Dienstag, 8. Dezember 2020
DAS RIFF
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Exotischer Fischzug: DAS RIFF
Christine und Wolfgang Lehmann haben ihr erstes gemeinsames Spiel gleich bei einem renommierten deutschen Verlag und dann noch in einer besonders erfolgreichen Reihe unterbringen können. Darin ist an sich nichts Besonderes, wenn die beiden dies nicht aus den Vereinigten Staaten heraus geschafft hätten. Ihre Heimatadresse war bis vor kurzen noch die Magnolia Lane in Maple Grove in Minnesota, inzwischen leben sie aber wieder in Esslingen. Die Spieleredaktion des Kosmos-Verlages war angetan von ihrer Spielidee DAS RIFF und erweiterte damit im letzten Jahr die fantastisch laufende Reihe „Spiele für zwei“. Auflagenhöhen von mindestens 30.000 bis 40.000 Spielen sind schon fast garantiert in dieser Serie, das Siedler Kartenspiel wandert gerade auf die Millionenauflage zu. Der Erfolg der Reihe ist bisher geprägt von viel Klasse und wenig Masse.
Der „exotische Fischzug“ der Lehmanns im Korallenriff gehört sicher nicht zu den Spitzenspielen, wie CÄSAR & CLEOPATRA und KAHUNA, es weist aber interessante Mechanismen auf, die eine nähere Betrachtung sinnvoll erscheinen lassen. Die beiden Spieler betätigen sich als Fischzüchter, die aus einfarbigen weiblichen und männlichen Fischen in der Regel einen zweifarbigen kleinen Fischschwarm züchten müssen. Der erste, der fünf solche Züchtungen vorweisen kann gewinnt das Spiel. Bis es so weit ist, vergeht aber eine knappe Stunde.
Unter 60 Riffkarten verstecken sich 18 Zuchttiere und Wasserkarten, 5 Haie und 5 Muscheln außerdem 14 Korallenkarten. Die Karten werden gemischt und in einer Auslage von 4 Reihen mit 8 Karten auf dem Tisch verteilt. Die mittleren beiden Reihen bleiben verdeckt, die äußeren werden aufgedeckt. Von den 21 Zuchtkarten werden vier offen ausgelegt. Nur dieser Nachwuchs kann in der Anfangsphase gezüchtet werden. Ein Angelboot darf jeder Spieler an die äußerste Meereskante legen. Zum erfolgreichen Angeln ist Fischfutter nötig. Ein entsprechender Wurmvorrat in den sechs Farben der Fische liegt bereit, jeweils einen gibt es als Startvorrat in den Eimer. Die Fischzucht und das Angeln sind an bestimmte Bedingungen gebunden. Nur in der Spalte über dem eigenen Boot dürfen Karten aufgenommen werden. Je näher die Karten am Boot liegen, desto preiswerter ist der Erwerb, die vorderste Karte kostet einen Wurm, die verdeckten mittleren einen zum Aufdecken und einen weiteren zum Erwerb der Karte und die offenen am Boot des Mitspielers gar drei Würmer. Will man einen Fisch angeln, muss die Farbe der Würmer der des Fisches entsprechen, bei allen anderen Karten dürfen es beliebige Würmer sein. Mit sechs Würmern kommt man natürlich nicht weit, deshalb beginnt jeder Spielzug mit dem Wurf zweier Farbwürfel, die den Vorrat ergänzen helfen. Von diesem Wurf profitiert auch der Gegner, der sich stets einen Wurm in einer der erwürfelten Farben nehmen darf. Zur Vermehrung schreiten unsere Rifffische nicht im freien Gewässer, sie suchen dazu den Schutz von Korallenbäumen, von denen ein Spieler nie mehr als fünf haben darf. Am Anfang muss also erst einmal eine solche Korallennische her, sonst läuft nichts im Riff. Ist diese da, geht man auf die Suche nach den passenden Fischen. Dazu ist der Blick auf den Nachwuchsstapel nötig, wir wissen also schon, wozu das Geplänkel an den Korallen führen wird. Da sind dann zum Beispiel nur die grüngelben, hellblauen und roten Fische gefragt, natürlich muss auf das jeweilige Geschlecht geachtet werden, denn bei zwei grünen Männchen an der Koralle tut sich nicht viel. Auch der Blick auf die Sammelaktivitäten des Gegners ist wichtig, da es bei den sechs Fischen stets nur ein Weibchen und zwei Männchen oder umgekehrt gibt. Erwirbt man Sonderkarten, bringen die Muscheln einen Wurmersatz, ein Hai kann eine beliebige Karte aus der Auslage, aber auch vom eigenen – leider nicht den gegnerischen – Korallenbaum vertreiben. Es macht Sinn, möglichst früh Zugriff auf viele Spalten der Auslage zu bekommen. Mit dem Kauf von weiteren Angelschiffen (Kosten: 3 Würmer) wird der Aktionsradius erweitert. Da es nur 15 Boote gibt, kann auch nur ein Spieler das gesamte Riffgebiet abdecken. Das ist aber nicht unbedingt erforderlich, denn die Lehmanns haben sich einen schönen Mechanismus des Wasserflusses einfallen lassen. Am Ende eines Spielzuges werden alle Karten bis zur Meereskante durchgeschoben, reine Wasserkarten „fließen“ darüber hinaus, so dass kräftige Strömungen auftreten können, die die Ausgangslage beträchtlich verändern. Frei werdende Felder werden natürlich entsprechend von hinten aufgefüllt.
Die Spielidee ist reizvoll, die grafische Umsetzung ansprechend, aber so richtige Spielspannung kommt nicht auf. Das liegt an dem relativ hohen Glücksfaktor. Ich habe einige Partien erlebt, bei denen ich ewig auf den ersten Korallenbaum warten musste, während mein Mitspieler schon in zwei oder drei Korallengebieten kräftig mit Züchtungen loslegen konnte. Wirkliche Steuerungsmöglichkeiten besitzen die Spieler nicht. So ist man abhängig vom Würfelwurf, das Aufdecken der verdeckten Reihen beschert oft genug nutzlose Wasserfelder, recht zufällig ist auch die Kartenzusammensetzung der leicht erreichbaren unteren Wasserreihe. Da kann man viel Glück, aber auch viel Pech haben - so ist das beim Angeln nun einmal. Ob es für ein Spiel auch so sein muss, bezweifele ich aber, auf die Dauer kann das nämlich ganz schön frustrierend sein. Für alle, die bereit sind, Angelglück zu genießen, lohnt eine Spielprobe. Taktiker sollten aber die Angelrute nicht auswerfen.
Wieland Herold
Titel: Das Riff
Autor: Christine und Wolfgang Lehmann
Grafik: Claus Stephan
Verlag: Kosmos.
Spieler: 2
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 25.- DM
Die Rezension erschien 2001 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 17/ 2001 R 166/2020
Zum Spiel und zu den Autoren:
Über die Vorgeschichte der beiden Autoren habe ich damals ja schon etwas geschrieben. Von Christine und Wolfgang Lehmann erschien 2003 bei Haba noch GEISSLEIN, VERSTECK DICH!, das 2004 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury landete. Danach erschienen nur noch Spiele von Wolfgang Lehmann meist in Kooperation mit Günter Burkhardt. Ihr POTATO MAN (2013, Zoch) landete ebenfalls auf der Empfehlungsliste der Jury, diesmal aber für das Spiel des Jahres. Die zuletzt veröffentlichten Spiele in Deutschland waren DRUIDS (Amigo, 2017, wieder mit Burkhardt) und das interessante Spiel mit den Kratzmonstern DIE HÖRBIES (Haba, 2017).
Montag, 7. Dezember 2020
LOK’N‘ROLL
Ich liebe Geschichten, die oft hinter Spielentwicklungen stecken. Eine ganz besonders schöne führt uns in die 40er Jahre der Nachkriegszeit zu unseren Nachbarn nach Holland. Der Lokomotivführer Kees Neve wurde damals pensioniert und wollte seinen ehemaligen Beruf zumindest im Schmalspurformat fortführen. Er baute dazu keine Märklinanlage in seinem Keller auf, sondern konstruierte recht große Metallkolosse mit integrierten Dampfmaschinen, in denen man auch sitzen konnte. PLUTO, HERCULES und ROLLECATE hießen seine kleinen Loks. Allein für den Bau der PLUTO brauchte er zehn Jahre von 1948 bis 1958. Mit dieser Lokomotive und einigen Waggons fuhr er an den Wochenenden auf einer kurzen Strecke in der Nähe seines Hauses in Vreeswijk hin und her, zur Freude der Kinder in der Nachbarschaft.
Ein Freizeitpark in Bennebroek hatte bald Interesse an seiner Lok, die sich für große Passagierversorgung aber als zu schwach erwies. Deshalb baute der Tüftler 1964/65 die HERCULES und wenig später die noch größere ROLLECATE mit einer Spurweite von 45 Zentimetern. Diese Maschine kam dann in den Goffert Park in Nimwegen, wo sie aus finanziellen Gründen 2012 an den schwedischen Abenteuerpark Nils Holgersson verkauft wurde. Die holländische Begeisterung für diese kleine Dampflok war groß, dass ein Freundeskreis sich so engagierte, dass die Maschine zurückgekauft wurde und nun wieder Runden durch den Goffert Park drehen soll. Michiel de Wit gehört zu den Unterstützern dieser Initiative, zusätzlich hat er der kleinen Lok ein spielerisches Denkmal gesetzt, sodass sie nicht nur im Freizeitpark ihre Runden dreht, sondern auch auf vielen Spieltischen. Die Kickstarter-Kampagne von de Wit war 2019 erfolgreich, seine Zielvorstellung von 2.500 Euro konnte er mehr als verdoppeln. Inzwischen liegt das Spiel auch in einer deutschen Bearbeitung von Board Game Circus vor.
