Dienstag, 31. August 2021
ZIRKUSFIEBER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
ZIRKUSFIEBER
Manchmal hat man den Eindruck gewinnen, dass unsere Pädagogen nicht ausgelastet sind. Zumindest scheinen sie viel Zeit für Spielentwicklungen und Verlagsgründungen zu haben. Da bearbeitet der eine Luftikus den skakespearschen Sommernachtstraum und nun kommt schon die nächste Nummer eines gewissen Herrn Adams im Zirkuszelt. Wer dann noch weiß, dass der Rezensent sein Geld ebenfalls mit Schülern verdient, wird sich fragen: „Unterrichten die drei denn auch noch?“
Ja, Jürgen Adams unterrichtet wie Georg Luft in Bayern. Oberstudienrat Adams ist am Münchner Asam-Gymnasium für Sport und Chemie zuständig und, man höre und staune, seit zehn Jahren Zirkusdirektor des schuleignen Asamesischen Zirkus (www.asamesischer-zirkus.de). Mit über 80 Zirkusmitgliedern scheint Adams für ganz schön viel Bewegung an seiner Münchner Schule zu sorgen. Weit über 50 Auftritte hat seine Truppe inzwischen schon absolviert. Erfolgreich hat sie im Mai dieses Jahres das Zehnjährige in einem Viermastzelt zelebriert. ZIRKUSFIEBER hieß das Programm und genauso nennt Adams sein Spiel für zwei bis vier Spieler ab sieben Jahren.
Die Vorgeschichte macht deutlich, dass wir es hier mit einem Pädagogen zu tun haben, der von der thematischen Materie, die er spielerisch aufarbeiten möchte, eine Menge versteht. Das, was Adams als Spielziel vorgibt, spiegelt fast die Erfolgsgeschichte seines Asamesischen Zirkus wider. Aus einem kleinen Betrieb soll ein erfolgreicher Tournee-Zirkus werden, der zu einem Auftritt im Circus Krone kommt. Auf Marktplätzen, Parks, auf kleinen Bühnen, manchmal aber auch im Zirkuszelt können die Spieler mit ihren Darbietungen Punkte für den Spielsieg sammeln.
ZIRKUSFIEBER ist ein Laufspiel auf einem mäandernden Spielplan, die Spielfelder geben dabei die Auftrittsorte und Ereignisfelder vor. Über Bewegungskarten steuern die Spieler ihre Zielfelder an, dort agieren sie aber würfelabhängig. Der Würfelwurf mit einem Spezialwürfel gibt vor, welcher Artist seinen Auftritt hat. Entsprechend werden Auftrittspunkte auf einer Zählleiste für den Jongleur, Clown, Zauberer, Akrobaten und Dompteur gesammelt. Zusätzlich werden ein schwarzer Würfel mit einer 50-prozentigen Sechserchance und ein weißer Würfel (1 bis 4) geworfen. Die Kombination aus Auftrittsort und Artist legt fest, welcher der beiden Würfel gewertet wird. So sammeln die Spieler je nach Artist mit der Zeit acht bis zwölf Punkte, darüber hinaus müssen sie dann Musiker erspielen, von denen sie fünf benötigen, um mit voller Zählleiste und dem entsprechenden Zirkusorchester ausgestattet exakt in den Zielzirkus einzumarschieren. Durch die Bewegungskarten scheint ZIRKUSFIEBER nicht allzu glücksabhängig zu sein. Die Spieler sind aber letztlich ziemlich abhängig vom Artistenwürfel, dessen Jokerfeld manchmal die nötige Rettung bedeutet. Auch die Ereigniskarten beeinflussen teilweise extrem den Spielverlauf. Wer das Pech hat, dass sich am Anfang des Spiels ein Artist verletzt, kann eigentlich gleich aufgeben. Für ihn zählt nämlich bis zum Spielende nur noch der weiße Würfel.
Jürgen Adams hat ein recht einfaches Laufspiel erfunden, das in Ansätzen taktische Überlegungen zulässt. Mit einer Spieldauer von einer halben Stunde ist es schnell vorüber. Das Zirkusthema ist zwar mit im Spiel, spielt aber eigentlich kaum eine Rolle. Der Spielmechanismus lässt sich auf alle möglichen Formen von Sammelaktivitäten übertragen, die mit einem glücksabhängigen Laufspiel verbunden werden können. Das Spielmaterial ist in Ordnung, führt wie die Grafik allerdings nicht zu Beifallsstürmen. Die Spielregel ist unter Einbeziehung der Regelergänzungen solide. Ich muss wahrscheinlich kein Wahrsager sein, um zu prognostizieren, dass Jürgen Adams als Zirkusdirektor erfolgreicher agiert als als Spieleautor. Mit ZIRKUSFIEBER bereichert er nicht unbedingt die Spielelandschaft, er tut aber auch keinem damit weh und hat sicherlich die Möglichkeit bei den vielen Auftritten des asamesischen Zirkus alle produzierten Spiele abzusetzen.
Titel: ZIRKUSFIEBER
Autor: Jürgen Adams
Verlag: Smada Verlag (www.smada-verlag.de)
Spieler: 2 - 4
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 20 bis 45 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 31/2006 R148/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
So richtig bekannt wurde der 74jährige Sport- und Chemielehrer erst nach seiner Pensionierung. 2019 landete er mit dem Kinderspiel GO GECKO GO! (Zoch) auf der Nominierungsliste der Kinderjury. Auch seine zweite Veröffentlichung bei Zoch AB DURCH DIE MAUER fand viel Beachtung.
Auf dem Bild ist Adams 2019 während der Preisverleihung in Hamburg zu sehen.
Montag, 30. August 2021
ZEPARATE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Genial verpackt: ZEPARATE
Goldsieber wagt sich in diesem Jahr mit ZEPARATE und SIN & TRAP wieder einmal an abstrakte Spiele, ein Genre, das es seit Jahren nicht leicht hat. Anderseits gibt es einen begrenzten Fankreis, Kris Burm lebt davon, und immer mal wieder große Erfolge wie zuletzt BLOKUS.
An die ganz großen Erfolge wird Goldsieber nicht anknüpfen können, immerhin zeichnet sich zumindest eines der beiden neuen Spiele nicht nur durch Spielbarkeit (was für SPIN & TRAP wegen technischer Probleme nicht gilt), sondern auch durch Spielwitz aus.
ZEPARATE von Guido Lap ist ein kleines taktisches Schmankerl, das sich sehr gut zu zweit, aber auch mit drei oder vier Spielern spielen lässt. Gespielt wird auf einem 7x7 Felder großen Plastikfeld, in dessen Führungsrillen 16 quadratische Spielsteine verschoben werden können. Jeder Spieler besitzt einen farbigen Vierersatz dieser Steine, beim Spiel zu zweit führt jeder zwei Farben. Diese Steine werden anfangs reihum auf dem Spielfeld platziert, sie müssen dabei stets orthogonal aneinanderstoßen. Das Spielziel von ZEPARATE ist, die eigenen Steine aus dieser entstandenen Gruppe zu separieren oder zu befreien. Das gelingt durch senkrechtes oder waagrechtes Verschieben von Steinreihen. Einzelsteine dürfen nie verschoben werden. Sobald ein Stein oder auch eine Steingruppe nur noch eine diagonale Verbindung zu der Hauptgruppe hat, gelten dieser Stein oder diese Gruppe als isoliert und dürfen damit aus dem Spiel genommen werden. Solange Steine isoliert werden können, sind Mehrfachzüge erlaubt, sonst wechselt die Spielreihenfolge nach jedem Spielzug. Wer es auf diese Weise schafft, als erster seine vier Steine vom Spielbrett zu bekommen, gewinnt eine Runde ZEPARATE, was meist schon nach zehn bis fünfzehn Minuten der Fall ist, so dass genügend Zeit für Revancherunden bleibt. Beim Spiel zu zweit reicht im Übrigen schon die Isolierung der vier Steine einer der beiden Spielfarben, die die Spieler führen, zum Spielsieg.
ZEPARATE ist schon spannend in der Aufbauphase. Vorlagen für spätere Isolierungen gilt es zu schaffen und zu verhindern. Die 16 Spielsteine lassen auf den 49 Spielfeldern genügend Raum für Schiebebewegungen. Beim Spiel zu dritt ist es fast zu viel Raum, so dass meist ein schnelles Ende eintritt. Das Spielmaterial funktioniert gut. Sehr praktisch ist auch die Unterbringung der Spielsteine im Boden des Spielbretts geregelt. Konsequenter Weise hätte dann allerdings auch die Schachtel viel schmaler ausfallen können, sie enthält doch arg viel Luft. Ein ordentliches Spiel für – wie heißt es doch immer so schön – Zwischendurch, zum Aufwärmen, nach einem Espresso oder einem Glas Wein, mit drei Partien in einer guten halben Stunde.
ZEPARATE
Verlag: Goldsieber
Autor: Guido Lap
Grafik: o.A.
Alter: ab 7 Jahren (die Regel enthält widersprüchliche Angaben u.a. ab 5 Jahren)
Anzahl Spieler: 2-4
Spieldauer: ca. 10-15 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 30/2006 R147/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Guido Lap hat in Deutschland nur ZEPARATE (ursprünglich ISOLATE, 2003 Educational Insights) und LANDLORD (Noris 2007) veröffentlicht.
Für ZEPARATE war Lap für den Deutschen Lernspielpreis 2006 nominiert.
DER ZAUBERBERG
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DER ZAUBERBERG
Jenseits von Haba, Ravensburger und Kosmos gibt es nur einige Spielideen mit Lerneffekten von eher unbekannten Verlagen. Nicht nur deutsche Verlage wollen am wachsenden Lernspielmarkt Geld verdienen, auch osteuropäische buhlen um Käufer.
Ein beachtliches Programm bietet der litauische Verlag Savas Takas, der seit 1999 Spiele unter dem Label LOGIS entwickelt. Das litauische Pädagogenteam, das hinter den Spielideen steht, versteht es geschickt, thematische Einbindungen für mathematische, sprachliche, naturkundliche, historische Lernprozesse zu finden.
Hinter dem Spieltitel DER ZAUBERBERG verbirgt sich zum Beispiel ein kleines Rechenspiel, zu dem eine märchenhafte Geschichte in die Grundrechenarten einführt. Das Spiel ist ein einfaches Laufspiel, bei dem die Rechenarten zum Vorankommen benutzt werden.
Die Umsetzung ist gut gelungen, grafisch zurückhaltend, aber kindgerecht. Das Material ist eher einfach gehalten, dafür liegt der Preis mit 9 Euro sehr günstig.
Titel: DER ZAUBERBERG
Verlag: Savas Takas www.logis.lt
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 7 Jahren (nicht 3 wie vom Verlag angegeben)
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 9 €
Spiel 01/2008 R146/2021
Die Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Sonntag, 29. August 2021
BABYLON
SAMMELSURIUM
Bütehorn Buchkassetten: BABYLON
Die Buchkassetten, die Ravensburger und Pelikan bis Mitte der 70er Jahre herausbrachten, waren wirtschaftlich nur bedingt Erfolge für die Verlage. Als beide Firmen ihre Reihen einstellten und die hannoverschen Pelikane dann bald auch ihre Spielproduktion, füllte die Lücke eine neue Firma aus dem Umfeld von Hannover. Die Bütehorn KG brachte ab 1976 wertige Buchschuber-Spiele unter dem Dach des Buchholz Verlags in Sarstedt bei Hannover heraus, hielt sich allerdings auch nur bis 1982 auf dem Markt.
Markenzeichen der Buchkassetten aus Sarstedt waren Klappdeckel und Druckknopf-Verschluss an einem Leinenanhänger. Heute ist das zwar eine Schwachstelle vieler in die Jahre gekommenen Spiele, damals war das aber eine originelle Idee. Die Reihe der mittleren Buchkassetten in den 80ern verzichtete dann schon auf diesen Verschluss und nutzte einen normalen Pappdeckel. Von diesen Ausgaben wurden mit der Insolvenz des Verlags einige von Hexagames übernommen. Der Verlag aus Dreieich nutzte die Spiele, um ein gutes Startprogramm neben dem Wirtschaftsspiel LONG SHORT zu haben.
Das Bütehorn-Programm war geprägt von großen, mittleren und kleinen Buchkassetten-Spielen. Daneben gab es einige Spiele in flachen Schachteln u.a. die damals sehr bekannten Ferienrallys. Prägend für die Programmgestaltung war Erik Grischeit als Produktmanager, er hatte vorher für Parker gearbeitet. Grischeit, der mit dem Schweizer Journalisten Walter Luc Haas befreundet war, holte bekanntere Autoren ins Programm. So kam er an DAMPFROSS, das in der Ausgabe von Schmidt Spiele 1984 Spiel des Jahres wurde. Auf der ersten Liste der Jury Spiel des Jahres 1979 waren gleich zwei Titel des Verlages vertreten. SETI bekam den ersten Sonderpreis für das schöne Spiel. Die Jury wollte damit zugleich auch den Buchholz-Verlag für sein Bemühen um besonders schön und aufwändig gestaltete Spiele würdigen. Neben SETI landete BLOCKADE von Sid Sackson auf der Auswahlliste. RÄUBER UND GENDARM von Rudi Hoffmann kam 1981 auf dem Bronzeplatz in diesem Jahr, hinter SAGALAND und FOCUS. 1982 schaffte es dann GEISTER von Alex Randolph auf die Liste der Jury.
BABYLON
Der inzwischen 72jährige Walter Wolf Windisch arbeitete Anfang der 70er Jahre als Art Director in einer Schweizer Werbeagentur. 1973 machte er sich als Erfinder von Kinder- und Erwachsenenspielen sowie als Autor von Kinder- und Sachbüchern selbständig. Vor allem Anfang der 80er Jahre hat er viele Spiele entwickelt, darunter BABYLON für Bütehorn, das 1984 von Fagus übernommen wurde. Der Verlag hat auch die wundervollen Märchenspiele HÄNSEL UND GRETEL und DIE SIEBEN GEISSLEIN von ihm herausgebracht.
BABYLON erschien 1982. Es ist ein abstraktes Turmbewegungsduell auf einem Spielplan mit 5x5 Feldern. Jeder Spieler besitzt 12 Spielsteine in drei Größen. Spielziel ist es, die Steine so in Türmen unterzubringen, dass sie eine diagonale Linie von der unteren Ebene bis in die Turmspitze ergeben. Dazu dürfen die Steine und Türme eingesetzt werden, es darf gesprungen und gezogen werden.
Wer am Zug ist, setzt entweder eine neue Spielfigur auf ein leeres Feld oder auf einen Stein, der eine Stufe größer als der gesetzte ist. Die Zughoheit über einen Turm besitzt nur der Spieler der on top ist. Schließlich kann á la HALMA gesprungen werden, springt man auf andere Spielsteine sind auch dabei die Steinhöhen zu beachten.
Wer es schafft, die Gewinnstellung der diagonalen Steineanordnung in waagrecht oder senkrecht benachbarten Türmen hinzubekommen, gewinnt das Spiel.
Es macht Sinn, nicht sofort alle Steine ins Spiel zu bekommen, sondern erst einmal auf Machthoheiten in den Türmen zu spielen, um strategisch günstige Ausgangskonstellationen zu erreichen.
BABYLON ist ein recht zähes Ringen um die Gewinnstellung, das sich hinziehen kann. Die Grundidee Windischs ist aber durchaus spannend, die babylonische Verwirrung spiegelt sich in der Varianz der Türme wieder.
