Freitag, 26. August 2016
UGAH UGAH!
Die letzten beiden Jahre waren für Benjamin Schwer besonders erfolgreich. Allein 2015 konnte er mit MONSTER MENÜ, SPACE PLANETS und UGAH UGAH! drei Spiele bei Haba veröffentlichen, zusätzlich erschien BUTTONS bei Noris. 2016 läuft bisher vergleichbar aussichtsreich an: Mit YETI ist er bei Pegasus vertreten und DIE HELDEN VON KASKARIA (vgl. meine Besprechung in spielbox 3, 2016, S. 55) sind sein großes Haba-Spiel.
Ähnlich wie bei YETI setzt Schwer schon bei UGAH UGAH! ganz auf den Würfelmotor. Der Autor führt uns wie Marco Teubners »Kinderspiel des Jahres« zu den Steinzeitjägern. Bauen Jono und Jada in STONE AGE JUNIOR friedlich an Rundhütten, gehen Knochenkalle und Mammutmanni ausschließlich dem typischen Männervergnügen in der steinzeitlichen Jägerzeit nach.
31 Beutekärtchen liegen auf einem kreisförmigen Weg vor ihnen, der eine macht sich im Uhrzeigersinn auf Beutejagd, der andere läuft die entgegengesetzte Runde. Im Zentrum befinden sich noch drei Supertrophäen, ein Saurier, ein Mammut und ein steinzeitlicher Vogel. An die Kärtchen im Kreis und die drei großen Beutekarten gelangen die kleinen Steinzeitjäger ab fünf Jahren nur über passende Wurfergebnisse. Fünf Würfel sind die Treiber dieser Jagd. Eines der gesuchten Bildsymbole muss pro Runde rausgelegt werden, zusätzlich wird jeder abgenagte Knochen sofort entfernt. Wer dreimal das Symbol der großen Beutetiere gewürfelt hat, bekommt die Karte mit drei Mampfpunkten. Werden Manni und Kalle bewegt, bekommt das Kind beide Kärtchen, auf denen die Figuren landen. Eines davon darf es behalten, das andere wird an einen Mitspieler abgegeben. Beliebt sind dafür Raupenplättchen, die Minuspunkte bringen, aber auch Unterschiede zwischen ein bis vier Punkten machen ganz schön etwas aus. Sobald sich Kalle und Manni treffen, ist die Jagd vorbei und das Kind mit den meisten Mampfpunkten gewinnt.
UGAH UGAH! ist eine ziemliche Herausforderung für Vorschulkinder. Das fängt bei der Würfelsymbolik an, da die Würfelbilder nicht einfach zuzuordnen sind. Das hätte Haba farblich und grafisch besser lösen können. Fünfjährigen fällt es nicht leicht zu verstehen, dass das Herausnehmen eines Knochens die Auflage nicht erfüllt, dass sie einen Würfel mit Beutetier oder den Jägern herauslegen müssen. Genauso schwer sind die grundsätzlichen Überlegungen, die anfallen. Was lege ich für einen Würfel raus? Wie weit komme ich mit Manni und Kalle? Ist das auch lukrativ für mich oder muss ich selbst eine Raupe nehmen? Schaffe ich eventuell die Superjagd auf eine große Beute?
Diese Probleme bringen permanent Spannung ins Spiel, was vor allem etwas ältere Schulkinder und mitspielende Erwachsene reizt. Es ist die typische HECKMECK-Atmosphäre, die in der Würfeltreibjagd UGAH UGAH! entsteht. Diese Stimmung einzufangen, ist Benjamin Schwer gut gelungen. Vielleicht hätte Haba das Spiel sogar in der neuen Familienspielreihe veröffentlichen sollen, denn da wäre es vom Anspruch her besser platziert. Mit dem Würfelspiel SPOOKIES hätte es allemal mithalten können.
So bleibt für die Kleinen einiges Unbehagen. Nicht nur, dass sie auf Hilfe bei den Würfeln angewiesen sind. Bei mehr als zwei Spielern kommt es unter fünf- und sechsjährigen Kindern immer zum Streit, wer die zweite Jagdkarte abbekommt. Daher empfehle ich UGAH UGAH! unter sechs Jahren auch nur als Zweierspiel. Was Sie völlig vergessen können, ist die Variante UNGEWISSE JAGD, in der nur jedes vierte Wegeplättchen aufgedeckt wird und Manni und Kalle weitgehend im Dunkeln tappen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: UGAH UGAH!
Autor: Benjamin Schwer
Verlag: Haba
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4 Spieler
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Donnerstag, 25. August 2016
HOPPY FLOPPY’S MÖHRCHEN JAGD
Die Game Factory, die zur Schweizer Carletto GmbH gehört, fällt in den letzten Jahren immer wieder durch kreative Spielansätze auf. Das gelingt vor allem mit LIFT IT!, einem Bauspiel mit Unterstützung eines Kopfkrans, fantastisch auch das Magnetspiel BELLZ! oder der winzige Tumbau in SPLASH!
Hier reiht sich nun das aktuelle Kleinkinderspiel HOPPY FLOPPY’S MÖHRCHEN JAGD von Nancy Balter ein. Der blaue Hase HOPPY FLOPPY ist schon etwas ganz Besonderes, richtig groß für kleine Kinderhände, die immer wieder begeistert nach dem Hasen greifen. Dabei ist er nicht einfach eine Hasenfigur, sondern eine Art Greifzange, denn sein Körper lässt sich zusammendrücken, sodass seine Pfoten wie mit einer Pinzette zugreifen können.
Um diese Figur und deren geschickte Bedienung entwickelt Nancy Balter ihre Spielidee. In der Spieleschachtel, einem großen Papp-Ei, liegen 16 Möhrchen in vier verschiedenen Farben wild durcheinander. Jedes Kind erhält einen kleinen Sammelkorb aus Plastik, in dem es vier Mohrrüben in vier verschiedenen Farben sammeln muss. Gesteuert wird die MÖHRCHEN JAGD über eine Drehscheibe mit neun Aktionsfelder, die meistens dem Einsammeln bestimmte Farbmöhren dienen. Wird eine gelbe Möhre erdreht, nimmt das Kind den Hasen und geht auf Möhrensuche in der Spielschachtel. Vorsichtig greift es mit den Vorderpfötchen nach der gelben Möhre und transportiert diese dann mit der Unterstützung des Hasens bis zu seinem Korb.
Fehlversuche ahndet das Spiel für Kinder ab drei Jahren nicht. Dafür gibt es aber Ärgerfelder, die Stibitzen ermöglichen oder sogar den ganzen Korb umfallen lassen. Mindestens das letzte Feld passt nicht zum Startalter. Ich würde es weglassen und umfunktionieren, dass es zum Beispiel wie ein Jokerfeld für eine beliebige Möhrenfarbe gilt.