Eingedeutscht dampft nun nicht mehr ROLLECATE über die Schienen, sondern die gute alte Emma dreht in LOK’N’ROLL ihre Runden. Fühlen wir uns also wie Jim Knopf und Lukas und sorgen für ein ordentliches Schienennetz auf Lummerland. Die ursprüngliche Grafik des Serben Misha Jovanovics passt ganz gut zu Endes vor 60 Jahren entworfener Inselwelt mit zwei Bergen.
Den Rundschienenstrang, der Emma quasi als Perpetuum Mobile fahren lässt, liefert de Wit mit Karten, die hinten abgebaut und vorn wieder angebaut werden. Sein LOK’N’ROLL ist ein Kartenmanagement-Spiel mit einer Prise Würfelglück, das aber auch taktische Herausforderung besitzt.
Kartenwerte von eins bis vier regeln á la DOMINO den Streckenbau, angelegte Kartenwerte dürfen sich maximal um eine Zahl unterscheiden. An eine Einer-Karte darf daher niemals eine mit einem Dreier-Wert angelegt werden. Das Kartenmaterial bietet Gleis-Karten, vier defekte Strecken und fünf Schutthalden. Jeder startet mit zwei Handkarten, die zum Zugbeginn durch eine dritte ergänzt werden. Emma steht auf einer Anfangsstrecke mit vier Schienen auf der dritten Strecken-Karte.
Wer am Zug ist, darf passen, was eine Strafkarte kostet und einen Streckenschritt für Emma zur Folge hat. Bei den Strafkarten wird die Strecke stets von hinten abgebaut. Warum die Aktion Passen Sinn macht, erklärt sich aus der Abwicklung der Strafkarten. Generell will jeder mit möglichst wenig Strafpunkten aus dem Spiel gehen. Für die Spieltaktik entscheidend ist, dass die oberste Karte immer dann mit einer neuen verrechnet wird, wenn sie identische Zahlen haben. Bei der zweiten Option dürfen eine oder mehr Streckenkarten mit gleicher Zahl für Emma verbaut werden.
Danach fährt der Zug. Entsprechend aller addierten Kartenwerte müssen Würfel geworfen werden, die mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein Rad zeigen. Für jedes Radsymbol fährt der kleine Zug ein Feld weiter. Sollten die Strecken nicht mehr ausreichen, gibt es wieder Strafkarten, das gilt auch für eine der vier Gleisbruchkarten.
Schließlich will man ab und zu Schutt entsorgen. Wer eine solche Karte hat, nutzt sie meistens, um den Strafstapel zu entlasten. Wenn die letzte Karte vom Nachziehstapel gezogen wird, endet das Spiel. Alle restlichen Handkarten kommen zu den Strafkarten hinzu. Wer dann die wenigsten Strafpunkte hat und Emma am besten bedienen konnte, gewinnt LOK’N’ROLL.
Ein Solo-Modus verlangt gute Ergebnisse und dass Emma nicht mehr als dreimal entgleisen darf. Auch eine Automa-Variante mit Lokotoma Betsy wird angeboten. Diese Variante taucht erstmalig in der von Board Game Circus betreuten Ausgabe auf.
An den Spielrhythmus von LOK’N’ROLL muss man sich erst einmal gewöhnen. Im Gegensatz zu üblichen Eisenbahnspielen werden Strecken nicht großflächig aufgebaut, sondern hier halten sich Auf und Abbau die Waage und führen zu einem raffinierten Kartenhandling im Ablagebereich. Das ist die eine Ebene, die Steuerung zu lässt. Die andere ist das Spiel mit dem Risiko bei der Fortbewegung der kleinen Emma. Bauchschmerzen bereiten dabei immer die hohen Karten, da sie Emmas Kessel kräftig aufheizen, aber wie das so ist mit dem Kartenglück, meist tauchen die Viererwerte auch beim Gegner auf. Manchmal ist es sogar zu empfehlen, zwei oder drei identische hohe Gleiskarten direkt in einem Zug zu spielen, weil man alle Strafkarten beliebig kombinieren darf und keine Aufnahmereihenfolge einhalten muss.
LOK’N’ROLL ist kein großes Spiel, aber ein unterhaltsames kleines für Zwischendurch. Der Bad Krozinger Verlag Board Game Circus hat es wunderschön umgesetzt, das Regelwerk des Originals ergänzt, nur schade, dass die kleine metallene Rollecate nicht mit angeboten wird, die es als Deluxe-Zugabe bei de Wits Erstausgabe gab. Mit ihr schließt sich erst so richtig der Kreis zu der wunderschönen Vorgeschichte des Spiels.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: LOK’N‘ROLL
Autor: Michiel de Wit
Grafik: Misha Jovanovic
Verlag: Board Game Circus
Alter: ab 8 Jahren
Spieler: 1-4 Spieler
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 83/2020
Sonntag, 6. Dezember 2020
ORACLE
Stefan Dorra hat bisher oft ein gutes Gespür für raffinierte Kartenspiele bewiesen. Zu meinen Lieblingsspielen gehört immer noch NJET, ein Partnerstichspiel, in dem die Spieler im Vorfeld entscheiden, was Trumpffarbe wird und wie lohnend die Stiche sind.
Mit ORACLE ergänzt er seine Stichspielserie ganz aktuell bei Skellig Games mit einer interessanten Mischung aus klassischen Stichspiel mit Bedienpflicht, das sehr großzügig ergänzt wird durch raffinierte Zielkarten und ein Spiel mit Siegpunkt-Chips.
Auf der einen Seite bietet er das Übliche an, Spielkarten in sechs Farben mit den Werten 1 bis 12. Intern sind jeder Farbe antike mythologische Figuren zugeordnet, die niedrigeren Werte der vielköpfigen Hydra, die mittleren dem geflügelten Pferd und die höchsten dem Phönix, der der Asche entsteigt. Für jedes Fabelwesen gibt es Siegpunkt-Chips, sechs für den Phönix, vier für den Pegasus und nur drei für die Hydra, ergänzt werden diese durch sogenannte Loser-Chips für jede Sorte. Je nach Spielerzahl werden zwischen 12 und 16 Karten verteilt, meist sind auch alle Chips im Spiel. Neben den Spielkarten gibt es noch Orakelkarten, die Prophezeiungen für das zukünftige Ergebnis beinhalten. Diese Zielkarten versprechen für die Erfüllung bis zu 15 Siegpunkte, das sind quasi Auftragskarten, die etwas den Missionen der CREW ähneln, die gemeinsam zum 9. Planeten unterwegs ist. Da gibt es ganz leichte Aufträge, wie geschenkte drei Punkte oder ganz schwere, wie zwei Loser-Chips, die am Ende 15 Punkte bringen. Besonders ist die große Auswahl, die Dorra seinen Spielern bietet. Er lässt dafür nicht Draften, sondern gibt ganz simpel allen zwischen acht und zehn Orakelkarten zur Auswahl, von denen jeder zwei aufgrund seiner Handkartenbewertung aussuchen darf.
Fast alles andere ist bekannt. Reihum werden Karten gespielt, die angespielte Farbe muss bedient werden. Die höchste Karte gewinnt. Entsprechend der Siegerkarte gibt es einen Gewinn-Chip, die hohen Karten bringen zwei Punkte, die mittleren drei und für die eher seltenen Stiche im unteren Zahlenspektrum gibt es lukrative fünf Gewinnpunkte. Da Dorra auf eine Trumpffarbe verzichtet, wird jeder Stich interessant, der nicht bedient werden kann, denn auch hier gilt, dass der höchste Wert den Stich gewinnt. Gleichstände werden über die zuerst angespielte Farbe oder Karte entschieden. Die Chance, einen Hydra-Chip zu bekommen, besteht vor allem deshalb, weil Dorra die David schlägt Goliath-Regel nutzt, der kleinste Wert schlägt den größten.
Der eigentliche Pfiff kommt aber durch die Loser-Chips ins Spiel. Sind die sechs Phönixe verteilt, bekommt der nächste Spieler, der einen Stich mit einer zehn, elf oder zwölf macht, den entsprechenden Loser-Chip. Der bedeutet für die Abrechnung am Ende, dass keiner der bisher gewonnenen Phönix-Chips in die Wertung geht. Es sei denn, ein anderer macht noch einen entsprechend hohen Stich oder man selbst. In beiden Fällen darf man den Loser-Chip abgeben. Dorra erhöht durch hochwertige Orakel-Karten den Anreiz, gezielt auf diese Verlierer-Chips zu spielen. Da bringt die Kartenerfüllung oft deutlich mehr Punkte als die eigentliche Chip-Wertung.
Der Autor empfiehlt, so viele Runden zu spielen, wie Mitspieler beteiligt sind. Nach drei bis fünf Durchgängen endet dann das ORACLE Stichspiel.