BABYLON ist in der kleinen Bütehorn-Schachtel erschienen, in einer Klapppackung ohne Druckknopf-Verschluss. Irritierend ist, dass in der Spielregel ein 6x6 Feld gezeigt wird und dass der eigentliche Spielplan neben den 5x5 Ringefeldern theoretisch auch ein Spiel im 4x4 Raster zuließe. Die Schachtelrückseite zeigt aber, dass es anders gemeint ist.
Titel: BABYLON
Verlag: Bütehorn
Autor: Walter Wolf Windisch
Spielerzahl: 2
Alter: o.A.
Spieldauer: ca. 20 - 45 Minuten
Preis: ca. 40.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 35 – S35/2021
Samstag, 28. August 2021
MY GOLD MINE
Dragobert droht: MY GOLD MINE
„Open and play“ scheint das neue Motto für das Schachteldesign der kleinen Verpackungen bei Kosmos zu werden. Mit Klapp- und Magnetverschluss kommt man leicht an das Spielmaterial heran. Das kann so bleiben! Was sich hier entfaltet ist mit MY GOLD MINE eine Schatzsuche für Familien, hinter der der Mogel Verlag steht. Am 4. Februar verkündete Mogel auf Facebook: „Moin, wir freuen uns auf unser erstes Projekt als Studio in Zusammenarbeit mit Kosmos.“ Wer die Loths, die zuletzt mit BELRATTI überzeugten, in weiterer Kooperation mit dem belgischen Verlag Repos Production vermutete, die das Erfolgsspiel um den Kunstfälscher übernahmen, hat sich getäuscht. Kosmos selbst spricht nicht von „Studio“, sondern von „Zusammenarbeit mit Mogel“.
Neben Michael Loth gehen Dr. Hans Joachim Höh (FEED THE KRAKEN, GÖTTERDÄMMERUNG) und Christof Schilling (GÖTTERDÄMMERUNG) mit auf die Entwicklung der Schatzsuche. Kosmos führt MY GOLD MINE unter den Kinderspielen, ich sehe es eher als unterhaltsames Familienspiel für Menschen ab sieben Jahre.
Zwei bis sechs goldgierige Zwerge wagen sich in die Höhle mit dem Drachenschatz von Dragobert Drache. In drei Runden gehen sie auf Goldsuche. Neun Minenkarten liegen als Laufstrecke aus, Holzchips mit dem Konterfei der Zwerge starten mittig, links leuchtet das Licht des Ausgangs von der ganz rechten Seite droht der feuerspeiende Dragobert. Die Zwerge treten an, um sechs beachtlich große Nuggets zu verteilen. Dabei bedienen sie sich von einem offenen Schürfstapel oder einem verdeckten Kartenstapel mit Exit-Karten.
Wer am Zug ist, nimmt eine Schürfkarte, um Nuggets zu sammeln oder eine Exit-Karte, um sich in Richtung Ausgang zu bewegen. Schon bei den Schürfkarten spielt man mit dem Risiko, läuft aber offen in sein Verderben. Sind nämlich zwei Nuggets zu sehen, bekommt man zwar die Karte, bewegt sich aber zusätzlich ein Feld in Richtung des Drachens und der ist anfangs nur vier Felder weit weg. Ist danach auf dem Stapel ein Drache zu sehen, kommt er feuerspeiend näher und ist nur noch zwei Schritte entfernt. Alles Weitere wird wahrlich ein Spiel mit dem Feuer. Wer von Dragobert erwischt wird, ist aus dem Spiel und erhält in dieser Runde keine Nuggets.
Manche Goldkarten bringen immerhin zusätzlich neben dem Gold einen Schritt in Richtung Ausgang, sonst kann man nur auf die verdeckten Exit-Karten setzen, die ein oder zwei rettende Schritte bedeuten, manchmal sogar die ganze Zwergentruppe voranbringen oder einen Platztausch erfordern, der weniger erfreulich für den Zwerg ist, der schon ganz nah am Ausgang ist. Wer es bis zum Ausgang schafft, ist vor dem Drachen sicher. Wer auf seinen gesammelten Karten die meisten Goldklumpen vorweisen kann, erhält drei Nuggets. Bis zum dritten Platz werden die Nuggets verteilt. Dann geht es in die identisch ablaufende zweite Runde. In der Finalrunde wird alles vorher gesammelte Gold zum Ergebnis der dritten Runde addiert, der Spieler mit dem meisten Gold gewinnt.
Auch wenn die zentralen Schürfkarten offenliegen, wirkt sich der Push-Your-Luck-Effekt gerade in diesem Kartenstapel massiv aus. Vor allem bei den zwei Goldstücken geht man meist das Risiko ein und kann ruckzuck dann vom Drachen erwischt werden. Den Spaß haben dann die anderen, die schadenfroh lachen. MY GOLD MINE ist eine unterhaltsame Schatzsuche mit etwas Spiel mit dem Risiko und dem Feuer, wenn Drache Dragobert näher rückt. Grundschulkindern gefällt es! Ein unterhaltsames Familienspiel im unteren Anforderungssegment.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: MY GOLD MINE
Autoren: Dr. Hans Joachim Höh, Michael Loth, Christof Schilling
Grafik: atelier 198
Verlag: Kosmos
Spielerzahl: 2 - 6
Alter: ab 7 Jahre
Spieldauer: ca. 25 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 58/2021
Freitag, 27. August 2021
WIR SIND SCHWANGER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wir sind …
Ein neuer Plural majestatis findet Eingang in die sich ständig verändernde deutsche Sprache. Die Bildzeitung hat mit „Wir sind Papst“ damit begonnen, inzwischen gilt für unser merkelwürdiges Land „Wir sind Deutschland“, demnächst wird es heißen „Wir sind Weltmeister“ - oder auch nicht. In diesem Sinne wollen Amigo und Uwe Rosenberg uns seit Herbst 2005 unterjubeln, wir seien schwanger. Also auch Du (seit gestern wieder groß zu schreiben), ja Du, natürlich auch der Rezensent: WIR SIND SCHWANGER!
Eigentlich gibt es ja nur ein Problem bei der Schwangerschaft, natürlich nicht der Zeugungsakt, auch nicht die Geburt, die Einigung über den Namen des Heranwachsenden hat Familien schon Kriegsbeile auspacken lassen. Zur Streitschlichtung bietet Rosenbergs Spiel einen Fundus von 2600 Vornamen an. Ein bis dreimal, abhängig von der Spielerzahl, trifft jeden der Spielrunde die Schwangerschaft. Der Schwangere, die weibliche Form lassen wir, wie in Spielbeschreibungen üblich, außen vor, zieht zwei Namenskarten und legt eine vor sich ab. Auf der Karte sieht er die Vornamen von 10 Mädchen und 10 Jungen. Immerhin darf er nun entscheiden, ob der Ultraschall das Zipfelchen gezeigt hat oder nicht, dann legt aber die zweite Karte durch eine Pfeilrasterung exakt den Vornamen fest. Skylla und Charybdis! Da liegen die W’s vor mir und ich darf mich gerade einmal zwischen Wastel und Wella entscheiden. Der eigene Nachname muss jetzt auch noch herhalten, also biete ich der lauernden Meute den Wastel oder die Wella Herold an?
Das ist das Vorspiel, das sich sehr zügig abspielt. Der Höhepunkt von WIR SIND SCHWANGER ist die nun folgende Bewertung und dieser Teil kann sich hinziehen. Jeder Spieler besitzt dazu einen Kartensatz mit 20 bewertenden Kommentaren, die durchaus aus dem Leben gegriffen sind.
„So würde ich vielleicht mein Haustier nennen, aber bestimmt nicht mein Kind.“
„Als Elternteil würde ich mich schämen, auf dem Schulhof den Vornamen dieses Kindes rufen zu müssen.“
„Erst bekommt das Kind diesen Nachnamen und nun auch noch diesen Vornamen. So ein Pech!“
Es überwiegen die negativen Kommentare, was bei der Zwangszuordnung auch ganz sinnvoll erscheint. Alle Spieler suchen nach der Festlegung des Namens fünf Kommentarkarten aus, die zu der Namenskombination passen. Da ich mich für Wella entschieden habe, liege ich wahrscheinlich mit, „so könnte auch eine Damenbinde heißen“, nicht schlecht. Dann kommen noch die Pseudonymkarte, die lobende und einprägsame und die „Echt Cool“-Karte dazu. Schließlich geht es darum Übereinstimmungen mit anderen zu finden, aber leider nicht mit allen. Wenn ich also startend mit meiner „Damenbinde“ beginne und mindestens ein Mitspieler auf die gleiche Idee gekommen ist, erhalten wir beide zur Belohnung eine Namenskarte. Haben alle diese Assoziation gehabt, kostet mich das eine Karte aus meinem Startvorrat, das gleiche gilt, wenn niemand die Idee mit dem Haarspray hatte. So geht es reihum, bis ein Spieler keine Bewertungskarte mehr besitzt. Nach einer guten halben Stunde steht der Sieger von WIR SIND SCHWANGER fest.
Die Erregungskurve bei diesem Amigo-Spiel ist männlich, einer hohen Anfangseuphorie folgt ein jäher Absturz und das meistens schon während der ersten Spielrunde. Die Idee ist witzig, aber spielerisch nicht überzeugend. Die Alternativen bei den Bewertungskarten sind zu beschränkt, daher hat man schnell heraus, in welchem Kartenspektrum sich die Antworten bewegen können. Problematisch ist eigentlich nur die Verhinderung der vollen Trefferquote. Das kann es doch dann aber wirklich nicht sein. Das Spiel wird zwar seinen Geschenke-Weg gehen, idealer und launiger kann man doch gar nicht daherkommen, wenn die Linie blau war. Lohnend ist sicherlich das in Karten umgesetzte Namenslexikon, aber das war es dann auch, spielerisch lockt man so keine Babys hervor.
Titel: WIR SIND SCHWANGER
Autor: Uwe Rosenberg
Grafik: Barbara Spelger
Verlag: Amigo
Spieler:3 - 7 Spieler
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 29/2006 R145/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seinen ersten Erfolg fuhr Rosenberg als junger Autor mit dem zweiten Platz für MILLENIUM 1991 im Hippodice Wettbewerb ein. Das Spiel erschien unter der Ägide von Peter Gehrmann 1992 als TIMES bei Salagames. Dort veröffentlichte der Redaktionsleiter außerdem noch die Idee MARLOWE von Uwe Rosenberg. Danach ergab sich die ertragreiche Kooperation mit Amigo.
BOHNANZA (1997) war dann sein erster ganz großer Erfolg, das Spiel landete nicht nur auf der Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres. Es gewann den À la Carte-Preis der Fairplay 1997 und erreichte den fünften Platz beim Deutschen Spielepreis.
Der auch internationale Siegeszug setzte sich aber erst danach in Gang. Seit 23 Jahren schon liefert Amigo Gartenbohnen, Saubohnen und auch die ein oder andere Blaue Bohne in unendlich vielen gelben Schachteln aus. Keiner hat mehr so den rechten Überblick, was da alles in rosenbergscher Gartenerde inzwischen herangezüchtet wurde. Das klassische Saatgut wurde vielfach gemendelt und gegendert, musste sich gegen die Bohnenmafia wehren, trat Seereisen an, gelangte in den Wilden Westen und kämpfte sich in BOHNRÖSCHEN durch Rankenwerke.
Nach seinem Studium der Statistik gründete Uwe Rosenberg 2000 zusammen mit Hanno Girke und Marcel-André Casasola Merke den Lookout Spieleverlag. Er behielt aber im Gegensatz zu Klaus Teuber, der sich an Kosmos band, seine Unabhängigkeit und veröffentlichte weiter Spiele bei vielen Verlagen, so das Zweipersonenspiel BABEL 2001 bei Kosmos oder 2004 YELLOWSTONE PARK bei Amigo. SCHÄTZBOLD erschien 2004 bei Lookout.
Die großen Erfolge mit komplexen Aufbauspielen wie in AGRICOLA gönnte er aber Lookout Games.
Auch in der Folgezeit unterstützte er Neugründungen von Verlagen, so Feuerland und die Edition Spielwiese. Ganz aktuell hat er auch die Wyrmgold GmbH mit angeschoben und dem jungen Verlag ROBIN VON LOCKSLEY spendiert.
WIR SIND SCHWANGER kam 2006 bei uns nicht so gut an, immerhin erreichte das Spiel den 7. Platz beim à la carte.
Auf dem Bild ist der 29jährige Uwe Rosenberg 1999 in Essen mit seinem damaligen Gesamtprogramm zu sehen.
Donnerstag, 26. August 2021
DAS WALDSCHATTENSPIEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010DAS WALDSCHATTENSPIEL
DAS WALDSCHATTENSPIEL
Spiele im Dunkeln gibt es nicht viele. das wohl älteste ist seit über 20 Jahren auf dem Markt, DAS WALDSCHATTENSPIEL, das der ehemalige Waldorflehrer Walter Kraul seit 1985 im Eigenverlag anbietet. Spiele mit den Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer für Kinder wollte Kraul in seinem Verlag anbieten. Am Anfang schien es ihm fast unmöglich, das Feuer als Kraftquelle für Spielzeug zu nutzen, doch dann hatte er die Idee zu einem Spiel mit Licht und Schatten, in dem die Spieler in die Schattenwelt eintauchen oder das Licht suchen.
In beiden Versionen des WALDSCHATTENSPIELs spielt ein Teelicht die entscheidende Rolle. Zehn unterschiedlich große Holztannen werden auf dem Spielbrett verteilt. Auf der einen Seite startet ein „Lichtführer“, ein Spieler, der mit einem Schieber das Teelicht im Wald bewegt, auf der anderen Seite verstecken sich bis zu sieben kleine lichtscheue Zwerge im Schatten der Bäume. Sind die Vorbereitungen getroffen, gilt auch hier: Licht aus! Der Wald in Krauls Spiel wirft gespenstische Schatten. Im Schutz der Baumschatten huschen die Zwerge hin und her und versuchen, sich alle unter einem Baum zu treffen; das Licht versucht alle Zwerge zu bannen. Fällt während der ausgewürfelten Bewegung des Teelichts der Lichtstrahl auf einen Zwerg, ist dieser verzaubert und darf erst wieder bewegt werden, wenn ein anderer Zwerg es schafft, ihn zu erreichen.
In der zweiten Variante geht es umgekehrt zu. Das Licht bleibt in der Mitte stehen, die Kinder müssen diesmal würfelnd im Schein des Lichts durch den Wald laufen und am Ende über das Feuer springen. Wer dabei von einem Baumschatten getroffen wird, gilt wieder als gebannt. Erlöst werden kann er nur durch einen Mitspieler, wenn dieser es schafft, mit Hilfe des reflektierenden Schiebers Licht ins Dunkel zu spiegeln. Gewonnen haben die Kinder nur, wenn sie alle die Waldrunde geschafft haben. Beide Spiele sind erkennbare Produkte der frühen kooperativen Ideen der 80er Jahre. Die Regeln sind sehr offen gehalten und lassen unterschiedliche Varianten zu. Die Umsetzung ist in seiner einfachen, aber sehr praktischen Form auf dünnem Spielplan seit zwanzig Jahren gleichgeblieben, seit 1998 gibt es allerdings eine etwas stabilere, buntere Fassung auf dem Markt.
Das Spiel von Walter Kraul sollten wegen der offenen Flamme aber Kinder nicht alleine spielen. In der Regel wird empfohlen, dass der „Lichtführer“ bei der ersten Variante möglichst ein Elternteil sein sollte. Im WALDSCHATTENSPIEL erfahren die Kinder viel über die Phänomene von Licht und Schatten. Sie erleben ständige Veränderung des Schattenwurfs durch die sich bewegende Lichtquelle und sie können sich mit Spiegelungen beschäftigen.