Dreijährige sind sehr angetan von diesem Möhrensammeln. Ihnen geht es dabei gar nicht so sehr ums Gewinnen, sie wollen einfach nur wieder HOPPY FLOPPY in die Hand bekommen und ihre Geschicklichkeit beweisen. Das Spiel macht sogar fünf- und sechsjährigen Kindern noch Freude, allerdings nur mit verschärften Regeln, zu denen gehören muss, dass ein Fallenlassen einer Möhre das Zugende mit sich bringt. Die Game Factory überzeugt wieder einmal durch fantastisches Material, die Verpackungsform eingeschlossen. Bei der Regel hätte man Nachjustieren müssen und eventuell mit altersbezogenen Varianten arbeiten können.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: HOPPY FLOPPY’S MÖHRCHEN JAGD
Autor: Nancy Balter
Verlag: Game Factory
Alter: ab 3 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4 Spieler
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 18 Euro
Dienstag, 23. August 2016
RÜBEN RALLYE
Sylvain Ménager ist bisher nur durch seine VIER GEWINNT!-Variante in dem Würfelkörper CUBULUS aufgefallen, die Gigamic vor fünf Jahren veröffentlicht hat. Sein zweites Spiel hat aktuell Haba herausgebracht. Ein Plankenlegespiel mit Schätz-Komponenten, das ein bisschen an DRACHENDELTA (2001), eine Idee seines Landsmanns Roberto Fraga, erinnert.
Ménagers Stege werden von einer Haseninsel aus gestartet. In der Ferne lockt eine goldene Mohrrübe, um die bis zu vier Hoppeltiere in einer RÜBEN RALLYE kräftig wetteifern. Da wird nicht langfristig geplant, bei dieser Rallye entscheidet ein Würfelwurf über die Länge der Planke. Bevor ein Kind sein erwürfeltes Brückenteil in die Hand nehmen darf, ist sein schätzendes Auge wichtig. Wie lang ist das Teil? Wo kommt mein Brückenpfeiler hin?
Passt alles, darf der Hase hoppeln. Stürzt die Planke ins Wasser, muss die nächste Runde mit einem möglichst langen Teil erfolgreicher werden. Wer auf der Rübeninsel anlangt, bekommt die goldene Rübe. Olympisch gibt es dann noch Rüben für den zweiten und dritten Platz. Nur die Holz- oder Blechmedaille für den vierten Rang wird nicht vergeben.
Der Glücksanteil von RÜBEN RALLYE ist schon recht hoch. Deshalb lehnen die meisten Kinder auch die noch glückslastigere Variante RISIKO-RÜBEN-RALLYE ab, in der muss der Brückenpfeiler schon vor dem Würfelwurf gesetzt werden. Wer stets auf lange Planken spekuliert, plumpst oft ins Wasser. Wer auf Sicherheit baut, ärgert sich über verschenkte Zentimeter.
Klar, wer nur die lila- und orangefarbenen Stege würfelt, wird ohne Rübe aus der Runde gehen. Grüne oder blaue Wurfergebnisse müssen schon her. Aber diese Ungerechtigkeit stört Kinder wenig, sie fiebern stetig ihrem nächsten Wurf entgegen und hoffen auf die grüne Erlösung. Zusätzlich kribbelt die Spannung beim Platzieren der Brückensteine, da sich schlechte Würfelergebnisse manchmal auch durch höheres Risiko beim Plankenlegen ausgleichen lassen. Spätestens in der dritten Runde, kommen dann Blockadezüge ins Spiel, die die nachfolgenden Hasen zu Umwegen führen.
In RÜBEN RALLYE steckt erheblich mehr Potential, als man anfangs denkt. Die Länge der Rennstrecke kann variabel gestaltet werden, wer möchte, holt weitere Bausteine für Hindernisse heran. Sinnvoll ist auch, dass die Häschen mindestens so viele Runden spielen, wie Kinder beteiligt sind, denn der Starthase hat einen gewissen Vorteil. Die Materialqualität der Holzteile ist ausgezeichnet, die Start- und Zielinsel, die auf Pappstreifen lagern, sind allerdings etwas wacklig und leiern bei häufigem Gebrauch aus.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: RÜBEN RALLYE
Autor: Sylvain Ménager
Verlag: Haba
Alter: ab 4 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4 Spieler
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 15 Euro
Sonntag, 21. August 2016
WINDY WOODY
Die Angebote in den Geschäften sind gute Seismographen für anstehende Wetter- und Jahreszeitenwechsel. Nach der Olympiade geht es los mit herbstlichen Stimmungen. Nach den Kürbislichtern wird bald der erste Weihnachtsmann zu sehen sein. Im Prinzip waren ja schon die ersten Augustwochen eine Vorwegnahme der fallenden Blätter. Noch durch Drachenfeste an der Nordseeküste geprägt, können wir uns gut auf den kommenden Herbst einstellen.
Peter Ratschiller und Markus Hagenauer bieten diese Stimmung mit WINDY WOODY (Piatnik) ganzjährig an. Für den Südtiroler Ratschiller ist es erst die vierte Spieleveröffentlichung. Der in Freilassing geborene Hagenauer, der als Architekt in Nähe Salzburgs arbeitet, hat mehr als doppelt so viele Spiele bei Verlagen untergebracht.
Piatnik bezeichnet WINDY WOODY als „Such- und Reaktionsspiel“. Das Genre prägt die Wiener Spiele 2015/16, neben WINDY WOODY gibt es da noch MONSTARS, CUBINGOS und JUNGOLINO. Die Anforderungen der Spielideen von Ratschiller und Hagenauer sind dabei am höchsten.
Wir sehen sechs Kinder auf einer Drachenwiese, die Haltegriff mit Drachenschnur in der rechten Hand. Weit über ihnen flattern sechs farbige Drachen im Wind. Dazwischen - je nach Schwierigkeitsgrad - ein Leinengewirr aus zwei bis drei Pappstreifen. Im Grundspiel geht es um die Drachenfarbe. Die Kinder benötigen zusätzlich einen Farbwürfel und sechs Kleidungskarten. Der Farbwürfel legt den Drachen fest, zu dem nicht nur das passende Kind gesucht werden muss, sondern auch das farbgleiche Kleidungsteil. Alle sind an der Suche beteiligt, wer zuerst nach der passenden Karte greift, gewinnt die Runde und einen bunten Drachenschwanz. Der Sieger dreht einen der beidseitig bedruckten Pappstreifen um, sodass die nächste Suchaufgabe zu anderen Ergebnissen führt. Nach 21 Runden sind die Drachenschleifen verteilt und wir haben einen Beobachtungskönig.