Mit ORACLE belegt Dorra wieder einmal sein gutes Händchen für dieses Genre. Die Steuerungselemente über die Orakelkarten und Loser-Chips geben vor allem in der Kombination dem Spiel einen besonderen Pfiff. Luschen-Blätter können so aufgewertet werden, so gibt es für die wenigsten Chips 14 Siegpunkte. Wer das noch ergänzen kann durch die Orakelkarte, bei der kein Hydra-Chip vorkommen darf, geht ganz ordentlich mindestens mit 21 Gewinnpunkten aus der Runde. Mit stärkeren Blättern kann man gezielter versuchen, bestimmte Looser-Chips mit einzukalkulieren, die zusätzlich über Orakelkarten punkten können.
Bei meinen ersten Spielen fehlte mir eigentlich die Trumpffarbe. Dorra hat dies aber elegant über die Regel aufgehoben, nach der man, einen Stich mit der höheren Zahl einer anderen Farbe übernehmen kann. Die letzte Prise Spielreiz gelingt dem Autor durch die Schlagregel, dass die kleinste die größte Karte aussticht. Wer gewohnt ist, von oben zu spielen, muss schnell vorsichtiger werden. Eine Zwölf ist nur zuletzt gespielt ganz sicher, wobei auch in diesem Fall keine Eins vorher gelegt werden darf. Wer mitzählt, kann so am Ende mit der kleinsten Karte die höchste zur Bedienpflicht zwingen. Das sind dann Höhepunkte im Spielablauf, bei dem sich auch die anderen bis auf einen mitfreuen.
ORACLE ist ein trickreiches Spiel, das keine schlechte Figur neben NJET & Co. aus dem Hause Dorra macht und das das Skellig-Programm richtig gut ergänzt.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: ORACLE
Autor: Stefan Dorra
Grafik: Christian Opperer
Verlag: Skellig Games
Alter: ab 8 Jahren
Spieler: 3-5 Spieler
Spieldauer: ca. 30 -60 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 82/2020
Samstag, 5. Dezember 2020
SUGAR BLAST
Wer CMON mit coolen Miniaturen und anspruchsvollen Spielen wie RISING SUN, BLOOD RAGE oder ZOMBICIDE verbindet, reibt sich verwundert die Augen beim Blick auf kullerbunte Zuckerstangen und Bonbon-Kaskaden in dem Kinder- und Familienspiel SUGAR BLAST. Diese Brettspieladaption von Handyspielen wie BEJEWELED oder CANDY CRUSH scheint so gar nicht ins übliche CMON-Programm zu passen.
Wer diese Art von Spielen auf dem Handy kennt, wird sich sofort in SUGAR BLAST zurechtfinden, mit dem einzigen Unterschied, dass ein Fingertipp nicht mehr ausreicht, sondern ganz real Plastiksteine getauscht und verschoben werden.
MATCH 3 Spiele nennt man dieses Genre, in dem drei identische Steine aus einer Reihe verschwinden und zu neuen Konstellationen führen. Nichts anderes passiert in SUGAR BLAST. In einer Startaufstellung liegen 36 Scheiben in fast beliebiger Verteilung auf einem kippbaren quadratischen Plastikteller. Insgesamt sind 72 Süßigkeiten-Chips in sechs Farben im Spiel. Der Rest steckt noch in einem Stoffbeutelchen.
Wer an der Reihe ist, vertauscht benachbarte Chips, um mindestens eine orthogonale Dreier-Reihe identischer Bonbons hinzubekommen. Was folgt ist eine „Explosion“ der Steine, ein Blast eben, mit dem Bonus verbunden, dass der kleine Sprengmeister ein Zuckerl zur Belohnung erhält. Unterschieden wird noch die Größe der explodierenden Reihe. Bei einem 4er-Blast wird eine ganze Reihe oder Spalte entfernt und man darf einen beliebigen Chip behalten. Wer sogar fünf oder sechs gleiche Süßigkeiten verbindet, bekommt zwei davon und alle dieser Sorte verschwinden aus dem Spielplan. Schließlich gibt es noch den Namensgeber SUGAR BLAST, der sich an Tetrisformen einer Sorte orientiert. Bei der Bildung eines Kreuzes, eines Winkels oder einer T-Form aus jeweils fünf Steinen, gibt es ebenfalls zwei Steine zur Belohnung und das ganze 3x3-Raster explodiert. Sollte durch den Tauschvorgang keine Dreier-Kombination möglich sein, zieht man eine Süßigkeit aus dem Säckchen und tauscht diese gegen eine andere auf dem Brett aus.
Mit dem Erfolg muss nicht Schluss sein. Durch Kippen des Spielbretts zur Seite des aktiven Spielers werden stets neue Konstellationen der Zuckerstücke hergestellt, zusätzlich müssen die Lücken „von oben nach unten“ gefüllt werden. Neue Kombis werden immer erst abgewickelt, bis keine Blasts mehr entstehen.
Wozu das Ganze? Am Ende wird nicht einfach überprüft, wer die meisten Süßigkeiten sammeln konnte, sondern wer zuerst eine Zielkarte erfüllt. Eine von sechs verschiedenen wird dazu aufgedeckt und verlangt von allen, das Sammeln zwischen fünf und neun Steinen. Das können fünf verschiedene sein, aber auch neun gleichfarbige, was manchmal gar nicht geschafft werden kann. Meistens geht es aber um Sets von Paaren, Dreiern und Vierern und Kombinationen daraus.
SUGAR BLAST bleibt nah an der Erfahrung des Handyspiels und klappt sogar mechanisch gut. Eine genaue Brettanalyse, die Kipp-Konsequenzen mit einbeziehend, ist für ein erfolgreiches Spiel notwendig. Beim Nachziehen regiert Fortuna. Kinder finden das klasse, ich bleibe eher skeptisch.
Für einen Verlag, der es gewohnt ist, das Regelwerk nicht unter 24 Seiten zu halten, wirken die SUGAR BLAST Regeln minimalistisch. Im Detail stecken auch Schwächen, so wird das Auffüllen nur wie oben zitiert beschrieben. Die Beliebigkeit, mit der hier neue Steine platziert werden, hat oft Kettenzüge zur Folge, die die anderen nur gelangweilt zurücklässt. Deshalb empfehle ich das Spiel auch nicht zu viert, da kann es lange dauern, bis man wieder am Zug ist. Am besten ist das Duell, auch solo funktioniert es.
Unzufrieden bin ich außerdem mit der geringen Varianz der Schlussbedingungen. Nur sechs Zielkarten sind einfach zu wenig, zumal die, in der neun identische Süßigkeiten gesammelt werden müssen, ganz leicht von anderen boykottiert werden kann. Das wirkt unfertig, eher wie ein typisches Redaktionsprodukt von Hasbro & Co. . Dem ist aber gar nicht so, das durchaus renommierte Autorenteam Matthew O’Malley und Ben Rosset (u.a. BETWEEN TWO CITIES) zeichnet verantwortlich und unterhält zumindest die Zielgruppe von Grundschulkindern.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: SUGAR BLAST
Autoren: Matthew O’Malley und Ben Rosset
Grafik: Leo Almeida
Verlag: CMON / Asmodee
Alter: ab 8 Jahren
Spieler: 1-4 Spieler
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 81/2020
Freitag, 4. Dezember 2020
DAS KOLLIER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Ein Rohdiamant ohne Schliff: DAS KOLLIER
Mit 60 Geldkarten á 1000 $ und 40 Edelsteinkarten läuft eine Versteigerung um wertvolle Klunker ab, mit denen drei bis sechs Spieler kostbare Kolliers zusammenstellen. Diese können billige Achatkarten mit einem Grundwert von 1000 $ enthalten, aber auch den teuren (10.000 $) Diamanten, den es nur einmal im Spiel gibt. Ausgestattet mit dem Geld, gehen die Spieler an die Edelsteinbörse. Die wertvolleren Diamanten, Rubine und Topase werden für die erste Spielphase aussortiert, alle anderen Edelsteine kommen in die Versteigerung. Entscheidend für die Kollektion ist der symmetrische Aufbau der Kolliers, die aus mindestens drei Edelsteinen bestehen müssen. Der Wert eine Edelsteinkette ergibt sich aus dem Grundwert der benutzten Edelsteine, der mit der Anzahl der Edelsteinarten multipliziert wird.
In den ersten sechs Versteigerungsrunden darf nur mit dem vorhandenen Bargeld gesteigert werden - und das wird schnell knapp! Geldnachschub erhalten die Spieler einmalig von der Kasse, indem sie Edelsteine zum Grundwert oder ganze Kolliers verkaufen. Außerdem fließen 50 Prozent der Versteigerungssumme in die Kasse des Auktionators.
Sobald 35 Edelsteinkarten versteigert worden sind, geht es in die zweite Runde. In dieser gibt es für jeden Spieler eine kleine Finanzspritze von 3000 $, ansonsten werden die fünf wertvollsten Edelsteinkarten in den Kartenstapel gemischt. Dieser ist in der Vorrunde durch den Verkauf von Kleinodien und der Möglichkeit, nach der sechsten Runde auch ganze Schmuckstücke in den Versteigerungen mit einzusetzen, wieder angewachsen. Sobald der zweite Stapel komplett versteigert wurde, endet das Spiel, das der Spieler mit der wertvollsten Kette gewinnt.
André Frobel ist mit seinem Erstling eine Versteigerungsspielvariante gelungen, die ihren besonderen Reiz aus den unterschiedlichen Spielphasen gewinnt. In den ersten sechs Runden gilt es, mit dem äußerst knappen Kapital hauszuhalten. Danach eröffnet der Einsatz kleiner Kolliers ganz neue Versteigerungsmöglichkeiten. Der Kampf in den Schlussrunden um die hohen Spitzenwerte hält den Spannungsbogen über die gesamten Spielphasen hinweg aufrecht. DAS KOLLIER ist ein rundes, stimmiges, preiswertes und zügiges Spiel, das maximal dreißig Minuten dauert und sich damit gut für Wiederholungsrunden eignet.