Titel: DAS WALDSCHATTENSPIEL
Autor: Walter Kraul
Verlag: Kraul GmbH, Neufahrner Weg 2, 82057 Icking (www.spielzeug-kraul.de)
Spieler: 2 bis 8
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: einfache Fassung 17 €, farbige Fassung (DAS MÄRCHENHAFTE WALDSCHATTENSPIEL) ca. 25 €
Spiel 28/2006 R144/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Bereits in den 1920er Jahren wurde von Mara Kraul der Grundstein zur Spielzeugfirma Kraul gelegt. Mit kunstvollen Stick- und Strickarbeiten, die sie mit Hilfe von Heimarbeiterinnen anfertigte, entstand die Basis der Firma, die bis heute in Familienbesitz ist.
Nach dem zweiten Weltkrieg trat ihr Sohn Walter in die Firma ein und entwickelte erste Ideen zur Gestaltung von Spielzeugen: Inspiriert durch ein Riesen-Mobile von Alexander Calder, das er auf der Biennale in Venedig gesehen hatte, entwarf seine Mutter nun eigene Mobiles, die in kunsthandwerklicher Tradition gefertigt wurden.
Angeregt durch seine Arbeit als Waldorflehrer an der Münchner Rudolf-Steiner-Schule und zahlreichen Naturerlebnissen mit seinen Kindern, entstanden Seilbahnen und Wasserräder, die – zeitlos wie sie sind – noch heute ein wichtiger Bestandteil der Kraul’schen Produktpalette sind.
1976 übernahm Walter Kraul die Firma. Spielzeuge mit den Elementen Erde, Wasser und Luft, dem mit der Entwicklung der Lichtwippe und des WALDSCHATTENSPIELS noch das vierte Element Feuer hinzugefügt werden konnte.
1989 wurde Sohn Christoph Mitgesellschafter, seit 1993 ist er Geschäftsführer.
Als Meteorologe und Physiker entwarf er vor allem die Experimentierkästen, die heute einen wichtigen Bestandteil der Produktpalette ausmachen. Auch in diesen Kästen wird das Grundkonzept der vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer in technisch-wissenschaftlicher Weise konsequent weitergeführt.
Das WALDSCHATTENSPIEL ist immer noch im Programm.
Mittwoch, 25. August 2021
AUSGEBÜXT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Neue sechsteilige Lernspielreihe bei HABA
Gleich mit sechs neuen Spielen eröffnet die für hervorragendes Spielmaterial bekannte Firma HABA eine neue Lernspiel-Reihe. Für Kinder ab vier Jahren haben die HABA-Spielredaktion und einige renommierte Spieleautoren durchweg gute Spiele herausgebracht, die sich für den Einsatz im Familienkreis, aber auch im Kindergarten und in der Vorschule bestens eignen.
Besonders gefällt mir das Spiel AUSGEBÜXT von Manfred Ludwig. Ein Tast- und Memospiel mit 24 Holztieren. Zu Beginn des Spiels reißen die Tiere aus einem Zoo aus, d.h., sie werden von den Kindern in drei verschiedenfarbigen Säckchen versteckt.
In der zweiten Spielphase müssen die Kinder die Tiere wieder zurück in ihre Zoohäuser bringen. Etwas Gedächtnisleistung – in welchem Sack steckt denn mein roter Elefant? -, aber auch Tastvermögen – nehme ich nicht versehentlich das Nashorn heraus? – sorgen für Spielfreude bei den Kleinen. Bei einer Spieldauer von rund 15 Minuten kommt keine Langeweile auf.
Haba nutzt wunderschönes Material und witzige Zeichnungen der Grafikerin Doros Matthäus für ein unterhaltsames Kinderspiel.
Titel: AUSGEBÜXT
Autor: Manfred Ludwig
Grafik: Harald Klavinius
Verlag: Haba
Spielerzahl: 2 – 4
Alter: ab 4 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 29.- DM
Die Rezension erschien 1996
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 28/ 1996 R 149 /2021
Zum Spiel und zum Autor:
Manfred Ludwig, einst Lehrer für Französisch und Sport an einem Gymnasium in Regensburg, gehört zu den erfolgreichsten und produktivsten Autoren Deutschlands. Die erste Spieleveröffentlichung des 84jährigen Autors liegt schon 40 Jahre zurück. Damals kam GEFÄHRLICHGE BRÜCKEN beim Verlag Spear heraus. Für diesen Verlag gewann er 1983 mit FUZZI, HEINZ UND SCHLENDRIAN auch seine erste Auszeichnung. Das Spiel landete auf der AWL der Jury. Es folgten über 70 weitere Spiele und viele Preise, darunter mit DIEGO DRACHENZAHN das Kinderspiel des Jahres 2010.
Dienstag, 24. August 2021
UM RU(H)M UND EHRE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
UM RU(H)M UND EHRE
Viel Ruhm hat der kleine Ableger der Ravensburger am Chiemsee bisher eingeheimst. Stefan Brücks Alea-Spiele waren bislang Garant für hochkarätige Angebote, die die Vielspieler-Gemeinde stets in Entzücken versetzte. Das ging fantastisch los mit RA, und ebenso gut weiter mit TADSCH MAHAL den FÜRSTEN VON FLORENZ oder HÄNDLER VON GENUA bis zu den absoluten Höhepunkten PUERTIO RICO und SAN JUAN. Viel Ehre hat das Stefan Brück bisher eingebracht, ständige Top-Platzierungen beim Deutschen Spielepreis, zum Teil auch Nominierungen beim Spiel des Jahres. Nach den Vorgaben sind die Erwartungen bei Neuerscheinungen von Alea stets hoch. 2006 hat Brück mit Augsburg 1530 diese Erwartungen positiv bestätigt, 2006 hat er aber auch die Fangemeinde seiner Spiele arg enttäuscht. Die Piratenhorden, die in Stefan Felds UM RU(H)M UND EHRE durch die Kneipen eines versteckten Seeräubernests in der Karibik taumeln, hätten wohl besser dem Mutterhaus angestanden, als der Alea-Reihe. Fairspielt vermeldet am 23. August dazu eine fast repräsentative Lesermeinung Paul Arnesens: „Das ist der beste Weg, um bisherige Alea Käufer zu verprellen. Die Erwartungen konnten bei Weitem nicht erfüllt werden.“
Woran liegt’s? Der Materialaufwand, der bei diesem Spiel betrieben wird, ist beträchtlich. 181 Spielplättchen, allein 76 Piratenspielfiguren, dazu Goldmünzen, ein Schiffsmast, ein aufwändiger Sortierkasten, ein variabler Spielplan und – keine Selbstverständlichkeit für Alea – ein Würfel. Viel Aufwand für letztlich nicht allzu viele Effekte.
Der variable Spielplan ergibt immer wieder neue Piratennester, an deren verwinkelten Wegekreuzungen Ereignisse warten, die Kärtchengewinn in Form von Schatzkartenteilen, Schatzkisten, Piratenbedarf, Rumfässer und Rangeleien mit Stadtwachen bringen. Die Fortbewegung in dem Straßengewirr ist spieltechnisch interessant, spiellogisch völlig abstrus gelöst. Eine zentrale Figur, der „rote Korsar“, wird von allen Spielern bewegt, die auf den dazwischen liegenden Wegfeldern eigene Piraten zurücklassen müssen. Am Anfang hat jeder Spieler zehn Figuren zur Verfügung, die über anzulaufende Piratenfelder aber auf fünfzehn ergänzt werden können. Diese Piraten dienen nicht nur der Fortbewegung des Korsaren, sie werden auch eingesetzt in einem die jeweilige Runde abschließenden Würfelduell, das über zwei Seiten hinweg auf das Ausführlichste in der Spielregel erläutert wird. Der Aufwand dient dem Gewinn von Kojenplättchen, die bis zu acht Siegpunkte am Ende bringen. Ganze fünfmal wiederholt sich dieses Procedere mit Ereignissen auf dem Spielplan und Würfelorgien auf dem Schiff. Dann sind die Spieler endlich erlöst, nachdem sie sich einen Überblick über die gesammelten Plättchen verschafft haben.
Das war’s? So ziemlich war es das wirklich. Ich könnte jetzt zwar noch etwas über die „dunkle Gasse“ oder das „Rendez-vous“ –Feld erzählen, oder die Details des langwierigen Auswürfelns der Kojen-Plättchen erläutern, aber das lohnt wirklich nicht. Das Ganze wirkt zusammen gestückelt, überfrachtet, so dass man die Frage stellen muss: Für wen soll dieses Spiel Vergnügen bringen?
Von der Zielgruppe her nimmt sich Alea diesmal wohl eher die Familienspieler vor, schreckt diese aber mit einer zwölfseitigen Regel gewaltig ab. Das Handling des plättchenlastigen Spiels wird zwar durch einen guten Sortierkasten erleichtert, führt aber nicht unbedingt zu einem schnellen Spielzugang. Immerhin gelingt die optische Umsetzung atmosphärisch stimmig, das Spielmaterial ist gut. Man muss dem Spiel auch zugutehalten, dass es auf der Anspruchsleiste den Käufern nicht mehr vorgaukelt, als es wirklich liefert: nämlich fast unterstes Alea-Niveau. Im Kontrast dazu steht der große Werbespruch auf der Schachtelrückseite: „alea ist eine Marke des Ravensburger Spieleverlags, unter der Spiele mit besonders hohem strategischen Anspruch veröffentlicht werden. Zahlreiche nationale wie internationale Auszeichnungen belegen ihre außergewöhnliche Qualität.“ Mit weiterem Ruhm, mit weiterer Ehre wird sich Alea mit diesem Spiel nun leider nicht bekleckern.
Titel: UM RU(H)M UND EHRE
Autor: Stefan Feld
Grafik: Claus Stephan
Verlag: alea
Spieler: 2- 5
Alter: ab 9 Jahren
Spieldauer: 60 bis 75 Minuten werden angegeben, mit 90 Minuten muss man meist rechnen
Spiel 27/2006 R143/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 51jährige Stefan Feld ist Spieleerfinder und Schulleiter an einem Gymnasium in Gengenbach. Studiert hat er Physik und Sport.
REVOLTE IN ROM (Queen Games) war seine erste Veröffentlichung 2005. Ein Jahr später landete es auf der Empfehlungsliste der Jury. Von nun an blieb er fast kein Jahr ohne Auszeichnung, besonders beim Deutschen Spielepreis landete oft auf vorderen Plätzen, so für NOTRE DAME (2. Platz 2007), DIE BURGEN VON BURGUND (2. Platz 2011) und TRAJAN (2012). Nominiert war er für das Kennerspiel des Jahres in den Jahren 2011 (STRASBOURG), 2013 (BRÜGGE) und 2019 (CARPE DIEM).
Das Bild zeigt den Autor 2011 in Göttingen.
UM RU(H)M UND EHRE habe ich damals zwar nicht viel abgewinnen können, es erreichte trotzdem mit dem 10.
Montag, 23. August 2021
TIER AUF TIER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Lastenkroko in TIER AUF TIER
Schafe, Schlangen, Pinguine, Tukane, Igel, Affen und Kragenechsen und alle auf einem Krokodil, das nicht schnappt, sondern geduldig die Lasten erträgt. Eine tolle Tiergesellschaft hat Haba in dem Geschicklichkeitsspiel TIER AUF TIER zusammen geführt. Rundungen, Buckel und Schnabelhaken führen zu einer erstaunlichen Stapelfähigkeit der Tiere, von denen jeder der zwei bis vier Spieler zu Spielbeginn sieben erhält.
Gesteuert wird das Spiel des Autors Klaus Miltenberger durch einen Würfel, der festlegt, ob ein oder zwei Tiere auf dem Krokodil platziert werden dürfen, oder ob man die Baubasis verlängern darf, indem ein Tier neben das Krokodil gestellt wird. Wer Glück hat, braucht nicht selbst zu bauen, er kann eines seiner Tiere einen Mitspieler in die Hand drücken, der dann das Risiko beim Einbau in die Tierpyramide trägt. Es kann aber auch sein, dass die Mitspieler bestimmen dürfen, welches Tier der würfelnde Spieler einzubauen hat. Stürzt die Tierpyramide während einer Bauaktion in sich zusammen, muss der Verursacher zwei Tiere übernehmen. Wer seine Tiere als erster los ist, gewinnt nach knapp zehn vergnüglichen Minuten eine Runde TIER AUF TIER.
Der Aufforderungscharakter des Spiels ist enorm, es bleibt nie bei einer Runde und das Tolle ist: Erwachsene stapeln begeistert mit. TIER AUF TIER lebt vom Tierdesign, die ausgewählten sieben Tierarten eignen sich ausgesprochen gut zum Stapeln, so dass unerwartet hohe Tierpyramiden während des Spiels entstehen können. Für Kinder hilfreich ist, dass die Einsturzstrafe mit zwei Tieren durchaus noch Siegchancen zulässt, die Frustration sich daher in Grenzen hält. Auch also Solospiel für die Geduldsprobe zwischendurch ist TIER AUF TIER sehr gut geeignet. Ein rundum gelungenes Spiel, das schon Vierjährige mit viel Spaß spielen können.
Titel: TIER AUF TIER
Autor: Klaus Miltenberger
Grafik: Michael Bayer
Verlag: Haba
Spieler: 1 bis 4
Alter: ab 4 Jahren
Dauer: ca. 10 Minuten
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 19/2005 R142/2021
Die Rezension erschien 2005 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 58jährige Klaus Miltenberger hat 2005 mit TIER AUF TIER einen Dauerbrenner für Haba entwickelt. Inzwischen gibt es fünf weitere Varianten. Neben diesen Haba-Spielen war er mit MOVE&TWIST (Beleduc 2013) noch erfolgreich. Mit beiden Spielideen landete er auf der Empfehlungliste für das Kinderspiel des Jahres.
Sonntag, 22. August 2021
CARAMBA
SAMMELSURIUM
E-Serie von F.X. Schmid
Die bei Spielesammlern bekanntesten Spiele aus dem F.X. Schmid Verlag sind die Spiele der E-Reihe. Das „E“ steht für Erwachsenenspiele, die Serie erschien in den Jahren 1973/74. Die E-Serie war die Antwort aus Prien auf die Casino-Reihe von Ravensburger und die 3M-Serie. Die Spieleschachteln ähnelten aber nur den Buchschubern von 3M. Im Grunde genommen waren es einfache Stülpschachteln mit durchaus edler Innenverkleidung.
Die am meisten gesuchten Spiele dieser Serie sind: TRADE, SAMURAI, PAGODE und SNIFF. Mit LASKA hatte der Verlag einen Klassiker im Programm, der von einem ehemaligen Schachweltmeister stammte.
Die Firma war älter als Ravensburger. Franz Xaver Schmidt gründete den Verlag 1860 in München. Anfangs wurden nur Spielwaren und Karten produziert, nach dem Zweiten Weltkrieg, das Unternehmen war inzwischen in Prien am Chiemsee ansässig, kamen auch Brettspiele und Puzzles dazu. 1997 übernahm Ravensburger die Firma, labelte bis 2000 noch Produkte unter FX, stellte dann aber die Spiele ein.
CARAMBA
F.X. Schmid bezeichnet CARAMBA von Rudolf Ross als spannendes Wettlaufspiel für zwei Spieler. Die ovale Spielplanarena wirkt mit ihren Sperrfeldern wie ein Derivat von MALEFIZ.