Wer es komplizierter mag, spielt nach den Regeln des Grundspiels die Variante „Fehlende Farbe“. Jetzt zählen nicht nur Drachenfarben, sondern auch die Farben der Stangen und Schleifen. Beim passenden Kind wird nun überprüft, welches Kleidungsstück nicht mit dem Drachen übereinstimmt. Dabei bleiben wir immerhin noch bei einer gefundenen Verbindungslinie, die verlassen wir aber mit der dritten Variante „Schleifen“. Nun definiert der Würfelwurf zwei Drachen mit identischer Doppelschleife. Hat man die passenden zwei Kinder gefunden, muss ein farbidentisches Kleidungsteil gefunden werden. Schließlich gibt es noch einen Variationswettkampf, bei dem ein Spezialwürfel festlegt, welche der drei Varianten gilt.
Stress pur! Das Leinengewirr verknotet irgendwann auch die Gedankengänge. Piatnik empfiehlt WINDY WOODY für Kinder ab sechs Jahren, deren Anfangselan stets groß ist. Die Begeisterung lässt dann aber nach, da fehlen bei Kindern und Eltern oft Geduld und Ausdauer. Wie bei allen Reaktionsspielen kristallisieren sich die Könner schnell heraus und stapeln Schleifenkarte über Schleifenkarte, für die anderen steigt nicht der Drachen aber der Frust. Das lässt sich etwas ausgleichen, indem die Cracks nach der Schleifen-Variante spielen und die anderen das Grundspiel.
Das überschaubare und einfach gehaltene Spielmaterial kommt in einer völlig überdimensionierten großen Schachtel daher mit viel unnötiger Wiener Luft. Dafür sind mehr als 20 Euro viel Geld. Was überzeugt, ist die hohe Varianz, die sich die beiden Autoren haben einfallen lassen. Erwähnt werden muss allerdings auch, dass das Leinengwirr nicht ganz neu ist. Strippen zogen schon Tom Schoeps und sein Sohn Jan 1993 bei Ravensburger und 2001 bei Berliner. Ihr STRIPPENSALAT um Telefonkabelverbindungen besaß einen festen Spielplan, aber flexible Endverbraucher.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: WINDY WOODY
Autoren: Peter Ratschiller und Markus Hagenauer
Verlag: Piatnik
Alter: ab 6 Jahren
Spielerzahl: 2 – 6 Spieler
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 22 Euro
Samstag, 20. August 2016
FLORI VIELFRASS
Bernhard Weber, der seit 20 Jahren Spiele veröffentlicht, ist zwar oft regelmäßiger Co-Autor von Jens-Peter Schliemann (vgl. GLUPSCHGEISTER), er kann es aber auch alleine. Das hat er schon mit seinem ersten Spiel DOWNTOWN (Abacus, 1996) bewiesen, aber auch mit vielen anderen wie GOLD AM ORINOKO (Haba), mit dem er 2013 für das „Kinderspiel des Jahres“ nominiert war. Rund 20 Spiele hat er in dieser Zeit veröffentlicht, stets seiner Spielephilosophie folgend: „Viele gute Ideen ergeben nicht automatisch ein gutes Spiel. Die einzelnen Ideen müssen gefiltert und oft aufwändig zu einem Ganzen entwickelt werden.“
Die gute Idee von FLORI VIELFRASS (Amigo) kennen wir alle: Farbwürfel zum Fortbewegen von Kriechtieren. Den Klassiker TEMPO KLEINE SCHNECKE von Alex Randolph gibt es schon über 30 Jahre, noch älter ist die SCHNELLE SCHNECKE von Reinhold Wittig, die vor vierzig Jahren in der Edition Perlhuhn erschienen ist und 1990 von Haba wieder veröffentlicht wurde. Das „aufwändige Ganze“ kommt bei der Raupe FLORI durch drei Farbwürfel ins Spiel. Die Anforderungen steigen, damit auch das Einstiegsalter, das Amigo mit vier Jahren ansetzt und damit eindeutig zu tief greift. Weber trainiert das typische dreimalige Würfeln, das KNIFFEL & Co. spielgenetisch festgeschrieben haben. Damit wird die Bewegung seiner Kriechtiere deutlich komplexer. Betrachten wir aber erst einmal die Startaufstellung und die Rennstrecke. Weber verzichtet auf einen Spielplan, er lässt wie schon Wittig im freien Raum kriechen. Jeder erhält einen Raupenkopf mit drei bunten Raupenteilen aus farbigen Halbkugeln. Vor jeder Raupe liegen drei Futterteile, das sind auf den Kopf gedrehten Raupenteile, auf denen ein Blatt zu sehen ist. Die Abstände sind für jede Raupe identisch, die jeweilige Länge reguliert die Renndauer.
Mit drei Würfelwürfen wird versucht, die jeweilig hintere Farbe der eigenen Raupe zu treffen, denn dann wird dieses Teil nach vorn gesetzt, sodass die Raupe zu kriechen beginnt. Die Kettenwirkung im Blick zu behalten, ist gar nicht so einfach für die Kinder. Wer einen Flush wirft, darf immer zwei seiner Raupenteile vorwärtsbewegen. Webers weiterer Zusatz ist, dass alle immer beteiligt sind, bis auf den Flush und bei völligem Stillstand dürfen die anderen Spieler den Würfelwurf zusätzlich für ihre Raupenkette nutzen. Sobald eine Raupe bei einem Blatt ankommt, wird dieses verspeist und sofort in Körpermasse umgesetzt. Das Blatt wird umgedreht und landet direkt hinter dem Kopf der schmatzenden Raupe. Wer es als erster schafft, seine Raupe längenmäßig zu verdoppeln, gewinnt nach einer Viertelstunde das Raupenduell.
Webers viele Ideen machen aus FLORI VIELFRASS ein ordentliches Kinderspiel, das mit den Grundregeln allerdings erst für Fünfjährige spielbar ist. Für jüngere Spieler gibt es eine Variante mit nur einem Farbwürfel. Das Holzmaterial mit den individuellen Raupenköpfen, die wir Michael Menzel zu verdanken haben, hat einen hohen Aufforderungscharakter. Im Wettkampf erweisen sich die Halbkugeln beim Verschieben aber oft als Zankapfel, da verrutscht gern einmal die Raupe zusätzlich in Richtung nächstes Blatt. Kommen irgendwie einmal eine Hand oder die Würfel total zwischen die Raupenwelt, ist der Rennverlauf schwer rekonstruierbar. Bei allem Spaß, den Kinder mit der Raupe FLORI haben, sind das doch Handling-Probleme, die stören und sicherlich auch höhere Weihen für dieses Spiel verhindert haben. Wie Weber richtig sagt: „Gute Ideen ergeben nicht automatisch ein gutes Spiel!“ Aber befriedigend ist es allemal!
