australien und Ghana dürfte es wohl auch in der Vorrunde klappen.
Spielerisch ist von der Mannschaft einiges zu erwarten. Erfolge auf dem Rasen produzieren allerdings selten Erfolge auf dem Spieltisch. Bis auf TIPP KICK hat sich kein Fußballspiel über mehrere Jahre hinweg gehalten. Kosmos probiert es 2020 mit TORJÄGER von Ingo Althöfer. Seit 1994 hat der 49jährige Mathematiker den Lehrstuhl für Mathematische Optimierung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena inne. Nebenher erfindet er Spiele, arbeitet dabei eng mit Reinhold Wittig zusammen. Recht bekannt ist sein EINSTEIN WÜRFELT NICHT!, das in seinem 3-Hirn-Verlag und in der Edition Perlhuhn erschienen ist.
Althöfers TORJÄGER kennzeichnet das, was Fußball ausmacht, Glück und Taktik spielen eine große Rolle, der Teamgeist bleibt beim Duell so ziemlich auf der Strecke. Jeder startet auf einem 5x7 Felder großem Puzzlebrett, an das nur das Feld für den Torwart angehängt ist, mit 11 Spielern. Die Feldspieler teilen sich je zweimal die Nummern zwei bis sechs, die „1“ hat der Torwart. Der Mathematiker Althöfer überlässt die Zufallssteuerung dem Würfel. Es gewinnt dabei der Spieler, der drei Spielfiguren auf die gegenüberliegende Seite ins Tor zieht.
Die Anfangsaufstellung wird beliebig auf den jeweiligen ersten Grundlinien vorgenommen. In TORJÄGER geht es nur nach vorn gerade oder diagonal, ist die gewürfelte Zahl blockiert, darf eine beliebige Figur gezogen werden. Wenn ein Spieler das gegnerische Tor erreicht, müssen wie beim Toranstoß alle Spieler zurück in ihre Spielhälften.
Ein simples Spiel, das Althöfer an EINSTEIN WÜRFELT NICHT angelehnt hat, das allerdings nur mit sechs Spielsteinen und auf einem kleinen 5x5 Feld gespielt wird. Vor allem die Regel, dass bei blockierten Steinen ein beliebiger gesetzt werden kann, verleiht TORJÄGER durchaus taktische Züge.
Das Papp-Material mit Puzzle-Spielplan und dicken Papp-Markern ist für die kleine Kosmos-Schachtel ausreichend. Dank der Wendeseiten darf man unter vier Teams wählen. Wer will, kann den Ablauf verkürzen und nur auf ein Siegtor spielen, wer möchte kann aber auch zu viert ein kleines Turnier organisieren. Althöfers Spiel funktioniert, macht durchaus auch Spaß, TIPP KICK wird es aber nicht überleben.
Titel: TORJÄGER
Autor: Ingo Althöfer
Grafik: Christian Fiore
Verlag: Kosmos
Spielerzahl: 2-(4)
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: 25 Minuten
Preis: 9.- Euro
Spiel 01/2010 R120/2021
Die Rezension erschien 2010
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 1961 in Lage geborene Mathematiker Ingo Althöfer promovierte 1986 in Bielefeld, seit 1994 hat er den Lehrstuhl für Mathematische Optimierung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena inne.
Seine Forschungsschwerpunk liegen in den Bereichen Spieltheorie und Kombinatorische Optimierung. Althöfer hat experimentell untersucht, wie sich Lego-Steine beim Waschen in der Waschmaschine zu Zufalls-Komplexen zusammensetzen, die Ergebnisse dokumentierte er in „Meine wunderbare Wasch-Saison“. Sein Highlight der Wasch-Saison2013: „Steine von verschiedenen Herstellern (einschließlich LEGO und der DDR-Marken PeBe2000 und Formo) bilden in der Waschmaschine gemeinsame Zufallskomplexe: Es wäscht zusammen, was zusammen gehört!“
Spielideen veröffentlichte er im Eigenverlag 3-Hirn Spiele. Das 3-Hirn-Prinzip hat er in den 80ern noch vor seiner Promotion formuliert und an SCHACH demonstriert. Beim 3-Hirn sind ein Mensch und zwei Computer mit verschiedenen Programmen beteiligt. Der Mensch lässt beide Apparate rechnen und trifft die Wahlentscheidung. Ein menschliches Hirn wählt also aus den Vorschlägen von zwei Elektronen-Hirnen aus. 1 + 2 = 3, daher 3-Hirn.
In diesem Verlag erschien auch 2004 EINSTEIN WÜRFELT NICHT! Zur WM 2006 griff Noris die Idee auf und veröffentlichte FINALE, das dem Kosmos-Spiel TORJÄGER entspricht. 2006 erhielt Altöfer den Inno-SPATZ der Stadt Göttingen.
Das Bild zeigt den Autor auf dem Autorentreffen im Jahr seiner Auszeichnung.
Dienstag, 20. Juli 2021
CHOICE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spiel mit Wahrscheinlichkeiten: CHOICE
Der Würfelglocke bedarf es zwar nicht, ein Würfelbecher würde auch ausreichen, aber diese Würfelarena unter Plastikglas hat was. Fünf Würfel unter einem Hut gebracht, ergeben ein flottes Spiel, so behauptet es zumindest die einleitende Spielregel.
Der amerikanische Autor Sid Sackson variiert in CHOICE seinen Klassiker CAN‘T STOP, der 1981 vor knapp zehn Jahren auf der Auswahlliste zum Spiel des Jahres landete und sich nur der eigenen Konkurrenz mit dem genialen FOCUS beugen musste.