Recht gekünstelt wird dieses Duell in eine Art Mafiakampf eingeordnet mit Läufern und Jägern und der geheimen Zuordnung eines Favoriten. Die drei Läufer besitzen deshalb drei verschiedenfarbige Sombreros, der persönliche Favorit wird vorab durch Weglegen der entsprechenden Farbkarte markiert.
Neben den drei Läufern, die auf den Startbereich der eigenen Farbe kommen, spielen jeweils vier Jäger eine Rolle, die mittig auf einem runden Hof starten. Ziel ist ein großer Farbkreis gegenüber den Startfeldern der Läufer, dorthin dürfen nur die Favoriten.
Stop-Felder müssen exakt erreicht werden, Rastplätze schützen kurzfristig vor den Jägern. Die Regeln dieses Lauf- und Schlagspiels sind unnötig kompliziert. So müssen die Stopp-Felder sofort wieder verlassen werden. Gelingt das nicht, gilt die dort stehende Figur als geschlagen. Wer eine 6 würfelt, darf nochmals würfeln, aber nur wenn beide Züge mit Jägern erfolgen. Über eigene Figuren darf man ziehen, aber über fremde nicht. Geschlagene Jäger kommen in ihr Startgebiet zurück, schlagen diese allerdings den falschen Läufer, sind sie aus dem Spiel.
Nur die letzte Regel macht CARAMBA etwas spannend. Das Bluffen spielt wegen der Abhängigkeit von Wurfergebnis leider keine so wichtige Rolle. Wer den gegnerischen Favoriten schlägt, gewinnt das Spiel. Das gilt natürlich auch, wenn es der Favorit bis ins Ziel schafft. Das gelingt aber nur, wenn das Zielfeld mit exaktem Würfelwurf erreicht wird. Wer soweit ist, der wird dann meistens doch noch durch die gegnerischen Jäger abgefangen.
Aus heutiger Sicht bietet dieses glückslastige Würfelspiel kaum Spielvergnügen. Die Umsetzung entspricht der üblichen Qualität der F.X. Schmid Spiele aus den 70ern.
Titel: CARAMBA
Verlag: F.X. Schmid
Autor: Rudolf Ross
Spielerzahl: 2
Alter: o.A.
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Nächsten Monat wieder
Sammelsurium 34 – S34/2021
E-Serie von F.X. Schmid
Die bei Spielesammlern bekanntesten Spiele aus dem F.X. Schmid Verlag sind die Spiele der E-Reihe. Das „E“ steht für Erwachsenenspiele, die Serie erschien in den Jahren 1973/74. Die E-Serie war die Antwort aus Prien auf die Casino-Reihe von Ravensburger und die 3M-Serie. Die Spieleschachteln ähnelten aber nur den Buchschubern von 3M. Im Grunde genommen waren es einfache Stülpschachteln mit durchaus edler Innenverkleidung.
Die am meisten gesuchten Spiele dieser Serie sind: TRADE, SAMURAI, PAGODE und SNIFF. Mit LASKA hatte der Verlag einen Klassiker im Programm, der von einem ehemaligen Schachweltmeister stammte.
Die Firma war älter als Ravensburger. Franz Xaver Schmidt gründete den Verlag 1860 in München. Anfangs wurden nur Spielwaren und Karten produziert, nach dem Zweiten Weltkrieg, das Unternehmen war inzwischen in Prien am Chiemsee ansässig, kamen auch Brettspiele und Puzzles dazu. 1997 übernahm Ravensburger die Firma, labelte bis 2000 noch Produkte unter FX, stellte dann aber die Spiele ein.
CARAMBA
F.X. Schmid bezeichnet CARAMBA von Rudolf Ross als spannendes Wettlaufspiel für zwei Spieler. Die ovale Spielplanarena wirkt mit ihren Sperrfeldern wie ein Derivat von MALEFIZ.
Recht gekünstelt wird dieses Duell in eine Art Mafiakampf eingeordnet mit Läufern und Jägern und der geheimen Zuordnung eines Favoriten. Die drei Läufer besitzen deshalb drei verschiedenfarbige Sombreros, der persönliche Favorit wird vorab durch Weglegen der entsprechenden Farbkarte markiert.
Neben den drei Läufern, die auf den Startbereich der eigenen Farbe kommen, spielen jeweils vier Jäger eine Rolle, die mittig auf einem runden Hof starten. Ziel ist ein großer Farbkreis gegenüber den Startfeldern der Läufer, dorthin dürfen nur die Favoriten.
Stop-Felder müssen exakt erreicht werden, Rastplätze schützen kurzfristig vor den Jägern. Die Regeln dieses Lauf- und Schlagspiels sind unnötig kompliziert. So müssen die Stopp-Felder sofort wieder verlassen werden. Gelingt das nicht, gilt die dort stehende Figur als geschlagen. Wer eine 6 würfelt, darf nochmals würfeln, aber nur wenn beide Züge mit Jägern erfolgen. Über eigene Figuren darf man ziehen, aber über fremde nicht. Geschlagene Jäger kommen in ihr Startgebiet zurück, schlagen diese allerdings den falschen Läufer, sind sie aus dem Spiel.
Nur die letzte Regel macht CARAMBA etwas spannend. Das Bluffen spielt wegen der Abhängigkeit von Wurfergebnis leider keine so wichtige Rolle. Wer den gegnerischen Favoriten schlägt, gewinnt das Spiel. Das gilt natürlich auch, wenn es der Favorit bis ins Ziel schafft. Das gelingt aber nur, wenn das Zielfeld mit exaktem Würfelwurf erreicht wird. Wer soweit ist, der wird dann meistens doch noch durch die gegnerischen Jäger abgefangen.
Aus heutiger Sicht bietet dieses glückslastige Würfelspiel kaum Spielvergnügen. Die Umsetzung entspricht der üblichen Qualität der F.X. Schmid Spiele aus den 70ern.
Titel: CARAMBA
Verlag: F.X. Schmid
Autor: Rudolf Ross
Spielerzahl: 2
Alter: o.A.
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Nächsten Monat wieder
Sammelsurium 34 – S34/2021
Samstag, 21. August 2021
PROJECT L
PROJECT L
TETRIS und UBONGO standen Pate bei der Entwicklung von PROJECT L, für das hauptsächlich Adam Spanel verantwortlich zeichnet, der aber mit den tschechischen Co-Autoren Jan Soukal und Michel Mikes gearbeitet hat. Die Plattform Boardcubator hat das Spiel 2020 veröffentlicht, Asmodee vertreibt es seit wenigen Monaten in Deutschland.
Zentral im Spiel sind Puzzlesteinchen, Polyominos, ganz kleine Quadrate bis zu unterschiedlichen Formen, die aus zwei, drei oder vier Quadraten zusammengesetzt sind. Die wollen in Puzzleformen mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad untergebracht werden. Da gibt es ganz einfache weiße Puzzle, die zum Teil so simpel sind, dass es nicht einmal Belohnungspunkte für die Erfüllung der Aufgabe gibt, dafür aber stets einen neuen Puzzlestein. Das schwerer zu füllende schwarze Puzzle kann bis zu fünf Siegpunkte einbringen, dafür gilt es dort aber 16 Felder zu füllen. Die Anzahl der schwarzen Puzzleteile ist spielerabhängig. Ist der schwarze Stapel leer, wird die Schlussrunde eingeläutet.
Angenehm bei den Puzzleaufgaben von PROJECT L ist, dass sie keinem Zeitdruck unterliegen. Jeder puzzelt der Reihe nach vor sich hin, das auch wenig interaktiv. Dafür spielt aber der Aufbau einer Puzzlesteinfabrik eine zentralere Rolle und damit die optimale Nutzung der fünf unterschiedlichen Aktionen, von denen pro Spielzug drei ausgewählt werden, dies durchaus auch mehrfach. Alle starten mit einem Einer- und Zweierstein. Wer am Zug ist, nimmt entweder eine von acht offenen Puzzleaufgaben, bis zu vier davon dürfen vor jedem Spieler liegen, oder einen Einerstein. Zusätzlich dürfen Steine um eine Stufe aufgewertet oder innerhalb einer Stufe getauscht werden. Die vierte Aktion ist das Einsetzen eines Steines in ein Puzzle, je mehr passende Vierersteine man hat, desto schneller geht das natürlich. Schließlich gibt es einmal pro Zug die Meisteraktion, bei der man in alle ungelösten Puzzles jeweils ein Teil einfügt.
Was anfangs mühsam scheint, wird gegen Ende immer schneller, da man für jedes gelöste Puzzle einen Belohnungsstein erhält. Damit entwickelt sich PROJECT L zu einem einfachen Engine-Builder, bei dem die richtige Steinauswahl, die effektive Nutzung der Meisteraktion und natürlich der Blick für die richtigen Steinwendungen über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Ist das letzte schwarze Plättchen aufgedeckt, wird die Runde noch beendet. Beim abschließenden Feinschliff dürfen alle Spieler angefangene Aufgaben beenden. Jeder eingesetzte Stein kostet aber einen Minuspunkt, sodass sich das nur bei positiver Schlussbilanz lohnt. Am Ende addieren alle ihre Puzzle-Punkte, ziehen die negativen Punkte aus der Feinschliff-Phase ab und haben meist nach einer guten halben Stunde einen Gewinner.
Tolles Material, starke Puzzlekarten und eine eingängige Regel unterstützen das Spielvergnügen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PROJECT L
Autoren: Michal Mikeš, Jan Soukal, Adam Spanel
Grafik: Jaroslav Jurica, Marek Loskot, Pavel Richter
Verlag: Boardcubator / Asmodee
Spielerzahl: 1-4
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 20-40 Minuten
Preis: ca. 35 Euro
Spiel 57/2021
Freitag, 20. August 2021
SUSHI EXPRESS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
SUSHI EXPRESS
Was der Pizza-Express in Braunschweig ist, entspricht dem Sushi-Express in München, der schon seit zehn Jahren auf dem Markt ist. „So schmeckt Japan“, ist der Werbespruch für die exquisiten Sushi-Variationen, die die Käufer in attraktiven Verpackungen mit japanischen Holzstäbchen erhalten. Auch der Spielemarkt geht mit der Zeit, der PIZZA-FLITZER von Kosmos ist schon seit Anfang des Jahres unterwegs, nun wird er verfolgt vom SUSHI EXPRESS von Abacus.
Der Verlag aus Dreieich liefert zwar keine Stäbchen mit, aber eine mittelgroße stabile Verpackung, die, satirisch verfremdet, Spielvergnügen verheißt. Michael Schacht, der Autor, lädt uns nicht an die Sushi-Bar ein, worüber ich ganz froh bin, die gesäuerten mit rohem Fisch gefüllten und Seetang umwickelten Reishappen sind wahrlich Geschmacksache. Er schickt drei bis sechs Lieferanten aus, die sich um 28 Kunden- und acht Trinkgeld-Karten rangeln. Das war’s dann auch schon zum Sushi-Thema, der ganze Rest ist ein Konstrukt, das sich auf eine ganze Reihe unterschiedlicher Themen anwenden ließe.
Dreh- und Angelpunkt des Spiels ist eine an ein altes Telefon erinnernde Wählscheibe. Diese steuert die Bewegung der Lieferanten, die sich auf 12 Sechseckplättchen im Kreis bewegen. Jedes Mal wenn sie die Start-Ziel-Karte überschreiten, dürfen sie aus einer Auslage sich von den Kunden- oder Trinkgeldkarten bedienen. Auf einem Sonderfeld, dem Park, erhalten die Spieler Aktionskarten, die unterschiedlich hilfreich für das weitere Spiel sind. Zurück zur Wählscheibe, die SUSHI EXPRESS zu einem ordentlichen Zockerspiel macht. In jeder Spielrunde müssen die Spieler immer erst einen Tipp abgeben, wie weit sie ihr Fahrzeug bewegen wollen. Die entsprechende Zahl zwischen zwei und zwölf wird mit Hilfe eines Tippsteines auf der Wählscheibe eingestellt. Nachfolgende Spieler dürfen in der Regel nicht auf Zahlen tippen, die vorher belegt worden sind. Gezogen wird später in der Reihenfolge der höchsten Zahlen. Wer zuerst ziehen darf, hat meist eine größere Auswahl an Kundenkarten zur Verfügung, so dass oft relativ hohe Zahlen geboten werden. Korrektiv für die Gebote sind zwei Würfel, die immer der Spieler mit dem höchsten Gebot werfen muss. Die Zugweite muss nämlich durch einen entsprechenden Wurf bestätigt werden. Zwei Versuche haben die Spieler, schaffen sie es nicht, bleibt ihr Sushi- Auslieferungswagen stehen. Zum Trost gibt es aber eine Aktionskarte. Sobald ein Spieler seine Vorgabe erreicht hat, endet die Würfelrunde, alle anderen dürfen ohne zu würfeln ihre gesetzten Zahlen fahren. Beim Voranziehen der Fahrzeuge zählen besetzte Felder nicht mit, so dass Rundungen vor allem in voller Besetzung gut machbar sind. Der Spieler mit dem niedrigsten Tipp startet in die nächste Runde. Vorher darf er noch entscheiden, sofern noch Kundenkarten in der Auslage sind, ob sie liegen bleiben oder aus dem Spiel genommen werden, so dass ein neues Angebot in der Zahl der Mitspieler ausgelegt werden kann.
Bei der Auswahl der Kundenkarten ist zu beachten, dass vor allem unterschiedliche Karten Punkte bringen. Die erste Kundenkarte in jeder Farbe zählt stets drei Siegpunkte, jede weitere nur einen Siegpunkt. Da sechs Farben nur je zweimal vorhanden sind, gegenüber zwei Farbe, die achtmal vorkommen, ist das Sammeln der seltenen Karten spielentscheidend. Beachtet werden muss aber auch, dass derjenige, der am wenigsten Trinkgeld erhält, Punkte abgezogen bekommt. Das Spiel endet im Übrigen sofort, wenn die Auslage für die Kundenkarten nicht mehr vollständig ausgeführt werden kann.
SUSHI EXPRESS ist etwas für Zocker. Die Bereitschaft in die Vollen zu gehen, ist groß bei diesem Spiel. Im Spiel zu fünft und zu sechst geht fast keine Bietrunde ohne die statistisch eher unwahrscheinliche Zehn aus. Erstaunlich ist auch, dass die erreichten Ergebnisse meist über der durchschnittlichen Sieben liegen. Das mag ein gefühltes, aber durchaus in vielen Spielen verifiziertes Ergebnis sein. Der Kampf um die raren Farben führt vor allem in den letzten Runden zu spannenden Pokerphasen. Wenn es dann darum geht, die letzte lila Karte zu bekommen, dann versucht es auch einer mit der 11 oder gar 12 – und wenn es dann klappt, ist Stimmung am Tisch. Wenn nicht, dann gibt’s ja die Trostkarten, die es zum Beispiel möglich machen, einen vorher gegebenen Tipp ebenfalls zu nutzen. Auch ein Nachwürfeln ist so möglich und ein weiteres Vorankommen des eigenen Fahrzeuges. Besonders stark ist die Karte Platztausch, mit der man Tippsteine vertauschen darf. Wer Spaß an stark glücksabhängigen Spielen hat, ist mit SUSHI EXPRESS gut bedient. Geboten wird eine lockere Unterhaltung, der man sich vor allem in großen Runden stellen sollte. Ein Spielvergnügen, das zwar nicht abendfüllend ist, aber für eine halbe Stunde als solides Horsd’œuvre genügt.