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: FLORI VIELFRASS
Autor: Bernhard Weber
Verlag: Amigo
Alter: ab 4 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4 Spieler
Spielzeit: ca. 10 bis 15 Min.
Preis: ca. 15 Euro
Freitag, 19. August 2016
AUSGEFUCHST!
Füchse sind bekanntlich nicht nur hinter Gänsen her, sie wildern auch gern in Hühnerställen. In diesem Kinderliedumfeld hält sich Thilo Hutzler mit AUSGEFUCHST! (Noris) auf. Wovon Udo Bartsch immer noch träumt, der Kaisheimer Autor hat die Millionengrenze bald erreicht. 985.000 veröffentlichte Spiele verteilt auf knapp 48 Ideen sind es inzwischen. Mit vier Veröffentlichungen hat er 2016 eine gute Chance, die Million zu knacken.
Knacken wollen auch zwei bis vier junge Füchse den Hühnerstall von Bauer Johann. Der nutzt aber das Wachpotential des Federviehs. Thematisch hätten dann vielleicht doch die Gänse aus dem Kinderlied oder dem römischen Kapitol besser gepasst, aber die wollte er wohl nicht auf eine Art Hochsitz verbannen. Denn da hocken sie, fünf an der Zahl, und unter ihnen ein Plättchengewusel von 30 aufgeregten Hühnern, vier Mitbewohnern und zwei Füchsen, die gerade eben den Hühnerstall verlassen.
Die Kinder müssen sechs verschiedene Hühner sammeln, die sie auf einer Leiste vor sich ablegen. Alle gehen gleichzeitig mit einer Hand auf Hühnersuche. Einerseits wollen sie schnell sein, andererseits aber auch vorsichtig, denn niemand will die Glucken auf dem Holzstab wecken. Fällt doch eine, dürfen alle anderen danach schnappen. Wer sie bekommt, gewinnt eine Art Joker, denn die Holzglucke ersetzt ein zu suchendes Huhn. Sobald ein Spieler alle sechs Hühner gefunden hat, macht er sich auf die Suche nach einem der beiden Fuchskärtchen. Am besten hat man sich die Lage mindestens einer Karte vorher schon gemerkt. Ist der Fuchs gefunden, ist die Hühnerjagd nach zügigen zehn Minuten vorüber.
Wer will, kann mit Zusatzregeln die Suche erschweren. So muss zum Beispiel angrenzend an vorhandene Kärtchen gelegt und entsprechend gesucht werden. Da jedes Huhn in fünf verschiedenen Farben im Angebot ist, wird in einer zweiten Variante untersagt, dass farbgleiche Hühner nebeneinanderliegen. Besonders geschickte Kinder können mit den ergänzenden Regeln auch ausgebremst werden, indem diese für sie als Handicap-Regeln gelten.
Die Seismographen-Glucken führen zu einem erstaunlich vorsichtigen Spiel der Kinder. Eigentlich kommt es ja auf Schnelligkeit an, aber die Hühnerstäbe bremsen die Dynamik. Damit wird AUSGEFUCHST! nicht nur zu einem Geschicklichkeitsspiel, sondern zu einer spannenden Konzentrationsaufgabe. Teilweise passen die Kinder so sehr auf, dass es durchaus Runden geben kann, in denen keine einzige Glucke vom Hochsitz fällt. Wenn aber einmal ein Stab kippt, dann wird es hektisch und alle greifen nach dem Holztier. Da muss man aufpassen, dass die richtige Glucke gegriffen wird, denn meist fallen im entstehenden Gewusel noch zwei oder drei andere um. Die Regel lässt sich zwar nicht darüber aus, was mit diesen Hühnern passiert, wir haben sie aber immer wieder auf ihre Wachtürme gestellt.
Das Spielmaterial ist hochwertig. Noris lässt bei Heros in Lam im Bayerischen Wald produzieren. Die seit 1903 existierende Firma wurde 2010 von der Simba Dickie Group, zu der auch Noris gehört, übernommen. Für die Grafik zeichnet Johann Rüttinger verantwortlich, der das Federvieh ganz im Stile eines Wilhelm Buschs skizziert. Bei aller Flatterhaftigkeit fehlt nur das in der Aufregung fallende Ei.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: AUSGEFUCHST!
Autor: Thilo Hutzler
Verlag: Noris
Alter: ab 4 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4 Spieler
Spielzeit: ca. 10 bis 15 Min.
Preis: ca. 15 Euro
Dienstag, 16. August 2016
TRUE STORIES!
Reinhard Staupe kann Vieles. Hauptsächlich ist er erfolgreicher Spieleredakteur für die Nürnberger Spielkarten, immer noch ist er vielfach ausgezeichneter Spieleautor. Inzwischen ist er auch unter die Krimiautoren gegangen und fragt sich, WAS WÜTET SO STILL IN MIR? (Besprechung folgt demnächst). Bisher waren es Postkartentexte, Geschichten für Kinderbilderbücher sowie Gedichte, mit denen er sich literarisch versuchte. Diese Kurzformen, haarsträubende Lügenmärchen übernimmt er nun für die TRUE STORIES! bei moses..
Seine Leistung als Spieleautor für diese Spielidee ist minimal, seine redaktionelle Leistung beim Aufspüren von Geschichten, die das Leben schrieb und für das Weiterfabulieren verdient größtes Lob. Staupe übernimmt das bewährte NOBODY IS PERFECT-Konzept, dort ging es um meist völlig unbekannte Fremdwörter und Begriffe, hier um Geschichten. Dort mussten die Spieler kreativ am Worterklärungsprozess teilnehmen, hier bietet die Fabulierkraft Staupes neben der richtigen Lösung drei erfundene an.
300 verrückte Geschichten hat Staupe gefunden, 900 Varianten für mögliche Alternativen hat er sich ausgedacht. Das kann dann so aussehen:
„Die Titanic wurde durch ihren Untergang weltberühmt, aber was geschah mit ihrem Schwesterschiff, der Olympic?“
Antwort A: „Sie rettete 1922 mehr als 200 Seeleute nach einem Schiffsunglück vor dem Ertrinken.“
Antwort B: „Sie verschwand 1928 spurlos im Pazifik.“
Antwort C: „Sie fuhr von 1911 bis 1963 unfallfrei über die Weltmeere.“
Antwort D: „Sie war das einzige Handelsschiff, das jemals ein U-Boot versenken konnte, und zwar mithilfe der Schiffsschrauben.“
An der Karte erkennt der vorlesende Spieler durch farbliche Markierung die richtige Lösung. Er liest diese und nur eine der drei Alternativen vor, das könnten dann die Antworten A und D sein. Die Zuhörer haben Tippkarten, mit denen sie sich zwischen der ersten oder zweiten Variante entscheiden. Wer richtig tippt, erhält einen Punkt, für jeden falschen Tipp bekommt der Vorleser einen. Nach einer frei vereinbarten Rundenzahl gewinnt der Spieler mit den meisten Punkten.