Kritischer sehe ich die Umsetzung der Spielidee. Alle Kollierkarten enthalten ausführliche Informationen über die Preziosen. Der Informationswert ist sicherlich hoch, so dass die Spieler nun über sämtliche Härtegrade der Edelsteine informiert sind, der Spielwert leidet aber darunter. Nicht nur, dass einige Texte wegen der kräftigen roten Hintergrundfarbe fast nicht lesbar sind, die ästhetische Wirkung bei der Zusammenstellung der Kolliers geht völlig verloren. Akzeptieren würde ich diese langen Sachinformationen bei einem Quartettspiel, nicht aber bei einem Versteigerungsspiel, das ein vorzeigbares Schmuckstück zum Spielziel erklärt. Die sterile Wirkung der Spielkarten konterkariert die eigentliche Spielidee.
Wieland Herold
Autor: André Frobel
Grafik: Duo/Type Set
Verlag: Schmidt Spiele
Preis: ca. 10.- DM
Spieler: 3-6
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Die Rezension erschien 2001 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 16/ 2001 R 165/2020
Zum Spiel und zum Autor:
André Frobel hatte nur eine kurze Autorenkarriere. 1996 trat er auf dem Spieleautorentreffen in Göttingen mit dem Bluffspiel ADAMAS auf , in dem es schon um Diamanten ging. DAS KOLLIER war dann 2000 seine einzige Spieleveröffentlichung, die durchaus vorzeigbar war, aber von Schmidt völlig verhunzt auf den Markt gebracht wurde.
Das Bild zeigt den Autor 1996 auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Donnerstag, 3. Dezember 2020
CRAZY RACE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Verrücktes Saurierrennen: CRAZY RACE
Ein ordentliches Brettspiel mit toller Grafik für 6.- DM, wann hat es das zum letzten Mal gegeben? Da kommen nicht einmal die preiswerten Adlung-Spiele mit. Michael Schacht macht mit seinen Bastelpackungen der Fangemeinde ein solch tolles Angebot. Der Vertrieb läuft über "Adam spielt" und die Kleinauflagen von meist 600 Exemplaren gehen weg wie warme Semmeln. Das dürfte auch für sein in Nürnberg erschienenes Spiel CRAZY RACE gelten. Sputen Sie sich also, wenn Sie noch ein Saurierrennen abbekommen wollen, denn, was jetzt folgt, wird eine Lobeshymne auf das Spiel.
Der neue Schacht besitzt einen Spielplan, einen Rennparcours über sechs Felder, der vor und zurück durchlaufen werden muss. Zum Start treten für jeden der drei bis vier Spieler drei unterschiedliche Saurier an. Jeweils die ersten sechs Echsen erhalten zur Belohnung bei der Wendemarke sechs, fünf usw. Punkte, die auch bei der Rückrunde wieder vergeben werden. Bei der Schlusswertung ist darauf zu achten, dass das Saurierteam insgesamt erfolgreich abschließt, da der Besitzer des Sauriers, der am weitesten zurückliegt, seine beste Punktekarte abgeben muss und auch der Vorletzte wird mit der Abgabe einer beliebigen Punktekarte bestraft.
Pfiffig gelöst, ist die Fortbewegung der urzeitlichen Tiere. Hier wird während der acht Rennetappen gepokert. Dafür erhalten die Spieler acht Zahlenkarten mit Werten von eins bis sechs, die in drei Bietrunden verdeckt an eine quadratische Etappenkarte angelegt werden. Auf dieser Karte sind die drei Saurier mit unterschiedlichen Bewegungsweiten abgebildet, außerdem gibt es einen Jokerbereich, der für ein beliebiges Tier verwandt werden darf. Der Meistbietende darf seinen Saurier entsprechend der Vorgaben vorwärtsbewegen. Einmal während des Spiels darf man seine schon eingesetzten Zahlenkarten wieder aufnehmen und erneut einsetzen. Während des Spiels stehen den Spielern daher nur 16 Karten für insgesamt 24 Bietrunden zur Verfügung. Kluges Haushalten mit den Karten ist also angesagt, ein Einschätzen der Strategien der Mitspieler nötig, Bluff zum richtigen Zeitpunkt unabdingbar. Es macht dabei nicht nur Sinn, auf die großen Sprünge zu setzen, auch die kleinen Werte können taktisch gut eingesetzt werden, da das Überspringen von Sauriern nur als ein Schritt zählt.
Bei einer Spieldauer von einer knappen halben Stunde sind Revancherunden gut möglich, zumal die Spielspannung durch die Bluffelemente beachtlich ist. Für mich ist CRAZY RACE das mit Abstand beste Spiel in der kleinen "Spiele aus Timbuktu"-Reihe des Autors Michael Schacht.
Wieland Herold
Titel: CRAZY RACE
Autor: Michael Schacht
Grafik: Michael Schacht
Verlag: Spiele aus Timbuktu
Alter: ab 12 Jahren
Spieler: 3-4 Spieler
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 6 DM
Die Rezension erschien 2001 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 15/ 2001 R 164/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt den Autor 2003 auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Mittwoch, 2. Dezember 2020
KRAWALL IM STALL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MEMO IM STALL
Die Firma Selecta ist seit gut zwei Jahren wieder mit einem breiteren Sortiment im Bereich der Kinderspiele vertreten. Die Produktionsqualität kann mit den marktdominierenden Habaspielen gut mithalten. Die spielerische Qualität auch, wie die diesjährige Kinderspiel des Jahres-Auszeichnung von Peter Paul Joopens MASKENBALL DER KÄFER deutlich macht.
Selecta setzt dabei auf erfahrene Autoren wie Jacques Zeimet (BAMBOLEO, HAMSTEROLLE etc.), dessen dreidimensionale Memoryvariante KRAWALL IM STALL sehr variantenreich daher kommt.
Drunter und drüber geht es in den acht Pappställen auf dem selectanischen Bauerngut zu. Da tummeln sich 32 Holztiere, je vier von einer Sorte, kreuz und quer durcheinander in den Stallungen. Kinder ab drei Jahren sollen versuchen, in den verschiedenen Ställen möglichst viele Tierpaare zu finden. Dazu dürfen sie die Dächer von zwei Ställen anheben. Finden sie dort ein oder mehrere Tierpärchen, dürfen sie diese herausnehmen und vor sich abstellen. War man erfolgreich, was am Anfang meist auch der Fall ist, kommt man nicht gleich noch einmal an die Reihe, wie beim richtigen MEMO, sondern deckt die Ställe wieder zu, nachdem alle sich über den Restbestand an Tieren kundig gemacht haben. Der nächste Spieler ist an der Reihe und lugt unter weitere Dächer. Ist ein Stall leer, wird er aus dem Spiel genommen. Der Spieler, der das letzte Tier herausgenommen hat, darf ihn vor sich abstellen. Gewonnen hat natürlich das Kind, das am Ende die meisten Tierpaare gefunden hat. Im Falle eines Gleichstands entscheiden die meisten Ställe. Eine einfache, atmosphärisch schön umgesetzte MEMO-Variante, die auch Dreijährigen schon viel Freude macht und gut zu regelgelenktem Spiel hinführt. Es gibt am Anfang kaum Frustrationen, weil man meistens erfolgreich ist. Hier hat KRAWALL IM STALL deutliche Vorzüge gegenüber dem klassischen MEMO. Mit der Zeit lernen die Kinder die Restbesatzung der Ställe kennen, so dass immer gezielter Erfolgserlebnisse eintreten.
Schwieriger sind die beiden Spielvarianten, die Zeimet noch anbietet: Bei der ersten spielen nur 16 Tiere, also acht Tierpaare mit. In jedem Stall steht diesmal nur ein Tier, von den restlichen acht wird eins in die Mitte des Stallkreises gestellt, dessen Pendant gesucht werden muss. Die Wahrscheinlichkeit, anfangs schief zu liegen mit seinem Tipp, ist hier natürlich viel größer, aber auch das ändert. Das Spiel endet, wenn nur noch ein Paar übriggeblieben ist. Es gewinnt natürlich auch hier der Spieler mit den meisten Tierpaaren. Das Memorieren im Sinne einer „Kofferpack-Geschichte“ liefert die zweite Spielvariante. Neun beliebige Tiere werden dazu ausgewählt. Eins kommt in die Kreismitte, die anderen acht werden so in die Ställe gepfercht, dass jeder sich einprägen kann, wo sich die Tiere befinden. Da alle Ställe gleich aussehen, überall das rote sechseckige Selecta-Dach blinkt, gibt es keine äußerlichen Denkhilfen. Es gilt also, sich Reihenfolgen einzuprägen.
Jaques Zeimet hat mit KRAWALL IM STALL eine rundum gelungene Ideensammlung entwickelt, die sich sowohl für die ganz Kleinen eignet, als auch für Vorschul- und Grundschulkinder Spielspaß bietet. Mitspielende Eltern dürfen sich durchaus auch herausgefordert sehen, besonders bei der letzten Spielvariante. Sie können damit ihr eigenes THINK-Programm ablaufen lassen.