Titel: SUSHI EXPRESS
Autor: Michael Schacht
Grafik: Michael Schacht
Verlag: Abacus
Spieler: 3 - 62
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: 10 Euro
Spiel 26/2006 R141/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt Michael Schacht mit seiner Partnerin Marianne Hartz im SUSHI EXPRESS-Jahr 2006 in Göttingen.
Donnerstag, 19. August 2021
SPINNENTWIST
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Das Matriarchat dominiert die Spinnenwelt – SPINNENTWIST
Wir Männer können dankbar sein, dass die Evolution irgendwie ihren Weg über die Säuger zum Menschen gegangen ist und sich nicht Gliederfüßer, wie die Spinnen, durchgesetzt haben. Inzwischen ist ja Frauenpower auch bei uns angesagt, politisch merkelts weiblich. Wir sind aber zum Glück meilenweit von der weiblichen Dominanz der Spinnenwelt entfernt. Nicht nur, dass die meisten Spinnenweibchen erheblich größer als ihre männlichen Pendants sind – die weibliche Schwarze Witwe bringt das hundertfache Gewicht ihres männlichen Partners auf die Waage -, sie pflegen auch häufig, ihre Sexualpartner nach dem Akt zu töten und zu verspeisen. Wer überleben will, muss das schnelle Liebespiel beherrschen. Wenn die Wespenspinne sich nicht nach acht Sekunden zurückzieht, wobei fünf Sekunden, wie Wissenschaftler herausgefunden haben, zur Befruchtung ausreichen, hat der Spinnenmann ausgedient. Die männliche Gartenspinne bekommt sogar nach jedem Akt ihren finalen Herzinfarkt. Wer die Homepage des Spielautors und Kleinverlegers Henning Poehl besucht, erfährt das und noch viel mehr über die Welt der Spinnen (http://www.sphinxspiele.de/kartenspiele/brettspiele-SPINNENTWIST.htm). Passend zu seinem neuesten Produkt SPINNENTWIST hat Poehl eine interessante Linkliste zusammengestellt. Jedes Jahr in Essen erweitert der Autor sein Programm um ein Produkt aus der ganz makabren Welt, seiner „schwarzen Reihe“, und um ein Spiel aus der Welt der Natur, der Biologie. Der Diplombiologie Poehl ist so mit AUWEIER dem Paarungsverhalten von Vögeln auf der Spur gewesen, die Hirschbrunft hat er mit NULL BOCK fantastisch eingefangen, nun führt er seine Spieler in die abenteuerliche Welt der Spinnennetze. Diesmal ist es kein Kartenspiel, das uns den Geschlechterkampf in der Natur näher bringt, sondern ein kleines strategisches Brettspiel für zwei Spieler.
Jeder der Spieler führt zehn Spinnenmännchen in das Netz eines Weibchens, um dort zur Paarung zu schreiten. Auf jede Bewegung im Netz reagiert das Weibchen. Wird ein Männchen über die Knotenpunkte des äußeren Netzes ins Spiel gebracht, setzt sich das Weibchen auf dem kürzesten Weg sofort in Richtung des Eindringlings in Bewegung. Die kleinen Männchen dürfen immer nur ein Feld weit ziehen, die Bewegungsweite des Weibchens hängt ab von der Erschütterung des Netzes, die durch die Bewegung des Männchens entstanden ist. Poehl definiert diese durch die Anzahl der Spinnen, die auf der betroffenen Netzspeiche sitzen. Mehr an Spielsteuerung benötigt der Autor nicht, um zu einem spannenden Wettkampf im Spinnennetz zu kommen.
Wichtig für den Spielablauf ist, dass die Spieler nicht abwechselnd ihre Spinnenmännchen führen, sondern dass jeder Spieler, wenn er an der Reihe ist, anfangs immer eine Spinne ins Spiel bringen und zusätzlich alle im Netz befindlichen eigenen Tiere bewegen darf. Die Reaktionsbewegung des Weibchens führt stets der Mitspieler aus, der damit nicht lange tatenlos zuschauen muss, sondern immer mit im Spiel ist. Dabei muss er nicht immer automatischen Bewegungsbefehlen des Spinnenweibchens folgen, oft genug gibt es verschiedene gleich lange Wege zum Männchen, das sich gerade bewegt hat. Sollte das Spinnenweibchen unterwegs aber Beute machen können, hilft kein Zetern und Schreien. Dann muss der Spieler das Weibchen auch zu eigenen Männchen führen. Ein solches Mahl hält das Weibchen erst einmal auf, so ein Männchen muss ja genüsslich verdaut werden. Wie lange das dauert, wird durch einen kleinen sechsseitigen Würfel bestimmt. Bei jeder erforderlichen Bewegung wird die Augenzahl des Würfels, der auf die Spinne gelegt wird, um eins vermindert, so dass spätestens nach sechs Runden, das Weibchen das Netz wieder unsicher macht. Paarungswillig bleibt es aber in diesem Zustand.
Für die Abrechnung am Ende ist wichtig, dass Männchen, die nach dem Paarungsakt aus dem Verkehr gezogen werden, zwei Siegpunkte bringen, für aufgefressene Tiere wird ein Punkt abgezogen. Das macht deutlich, dass es manchmal durchaus Sinn macht, ein eigenes Männchen zu opfern, sofern drumherum weitere eigene sind, die die Verdauungsphase des Weibchens ausnutzen können. Noch besser ist es natürlich, wenn man diese Situation im Rücken des Gegenspielers erreicht.
SPINNENTWIST braucht eine Aufwärmphase bis die Tiere so allmählich ins Netz kommen, im entscheidenden Mittelspiel geht die Post ab, wobei vorsichtiges Taktieren das Ende ziemlich hinauszögern kann. Schluss ist nämlich erst dann, wenn ein Spieler nur noch eine Spinne übrig hat. Die Vielfalt der taktischen Möglichkeiten des Spiels unterschätzt man am Anfang. Hilfreich ist auch die Freiheit, die der Autor beim Bewegen der Spinnen lässt. Die Spieler dürfen Spinnen ins Spiel bringen, sie müssen aber nicht. Die Spieler dürfen alle Figuren in ihrem Zug bewegen, sie müssen aber nur einmal eine Bewegungsreaktion der Spinne auslösen. Das Spinnenweibchen lässt sich nach der Aufwärmphase geschickt steuern, am besten dadurch, dass man sein Spinnenteam in zwei gegenüberliegenden Gruppen agieren lässt. Nach etwa einer halben Stunde endet eine Runde SPINNENTWIST bei einigermaßen gleichwertigen Spielpartnern meist sehr knapp. Partien mit Fünft- und Sechstklässlern haben ergeben, dass das Spielalter doch eher mit 12 Jahren angegeben werden sollte. Manche dieser Altersgruppe waren chancenlos, da sie die jeweiligen Zugkonsequenzen noch nicht recht einzuschätzen wussten.
Die Ausstattung ist nicht üppig. In einer kleinen Klappschachtel befinden sich der doppelseitige Spielplan, 20 Miniholzchips, ein Miniwürfel, ein etwas größerer Spinnenweibchenstein und die recht ordentliche Spielregel. Die grafische Gestaltung von Matthias Catrein ist ansprechend. Trotzdem können die 15 Euro, die für das Spiel verlangt werden, für viele Käufer überhöht erscheinen. Das mitgelieferte Spielvergnügen sieht man dem Material leider nicht an. Beruhigend für alle männlichen Spieler sollte sein, dass der Autor sich letztlich doch eher spielerisch als biologisch hat beeinflussen lassen. Die SPINNENTWIST-Weibchen reagieren nur fremdgesteuert, trieborientiert folgen sie brav jedem Männchen und tun das, was die Männer wollen. Eine schöne, heile Spinnenwelt, die uns der Biologie Poehl da bietet.
Titel: SPINNENTWIST
Autor: Henning Poehl
Grafik: Matthias Catrein
Verlag: Sphinx Spiele
Spieler: 2
Alter: ab 10 (besser ab 12) Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: 15 Euro
Spiel 25/2006 R140/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Henning Poehl veröffentlicht seit 20 Jahren Spiele. 2001 erschienen seine ersten Ideen VAMPIRCONNECTION und INTREGRALIS im eigens gegründeten Kleinverlag Sphinx.
Die Mixtur aus Gruselfaktor und naturwissenschaftlichem Begleitprogramm prägten auch in der Folgezeit die Veröffentlichungen des Biologen Poehl.
Poehl engagiert sich sehr für die Vertriebsgenossenschaft Spiel Direkt und ist geschäftsführender Vorstand.
Auf dem Bild ist Poehl auf der Spiel in Essen 2005 mit SPINNENTWIST zu sehen.
Mittwoch, 18. August 2021
SPELUNKE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wehe wenn die Tussi kommt: SPELUNKE
Tussis, meist minderjährige Girls, mit aufgelegter Kriegsbemalung, engsten bauchfreien Tops, die die ganze Zeit nur an den Kneipengang denken, um ihren Körper der nach Sex lechzenden Öffentlichkeit zu zeigen, sind bei der Partnerwahl recht wählerisch. Zumindest Uwe Rosenberg glaubt, dass Prolls und Kneipenwirte ihre einzigen Kontaktpartner seien. In seiner SPELUNKE tummeln sich neben den Tussis, Kneipenwirten und Prollos noch Hippies, Punkys und Alkis. Ein munteres Völkchen , das im Zigarettendunst und Biermief babylonisch blubbert und brabbelt. Verstehen können sich die meisten, insbesondere die Wirte hören allen brav zu, nur die Tussi ist wählerisch.
Das muntere Kneipenvölkchen stellt die Besetzung für Uwe Rosenberg Gedächtnisspiel SPELUNKE dar. Zwei bis vier Spieler ab 10 Jahren können sich eine gute viertel Stunde damit beschäftigen. Das Interieur ist knapp bemessen, 33 Spielkarten reichen aus. Jeweils sechs von den Kneipenbesuchern und drei Wirte werden verdeckt in drei Reihen ausgelegt. Memorylike dürfen in einem Spielzug die Karten von ihren beiden Enden her abgearbeitet werden. Die Spieler können aber auch darauf verzichten und sich dafür geheim Karten einer Reihe ansehen. Die erste aufgedeckte Karte steht immer für denjenigen, der das Gespräch beginnen soll, die zweite für den Zuhörer. In den Grundregeln des Spiels verstehen sich bis auf die Tussi fast alle miteinander, Wirte und Tussis kommen aber auch miteinander nicht ins Gespräch. Passende Gesprächspaare werden gesammelt, wer am Ende, wenn nichts mehr läuft in der Kneipe, die meisten Pärchen hat, gewinnt das Spiel. Beim Partnerspiel zu viert werden die Ergebnisse der gegenübersitzenden Spieler addiert, dort gibt es auch die Möglichkeit, beim Ansehen einer Kartenreihe dem Partner eine Information zuzuspielen.
SPELUNKE ist einerseits eine übliche MEMO-Variante, die ihre Berechtigung erhält durch die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten und die zusätzliche Informationsgewinnung. Die thematische Einbindung trägt etwas zur Spielatmosphäre ein, vom Barhocker reißt sie mich nicht. Aus der Tussi-Regelung entwickelt sich der Spielreiz, aber auch manchmal ein arg beschleunigtes Spielende, weil die Tussis frühzeitig den Kommunikationsfluss in der ganzen Kneipe lahm legen. Mit vielen Sonderregeln versucht der Autor das Ganze für Fortgeschrittene Spielunkenbesucher noch etwas aufzupeppen, ob er damit mehr Tussis und Alkis hinter dem Ofen hervorholt, wage ich zu bezweifeln, vielleicht geht es vielen dann so wie den Tussis, wenn sie auf Alkis treffen: Sie verlassen fluchtartig die Kneipe.
Titel: SPELUNKE
Autor: Uwe Rosenberg
Grafik: Maike Janssen
Verlag: Lookout Games
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 24/2006 R1139/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seinen ersten Erfolg fuhr Rosenberg als junger Autor mit dem zweiten Platz für MILLENIUM 1991 im Hippodice Wettbewerb ein. Das Spiel erschien unter der Ägide von Peter Gehrmann 1992 als TIMES bei Salagames. Dort veröffentlichte der Redaktionsleiter außerdem noch die Idee MARLOWE von Uwe Rosenberg. Danach ergab sich die ertragreiche Kooperation mit Amigo.
BOHNANZA (1997) war dann sein erster ganz großer Erfolg, das Spiel landete nicht nur auf der Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres. Es gewann den À la Carte-Preis der Fairplay 1997 und erreichte den fünften Platz beim Deutschen Spielepreis.
Der auch internationale Siegeszug setzte sich aber erst danach in Gang. Seit 23 Jahren schon liefert Amigo Gartenbohnen, Saubohnen und auch die ein oder andere Blaue Bohne in unendlich vielen gelben Schachteln aus. Keiner hat mehr so den rechten Überblick, was da alles in rosenbergscher Gartenerde inzwischen herangezüchtet wurde. Das klassische Saatgut wurde vielfach gemendelt und gegendert, musste sich gegen die Bohnenmafia wehren, trat Seereisen an, gelangte in den Wilden Westen und kämpfte sich in BOHNRÖSCHEN durch Rankenwerke.
Nach seinem Studium der Statistik gründete Uwe Rosenberg 2000 zusammen mit Hanno Girke und Marcel-André Casasola Merke den Lookout Spieleverlag. Er behielt aber im Gegensatz zu Klaus Teuber, der sich an Kosmos band, seine Unabhängigkeit und veröffentlichte weiter Spiele bei vielen Verlagen, so das Zweipersonenspiel BABEL 2001 bei Kosmos oder 2004 YELLOWSTONE PARK bei Amigo. SCHÄTZBOLD erschien 2004 bei Lookout.
Die großen Erfolge mit komplexen Aufbauspielen wie in AGRICOLA gönnte er aber Lookout Games.
Auch in der Folgezeit unterstützte er Neugründungen von Verlagen, so Feuerland und die Edition Spielwiese. Ganz aktuell hat er auch die Wyrmgold GmbH mit angeschoben und dem jungen Verlag ROBIN VON LOCKSLEY spendiert.
Auf dem Bild ist der 29jährige Uwe Rosenberg 1999 in Essen mit seinem damaligen Gesamtprogramm zu sehen.
Dienstag, 17. August 2021
SOCKS IN THE CITY
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Schuss in die Socke: SOCKS IN THE CITY
Wenn Günter Cornett eine Sache anpackt, dann hat sie meist Hand und Fuß, diesmal sorgt er sogar für ganz besonders warme Füße. Dafür verpackt er sein neuestes Produkt SOCKS IN THE CITY in eine rote Socke. Kein Wunder, Cornett ist Berliner und zumindest er wird sich noch an Pfarrer Hintzes Kampagne erinnern. Deshalb bleibt der Autor auch thematisch bei der Bundeshauptstadt und liefert uns 20 Stadtansichten Berlins. Wieso wir allerdings die Straße Unter den Linden und alle anderen Sehenswürdigkeiten in der Spielplanauslage gleich viermal vorfinden müssen, weiß nur die Socke. Vielleicht sind dem Autor aber auch einfach nur die Anglizismen ausgegangen, ein Ausländer wird es schwer haben, wenn er nach Berlin kommt und den Nicehill sucht, den Palast der Republik, der gerade entsorgt wird.