Punktezählen ist aber überhaupt nicht wichtig bei den TRUE STORIES!, da macht das Raten Spaß, da überwiegt die Freude an den außergewöhnlichen Geschichten, das Wundern über Ungehörtes. Da will man nicht aufhören und stößt nur an die Grenze der 300 Karten. Inzwischen ist deshalb auch TRUE STORIES 2 erschienen.
Die Karten sind in einem würfelförmigen Kasten verpackt. Anfangs suchen Sie wahrscheinlich die Spielregel vergebens, bis Sie merken, dass sie auf acht Spielkarten verteilt wurde. Die Farbgestaltung der Karten hat nichts mit Fragenkategorien zu tun, sondern dient allein der „Schönheit“, wie Regelkarte 2 behauptet. Mit der Grundregel gibt es noch eine Variante für „Besserwisser“, in der mit allen Antworten gespielt wird. Passende Tippkarten dazu spendiert der Verlag aber leider nicht. Das Konzept geht auf, die TRUE STORIES! funktionieren in fast jeder Zusammensetzung, allerdings deutlich besser in reinen Erwachsenenrunden, denn Kindern und Jugendlichen fehlt meist das historische und kulturgeschichtliche Hintergrundwissen, um mit den Fragen etwas anzufangen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: TRUE STORIES!
Autor: Reinhard Staupe
Verlag: moses.
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 – 6 Spieler (mehr gehen auch, dann fehlen aber die Tippkarten)
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 15 Euro
PS: Die richtige Lösung war natürlich die unwahrscheinlichere: D
Freitag, 12. August 2016
SILHOUETTE
Mit „Spielnest“ könnte man ihn am besten umschreiben, den Autor und ursprünglichen Verleger des Kommunikationsspiels SILHOUETTE. Das, was ich jetzt gedanklich von Ihnen verlange, stellt die Umkehrung seiner Spielidee dar, aus zwei Umrissbildern einen neuen Begriff zu kreieren. Den Begriff habe ich vorgegeben, die Frage ist nur, wie heißt die Autor?
Welches Symbol verbinden Sie am häufigsten mit dem Spiel? Autoren und Verleger freuen sich, wenn sie im Juni in Hamburg oder im Juli in Berlin dieses Teil überreicht bekommen. Der Autor heißt tatsächlich wie die MÄDN-Figur: Er ist Herr Pöppel. Wenn Sie an das Nest des Adlers denken, kennen sie auch seinen Vornamen. Horst Pöppel hat vor sechs Jahren seinen gleichnamigen Spieleverlag in Röttenbach im Landkreis Erlangen gegründet. Hauptschwerpunkte seines Programms sind kommunikative Spiele, aber auch regional geprägte Burgen- und Landkreisspiele.
SILHOUETTE und einige Ableger wie eine Juniorversion waren das Zugpferd des kleinen Verlags. 2014 war Horst Pöppel erstmalig auf der Nürnberger Spielwarenmesse vertreten. Sein SILHOUETTE-JUNIOR wurde damals für den TOY AWARD der Vorschulkinder nominiert. Ein Jahr später übernahm Noris die SILHOUETTE-Reihe des Kleinverlags.
Die Regeln des Grundspiels sind ganz simpel. Im Grunde genommen kommt Pöppels Idee wie ein MEMO-Spiel daher. 48 stabile quadratische Kärtchen liegen verdeckt aus, zwei werden davon aufgedeckt, dabei ist man nicht auf Pärchensuche, sondern auf findige Erklärungen aus, was diese beiden Bilder gemeinsam bedeuten können. In der Umkehrung des Eingangsbeispiels sehen wir die Silhouette einer Spielfigur und die eines Vogelnests. Wenn wir daraus jetzt den Mitspielern den Begriff „Spielnest“ vorschlagen, könnte gleich eine spieltypische Diskussion beginnen. „Der Begriff steht nicht im Duden!“ Muss er auch nicht, denn Horst Pöppel gibt bewusst vor, dass hitzige Debatten erwünscht seien. Zahlreiche Kindergärten haben den Namen „Spielnest“ groß über ihren Einrichtungen stehen, daher wird der Begriff wohl akzeptiert werden.
Damit es gegen Ende keine Engpässe gibt, wenn nur noch scheinbar nicht Kombinierbares aufgedeckt wird, dürfen auch schon gewonnene Kärtchen in diese Bildfolgen eingebaut werden. Natürlich gewinnt der Spieler, der die meisten Karten ergattern konnte, aber das spielt keine große Rolle mehr, denn meist ist es ein gemeinsames Grübeln und Fabulieren. Daher ist auch eher das Teamspiel zu empfehlen. Klar, man muss Freude am Spiel mit Sprache haben, sonst wird man gelangweilt abwinken oder sich schon in der ersten Runde verabschieden. Alle anderen können sich dem Sog von SILHOUETTE nicht entziehen und bedauern nur, dass Pöppel mit den 48 Bildern nicht allzu viel Auswahl bietet. Ganz aktuell kann sein Spiel auch als praktisches Aufwärmtraining für eine Runde CODENAMES PICTURES betrachtet werden.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: SILHOUETTE
Autor: Horst Pöppel
Verlag: Noris
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 – 8 oder auch mehr Spieler
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 15 Euro
Donnerstag, 11. August 2016
INSEKTEN-HOTEL
Die Zusammenarbeit des Luxemburgers Dennis Kirps mit dem litauischen Verlag Logis verläuft erfolgreich. Bereits vor zwei Jahren veröffentlichte er das beachtliche FISCHE UND STEINE bei Logis und im Herbst 2015 folgte das INSEKTEN-HOTEL. Aus der Spillfabrik aus Gosseldange in Luxemburg kam jeweils einer der Co-Autoren. Beim ersten Spiel war das der stellvertretende Vorsitzende Jean-Claude Pellin, beim zweiten Christian Kruchten, seines Zeichens Generalsekretär der Spillfabrik.
Das INSEKTEN-HOTEL ist ein Kartenspiel mit einer eher klassischen Mischung aus Sammel-, MEMO- und Ärgerspiel mit etwas CAN’T STOP-Feeling. Jeder der zwei bis vier Spieler besitzt ein ganz individuelles Hotel für Insekten, das sich spezialisiert hat auf nur drei Insektenarten. Dafür wird eine ganze Etage mit jeweils zwei Zimmern freigehalten. Wer es als erster schafft, sechs Gäste in sein Hotel zu locken, gewinnt das Spiel.