Wieland Herold
Titel: KRAWALL IM STALL
Autor: Jacques Zeimet
Grafik: Barbara Kinzebach
Verlag: Selecta
Alter: ab 3 Jahren
Spieler: 2 und mehr
Preis: ca. 40 DM
Die Rezension erschien 2001 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 14/ 2001 R 163/2020
Zum Autor:
Jacques Zeimet kommt aus Luxemburg und erfindet schon seit gut 25 Jahren Spiele. In der ersten Zeit waren es überwiegend große Geschicklichkeitsspiele wie BAMBOLEO und die HAMSTERROLLE, später entwickelte er ein Gespür für schnelle Karten- und Denkspiele.
Auf der Empfehlungsliste zum Spiel des Jahres sind vor allem seine Kartenspiele gelandet, so KAKERLAKENPOKER 2004, KAKERLAKENSALAT 2008, GEISTESBLITZ 2011, DIE FIESEN 7 2016 und DODELIDO 2017.
Den ganz großen Erfolg durfte er seiner Gattin, Michelle Schanen, gönnen, die 2004 mit der GEISTERTREPPE das Kinderspiel des Jahres gewann.
Das Bild zeigt den Autor 1999 auf dem Autorentreffen in Göttingen mit seiner HAMSTERROLLE.
Dienstag, 1. Dezember 2020
POLARITY
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Alles in der Schwebe: POLARITY
Spielsteine, die zu schweben scheinen, die sich selbständig bewegen, aufeinander gleiten, Türmchen bilden oder als Rolle sich davon machen – wenn da nicht Magie im Spiel ist – oder Magnetismus? Es ist faszinierend anzusehen, was sich auf der festen Leinenunterlage von POLARTIY tut. Douglas Seaton hat das Spiel schon vor fast 20 Jahren veröffentlicht, dem amerikanischen Ableger von Ekos ist es zu verdanken, dass POLARITY wieder erhältlich ist.
Die Grundidee des Spiels für zwei Personen ist eigentlich simpel. Jeder Spieler versucht seine 26 Magnetscheiben auf dem Spielfeld unterzubringen. Eine Berührung mit dem im Zentrum liegenden roten Magneten muss dabei tunlichst vermieden werden, da damit das Spiel sofort verloren wird. Am Anfang platzieren die beiden Spieler jeweils fünf Magnetscheiben, flach liegend, auf der Leinenmatte, dann beginnt das eigentliche Spiel. In der Regel wird versucht, weitere Scheiben so ins Spiel zu bringen, dass sie in Schräglage zu eigenen Steinen zum Stehen kommen. Was am Anfang gar nicht so recht klappen will, funktioniert nach einigen Übungen erstaunlich gut. Man beginnt, die magnetischen Kräfte zu spüren und bekommt ein Gefühl dafür, wo die eigenen Steine angesetzt werden müssen, dass sie scheinbar sprungbereit auf dem Plan zu schweben scheinen. Solche schräg stehenden Scheiben darf man auch wieder flachlegen, indem man mit einem Magnetstein in der Hand versucht, die Scheibe auf den Spielplan zu bringen. Diese Aktionen beeinflussen meist das gesamte magnetische Feld und es kommt zu unbeabsichtigten Folgen. Die Spielregeln behandeln deshalb äußerst ausführlich die vielen eintretenden Sonderfälle, die meist zum Zugabbruch und zum Gegenzug des Mitspielers führen. Entscheidend ist, dass dabei Magnettürmchen entstehen und nur diese zählen in der Endauswertung.
Das Spiel übt auf alle, die mit ihm in Berührung kommen, eine starke Faszination aus. Das Spielen mit den erstaunlich starken Magnetkräften macht Freude, regt zu Experimenten an, nur schade, dass das eigentliche Spiel POLARITY dabei meist auf der Strecke bleibt. Das Regelwerk mit seinen vielen Ausnahmen wirkt eher spielhemmend und ist nur schwer zugänglich. Ständig muss korrigiert, zurückgenommen werden, so dass sich kein anziehender Spielfluss ergibt. In den meisten Runden haben sich bei uns auch weniger Magnettürme als Magnetrollen zusammengeballt, die die 15-seitige Spielregel überhaupt nicht vorsieht. Einhelliger Tenor von vielen Mitspielern: Aus dem Spiel lässt sich mehr machen, als POLARITY zulässt. Das vorliegende Regelwerk ist unbefriedigend, das Spielmaterial bleibt packend.
Wieland Herold
Titel: POLARITY
Autor: Douglas Seaton
Verlag: Temple Games
Spieler: 2 oder 4
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 26 Euro
Die Rezension erschien 2005 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 4/ 2005 R 162/2020
Zum Spiel und zum Autoren:
Der Kanadier Douglas Seaton hat POLARITY schon 1986 herausgebracht. Auf BGG kommentiert er selbst seine Idee wie folgt: "POLARTY repräsentiert den Punkt, an dem absolute Gegensätze verschmelzen, in diesem Fall die Pole des Magnetfelds. Die Qualität des Spiels wird durch die Fähigkeit bestimmt, das Gleichgewicht in der Mitte wahrzunehmen Jedes Spiel ist einzigartig und kann niemals reproduziert werden. In dieser Einzigartigkeit erhielt ich ein Patent des U.S. Pat &trdmks.-Büro für magnetische Prinzipien. Die Strategie muss dreidimensional betrachtet werden. Es ist nicht nur so Kontrolle eines zweidimensionalen Bretts, sie muss auch den Raum über und unter der Spielfläche einschließen." Die hier beschriebene Ausgabe ist die letzte des Spiels, das Ekos 2005 in Deutschland vertrieb.
Montag, 30. November 2020
FLOSS GEHT'S!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
FLOSS GEHT‘S!
Mit ihrem Erstling SCHNAPP ZU! (Haba) gelangte Susanne Armbruster im letzten Jahr bis auf die Auswahlliste für das „Kinderspiel des Jahres“. In diesem Jahr konnte sie wieder ein Spiel bei Haba veröffentlichen, auch ihre zweite Spielentwicklung ist vorzeigbar und führt die kleinen Nachwuchsspieler ab vier Jahren unterhaltsam zu regelgelenktem Spielen hin.
Die Autorin bleibt dem Wasserthema treu, waren es im letzten Jahr fischfangende Pelikane, so dreht es sich in dem Spiel FLOSS GEHT’S! um eine Würfelwettfahrt auf einen mäandernden Fluss. Zwei bis vier Spieler sind beteiligt und erhalten ein schönes Holzfloß und einen farblich passenden Symbolwürfel. Der Fluss wird aus 24 Flusskarten, die verschiedene Symbole tragen, zusammengepuzzelt.
Jeder würfelt seinen Farbwürfel und legt diesen in die entsprechende Vertiefung seines Bootes. Die Spieler haben dann im Laufe des Wettrennens eine entscheidende Wahloption, die FLOSS GEHT’S! ganz wesentlich von den normalen, einfachen Laufspielen unterscheidet.
Entweder würfeln sie mit dem eigenen Würfel neu oder sie benutzen einen fremden. Taktisch bedeutet dies, dass ein Würfelsymbol auf dem eigenen Floß, das ein weites Voranschreiten bis zu dem nächsten Flussteil mit dem entsprechenden Symbol ermöglicht, nicht verändert wird, so dass der Wurf lieber bei einem Mitspieler gewagt wird, der ebenfalls weit vorankommt. Gezogen wird dann nicht das Floß des Mitspielers, sondern stets das eigene Fahrzeug. Da kommen kleinere Kinder am Anfang etwas durcheinander. Wie jedes Würfelspiel ist natürlich FLOSS GEHT’S glücksabhängig. Es gibt ein Ankersymbol, das Aussetzen bedeutet, oder die Sonne, die Jokerfunktion besitzt. Sobald ein Spieler mit seinem Floß auf der Zielkarte, die alle vier Symbole trägt, angekommen ist, endet die Flusswettfahrt, was spätestens nach 15 bis 20 unterhaltsamen Minuten der Fall ist.
Das Material hat hohen Aufforderungscharakter, schon das Puzzeln des Flusses ist für die Kinder ein Spiel vor dem Spiel. Die Flöße lassen sich dann gut im freien Spiel auf der Flusslandschaft bewegen. Die Spieltaktik bekommen jüngere Spieler erst nach einiger Zeit mit. Jeder will eigentlich immer mit seinem Bootsmotor würfeln, erst mit der Zeit erkennen die etwas älteren Kinder, möglichst mit den erklärenden Hinweisen der Eltern , welche anderen Möglichkeiten das Spiel noch birgt. Wie schon bei SCHNAPP ZU! führt Susanne Armbruster jüngste und junge Spieler auf ansprechende Weise hin zum anspruchsvolleren Spielen. Was will man mehr.
Wieland Herold
Titel: FLOSS GEHT’S!
Autor: Susanne Armbruster
Grafik: Helga Nyncke
Verlag: Haba
Alter: ab 4 Jahren
Dauer: ca. 15 Minuten
Spieler: 2 -4
Preis: ca. 12 Euro
Die Rezension erschien 2002 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 9/ 2003 R 161/2020
Zum Spiel und zur Autorin:
Ihr erstes Spiel SCHNAPP ZU! (Haba, 2002) war am erfolgreichsten, es landete damals noch auf der AWL zum Kinderspiel des Jahres. Es folgten knapp zehn weitere Veröffentlichungen meist bei Haba oder Ravensburger, die gut bis solide waren, aber keine Preise mehr erhielten. Das letzte veröffentliche Spiel war LEVEL 8 JUNIOR bei Ravensburger (2017).