Witzig an dem Spiel ist neben der Verpackung wahrscheinlich nur die Ausgangsgeschichte. Die verschwundene Socke, nach der wohl jeder schon gesucht hat. Cornett bringt die Pärchen wieder zusammen. Auf dem Berliner Spielplan der aus 20 vierteiligen Hexfeldern zusammen gesetzt wird, werden sechs Sockenpaare weiträumig verteilt. Da kommt die eine rote Socke auf den Anhalter Bahnhof (Hitchhikers Station), die andere – mindestens sechs Felder entfernt – zum Brandenburger Tor (Border Avenue), sie kann natürlich auch auf einem der weiteren drei Anhalter Bahnhöfe liegen. Entsprechend werden die restlichen 10 Socken verteilt. Die Hexfeder stellen U- oder S-Bahnstationen dar mit jeweils drei Verbindungskreuzungen, jeweils eine Verbindung ist auf den zusammenhängenden Viererplättchen fest vorgegeben. Spielziel ist es, durch Legen von Holzstäbchen die Verbindung der gleichfarbigen Socken herzustellen. Dafür gibt es am Ende Punkte, zwar nicht für die Länge der Verbindungsstrecke, aber für den Felderabstand der Stationen, auf denen passende Socken liegen. Gespielt wird zu zweit mit jeweils vierzig Stäbchen, auf einem gewöhnungsbedürftigen Spielplan.
Dieses sich immer wiederholende Berlingewirr ist nicht jedermanns Sache.
Das Spiel selbst spielt sich flott dahin, ist auch nicht schlecht, kein Wunder, ist es doch eine Lightausgabe von TRANS AMERICA. Trotzdem bleibt ein schales Gefühl, mehr Gag als Spiel – ein Schuss in die Socke wohl.
Titel SOCKS IN THE CITY
Autor Günter Cornett
Verlag Bambus Spiele
2 Spieler
ab 10 Jahren
ca. 20 Minuten
Spiel 23/2006 R138/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 1960 in Flensburg geborene Günter Cornett lebt schon seit fast 40 Jahren in Berlin. Als Spieleautor fiel er erstmalig 1992 durch eine Platzierung seiner Idee AUTOSCOOTER unter den besten zehn Spielen beim Hippodice Wettbewerb auf. Ein Spiel, das er 1999 selbst herausgab. Dafür hatte er schon 1995 den Bambus-Spieleverlag gegründet, mit dem er mit dem hier schon vorgestellten FLASCHENTEUFEL startete. 1995 erschien zusätzlich mit CANALETTO (Hans im Glück) sein erstes Spiel in einem Fremdverlag.
Der Vorläufer von KAHUNA erschien 1997 als ARABANA IKIBITI im Eigenverlag. 2002 erschien beim Bambus-Verlag ein ähnliches Spiel für 2 bis 4 Spieler als KANALAO. Dieses Spiel wurde für den Gamers Choice Award 2002 nominiert. Schon 2001 erschien in Cornetts Verlag eine Mehrspielervariante als ARABANA-OPODOPO, die Tilsit 2003 unter dem Titel KANALOA veröffentlichte.
KAHUNA war neben dem 2005 erschienenen PACKEIS AM POL Cornetts erfolgreichstes Spiel. Er landete damit auf der Auswahlliste der Jury „Spiel des Jahres“ und erreichte den 6. Platz beim À la Carte-Kartenspielpreis der Fairplay. In Frankreich gewann er 2000 mit dem Spiel den As d’Or.
Mit SOCKS IN THE CITY konnte er keine großen Preise gewinnen.
Das Bild zeigt Cornett 2005 in Göttingen.
Montag, 16. August 2021
SNORTA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Grunzen und Bellen am Spieltisch - SNORTA
Der Spieleverlag Amigo ist bekannt für reaktionsschnelle Ablegespiele, HALLI GALLI ist in unterschiedlichen Variationen ein Dauerbrenner. In diese Sparte gehört auch das auf der Empfehlungsliste für das „Kinderspiel des Jahres“ 2005 gelandete Spiel SNORTA.
Jeder der drei bis sechs Spieler erhält bei Spielbeginn eine Tierkarte zugelost, der er ein passendes Geräusch zuordnet. Das kann dann zum Beispiel ein grunzendes, quiekendes oder schnüffelndes Schweinchen sein. Die Hürde für die Mitspieler besteht darin, sich die Tiere und Geräusche aller anderen merken zu müssen. Die Karten bleiben nach der ersten Geräusche-Runde nämlich verdeckt vor den Spielern liegen. Jeder erhält dann ca. 15 bis 20 weitere Tierkarten, je nach Spielerzahl, die es loszuwerden gilt. Reihum werden Karten aufgedeckt, sobald zwei gleiche Tiere in der Spielrunde offen liegen, geht es SNORTAnisch zu. Die betroffenen Spieler müssen jeweils so schnell wie möglich das Tiergeräusch des anderen nachmachen Der langsamere Spieler übernimmt die schon ausgelegten Karten des anderen und seine eigenen und vergrößert damit seinen Ablagestapel. Sobald ein Spieler alle Karten los ist, endet die erste von drei Spielrunden. Die restlichen Karten bringen Minuspunkte, wobei die Schweinchen doppelt zählen. Eine Sonderkarte bringt zusätzlich noch weitere Verwirrung ins Spiel. Wird diese gespielt, wechselt der betroffene Spieler seine Tieridentität und legt sich ein neues Geräusch zu. SNORTA ist wahrlich nichts genial Neues, aber die knapp hundert Spielkarten liefern hundertprozentiges Spielvergnügen, sogar wenn Erwachsene sich in Spielrunden mischen. Die überlegen dann besonders lang: Was hatte denn mein Gegenüber nur für ein Tier nachgemacht? Die Tierbilder, die doppelt ausliegen, bringen zusätzliche Verwirrung, da es gar nicht um deren Geräusche geht – oder vielleicht doch?
Ganz schön chaotisch geht es zu, wenn am Spieltisch gegrunzt, gebellt, miaut wird. Zungenbrecherisch würgt dann so mancher die Klapperschlang, bis deren Klapper schlapper klang! Ein herrliches, zudem noch preisgünstiges Spielvergnügen von Chris Childs und Tony Richardson für Kinder und jung gebliebene Erwachsene ab sechs Jahren.
Titel: SNORTA
Verlag: Amigo
Autoren: Chris Childs und Tony Richardson
Grafik: Michael Menzel
Spieler: 3-6
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Alter: ab 6 Jahren
Preis: ca. 6 €
Spiel 18/2005 R137/2021
Die Rezension erschien 2005 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Chris Childs und Tony Richardson haben nur SNORTA gemeinsam veröffentlicht und landeten immerhin auf der Empfehlungsliste der Kinderjury. Tony Richardson bekam immerhin zwei Jahre später für ZOCKEN (Schmidt) die Auszeichnung Spiel der Spiele in der Sparte Spiele für Viele.
Sonntag, 15. August 2021
SAMURAI
SAMMELSURIUM
E-Serie von F.X. Schmid
Die bei Spielesammlern bekanntesten Spiele aus dem F.X. Schmid Verlag sind die Spiele der E-Reihe. Das „E“ steht für Erwachsenenspiele, die Serie erschien in den Jahren 1973/74. Die E-Serie war die Antwort aus Prien auf die Casino-Reihe von Ravensburger und die 3M-Serie. Die Spieleschachteln ähnelten aber nur den Buchschubern von 3M. Im Grunde genommen waren es einfache Stülpschachteln mit durchaus edler Innenverkleidung.
Die am meisten gesuchten Spiele dieser Serie sind: TRADE, SAMURAI, PAGODE und SNIFF. Mit LASKA hatte der Verlag einen Klassiker im Programm, der von einem ehemaligen Schachweltmeister stammte.
Die Firma war älter als Ravensburger. Franz Xaver Schmidt gründete den Verlag 1860 in München. Anfangs wurden nur Spielwaren und Karten produziert, nach dem Zweiten Weltkrieg, das Unternehmen war inzwischen in Prien am Chiemsee ansässig, kamen auch Brettspiele und Puzzles dazu. 1997 übernahm Ravensburger die Firma, labelte bis 2000 noch Produkte unter FX, stellte dann aber die Spiele ein.
SAMURAI
Weshalb eine Autorennennung bei SAMURAI von F.X. Schmid vorgenommen wurde, ist mir unverständlich, da es sich um die japanische SCHACH-Variante SHOGI handelt. Die Autorenleistung bestand darin, dass letzteres „in eine für Europäer ablesbare Form gebracht und SAMURAI genannt wurde“.
Die Leistung des als Autor angeführten Hermann Friedls besteht darin, die sehr spezifischen Gangarten der Figuren in eine leicht erkenntliche Symbolsprache umgesetzt zu haben.
SAMURAI weist einige Besonderheiten auf, die die Nähe zum SCHACH nicht verleugnen, aber auch ganz spezielle Eigenarten besitzen, die das Japan-Schach schon ganz speziell machen.
Gespielt wird auf einem 9x9 Feld, das wegen der länglichen Spielsteine rechteckig ausfällt. Jeder verfügt anfangs über 20 Spielsteine, die sich nicht durch die Farbe, sondern nur durch die Ausrichtung unterscheiden. Geschlagene Steine sind nicht aus dem Spiel, sondern dürfen vom Gewinner des Steins später wieder eingesetzt werden. Ganz besonders ist aber die Werterhöhung, die die meisten Steine zulassen. So können die Samurais, die wie die Bauern im Schach nur ein Feld vorziehen, zu Goldfeldherren werden, der sich drei Felder vorwärts, zwei Felder seitlich und ein Feld rückwärts bewegen darf. Zum Goldfeldherren werden auch Wagen, Pferde, Silberfeldherren. Läufer und Türme sind die schnellen Figuren in SAMURAI, auch sie bekommen die Zusatzgangarten des Goldfeldherren. Aufwertungen passieren immer dann, wenn die Figuren in den Startbereich des Gegners gelangen.
Der Kaiser ist wie der König um ein Feld in alle Richtungen bewegbar. Letztlich wird er nicht geschlagen, sondern umzingelt, bis er sich nicht mehr bewegen kann. Nicht in SAMURAI aber in SHOGI gibt es die Thronregel: Wenn ein Spieler seinen König auf das Startfeld des gegnerischen Königs zieht, gewinnt er die Partie.
Die japanische Schach-Variante SAMURAI/SHOGI besitzt ihren besonderen Reiz durch die erneute Nutzung geschlagener Figuren und durch die Aufwertungsmöglichkeit, die die Option immer vielfältiger werden lässt. Wirklicher Spielreiz entwickelt sich nur bei vergleichbar starken Gegnern. Im Gegensatz zu den anderen Spielen der Schachfamilie ist es bei SHOGI üblich mit Handicap zu spielen. Der stärkere Spieler gibt dabei dem schwächeren ein paar Figuren vor. Diese werden vor Beginn der Partie aus dem Spiel genommen und können nicht wie die geschlagenen Figuren erneut eingesetzt werden.
Die Ikonographie für die Bewegungsoptionen hat Friedl recht gut gelöst. Die Umsetzung entspricht der üblichen Qualität der F.X. Schmid Spiele aus den 70ern.
Titel: SAMURAI
Verlag: F.X. Schmid
Autor: Hermann Friedl
Spielerzahl: 2
Alter: o.A.
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 34 – S34/2021
Samstag, 14. August 2021
COLUMBUS‘ EG
Solo unterwegs
COLUMBUS‘ EG
Das Ei des Kolumbus hat ursprünglich gar nichts mit dem Entdecker Amerikas zu tun. Die Anekdote, die ihm später zugeschrieben wurde, dass er ein gekochtes Ei auf die Spitze stellen konnte, indem er es auf den Tisch schlug, so dass es leicht eingedrückt zum Stehen kam, ist eigentlich im Kontext mit dem Kuppelbauer des Florenzer Doms Filippo Brunelleschi (1377–1446) zu sehen. Dieser soll durch die Lösung des „Ei-Problems“ den Auftrag zum Bau der ganz besonderen Kuppel dieses Doms erhalten haben. Das macht auch mehr Sinn, da diese Domkuppel in der Tat an die Form eines Eies erinnert, das an der Spitze aufgestoßen ist.
Warum diese lange Vorgeschichte zu dem Solospiel COLUMBUS‘ EG von Timo Jokitalo und Vesa Timonen, das in der logicus-Reihe bei HUCH! erschienen ist. Nun, ganz zuerst haben mich ganz gewaltig die 16 Eier in den üblichen rot, gelb, grün und blau Tönen gestört, so richtig wie Eier sehen sie nämlich nicht aus, umgedreht wirken sie fast wie antike Weinamphoren, aber auf der anderen Seite sind sie standfest gemacht, so wie Brunelleschis‘ oder Kolumbus‘ Ei.
Damit passen sie auch gut in die Stecklöcher eines 4x4 Gitter, das für die nötigen Denksportaufgaben sorgt. Jede Aufgabenkarte enthält Hinweise zur Farbbelegung der Reihen und Spalten, sowie vier weitere Tipps, die sich jeweils zwei Reihen und Spalten beziehen.
Nur 40 Aufgaben stehen doppelseitig zur Verfügung, natürlich steigert sich der Anforderungslevel bis zum fünften Ei, an dem man sich ganz schön die Zähne ausbeißen kann. Anfangs sind es eigentlich nur simple Steckaufgaben, die man auch schon dreijährigen Kindern überlassen kann. Die Anforderungen ans logische Denken wachsen aber an, so dass die Alterseinstufung ab sechs Jahren schon in Ordnung geht. Die Zusammenhänge zwischen Reihen- und Spaltenangaben gilt es zu entdecken, um für die Farben, für die Hinweise fehlen oder nur unvollständig sind, die richtigen Lücken zu entdecken.
Das wird am Ende ganz schön knifflig und lässt sich nicht so einfach lösen wie das Legenden-Ei-Problem des Kolumbus. Praktisch ist die Unterbringung alles Materials in einer kleinen Plastikbox, die Spielbrett, Ei-Aufbewahrung und Aufgabenspender auf einmal ist.
Aus Perspektive von Kindern, die klare Zielgruppe des Spiels sind, ein gutes Logikspiel. Ich hätte mir für Grundschüler allerdings schon eine kleine Hintergrundgeschichte zum Ei des Kolumbus gewünscht. Erwachsene werden durch die Aufgaben nicht so sehr gefordert, deshalb hole ich das Spiel nächste Woche wieder raus, da kommen aber auch unsere Enkel zu Besuch, die gern abwechselnd knobeln.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: COLUMBUS‘ EG
Autoren: Timo Jokitalo, Vesa Timonen
Grafik: Sabine Kondirolli
Verlag: HUCH!
Spielerzahl: 1
Alter: ab 6 Jahre
Spieldauer: ca. 5 -15 Minuten
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 56/2021
Freitag, 13. August 2021
SEERÄUBER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spiel des Jahres- Tipp - Stimmung am Spieltisch ist garantiert: SEERÄUBER
Fast ein Drittel der diesjährigen nominierten Spiele im Kinder- und Familienspielbereich greift das Thema Piraten auf. Im Kinderspielbereich sind es das raffinierte Schatzsammelspiel PIRATTISSIMO und DER SCHWARZE PIRAT, dessen Segelschiffe durch einen Blasebalg angetrieben werden. Um den Hauptpreis „Spiel des Jahres“ bewirbt sich das Spiel SEERÄUBER (Queen Games) von Stefan Dorra.
Das Spiel des niedersächsischen Spielautors für drei bis fünf Spieler ab acht Jahren zeichnet sich durch einen schnellen Zugang aus. 15 unterschiedlich wertvolle Frachtsegler stellen die Beute für die Piraten, von denen jeder Spieler fünf in Form von runden Holzscheiben mit verschiedenen Zahlenwerten besitzt, dar. Im Ausguck erblicken die Piratenspieler zu Beginn drei mögliche Opfer, dafür sind sie bereit, ihre Korsaren auf Entertour zu schicken. Das eigentliche Spiel ist simpel, aber trotzdem richtig spannend.