Bienen, Ameisen, Fliegen, Marienkäfer, Schmetterlinge und Ohrwürmer kriechen und flattern herum, zunächst versteckt in einem Kartenstapel. Dort machen sie immerhin die Hälfte des erstaunlich stabilen Kartenmaterials aus. Die restlichen 36 Karten bestehen zu 55 % aus dem Blütennektar und Honigtau, die übrigen 16 Karten bringen mit Spinnen und Kakerlaken eine gehörige Portion Ärger ins Spiel.
Wer an der Reihe ist, zieht eine Karte vom gut gemischten Kartenstapel. Ist es ein Insekt, für das sein Hotel Zimmer vorrätig hält, wandert es dorthin und der Zug ist beendet. Zeigt die Karte eine der drei nicht gewünschten Insektenarten, muss dieses Tier neben dem Hotel verdeckt abgelegt werden. Nun darf der Spieler eine neue Karte ziehen. Zeigt diese einen Honigklecks kommt der in die persönliche Honigablage und die Möglichkeit, eine neue Karte zu ziehen, besteht weiterhin. Der Spielzug darf aber auch beendet werden. Verdeckte Karten und Honig sind wichtig für den MEMOanteil des Spiels. Mit zwei Honigkarten dürfen nämlich passende Tiere von Gegenspielern angelockt werden. Eine dieser Honigkarten bleibt zur Belohnung beim Spender. Es kann schon Sinn machen, nach dem Aufdecken einer Honigkarte den Zug zu beenden, denn wenn als nächstes eine Kakerlake aufgedeckt würde, macht die sich über den gesamten Honigvorrat des aufdeckenden Spielers her. Die Ärgerkomponente bringt letztlich vor allem die Spinne mit sich, die vertreibt einzelne Insekten aus fremden Hotels, nur voll besetzte Etagen mit Pärchen sind geschützt.
INSEKTEN-HOTEL arbeitet mit bekannten Elementen, da ist erst einmal nicht so viel Originalität zu erkennen. Die liefert eher der Verlag, der sich mit der grafischen Umsetzung und dem ansprechenden Material viel Mühe gegeben hat. Die Gesamtmischung von Kirps und Kruchten ergibt ein rundes, abwechslungsreiches Spiel. Da schwirrt und krabbelt es ins Hotel hinein und wieder hinaus, da hilft der Honig weiter, wenn nicht die Kakerlake zu oft auftaucht. Da ist durchweg Spannung beim Aufdecken der Karten gegeben, vor allem gegen Ende, wenn nur noch ein Zimmer gefüllt werden muss. Es kann sich aber auch manchmal ziehen, weil die Spinnen natürlich stets gegen vorn liegende Spieler eingesetzt werden, die zum Beispiel auf den fehlenden Marienkäfer warten, dann aber durch eine Spinne ihren vorhandenen verlieren. Sollte ein anderer Spieler in seinem Hotel die Marienkäfer-Etage schon voll haben, dann wird es für den bestraften Spieler richtig schwer, noch eine Siegchance zu haben. Mit dem Spielsieg ist daher viel Kartenglück und Wagemut verbunden. Zurecht haben Autoren und Verlag daher das Spiel erst für siebenjährige Kinder empfohlen, denn Ausdauer und Frustrationstoleranz sind schon nötig.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: INSEKTEN-HOTEL
Autoren: Dennis Kirps und Christian Kruchten
Verlag: Logis
Alter: ab 7 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4 Spieler
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 16 Euro
Sonntag, 7. August 2016
BISON
ALTE SCHÄTZE NEU GEHOBEN
Die Geschichte des Taktikspiels BISON von Alex Randolph ist lang. Damit verbunden sind edle Buchspiel- und Buchkassetten-Ausgaben der Firma Pelikan, die 1975 das Spiel erstmalig als PRÄRIE in der klassischen Boxserie herausbrachten, einige Jahre später folgte eine Neuauflage als BÜFFELJAGD als eines von den fünf großen Buchspielen, zu denen auch Rudi Hoffmanns Klassiker OGALLALA gehörte. Mit deutschsprachigen Neuauflagen ist anscheinend regelmäßig auch ein Namenswechsel verbunden. 1999 erschien das Spiel erstmalig bei Piatnik, damals unter dem Namen BUFFALO. 17 Jahre später liegt nun die aktuellste Ausgabe ebenfalls von Piatnik vor, der Titel beschränkt sich nun ausschließlich auf die zu jagenden Tiere, die BISONs.
Randolphs Idee geht zurück auf Urformen asymmetrischer klassischer Belagerungs- und Verteidigungsspiele. Da stehen stets wenige Verteidiger einer Überzahl von Angreifern gegenüber. Im 19. Jahrhundert sind die klassischen Vorgänger das FESTUNGSSPIEL, das RITTERSPIEL oder FUCHS UND GÄNSE. Vorbilder gibt es weltweit, so stammt aus Südasien das LEOPARDENSPIEL, in dem sich zwei Leoparden gegen 24 Kühe durchsetzen müssen. Ähnliche Konstellationen gibt es beim indischen TIGERSPIEL.
In Randolphs Taktikspiel stehen sich elf Bisons, ein Indianer und vier Hunde gegenüber. Die Bisons wollen über einen zweiten Flusslauf, der sich hinter dem Indianer und den Hunden befindet. Der Indianer muss alle Bisons fangen bzw. sie mit den vier Hunden stoppen. Die Dynamik des Spiels, die die asymmetrische Figurenverteilung relativiert, ergibt sich aus den unterschiedlichen Zugmöglichkeiten. Die Bisons laufen in ihrer Herde nur stur geradeaus und das auch nur Feld für Feld, nur sie dürfen die beiden Flüsse überqueren. Ihre Gegner bewegen sich nur innerhalb der Flussläufe. Am beweglichsten sind dabei die Hunde, die orthogonal und diagonal ziehen dürfen. Sie stellen die Bisons und hindern sie am Weiterkommen, wenn sie vor ihnen stehen bleiben. Damit werden sie zur Beute des Indianers, der sich in jede Richtung bewegen darf, aber nur ein Feld vorankommt. Er darf die Bisons angreifen und fangen. Das Spiel ist auf mindestens zwei Runden angelegt. Man gewinnt nämlich erst dann, wenn man sowohl als Bison-Spieler als auch als Indianer jeweils mindestens einmal siegen konnte.