In CAN’T STOP geht es um Spielfeldkolonnen, die nach Addition zweier Würfel zwischen den Werten 2 und 12 zum Vorankommen genutzt werden. Ähnlich werden auch in CHOICE zwei Würfel addiert und diesmal in einem Block eingetragen. Für den nicht genutzten fünften Würfel gibt es drei Eintragungsreihen mit acht Feldern. Sind alle drei Zahlen definiert, muss man eine dieser Zahlen nutzen und kann sie nicht mehr zur Summenbildung verwenden.
Das Spiel endet, sobald man eine von den fünften Würfel-Zahlen zum achten Mal angekreuzt hat.
In allen anderen Reihen gilt, das angefangene Reihen erst in die positive Wertung kommen, wenn sie mindestens sechsmal angekreuzt wurden. Vorher gibt es für jede Zeile, in der nur ein bis vier Kreuze stehen, 200 Minuspunkte. Maximal fünfmal darf man die positiven Werte anrechnen, die je nach Wahrscheinlichkeit zwischen 30 und 100 Punkten bringen.
Nicht nur der fünfte Würfel macht CHOICE besonders, entscheidend ist, dass der Blick auf die Würfelglocke allen Beteiligten das identisch zu verarbeitende Ergebnis beschert, das entsprechend in einen Spielblock abgetragen wird. Obwohl die Voraussetzungen für alle identisch sind, gibt es immer deutlich verschiedene Ergebnisse. Da setzen die einen eher auf die hohen Wahrscheinlichkeiten bei den Zahlen sechs bis acht, die garantiert keine Minuspunkte bringen, andere fahren höheres Risiko und punkten deutlich lukrativer, sofern sie das sechste Kreuz setzen. Mit der zwei und zwölf ist es aber arg schwer, diese Zahlen machten bei CAN’T STOP mehr Sinn.
Eine Warnung müsste allerdings in der Spieleschachtel stecken, achten Sie auf den Rat Ihres Rezensenten: CHOICE kann süchtig machen.
Titel: CHOICE
Autor: Sid Sackson
Verlag: Hexagames
Spielerzahl: 1-
Spieldauer: eine Runde ca. 20 Minuten
Preis: ca. 25.00 DM
Spiel 3/1990 R118/2021
Die Rezension erschien 1990
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Sid Sackson (1920 – 2002) gehört zu den weltweit bekanntesten Spieleautoren des letzten Jahrhunderts. Sackson war einer der ersten Spieleautoren, die von dieser Berufung leben konnten. Ganz wesentlich hat dazu der Welterfolg von ACQUIRE beigetragen.
In seinem Haus in der New Yorker Bronx baute er sich ein wissenschaftliches Archiv auf mit einer riesigen Sammlung an Brett- und Kartenspielen, die auf knapp 20.000 Titel geschätzt wurde. Leider fand sich keine museale Lösung nach seinem Tod für diese einmalige Sammlung. Die Spiele wurden auf einer Reihe von Auktionen verkauft und die Sammlung zerschlagen.
Neben ACQUIRE ragen Spiele wie FOCUS (Spiel des Jahres 1981), CAN’T STOP, METROPOLIS und BAZAAR aus seinem umfangreichen Gesamtwerk heraus.
Das Foto zeigt Sackson 1989 in Essen bei der legendären CAFÉ INTERNATIONAL-Runde.
Montag, 19. Juli 2021
LOGO-NOTE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Notenlernprogramm: LOGO-NOTE
Mit einem ganz besonderen Anspruch hat sich Horst Hoffmann aus Hasbergen bei Osnabrück an ein Notenlernprogramm gemacht. Mit seinem Spiel LOGO-NOTE will er schon Kinder ab vier Jahren ansprechen.
Das Spiel enthält 108 Karten für verschiedene Lernspielvarianten. Im Grundprogramm (36 Karten) geht es erst einmal nur um die korrekte Benennung der Noten. Dem Notenbild zugeordnet werden optische Denkhilfen, so ein Elefant für das "e". Eher lautmalerisch ist man dabei beim "c" und "cis" vorgegangen, hierfür stehen die Bilder Zebra und Zitrone. Die vorgeschlagenen Lernspiele sind einfach gehalten, durch Abdecken der Bilder werden die Noten mit der Zeit richtig erlernt. Auch die Wettkampfvarianten überzeugen spielerisch kaum.
Etwas abwechslungsreicher sind die weiteren Spiele mit den restlichen 72 Spielkarten. Im ersten Spiel muss eine Notenkarte der richtigen Bildkarte zugeordnet werden. Bei Benutzung des vollständigen Kartensatzes müssen die unterschiedlichen Tonhöhen berücksichtigt werden, was dann auch schon für Grundschulkinder ganz schön anspruchsvoll wird. Insofern empfiehlt Horst Hoffmann zurecht, das Spiel mit dem vollen Kartensatz erst nach längerer Vorbereitungszeit zu spielen. Die musikalische Begleitung wird dringend empfohlen.
Nach unseren Probespielen mit Vorschulkindern eignet sich LOGO-NOTE für die Grundeinführung von Noten. Der Spielspaß bleibt aber etwas auf der Strecke, die Pädagogik steht im Vordergrund.
Titel: LOGO-NOTE
Autor: Horst Hoffmann
Grafik: o.A.
Verlag: Horo-Vertrieb
Spielerzahl: 2-4
Spieldauer: eine Runde ca. 20 Minuten
Preis: ca. 20.00 DM
Spiel 21/1994 R117/2021
Die Rezension erschien 1994
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Das Foto zeigt den Autor bei der Präsentation seines Spiels auf der Spiel 1993 in Essen.
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