Sonntag, 29. November 2020
TOTONKA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Kampf um Federn – TOTONKA
Wie Indianerhäuptling Abahatchi an seinen Kopfschmuck gelangt, lässt sich in Manfred Ludwigs Kinderspiel TOTONKA nachempfinden. Selecta bietet tolles Spielmaterial dazu an: vier kleine filzbespannte Tipis, vier große Indianderköpfe, die Spielfiguren für die zwei bis vier Kinder, die auf die Federjagd gehen können, dazu noch 16 Indianerfedern und einen Würfel. Das alles macht Lust auf freies Spielen, wird aber gebändigt durch einen Spielplan, der kreisförmiges Laufen vorschreibt.
Ausgestattet mit einer einzigen Kopffeder starten die Indianer von ihren Zelten aus, um sich von hinten an die anderen heranzuschleichen, um ihnen dann ihre Feder zu stibitzen. Diese gilt es dann schnell ins eigene Tipi zu bringen, denn wer dort zwei fremde Federn deponieren konnte, hat das Spiel gewonnen. Was so einfach und unterhaltsam klingt, ist letztlich eine öde Würfelei mit Regelungenauigkeiten. Die Kinder sind dem Würfel völlig ausgeliefert. Gelingt es Ihnen endlich einmal, sich einem Mitspieler von hinten fast zu nähern, würfelt der garantiert einen Richtungswechsel und die beiden stehen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Da hat keiner etwas davon, da man ja von hinten anschleichen muss, um an die begehrte Feder zu kommen. Mühsam müssen erneut Kreisschleifen gelaufen werden, um wieder in eine günstige Ausgangsposition zu gelangen, bis – nun ja - der andere wieder einen Positionswechsel würfelt oder in 5er-Schritten davoneilt.
Zu zweit ist TOTONKA eigentlich überhaupt nicht spielbar, auch zu dritt macht es wenig Spaß. Etwas Spielvergnügen kommt in der Maximalbesetzung mit vier Spielern auf. Da kann ein gerade erworbenes Federteil auch schneller wieder abgejagt werden. Ob das dann die Beutefeder oder die eigene Feder sein wird, ist nicht klar zu entscheiden, da alle Federn orange sind. Besser ist es allemal, sich „eigene“ Federn klauen zu lassen, so dass man mit fremden Federn sein Zelt schmücken kann. Neuen Kopfschmuck gibt es auf drei Federfeldern im zentralen Bereich der Kreisläufe. Alles Paletti? Oder was? Und wieder in die Drehmühle hinein, hinter dem nächsten hinterher, bis endlich das Spielende erreicht ist oder die Kinder vorher zum Freispiel übergegangen sind.
Aus dem Material hätte man viel mehr machen können. Die spielerische Kost, die Manfred Ludwig bietet, ist mager. Es reicht vielleicht gerade zum Pausenfüller auf Winnetouchs Schönheitsfarm Puderorsa, der passende rote Farbstift liegt dem Spiel bei.
Wieland Herold
Titel: TOTONKA
Autor: Manfred Ludwig
Grafik: Barbara Kinzebach
Verlag: Selecta
Alter: ab 4 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Spieler: 2 -4
Preis: ca. 20
Die Rezension erschien 2002 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Spiel 10/ 2002 R 160/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Manfred Ludwig, einst Lehrer für Französisch und Sport an einem Gymnasium in Regensburg, gehört zu den erfolgreichsten und produktivsten Autoren Deutschlands. Die erste Spieleveröffentlichung des 84jährigen Autors liegt schon 40 Jahre zurück. Damals kam GEFÄHRLICHGE BRÜCKEN beim Verlag Spear heraus. Für diesen Verlag gewann er 1983 mit FUZZI, HEINZ UND SCHLENDRIAN auch seine erste Auszeichnung. Das Spiel landete auf der AWL der Jury. Es folgten über 70 weitere Spiele und viele Preise, darunter mit DIEGO DRACHENZAHN das Kinderspiel des Jahres 2010.
Samstag, 28. November 2020
KROKODIL UNTERM BETT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Angst vor Krokodilen? Das Gute-Nacht-Spiel hilft!
Das Erzählspiel KROKODIL UNTERM BETT (Jumbo) ist 2002 auf der Auswahlliste für die besten Kinderspiele gelandet, weil es mit Elementen arbeitet, die nicht selbstverständlich für den Kinderspielbereich sind. Ein Spiel um Kinderängste, wie sie in dem gleichnamigen Kinderbuch von Ingrid und Dieter Schubert aufgearbeitet werden, ein Spiel zum Fabulieren und Memorieren.
Hinter dem sich leicht bewegenden Vorhang könne sich etwas verstecken, unterm Bett liege ein Einbrecher, die Schranktür habe doch eben geknarrt, da sei doch jemand … alle Eltern kennen diese Ängste ihrer Kinder kurz vor dem Einschlafen. Da helfen rationale Erklärungen oft nicht weiter, da helfen Geschichten, da hilft sicherlich das KROKODIL UNTERM BETT. Der Spielautor Helmut Huber hat sich zu den Zeichnungen des Autorenteams Schubert, die auf zwei beidseitig bedruckten Spielplänen zur Verfügung stehen, vier Spielvarianten ausgedacht. Eine wichtige Rolle spielen immer 24 Holzscheiben mit Bildmotiven. Da tauchen eklige Spinnen, Geister, Teufelchen, aber auch Schmetterlinge, Bälle, Roller und Spielzeugautos auf. Die ersten Varianten kommen noch ohne Spielplan aus, sie reißen auch nicht gerade vom Hocker.
In einem ersten Kennenlernspiel können sich die Kinder mit allen 24 Motiven beschäftigen, sie benennen und nach dem Umdrehen der Scheiben sollten sie sich noch an mindestens 12 Motive erinnern. In der zweiten Variante sollen die Kinder den genannten Gegenstand finden und die entsprechende Scheibe umdrehen. Die eigentlichen Spiele „Zeit für Geschichten“ und KROKODIL UNTERM BETT machen deutlich, dass es viel einfacher wird, wenn man sich zu den Bildern Geschichten ausdenkt. Je nach Spielplanseite können sechs bis 24 Bildmotive abgelegt werden. Die Spieler denken sich zu ihrem Spielstein und dem ausgesuchten Motiv auf dem Spielplan eine verrückte Geschichte aus, die sie allen erzählen. Sie sind nach den Geschichten erstaunt, dass sie nun problemlos sechs Bildersteine richtig wiedererkennen, ja sogar 14 und nach einiger Übung über 20 abgelegte Bilder richtig rekonstruieren können.
Die Variante, die dem Spiel seinen Namen gegeben hat, ist die schwierigste, nicht unbedingt die attraktivste. Die Kinder sehen sich alle ausgelegten Scheiben auf ihren Spielplanmotiven etwa fünf Minuten lang an und jeder denkt sich seine eigene Geschichte dazu aus. Danach werden die Scheiben verdeckt hingelegt und ein Spieler beginnt mit seiner Geschichte. Deckt er die passende Scheibe dazu auf, bestimmt er, welches Motiv das nächste Kind finden muss. Dessen Geschichte passt nicht unbedingt zur Ausgangserzählung. Wird ein falsches Motiv umgedreht, blockiert ein Holzkrokodil diese Scheibe solange, bis es zu einer anderen Scheibe wandern muss.
Für weitere Spielvariationen bietet sich das Material hervorragend an, der Autor liefert auch noch weitere Anregungen. Hubers Spiel- und Erzählansatz, eigentlich ein THINK-Training, ersetzt das Bilderbuch am Abend.
Wieland Herold
Titel: KROKODIL UNTERM BETT
Verlag: Jumbo
Autor: Helmut Huber
Grafik: o.A.
Spieldauer: ca. 15-20 Minuten
Spieler: 2-6
Alter: ab 4 Jahren
Preis: ca. 20 Euro
Die Rezension erschien 2002 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 09/ 2002 R 159/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Helmut Huber, der als Jugendsozialarbeiter an einer Grund- und Mittelschule am Starnberger See tätig ist, landete mit dem KROKODIL UNTERM BETT 2002 auf der AWL für das Kinderspiel des Jahres, zuvor war er nur durch SENSATIONEN (Walter Müller, 1992) und BABYLON DER RÄTSELWÜRFEL (Lorenz) aufgefallen.
Freitag, 27. November 2020
VENEZIA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Klötzchenmehrheit in Venedig
Seit dem Erfolg von EL GRANDE lassen immer mehr Autoren kleine Holzklötzchen auf Spielbrettern verschieben, damit Mehrheiten gewonnen werden, Wertungssteine auf der „Kramerleiste“ vorankommen und nach 60 bis 120 Minuten ein Spielsieger feststeht. Alle drei Venedig-Spiele die in Essen 2000 (DOGE) und Nürnberg 2001 (SAN MARCO und VENEZIA) erschienen sind , folgen im Grunde diesem Prinzip. Klötzchensieger ist mit deutlichem Abstand das Spiel VENEZIA des Österreichers Ronald Hofstätter, der mit zwei Spieleveröffentlichungen bei Queen Games und vier bei Heros der Shooting Star innerhalb der Autorenneulinge ist. Zumindest numerischer Klötzchensieger, da in seinem bei Queen-Games erschienen Spiel VENEZIA ganze 140 Holzwürfelchen zum Einsatz kommen, gegenüber 100 in SAN MARCO und gut 90 Häusern und Palazzi in Colovinis Spiel der DOGE. Ausgezeichnet wurde bisher nur das Moon-Weissblum-Spiel SAN MARCO, immerhin mit einem Platz auf der Auswahlliste für das „Spiel des Jahres“. Es ist nicht zu erwarten, dass die beiden anderen Venedig-Spiele für eine Top-Ten-Platzierung gut sein werden. Warum das so ist, möchte ich an dieser Stelle für Hofstätters Spiel darlegen.