Das ist schon das ganze Regelwerk. Wenn man sich die Büffel als Bauern, die Hunde als Damen und den Indianer als König vorstellt, haben wir eine Art Endspielsituation wie beim SCHACH vor uns. Die Varianz ist allerdings nicht hoch. Die Büffel müssen den Druck über die Ränder ausüben, um die Hunde zu binden. Der Indianer versucht in der Mitte aufzuräumen, darf aber nicht zu sehr nach rechts oder links abdriften, dann kommt nämlich garantiert ein Büffel durch. Ein gewisser Spielreiz ist da, der sich aus der Asymmetrie und den Siegbedingungen ergibt, er hält aber nicht ewig an. Meine Empfehlung für BISON gilt daher eher dem Kinderspiel, um Grundschüler an taktische Spiele heranzuführen. Da hat es seinen Platz, da macht das Spielen mit den Holzfiguren Spaß, die mir früher übrigens besser gefallen haben, da macht es auch Sinn, dass die Idee aus den 70er Jahren heute wieder veröffentlicht wurde.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: BISON
Autor: Alex Randolph
Verlag: Piatnik
Alter: ab 7 Jahren
Spielerzahl: 2 Spieler
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 23 Euro
Samstag, 6. August 2016
HAPPY NUMBERS
Sie gibt es tatsächlich, die „fröhlichen Zahlen“, auf die das moses.-Spiel HAPPY NUMBERS verweist. Wikipedia vermeldet dazu: „Eine fröhliche Zahl ist eine natürliche Zahl, die als Ausgangswert für eine bestimmte Iterationsvorschrift nach endlich vielen Iterationsschritten zu dem Zahlenwert 1 führt, ähnlich dem Collatz-Problem.“ Wer das nicht verstanden hat, muss sich nicht schämen. So formuliert, sind das alles BÖHMISCHE DÖRFER auch für mich. Einfacher und sicherlich überhaupt nicht mathematisch erklärt, sieht das so aus. Wenn die Zahl „fröhlich“ ist, führt sie nach einzelnen Rechenschritten immer zum Wert 1. Jede Ziffer wird dafür immer wieder quadriert und das Ergebnis addiert, bis wir wieder bei der 1 landen. Für die 7 bedeutet das: 7 hoch2 = 49; 4 hoch2 + 9 hoch2=97; 9 hoch2 + 7 hoch2=130; 1 hoch2 + 3 hoch2 + 0 hoch2= 10; 1 hoch2 + 0 hoch2=1. Happy sind immerhin 20 der ersten hundert Zahlen.
Das Design-Team OCO ODO, Alexander Maier, Ursula Graß und Nikolaus Groschup haben zwischen 2006 und 2012 an fröhlichen Zahlen gebastelt. Ihr Ziel: Die Zahlen von 00 bis 99 mnemotechnisch abzudecken. Das ist nun nichts genial Neues, alle Gedächtnistrainer greifen auf ein Bild-Zahl-Modell zurück, mit denen man auf dem Einkaufszettel verzichten kann. In der Ravensburger THINK-Reihe taucht das Prinzip häufig auf. Da ist die „1“ die Kerze, die „2“ der Schwan, die „3“ der Dreizack usw. Das Designteam perfektioniert das System. Ihre HAPPY NUMBERS verbinden sie mit ursprünglich 110 sympathischen Charakteren, stellvertretend für die Zahlen von 00-99 und 0-9. Will man sich eine beliebige Zahlenkombination einprägen, so merkt man sich einfach die zugehörigen Figuren. Im 2015 bei moses. erschienenen Spiel sind es exakt 100 Bildkarten mit einer Zahlen- und Bildseite. Die bildliche Darstellung wird ergänzt durch den Namen der Figur, durch eine Tätigkeit, die sie ausübt und durch ein typisches Merkmal.
In der Grundversion zieht jeder im Spiel zu dritt oder zu viert zwei Bildkarten. Aus denen entsteht nach und nach eine kleine Geschichte, zu der der Startspieler eine Ortsvorgabe macht. Das Weitererzählen läuft wie der Klassiker KOFFERPACKEN ab, das heißt, alles vorher Erzählte muss sinngemäß wiederholt werden. Wenn sechs oder acht Karten auf dem Tisch liegen, haben alle eine Minute Zeit, um sich die Figuren, Zahlen und die Reihenfolge der Geschichte noch einmal einzuprägen. Danach werden die Bildkarten bis auf die letzte auf ihre Zahlenseite gedreht. Nun beginnen sogenannte „Minispiele“, im Prinzip sind das Raterunden, die sich auf die ausliegenden Karten beziehen. Da müssen reihum die Namen der Figuren oder Zahlen wiederholt werden, da gibt es kleine Additions- oder Subtraktionsaufgaben. Richtige Antworten und Lösungen werden mit Siegsteinen belohnt. Sobald ein Spieler vier Steine gewonnen hat, darf er sich einer deutlich schwierigeren Masteraufgabe stellen. Erweiterungen gibt es zusätzlich für Fortgeschrittene und Experten mit Duell-Karten und noch mehr Bildkarten.
Ähnlich wie ESELSBRÜCKE von Stefan Dorra und Ralf zur Linde lebt HAPPY NUMBERS von der Kreativität der Spielgruppe. Je eindrucksvoller die Geschichten sind, umso höher ist die Merkleistung. Die Zahlenbilder sind durchweg gelungen. Die Verarbeitung ist hochwertig: stabile Kärtchen, Holzsteine für die Punktezählung, eine gut funktionierende Sanduhr. Die gedankliche Leistung liegt hier aber über vergleichbaren Spielen wie zum Beispiel MEMO CRIME. Es geht nicht nur um das Nacherzählen und die richtige Reihenfolge, sondern um das Rekapitulieren der Verbindung von Figuren und Zahlen. Das muss man mögen. Mnemotechnisch helfen uns die Zahlen bis 99 nicht wirklich weiter. Für den Hausgebrauch reichen eigentlich ein dutzend Bilder. Wer mag, kann sich aber natürlich an IBAN- und anderen Nummern versuchen. Wenn eine kleine Maus ein Tanzpaar zum Kreischen bringt, dann läuft nicht nur das Tanzpaar, sondern auch ein großer Elefant weg, könnte so die Eselsbrücke für die im Bild zu sehende Telefonnummer sein.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: HAPPY NUMBERS
Autoren: OCO ODO & Alexander Mario Maier
Verlag: moses.
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 3 – 6 Spieler
Spielzeit: ca. 20 Min.
Preis: ca. 23 Euro
Mittwoch, 3. August 2016
GIPF
ALTE SCHÄTZE NEU GEHOBEN
Auf dem Spieleautoren-Treffen in Göttingen machen die meisten Redakteure stets einen großen Bogen um abstrakte Spiele. „Das passt nicht in unser Programm! Das nimmt der Markt nicht an!“ Ist das wirklich so?