Die Frachtsegler, schöne Schiffskarten, signalisieren, welches Geld und welche Schätze sie an Bord haben, aber auch wie viele Piraten benötigt werden, um den Segler zu entern. Dazu müssen die Spieler Entermannschaften zusammenstellen. Da ist bei allem Gegeneinander Teamgeist angesagt. Zum Entern werden die Piratenscheiben ins Spiel gebracht, einzeln gesetzt oder auf einem schon vorhandenen Piratenstapel platziert. Den Scheibenturm befehligt immer der oben auf liegende Piratenspieler. Ist der Stapel so hoch, dass die Zielvorgabe für ein Schiff erreicht ist, kann geentert werden. Der Spieler dessen Pirat oben liegt erhält einen Schatz, bei vielen Schiffen erhält auch der zweite Spieler ein weiteres Beutestück. Der Kapitän erhält den Geldwert des Schiffes ausbezahlt, muss aber alle seine Kombattanten entsprechend ihres Wertes ausbezahlen. Aufpassen sollte man dabei schon, damit nicht aus der eigenen Kasse zugeschossen werden muss. Wenn auf diese Weise alle 15 Schiffe Opfer der Piratenteams geworden sind, endet das Spiel. Das meiste Geld und die meisten Schatzkarten bestimmen nach einer knappen halben Sunde den Spielsieger.
SEERÄUBER spielt sich einfach und zügig. Wiederholungspartien sind garantiert, da der Reiz des Mit- und Gegeneinanderspielens zum Ausprobieren immer neuer Strategien reizt. In diesem fetzigen Piratenduell reagieren die Spieler direkt aufeinander, insofern ist es das interaktivste der fünf nominierten Spiele. Keiner muss grübelnd allein für sich hin spielen, immer sind die Züge der Mitspieler im Blick zu behalten. Der leichte Zugang, das animierende Spielmaterial und die Stimmung am Spieltisch, die SEERÄUBER hervorruft , machen das außerdem noch äußerst preiswerte Spiel zu einem heißen Kandidaten für das „Spiel des Jahres“ 2006.
SEERÄUBER
Verlag: Queen Games
Autor: Stefan Dorra
Grafik: Jo Hartwig
Alter: ab 8 Jahren
Anzahl Spieler: 3-5
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 22/2006 R136/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der in der Nähe von Hildesheim lebende Sprachheilpädagoge Dorra startete 1992 seine Autorenkarriere mit einem Achtungserfolg. Sein Zocker-Spiel RAZZIA landete auf der Auswahlliste der Jury, erreichte den 9. Platz beim Deutschen Spielpreis und den 6. bei À la Carte. RAZZIA ist letztlich der Vorgänger für HICK-HACK IN GACKELWAG, das familienspieltauglicher gemacht wurde. Eine grafisch überarbeitete Neuauflage erschien 2014.
1994 bestimmte sein INTRIGE die Messediskussion auf der Spiel in Essen. Das Spiel erreichte den vierten Platz beim Deutschen Spielepreis.
Mit LINIE 1 war er wahrscheinlich am dichtesten am Spiel des Jahres dran. Er hatte nur das Pech, dass Teubers CATAN unschlagbar war. Daher reichte es „nur“ für die Auswahlliste und den zweiten Platz beim Deutschen Spielepreis und wurde mehrfach neu aufgelegt.
Mit den Spielern SEERÄUBER (2006), LAND IN SICHT (2009) und ESELSBRÜCKE (2011) war er dann später ebenfalls nominiert. Für MEDINA (2001) bekam er noch einmal den 2. Platz beim Deutschen Spielepreis.
Das Bild zeigt Dorra mit seiner Gattin Rita und André Maack von Ravensburger im SEERÄUBER-Jahr 2006.
Donnerstag, 12. August 2021
ROBINSON & FREITAG
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Zurück zur Natur: ROBINSON & FREITAG
Was ist eine Robinsonade ohne Floßbau, Palisaden und einen ordentlichen Ausguck nach Rettung bringenden Schiffen. HiKu hat ein bisher einmaliges spielerisches Ambiente für den Klassiker Gestrandeter geschaffen. Der Spieleschatz kommt in einer Schatztruhe aus Holz verpackt daher. Fünf Robinsoninseln aus Leder – für jeden der maximal fünf Spieler eine -, dazu fast 150 Bauteile aus Naturmaterial, für alles, was Robinson so auf seiner Insel braucht, notwendiges Strandgut, Fässer, Planken, Bretter und Steine. Richtig eingesetzt, bieten diese Ressourcen Schutz vor den Gefahren der unbekannten Insel. Ein Zaun bietet Deckung vor wilden Tieren, eine Hütte aus Steinen und Brettern hilft bei Überflutung und schützt vor feindlichen Wilden. Notwendiges Frischwasser fließt durch die Wasserrinne. Entscheidend ist letztlich aber der rettende Floßbau, denn nur wer am Ende das größte Floß gebaut hat, darf von seiner Insel ablegen.
Michael Palm setzt sein Spiel ROBINSON & FREITAG mit Hilfe eines einfachen, aber reizvollen Pokermechanismus um. Jede Spielrunde beginnt mit
einem Bietverfahren um das Baumaterial. Aus der Fülle des Materials nimmt sich jeder Spieler drei Teile, die er verdeckt bietet. Um Bauteile auch behalten zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden:
1. Bietet ein Spieler eine Sorte Bauteile alleine an, darf er alle gebotenen Teile behalten.
2. Haben mehr Spieler Bauteile einer Sorte in ihrer Hand, dann erhält nicht der Spieler, der am meisten geboten hat, sondern der, der am wenigsten geboten.
3. Gibt es mehr Spieler, die gleich wenig oder gar nichts geboten haben, bekommt keiner etwas.
Nach der Bietrunde und der Verteilung des Baumaterials, dürfen die Inseln ausgebaut werden. Das gewonnene Material darf im Vorrat bleiben, es sollte aber auch zum Floßbau und zum Schutz der eigenen Insel verwandt werden, denn nur so schützt man sich vor der nach der Baurunde folgenden Ereignisrunde. Wenn ein Spieler nichts gewonnen hat und auch keine Materialien mehr in seinem Vorrat liegen hat, darf er eins von acht Ereignissen auslösen, die in Form von kleinen bedruckten Lederinseln existieren. Dabei gibt es meist negative Ereignisse, einige positive und die Begegnung mit Freitag, die keine direkte Auswirkung hat, dafür aber durch die zweite Begegnung, wenn die Ereignisinseln einmal durchgespielt sind, das Spielende herbeiführt. Sichern kann man sich vor schlechten Ereignissen wie den Angriff feindlicher Inselbewohner nur durch spezifische Schutzbauten, hier zum Beispiel den Palisadenbau. Der Spieler, der sich am wenigsten geschützt hat, verliert ein Bauteil, das der Spieler aussuchen darf, der das Ereignis ausgelöst hat. Umgekehrt können die Spieler bei den Ereignissen „Treibgut“ und „Freundliche Inselbewohner“ Bauteile gewinnen.
Der Reiz des Spiels geht einerseits von dem tollen Material aus, anderseits von dem raffinierten Bietmechanismus. Das hat etwas von spannenden Pokerrunden, da ist viel Psychologie mit im Spiel. Jedes Mal stehen die Spieler vor der Entscheidung, ob die breite Streuung und das Bauen auf eine Sorte die angemessene Strategie sein könnte. Wer viel Glück hat, kann seine drei Teile behalten und zusätzlich noch andere Sorten abkassieren. In jeder Runde ist es immer wieder ein erregendes Spielchen mit den Mitspielern. Problematisch ist allerdings, dass das Ganze in voller Besetzung doch sehr zufällig bleibt. Zu dritt und zu viert machen diese Bietrunden aber viel Vergnügen. Da für den Spielsieg die Planken für den Floßbau wichtig sind, geht es natürlich vor allen Dingen um den Gewinn dieser Bauteile. Die Regel lässt Vorratshaltung zu, was anderseits verhindert, dass Ereignisinseln genommen werden können. Hier besteht eine gewisse Gefahr, dass das Spiel sich selbst aufhängt. Wenn alle nur auf Vorrat spielen, weil sie keine Floßplanken verlieren wollen, kommt die erste Ereigniskette gar nicht so recht in Gang. Problematisch ist auch, dass es keine Baubegrenzung aus dem Vorrat heraus gibt. Wer also lang genug genügend Planken bunkert, könnte am Ende sein Floß bauen, zum zweiten Mal Robinson nehmen und das Spiel gewinnen. Wir haben in unseren Runden auf die Vorratsregelung verzichtet und alle gewonnenen Teile verbauen lassen, das führt zu einem zügigeren Ende des Spiels. Als reizvoll hat sich im Übrigen auch eine Zweier-Variante heraus gestellt, in der jeder für zwei Inseln verantwortlich ist und in der jeder weiß, was sich in seiner rechten und linken Hand für die entsprechenden Inseln verbirgt. Das gibt der Bietrunde zusätzlichen Pfiff.
Mit leichten Regeländerungen und unter Verzicht auf das Spielen in voller Besetzung lohnt ein spielerischer Ausflug in die Inselwelt von ROBINSON & FREITAG. Sie erhalten einen Spieleschatz, der jenseits von ludofaktischen Schachteln und Spielmaterialien angesiedelt ist - etwas ganz Besonderes also!
Titel: ROBINSON & FREITAG
Autor: Michael Palm
Verlag: HiKu
Spieler: 3- 5, besser bis 4, auch für zwei Spieler möglich
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 30 bis 45 Minuten
Spiel 21/2006 R135/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der „Seetroll“ Michael Palm entwickelt seit 25 Jahren Spiele und managt seit fast 30 Jahren das Spielefachgeschäft Seetroll in Konstanz und Friedrichshafen.
Viele seiner Ideen hat er zusammen mit Lukas Zach entwickelt, darunter DIE ZWERGE und die UNDO-Reihe bei Pegasus Spiele, aber auch Kinderspiele wie Bim BAMM! und ZAUBEREI HOCH DREI, die auf der Empfehlungsliste für das Kinderspiel 2013 bzw. 2017 landeten.
Für Hiku hat er neben ROBINSON & FREITAG noch VOODOO PARTY und ÉTOILE veröffentlicht. Das letzte Spiel ist dann später noch einmal bei Gerhards Spiel und Design erschienen.
Das Foto zeigt Michael Palm in einem seiner Läden am Bodensee.
Mittwoch, 11. August 2021
RAPA NUI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Osterinselspiel: RAPA NUI
Der Göttinger Geologe und Spieleerfinder Reinhold Wittig hat schon in den 80er Jahren mit Vielen Ideen die Materiallandschaft für Spiele verändert.
Jenseits von Papp-Plan, Pöppeln und Plastik-Chips spielten bei ihm Leder- oder Skaipläne, Muttern (schon 1974) und Muscheln, opulente Holzausstattungen eine wichtige Rolle. Über 30 Jahre hinweg ist der Autor diesem Prinzip treu geblieben, er liefert Augenschmaus, er bietet Haptik und kulturell oder wissenschaftlich eingebundene Spielideen. Immer noch befindet er sich auf einer Reise „Mit 80 Spielen um die Welt“ und ist dabei zum zweiten Mal auf der Osterinsel gelandet, diesmal begleitet ihn ein neuer Freund und Erfinderkollege, der Jenaer Mathematikprofessor Ingo Althöfer. Nach HOTU MATUA, dem ersten Osterinsel-Spiel, das den Reisen des sagenhaften gleichnamigen Entdeckers der Osterinsel gewidmet war, steht RAPA NUI diesmal selbst im Vordergrund, gespielt wird auf der Osterinsel. Das berühmte Inseldreieck stellt mit seinen geschwungenen Buchten den großen stabilen Holzspielplan dar, der mit 45 Bohrungen versehen ist, in diese Felder kommen Würfel-Sockel, dort hinein Sockel-Würfel, außerdem besitzt jeder Spieler zwei sein Spiel steuernde Spielsteine.
Wittig und Althöfer begeben sich spielerisch auf die Spuren der Besiedlung der Insel. Ihr taktisches Würfelspiel beginnt mit der ersten Siedlungsphase und endet unter dem Druck der sich ausbreitenden Bevölkerung. Am Anfang setzen die zwei bis drei Spieler ihre beiden Spielsteine ein, von diesen Feldern aus beginnen sie ihre Besiedlung der Insel. In der nächsten Phase, die die Autoren als „Kultur-Phase“ bezeichnen, müssen neun Felder belegt werden, dazu bewegen die Spieler ihre Spielsteine abwechselnd. Sie ziehen ein Feld weiter, auch auf diagonal angrenzende Felder. Die verlassenen Felder werden mit Holzsockeln belegt und einer von neun vorher bereit gelegten Würfeln wird oben auf den Sockel gelegt. Danach folgt das eigentliche Spiel, in dem es enger und enger auf RAPA NUI wird. Zu diesem Zeitpunkt sind beim Spiel zu dritt ein Drittel der 45 Felder mit Spielsteinen oder Würfel-Sockel mit Würfeln belegt. Die Spielsteine der Spieler besitzen also noch genügend Bewegungsmöglichkeiten, um sich auf der Insel auszubreiten. Im Prinzip geht das Spiel wie in der „Kultur-Phase“ weiter: Spielstein bewegen, Würfel-Sockel setzen, würfeln und den Würfel in den Sockel setzen. Zusätzlich muss jetzt ein rosa Würfel geworfen werden. Das Wurfergebnis macht es möglich, einen Würfel aus einem Sockel zu entfernen. Sobald das erstmals passiert ist, dürfen die Spieler nach ihrem Zug entscheiden, ob sie mit dem rosa Würfel werfen oder einen leeren Sockel entfernen. Dadurch können neue Bewegungsräume gewonnen werden. Trotzdem sorgt der Zwang, in jeder Runde den Sockel mit Würfel platzieren zu müssen, dafür, dass es immer enger auf der Insel wird. Sobald ein Spieler keinen seiner Setzsteine mehr bewegen kann, scheidet er aus.
Eine Besiedlungspartie geht meist nach einer halben Stunde vorüber, ein zügiges Spiel also, das Revancherunden zulässt. Die sollte man auch nutzen, denn RAPA NUI ist zwar ein Würfelspiel, besitzt aber einigen taktischen Tiefgang. Das geht schon mit der Einsetzphase los, über die Gebiete abgesteckt werden können. Jeder versucht für sich Rückzugsbereiche zu schaffen, die aber durch die Rosa-Phase immer wieder durchbrochen werden. Dieses Glückselement macht den eigentlichen Reiz des Spiels aus, da dadurch Schneisen in Umzingelungen geschlagen werden können, die den Mitspielern gar nicht passen. Tolles Material, klasse Spielidee und viel Spielspaß, RAPA NUI sollten sich auch große Verlage näher ansehen.
Titel: RAPA NUI
Autor: Reinhold Wittig, Ingo Althöfer
Verlag: Edition Perlhuhn
Spieler: 2 - 3
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60 Euro
Spiel 20/2006 R134/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Der 1961 in Lage geborene Mathematiker Ingo Althöfer promovierte 1986 in Bielefeld, seit 1994 hat er den Lehrstuhl für Mathematische Optimierung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena inne.