Den Stadtplan von Venedig hat man seit einigen Monaten gut drauf. Wir Spieler wissen, wo der Stadtbezirk Castello liegt, auch mit Dorsoduro können wir inzwischen etwas anfangen. Ortskundiger folgen wir Donna Leons Comissario Brunetti bei der Verbrechensbekämpfung im modernen Venedig. In dieses Venedig unserer Tage entführt uns augenzwinkernd Elena Obermüller, die für die Illustration VENEZIAs verantwortlich zeichnet. Endlich einmal nicht das große historische Duell um die Macht in der mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Dogenstadt, sondern eine moderne, satirische Adaption dieses Themas. Hier hatte im Übrigen auch nicht der, wie wir wissen, immer vorzüglich arbeitende Redakteur Bernd Dietrich seine Hand im Spiel. Das Thema stammt originär von Ronald Hofstätter, der die Spielidee mit einer ähnlich witzigen Grafik auf dem Göttinger Autorentreffen 2000 vorgestellt hat. In „Venezia“ geht es um die Lufthoheit, um das Machtduell der Taubenfamilien Cardinale, Bianca, Franco und Luigi.
Das Ambiente ist bekannt: Sieben Stadtbezirke Venedigs, in denen zwei bis vier Spieler mit Taubenmehrheiten Punkte sammeln können. Gesteuert wird das Spiel mit Hilfe von 18 Spielkarten, die jedem Spieler zur Verfügung stehen. Darunter sind Bezirkskarten, mit denen die Spieler geheim festlegen, wo sie ihre Tauben kreisen lassen möchten, darunter sind oft spielentscheidende Aktionskarten, von denen immer nur eine zum Einsatz gebracht werden darf, zusätzlich noch eine Markusplatz-Karte oder die entsprechende Finte dazu. Außerdem erhält jeder 40 kleine Würfel, die Tauben symbolisierend, einen quadratischen Holzmarker, der den Stammsitz der Familie in einem Stadtviertel kennzeichnet, und einen Holz-Pöppel, der die erworbenen Punkte auf einer Zählleiste am Rande des Spielplans anzeigt. Sobald dort das Wertungsfeld 50 erreicht wurde, endet das Spiel, wenn nicht vorher eine Taubenfamilie die Mehrheit in fünf von den sieben Bezirken erlangen konnte.
VENEZIA ist vielschichtig, ohne wirklich komplex zu sein. Die vier Phasen des Spielablaufes hat man nach zwei, drei Runden schnell verinnerlicht, was nicht bedeutet, dass sich dann auch ein zügiges Spiel entwickelt. Dazu gibt es viel zu viel zu entscheiden: In der Planungsphase wird der Karteneinsatz von maximal fünf Spielkarten festgelegt. Jeder Spieler besitzt ein Tableau, auf dem die fünf Karten verdeckt abgelegt werden. Die erste Entscheidung gilt der Frage, ob man neue Tauben auf den Markusplatz schicken möchte. 12 von den 40 Tauben stehen am Anfang flugbereit, zehn davon dürfen maximal auf die Piazza San Marco geschickt werden. Präsent muss man dort sein, denn die Fütterung der Touristen sorgt für den notwendigen Taubennachwuchs. Präsent muss man aber auch in den Bezirken sein, denn nur dort gibt es bei der entsprechenden Mehrheit Punkte für den Spielsieg. In maximal drei Bezirken kann man in jeder Runde Tauben unterbringen. Nicht ganz einfach ist die Entscheidung, welche der Aktionskarten zum Einsatz gebracht wird. Da lässt sich mit einer „Raubvogel“-Karte die Wertung in einem Bezirk verhindern, da lassen sich mit einer „Feindlichen Übernahme“ alle fremden Tauben in einem Bezirk durch eigene ersetzen, da können gegnerische Tauben auf dem Markusplatz vertrieben werden. Insgesamt acht verschiedene Karten dürfen einmalig eingesetzt werden. Wer allerdings am Ende einer Runde die Mehrheit an Tauben auf der Insel San Giogio Maggiore hält, bekommt eine Aktionskarte zurück.
Die Elemente der zweiten Phase sind untypisch für diese Form von Spielen, in denen es um die Erringung von Mehrheiten geht. Hofstätter hat hier ein kleines Spiel im Spiel dazwischen geschoben, das einen ganz eigenen Charakter besitzt, thematisch aber gut zu der Spielgeschichte passt. Aus dem Stadtplan heraus wird der Markusplatz gezoomt, ein rechteckiger Spielplan mit 8x10 Feldern. Dort können wir uns gut das Gewusel vieler Tauben vorstellen, die von Touristen gefüttert werden. Alle Spieler, die in dieser Phase Tauben auf den Platz schicken, platzieren ihre Taubensteine, ausgehend vom Startspieler, auf beliebigen freien Feldern. Dabei ist darauf zu achten, dass man von gegnerischen Tauben einer Farbe möglichst nicht in die Zange genommen werden kann, denn diese setzen der unterlegenen Taube so unerbittlich zu, dass ihr nur noch die Friedhofsinsel San Michele bleibt. Sinnvoll ist es auch, Bewegungsmöglichkeiten der eigenen Tauben im Blick zu behalten, denn diese können einerseits auf benachbarte Felder ziehen, andererseits auch Sprungkombinationen á la Halma nutzen. Wozu das Ganze? Am Touri hängt’s, zum Touri drängt’s! Zwei Touristen werden mit Hilfe einer Roulette-Scheibe auf dem Spielplan platziert, dazu kommt noch ein radikaler Taubenjäger. Hier schlagen Glück und Pech gleichzeitig unerbittlich zu. Der Taubenjäger vernichtet alle Vögel, die sich auf den acht Feldern um seinen Standort befinden, die Taube, die sich möglicher Weise auf seinem Feld befunden hat, natürlich auch. Im positiven Sinne bringen die Felder um den Touristen herum viel Futter und damit viel Nachwuchs. Dorthin dürfen Tauben sich aber wie oben beschrieben noch bewegen. Für jede Taube neben einem Touristen gibt es zweimal Nachwuchs, für Tauben, die sich direkt über einem Touri befinden, gibt es sogar fünf neue Tauben.
Der Taubennachwuchs kommt auf einem kleinen Tableau ins eigene Nest, von dort dürfen sie in der 3. Phase, in der die Aktionskarten gespielt und die Bezirkskarten aufgedeckt werden, den Stammsitz verstärken helfen. Da Hofstätters Tauben sehr ortsgebunden agieren, das heißt, dass sie sich nicht von einem Bezirk in den anderen bewegen, sollten immer genügend Tauben zurückbehalten werden, denn nur mit diesen startet man in die nächste Runde. Pech hat man vor allen Dingen dann, wenn die Karte „Familientreffen“ gespielt wird, die alle Nesthocker in einen Bezirk führt. Sind die Aktionskarten gespielt, die Tauben auf die gewünschten Bezirke verteilt, kommt es in der letzten Spielphase zur Wertung. In der Regel gibt es drei Punkte für Mehrheiten in einem Bezirk, gelingt die Machtübernahme in einem fremden Stammsitz, rückt man gleich sechs Punkte auf der Wertungsleiste weiter. Wer die meisten Tauben auf der Friedhofsinsel besitzt, erlebt eine Wunderheilung und erhält von dort zwei zurück, die er für die nächste Runde wieder zum Einsatz bringen kann. Noch wichtiger ist die Regel, dass der Bezirk mit den meisten Tauben total gesäubert wird. Diese Tauben gehen aber nicht erst den Weg über San Michele, sie gelangen alle direkt zu ihren Spielern zurück und sind sofort einsatzbereit. In der Folgerunde wechselt der Startspieler, was besonders für die Markusplatz-Phase wichtig ist, da für das Halma-Spiel die Spielreihenfolge ganz entscheidend ist. Sobald in der vierten Phase ein oder mehrere Spieler 50 Punkte erreicht haben, oder einer fünf der sieben Bezirke gewonnen hat, endet das Spiel, was allerdings meistens mindestens 90 Minuten dauert. Etwas schneller geht es, wenn der Variantenvorschlag mit drei Touristen umgesetzt wird, schwieriger und oft auch langwieriger wird es, wenn zwei Taubenjäger auf dem Markusplatz zum Einsatz kommen.