In ihren Anfangsjahren hat die Jury „Spiel des Jahres“ mehrfach Sonderpreise und sogar einmal den Hauptpreis für abstrakte Ideen vergeben. FOCUS von Sid Sackson wurde 1981 zum „Spiel des Jahres“ gewählt, die abstrakten Spiele SETI, SPIEL und RA erhielten von 1979 bis 1981 Sonderpreise als „Das schöne Spiel“, auf den damaligen Auswahllisten waren jährlich meist mindestens zwei abstrakte Ideen vertreten. Da tauchten Klassiker wie TWIXT (1979), aber auch hervorragende Spiele wie OMBAGI (1981), UISGE (1984), MALAWI (1986) und LOA (1988) auf. ABALONE hatte 1989 sicherlich auch Chancen zum „Spiel des Jahres“ gewählt zu werden. Die Liebhaber abstrakter Positionsspiele stoßen dabei 1991 auf den Namen eines belgischen Autors: Kris Burm machte mit INVERS (Peri) erstmalig auf sich aufmerksam. Sieben Jahre später stand er mit GIPF (damals Schmidt) erneut auf der Empfehlungsliste.
Und es blieb nicht bei GIPF, Burm machte daraus ein Gesamt-Projekt, ein Gesamt-Kunstwerk, das auf sechs Spiele angelegt war. In einem Interview mit Michael Weber erklärte Burm 2001 seine Faszination für dieses Genre: „Für mich sind abstrakte Spiele ganz klar die reinsten und schönsten Spiele. Kein Ballast, keine Tricks, keine speziellen Effekte, keine unnötige Geschichte - nichts außer reiner Essenz. Nur ein paar Regeln, ein Brett und ein paar Spielsteine und du hast einen ganz neuen Kosmos zu entdecken.“
HUCH! & friends belebt nun diesen Kosmos neu. Der Verlag setzt immer wieder auf abstrakte Ideen. Das Eingangsbeispiel würden Redakteure aus Günzburg anders beantworten: „Das passt durchaus in unser Programm!“ Deshalb meint der Verlag mit der Übernahme von GIPF & Co., in dieser Hinsicht sein Programm erfolgreich abrunden zu können. „Der belgische Autor Kris Burm hat mit diesen Spielen ein Stück Geschichte geschrieben. Allein die Ansammlung an Auszeichnungen spricht für sich: Bis auf einen Titel wurde jedes Spiel durch die Jury Spiel des Jahres empfohlen, bis heute finden sich 4 Spiele in den Top 10 der besten abstrakten Spiele auf www.boardgamegeek.com. Bisher erfolgreichster Titel ist YINSH, das in der Spielbox-Bewertung von 2004 mit 9,33 Punkten sogar die bislang drittbeste Note erhielt.“
Angekündigt sind alle sechs Spiele, die bis März 2017 erscheinen sollen. Die große Überraschung dabei, Kris Burm wird im nächsten Jahr ein siebtes Spiel der Reihe vorstellen. Bleiben wir aber erst einmal beim „Starter-Kit“. Jedes der Folgespiele ist zwar eigenständig, kann aber immer wieder mit dem Ursprungsspiel verbunden werden. Der Autor spricht dabei von Potentialen, die dazu kommen. Sie werden auf die Basis-Steine des GIPF-Spiels gesetzt und erweitern die Zugoptionen. Wer ein YINSH-Potential nutzen möchte, muss daher erst einmal eine YINSH-Partie gewinnen. Dadurch gibt es ganz viele Varianten von GIPF.
Burm unterscheidet bei GIPF zwischen dem Basis- und dem Standard-Spiel. Gespielt werden beide auf einem sechseckigen HALMAartigen Gitternetzplan, wobei es 24 Außenfelder zum Einspielen der jeweils 15 bis 18 Spielsteine gibt. Das Gitternetz dazwischen besitzt 37 Schnittpunkte, die einzelnen Linien sind 4 bis 7 Schnittpunkte lang.
Im Basis-Spiel erhält jeder nur 15 Steine, wobei die restlichen zum Stärkeausgleich verwandt werden dürfen. Über die sechs Eckfelder spielt jeder drei seiner Steine in das Spielfeld. In jedem weiteren Spielzug muss ein eigener Stein über ein Randfeld ins Spiel gebracht werden. Wenn das nicht mehr möglich ist, hat man verloren. Die Steine können anfangs frei eingeschoben werden, verschieben aber bald vorhandene Spielsteine. Eine Linie gilt als blockiert, wenn alle Schnittpunkte belegt sind. Damit GIPF nicht schnell statisch wird, darf geschlagen werden. Für Burm gilt die Klassiker-Regel: VIER GEWINNT! Sobald vier gleichfarbige Steine auf einer Linie nebeneinanderliegen, schlagen sie sich selbst und alle restlichen verbundenen Steine. Wobei eigene Steine zurück in den Vorrat kommen, gegnerische gelten als gefangen und stehen nicht mehr zur Verfügung. Die Schwächung des Gegners ist wichtig, denn Steinverluste führen irgendwann zu der Situation, dass man nicht nachziehen kann.
Im Standard-Spiel führt der Autor drei Doppelsteine, die GIPF-Steine, ein. die in die Startposition kommen. Diese Steine müssen in Schlagkonstellationen nicht aus dem Spiel genommen werden. Eigene Doppelsteine lässt man daher stehen, fremde schlägt man in der Regel. Das Spiel endet nun auch, wenn ein Kontrahent keinen GIPF-Stein mehr besitzt.
Wichtig ist, den eigenen Vorrat im Blick zu behalten. Je mehr Steine auf dem Brett sind, umso enger kann es werden, besonders dann, wenn der Gegner mit Viererketten die eigenen Steine schwächt. Zwei bis drei Gewöhnungsrunden sind nötig, um die meisten Optionen dieses Schiebewettkampfs in den Blick zu bekommen. Gut gefällt mir dabei die Ausgleichsregel, dass schwächere Spieler mit mehr Spielsteinen antreten dürfen. GIPF gehört nicht zu den oben erwähnten Top Ten der abstrakten Spiele auf BGG, da landet es „nur“ auf Platz 17, liegt damit aber immer noch vor BLOKUS und UBONGO, aber deutlich hinter YINSH (2. Platz), TZAAR (3. Platz) und DVONN (4. Platz). Ein gutes, aber kein sehr gutes Spiel.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: GIPF
Autor: Kris Burm
Verlag: HUCH! & friends
Alter: ab 13 Jahren (durchaus auch ab 8 Jahren spielbar)
Spielerzahl: 2 Spieler
Spielzeit: ca. 30 – 60 Min.
Preis: ca. 30 Euro
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