Seine Forschungsschwerpunk liegen in den Bereichen Spieltheorie und Kombinatorische Optimierung. Althöfer hat experimentell untersucht, wie sich Lego-Steine beim Waschen in der Waschmaschine zu Zufalls-Komplexen zusammensetzen, die Ergebnisse dokumentierte er in „Meine wunderbare Wasch-Saison“. Sein Highlight der Wasch-Saison2013: „Steine von verschiedenen Herstellern (einschließlich LEGO und der DDR-Marken PeBe2000 und Formo) bilden in der Waschmaschine gemeinsame Zufallskomplexe: Es wäscht zusammen, was zusammen gehört!“
Spielideen veröffentlichte er im Eigenverlag 3-Hirn Spiele. 2006 erhielt Altöfer den Inno-SPATZ der Stadt Göttingen.
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 84jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
1990 landete er mit DINO, damals noch von Hexagames auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel.
Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. 2020 wurde Wittig in die Hall of Fame des Origins Award aufgenommen. Aktuell besteht eine enge Kooperation mit Joe Nikisch, der exklusiv bei Abacus einige Perlhühner veröffentlicht.
Das Bild zeigt Wittig und Althöfer bei der SPATZ-Verleihung 2006.
Dienstag, 10. August 2021
DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP
Nach dem Ausflug ins Filmgeschäft 2004 sind auf der Spiel in Essen 2005 Sandfuchs und Sienholz, die Macher von Krimsus, mit ihren Spielen ins altägyptische Ambiente eingestiegen. Dabei bleiben sie bei dem Spiel DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP durchaus filmnah auf den Spuren von Indiana Jones.
Wie gewohnt, kommen die Krimsus- Spiele als preiswerte Kartenspiele daher. Wobei 110 Spielkarten in der Auslage Brettspieldimensionen einnehmen, sogar die Spielfiguren lassen sich aus dem Kartenmaterial basteln. Zwei bis fünf Archäologen befinden sich auf Schatzsuche in der sagenumwobenen PYRAMIDE DES KRIMSUTEP. In die 6 mal 6 Felder große Kartenauslage mit hellen und dunklen anfangs verdeckt liegenden Gangkarten führt der Weg über ein Basislager. Am Anfang suchen die Altertumsforscher nach Eingeweidekrügen, wobei für jeden Spieler nur einer unter den 36 Karten versteckt ist. Sobald eine Kanope entdeckt ist, wird der Geist des Erbauers der Pyramide lebendig und bedroht als wandernde Mumie die Forscher. Erst wenn die Kanopen im Basislager sind, tauchen auf wundersame Weise Schätze in der Pyramide auf. Sobald es einem Spieler gelingt, einen Schatz aus der Pyramide zu schaffen, endet das Spiel. Davor sind aber noch viele Pyramidenabenteuer zu bewältigen, da gibt es nicht nur die Mumie, vor der man sich in acht nehmen muss, sondern Fallgruben, rutschige Rampen, und geheimnisvolle kleine Pyramiden in der Pyramide, die beim Betreten stets zum Verlust mitgeführter Schätze führen, aber auch eine Teleporterfunktion besitzen, die taktisch genutzt werden kann.
Gesteuert wird das Spiel über Bewegungspunkte, multifunktionale Ausgrabungskarten und über die ägyptische Lebensenergie Ankh, die über Gang- und Ausgrabungskarten gewonnen werden kann. Für die Zielkarte, die man in seinem Zug erreichen will, muss eine passende Ausgrabungskarte abgelegt werden, diese dienen aber auch dazu, Gänge zu erforschen, die Mumie abzuwehren und andere Forscher zu überfallen oder deren Überfälle abzuwehren.
Das Spiel ist vielschichtig angelegt, vielleicht sogar zu vielschichtig, die Regel erleichtert dabei nicht unbedingt den Zugang. Die Memoanforderungen durch häufige Auslageveränderungen sind in meinen Spielgruppen nicht unbedingt auf Zustimmung gestoßen. Die Vernetzung von Kartensteuerung, direkten und indirekten Bedrohungselementen ist aber gut gelungen. Trotzdem bleibt für das Spiel ein großes Problem, es dauert besonders mit vier und fünf Spielern einfach zu lange.
Titel: DIE PYRAMIDE DES KRIMSUTEP
Autor: Ralf Sandfuchs
Grafik: Matthias Catrein
Verlag: Krimsus
Alter: ab 12 Jahren
Spieler: 2- 5
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 8 Euro
Tipp: Guter Service des Verlages, Krimsus bietet zum Herunterladen auf seiner Homepage einen Spielplan für die Kartenauslage an.
Spiel 19/2006 R133/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Ralf Sandfuchs und Mark Sienholz haben 1998 den Kleinverlag Krimsus Krimskrams-Kiste gegründet und bis Mitte 2000 jährlich mindestens ein Kartenspiel und ein Rollenspiel veröffentlicht.
Ihre Wurzeln haben die beiden Verlagsleiter und Autoren im Rollenspielbereich, so hat Ralf Sandfuchs das satirische Knuddeltier Rollenspiel „Plüsch, Power & Plunder“ mit entwickelt. Mit einem neuen PP&P-Abenteuer wollten sie 1997 auch in eine eigene Verlagskarriere starten, ergänzt durch ein Einsteiger-Rollenspiel und einem einfachen Kartenspiel. Als verspielte „Harlekin“e traten sie auf der Spielmesse in Essen an, aber der derbe Possenreißer trieb seine Späße eher mit seinen Erfindern. Die PP&P-Rechte erhielten sie nicht und dann legten gleich zwei Firmen Einspruch gegen die Namensnutzung ein. Krimsu und Sandfox standen gleich zu Beginn ihrer nebenberuflichen Verlagskarriere vor dem Aus. Die beiden Freunde hielten auch dann noch durch, als Guido Paul, der ursprünglich als dritter Kompagnon mit im Boot saß, das Handtuch warf.
Mit der Krimsus Krimskrams-Kiste war bald ein absolut fälschungssicherer Verlagsname gefunden, mit dem sie der bald auch ein klares Verlagsprofil entwickelten. Leise Töne kennt vor allem Krimsu nicht, er macht gern mit Paukenschlägen aufmerksam auf seine
Verlagsveröffentlichungen, das kann über den Weg deftiger Aprilscherze laufen, in Essen sind seine marktschreierischen Sektempfänge zur Mittagszeit berühmt), bei denen den Zuschauern immer mal wieder Kartenspiele um die Ohren flogen.
Das Bild zeigt die beiden Verleger 2006 in Essen.
Sonntag, 8. August 2021
NUMBER ONE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Es wird eng für die NUMBER ONE
Die Crème de la Crème der italienischen Spielautoren hat sich bei dem bei Mespi erschienen Spiel NUMBER ONE mit dem leider im letzten Jahr verstorbenen Alex Randolph zusammengetan. Eine Reminiszenz an den Altmeister, den Nestor aller Spieleautoren, eine Erinnerung an eines seiner Frühwerke PFERDEÄPPEL ist dabei entstanden. Leo Colovini (INKOGNITO, CARTAGENA, CLANS, KÖNIG SALOMONS SCHATZKAMMER u.v.a.), Dario de Toffoli (DUMMY/YUMMY, JAGD DER VAMPIRE u.a.) und Renato de Rosa (INFERNO) greifen zusammen mit Alex Randolph das Isolationsprinzip des 1981 erschienenen Bütehornspiels auf.
Waren es dort kleine Pferdeköttel, die die Pferdefiguren in Schachmanier auf einem Spielplan hinterließen, um damit die Bewegungsmöglichkeiten des Gegenspielers einzuengen, so sind in NUMBER ONE die „Köttel“ alle schon vorhanden. 91 davon liegen – schaumstoffgelagert - in einem sechseckigen Lochbrett und können leicht herausgedrückt werden. Die Spielerzahl hat sich von zwei auf vier verdoppelt, aus den zwei Pferdefiguren sind drei Figuren für jeden Spieler geworden. Das Spielprinzip ist aber geblieben: die Gegenspieler werden in ihren Bewegungsmöglichkeiten eingeengt, so dass der Spieler gewinnt, der sich als letzter noch bewegen kann. Dabei spielt die Spielfigur NUMBER ONE die entscheidende Rolle. Sie ist die kleinste Figur, die jeder Spieler besitzt und kann sich immer nur um ein Feld vorwärts bewegen. Die mittlere Figur muss zwei Felder gehen und die größte drei. Die letzte Figur entspricht durch ihre Winkelzüge am ehesten dem Pferd aus Randolphs Vorläuferspiel. Sobald sich die kleinste Figur eines Spielers nicht mehr bewegen kann, hat dieser verloren. Positiv formuliert: Das Spiel gewinnt der Spieler, dessen kleinste Figur als einzige am Ende noch bewegungsfähig bleibt.
Die tonnenähnlichen Holzfiguren starten je nach Spielerzahl von vorgegebenen Spielplanecken aus. Sie werden so aufgestellt, dass eine Markierung im Kopfteil der kleinen Tönnchen zu sehen ist. Gezogen werden muss immer mit allen drei Figuren. Die Reihenfolge legt jeder Spieler selbst fest. So führt er seine größte Figur über drei Felder, die mittlere über zwei, wobei in der Regel geradlinig gezogen werden muss, ein Abbiegen bei auftretenden Hindernissen (Spielfeldrand oder andere Figuren) aber erlaubt ist. NUMBER ONE kann immer nur ein Feld weitergehen, je nach Position maximal in sechs verschiedene Richtungen. Auf den jeweiligen Zielfeldern werden die schwarzen Markierungssteine hinausgedrückt, so dass in der nächsten Runde, wenn die Tönnchen ihre Felder verlassen, Löcher zurückbleiben. Nur ein einziges Mal dürfen die Spielfiguren solche Felder betreten. Damit die Spieler die Übersicht behalten, welche Figuren diese Möglichkeit genutzt haben, werden sie umgedreht, so dass die Markierung am Kopfende nicht mehr zu sehen ist. Sobald die Spielsituation zum zweiten Mal das Betreten eines Feldes ohne Spielstein nötig macht, muss sie aus dem Spiel genommen werden. Trifft dies die kleinste Figur, ist das Spielende für den entsprechenden Spieler gekommen, auch wenn er noch größere Figuren bewegungsfähig auf dem Spielbrett hat.
NUMBER ONE besitzt deutlich mehr Spieltiefe als das Vorläuferspiel von Alex Randolph. Die Bewegungspflicht für die drei Spielfiguren ermöglicht einerseits aggressives Spiel, das Räubern in den Bewegungsfeldern der Gegner, andererseits kann man versuchen, abzublocken, Schutzräume und damit Bewegungsmöglichkeiten für die eigene NUMBER ONE zu schaffen. Darum geht es im Wesentlichen auch: die Bewegungsspielräume für die kleinste Figur müssen erhalten bleiben, denn das Spielende ist immer schnell absehbar. 91 Spielfelder, von denen in jeder Spielrunde, auch schon durch die Startpositionen je nach Spielerzahl sechs bis zwölf verschwinden, zeigen die Endlichkeit auf. Für Liebhaber taktischer Spiele ist diese italienische Teamarbeit ein Muss, besonders wenn man es zu zweit spielt. Die Südtiroler Firma Mespi hat das Spiel funktionsgerecht produziert. Das Spielmaterial ist hochwertig, die Spielregel lässt keine Frage offen. Ich hätte mir nur eine Farbgestaltung des in Natur gehaltenen Pressholz-Brettes gewünscht.
Titel: NUMBER ONE
Autor: Leo Colovini, Renato de Rosa, Dario de Toffoli, Alex Randolph
Verlag: Mespi
Spieler: 2 - 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 bis 30 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 17/2005 R132/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Diese Teamarbeit von Venice Connection um Randolph, Colovini, de Toffoli und de Rosa darf als Reminiszenz für den 2004 verstorbenen Altmeister Alex Randolph angesehen werden. Seine Partner kleiden den Klassiker PFERDEÄPPEL in ein neues Gewand.
BAZAAR
SAMMELSURIUM
3M Buchkassetten
In den 60er und 70er Jahren hat die Firma 3M (Minnesota Mining & Manufacturing Company) Maßstäbe in der Spielentwicklung gesetzt, die sich auch auf den deutschen Markt auswirkten. Spiele landeten im Buchschuber und damit plötzlich im Bücherregal nicht nur von 3M, sondern als Casino-Spiel von Ravensburger oder in der E-Serie von F.X. Schmid und im kleineren Schuber von Pelikan.
Gut die Hälfte der 3M-Spiele kommt ohne Autorennennung aus, hauptsächlich tauchen Sackson (neben AQUIRE, BAZAAR, EXUCUTIVE DECISION) und Randolph (TWIXT, BREAKTHRU, OH-WAH-REE) auf, daneben noch Frank Thibaut (CONTIGO, PLOY), Winters (HIGH BID), Bernett (PHLOUNDER) und Lipman (POINT OF LAW).
Insgesamt gibt es 29 Spiele der Bookshelf-Reihe, in Deutschland sind dann allerdings nur 10 erschienen (AQUIRE, BAZAAR, BREAKTHRU, EXECUTIVE DECISION, FACTS IN FIVE, FEUDAL, PLOY, STOCKS AND BOUNDS und TWIXT), ergänzt durch drei Klassiker (BACKGAMMON, GO und SCHACH).
Die deutschen Spiele hat Michel Matschoss betreut, der zusammen mit Alex Randolph SAGALAND entwickelt hat und lange Zeit Produktmanager für Winning Moves war.
BAZAAR
In den USA erschien BAZAAR von Sid Sackson zuerst 1967, die deutsche Fassung kam nur ein Jahr später heraus.
BAZAAR ist ein ganz abstraktes Tauschspiel, das sehr variabel immer wieder neue Tauschrelationen von Farbchips neu reguliert, mit denen man Warenkarten erwirbt. Zwei von zehn Kurskarten definieren für jedes Spiel diese Relationen. So bekommt man für einen blauen Chip zwei grüne, oder für einen weißen, einen grünen, einen roten und einen gelben usw.
Ein Warenangebot von vier Karten, deren Erwerb jeweils fünf beliebige Farbchips erfordert, liegt offen aus. Wer am Zug ist erwürfelt sich einen Chip oder nutzt die Tauschoptionen, um später Warenkarten zu kaufen. Der Wert der Karte wird definiert durch die übriggebliebenen Chips. Je knapper man kalkuliert, umso mehr Punkte gibt es. Bei besonders schwierigen mit Sternchen gekennzeichneten Farbkombinationen gibt es mehr Punkte. Wer bei einer einfachen Karte drei oder mehr Chips behält, bekommt nur einen Punkt. Für die Buchhaltung liegt ein kleiner Block bei.
Sobald zwei Warenstapel mit jeweils fünf Karten vollständig verkauft wurden, endet das Spiel. Sid Sackson bietet für BAZAAR auch eine Soloregel an, nach der bewertet wird, wie oft man tauscht, um eine Warenkarte ohne Reststein zu bekommen.
Das Besondere an Sacksons Klassiker ist die Punktwertung. Minimalistisch darf man keinen Tauschwucher betreiben, sondern muss sich auf das Notwendigste reduzieren. Das verstärkt allerdings auch den Grübelfaktor dieses Spiels.
Die Umsetzung mit Plastik-Chips in der 3M-Fassung ist atmosphärisch steril. Zu den vielen Neuauflagen gehörte 1979 eine mit Biersorten. BIER BÖRSE von Parker war aber schnell vom Markt verschwunden. Gelungen war dann aber sieben Jahre später eine Fassung von Schmidt Spiele, in denen kleine Plastikedelsteine das Tauscherlebnis haptischer machten. Die vorerst letzte deutsche Fassung erschien 1993 bei Klee.
Titel: BAZAAR
Verlag: 3M
Autor: Sid Sackson
Spielerzahl: 2 - 6
Alter: o.A.
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 32 – S32/2021
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