VENEZIA ist nichts für Zwischendurch. Volle Hausmannskost wird geboten, deren Zutaten aber gewöhnungsbedürftig sind. Die Rezeptbeschreibung ist exzellent. Textmarkierungen, passende Bebilderung akzentuieren alles Wesentliche. Irgendwie fehlt Hofstätters Spielspeise aber die Würze, der letzte Pfiff. Die satirische Leichtigkeit, die Spielschachtel und Spielgeschichte suggerieren, finde ich im Spiel nur in Ansätzen wieder. Vielleicht liegt es an den vielen Möglichkeiten zum Überlegen? Da wird man in der Planungsphase manchmal an TIKAL erinnert. Vielleicht liegt es an dem statischen Taubeneinsatz? Die Bewegungsvielfalt der Tauben, die auf dem Markusplatz hin und her hüpfen, gilt leider nicht für die Stadtbezirke. Vielleicht liegt es an der Ohnmacht des einzelnen auf der Piazza San Marco? Das Schicksal schlägt dort unbarmherzig zu. Die Sorge für entsprechenden Nachwuchs ist das spielentscheidende Element. Für mein Gefühl hat der Autor hier zu sehr auf den Glücksfaktor gesetzt. Alle Bewegungsmechanismen gaukeln nur taktische Möglichkeiten vor. Wer in dieser Phase mehrmals Pech hat, ist ganz schnell abgehängt und wird oft am Ende zum Königsmacher.
Das Ambiente ist wirklich stimmig umgesetzt, das Potential des Autors erkennbar, aber zu einem Spitzenplatz 2001 wird es nicht reichen.
Wieland Herold
Titel: Venezia
Verlag: Queen Games
Autor: Ronald Hofstätter
Grafik: Elena Obermüller
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Spieler: 2-4
Alter: ab 10 Jahren
Preis: ca. 55 .- DM
Die Rezension erschien 2001 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 13/ 2001 R 158/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Der österreichische Autor Ronald Hofstätter startete 2000/2001 erfolgreich durch, damals habe ich ihn als „Shooting Star“ der Autorenneulinge bezeichnet, der immerhin sechs Veröffentlichungen vorweisen konnte. Erfolge stellten sich erst später ein, so mit SCHILDI SCHILDKRÖTE (Haba), das 2005 zum Kinderspiel des Jahres nominiert war und den Kinderspielpreis in Österreich gewann, was ihm ein Jahr zuvor schon einmal für VENGA VENGA (Selecta) gelang.
Neben seinen eigenen Veröffentlichungen arbeitete Hofstätter als Vermittler für andere Autoren. Dazu gründete er 2003 die Agentur White Castle und arbeitete als unabhängiger Ideenscout für Hasbro und Pegasus.
Inzwischen hat er sich aus der Brettspielentwicklung weitgehend zurückgezogen. White Castle hat Anita Landgraf übernommen und erfolgreich weitergeführt. Der 50jährige Hofstätter lebt und arbeitet in Klosterneuburg bei Wien. Er engagiert sich für Kinder, veranstaltet Workshops und Tanzveranstaltungen u.a. zum Thema Aggressionsabbau und Selbstentfaltung. Hofstätter ist seit 2019 lizenzierter Kindertrainer des ÖFBs.
Die wenigsten wissen, dass er das Patent am großen queenschen Würfelturm besitzt, welches in den Spielen IM ZEICHEN DES KREUZES, WALLENSTEIN und SHOGUN genutzt wird.
Das Bild zeigt Ronald Hofstätter mit einem Löwen auf der Alm in Göttingen 2003.
Donnerstag, 26. November 2020
VOLLTREFFER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Kartenspieltipp: Unscheinbarer VOLLTREFFER
Sie macht nicht viel her die rote kleine Schachtel des Verlages Berliner Spielkarten. Hebt man den Deckel, bricht man ebenfalls nicht in Jubelstürme aus: 50 Spielkarten (5 Farben mit den Zahlen 1 - 10), ein billiger Pappspielplan und fünf einfache Mensch-ärgere-dich-nicht-Pöppel. Einen Designpreis hat der Verlag bisher nie gewonnen und wird es wohl auch nicht, aber das Spiel, das so unscheinbar daherkommt, hätte einen Preis verdient.
Das Kartenspiel VOLLTREFFER von Günter Burkhardt ist mit deutlichem Abstand die beste Stichspielvariante in diesem Jahr. Los geht’s schon mit einer außergewöhnlichen Zusammenstellung der Handkarten: Da wird nicht einfach blind verteilt, jeder erhält das, was er haben möchte und alle sehen zu! Ausgestattet mit einem Startkapital von 25 Punkten – zur Abrechnung wird der Pappspielplan als Zählleiste verwendet -, kaufen die Spieler reihum die für ein Spiel benötigten acht Handkarten ein. Gute Karten sind teuer, die ganz schlechten gibt es sogar gratis. Beim Zusammenstellen achten die Beteiligten nicht nur auf ein gutes Trumpfblatt, sondern sammeln zum Beispiel auch eine Zahl in möglichst vielen Farben, denn dafür gibt es in der Zwischenwertung Punkte, die das durch Einkäufe reduzierte Konto wieder aufbessern. In der letzten Phase findet ein normales Stichspiel statt, nur dass man in etwa weiß, was die Gegner so auf der Hand haben. Für jeden Stich gibt es fünf Punkte, so dass 40 Punkte in die Verteilung kommen. Alles wäre ja so einfach, wenn nur Punkte einzusammeln wären. Gewonnen hat nicht automatisch derjenige mit den meisten Punkten, sondern der, der innerhalb der roten Volltrefferspalten dem Feld 66 auf der Zählleiste am nächsten ist.
Man darf also nicht über das Ziel hinausschießen, sonst muss man auf eine nächste Runde hoffen, um durch kräftigen Einkauf, wieder einen neuen Anlauf nehmen zu können.
VOLLTREFFER ist ein vielschichtiges Spiel, das durch seine Offenheit und Zielorientierung anspruchsvoll ist und großen Spaß macht. Besonders in der Schlussphase gilt es, die Punkte genau zu kalkulieren und vielleicht auf Stiche zu verzichten, um nicht über die Zielzone zu wandern. Lassen Sie sich nicht durch das Spielmaterial abschrecken. Der Kauf des Kartenspiels lohnt, zumal er sie nicht einmal 10.- DM kostet.
Wieland Herold
Titel: Volltreffer
Autor: Günter Burkhardt
Verlag: Berliner Spielkarten
Spieler: 3-5
Alter: ab 10 Jahren
Zeit: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 9.- DM
Die Rezension erschien 2000 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 13/ 2000 R 157/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Der Realschullehrer Günter Burkhardt startete 1997 als 36jähriger zu Beginn gleich richtig durch. Er durfte sich nicht nur über MANITOU freuen, sondern hatte mit LANG LEBE DER KÖNIG und BÜRO CRAZY (beide FX Schmid) gleich zwei weitere Spiele in seinem Erstveröffentlichungsprogramm. BGG verzeichnet vorher noch Eigenpublikationen wie die QUASSELSTRIPPE (1994) und DAS LIEBLINGSSPIEL DES ADAM RIESE 1996.
MANITOU gefiel nicht nur den Juroren von Spiel des Jahres, es erreichte den fünften Platz beim Kartenspielpreis der Fairplay und den zehnten Platz beim Deutschen Spielepreis. Im Jahresrhythmus folgten mindestens zwei bis drei weitere Veröffentlichungen. Mit KUPFERKESSEL (Goldsieber) landete er 2002 erneut auf der Auswahlliste der Jury und gewann den österreichischen Titel Spiele Hit für Zwei und erreichte den achten Platz des Kartenspielpreises der Fairplay. Die Spiele MAORI (Hans im Glück, 2009) und POTATO MAN (Zoch, 2014) kamen auf die Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres.
Beim Kartenspielpreis der Fairplay war er noch erfolgreicher, sein VOLLTREFFER Berliner Spielkarten) gelangte 2000 auf den vierten Platz und mit VOM KAP BIS KAIRO (Adlung Spiele) erreichte er 2002 den ersten Platz.
Sein bisher größter Erfolg im Team mit seiner Tochter Lena war 2018 die Auszeichnung mit dem Kinderspiel des Jahres für FUNKELSCHATZ.
Von seinem Lehrerberuf hat er sich schon vor einiger Zeit beurlauben lassen. Er arbeitet inzwischen hauptberuflich als Spieleautor, engagiert sich in seiner Heimat in der Nähe von Bad Ditzenbach im Sportverein und ist für Die Grünen im Gemeinderat.
Das Bild zeigt Günter Burkhardt 2003 in Göttingen im Gespräch mit Stefan Brück.
Mittwoch, 25. November 2020
FIRMAMENTO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Vorbereitung auf den 11. August: Spielerische Himmelskunde
Um die Mittagszeit des 11. August wird ganz Deutschland gebannt in den Himmel blicken, besonders natürlich in Süddeutschland, wenn sich der Mond dort vollständig vor die Sonne schiebt. Sogar die Sterne sollen zu sehen sein, ob man dabei sogar Sternbilder zu Gesicht bekommt, wissen wir wahrscheinlich erst in einigen Tagen.
Der Göttinger Geologe und Hobby-Astronom Reinhold Wittig, bekannter als erfolgreicher Spieleautor, beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der spielerischen Umsetzung astronomischer Phänomene. Sein FIRMAMENTO (Edition Perlhuhn) ist ein Lehrbeispiel zum Einprägen von Sternbildern.
FIRMAMENTO ist ein taktisches Sternbild-Legespiel des Autors, bestehend aus 25 großen schwarzen Spielplättchen und 60 Holzklötzchen für die Wertung. Am Anfang sollten die Spieler sich erst einmal mit den Karten vertraut machen. Sie werden im Laufe des Spieles zu einem Quadrat von 5x5 Sternbild-Karten ausgelegt. Die „schrägen“ Ecken helfen bei der Orientierung. Die Eckkarten haben nur eine davon, die zwölf Randkarten zwei und die neun inneren Karten vier. Auf den Karten sind Teile von Sternbildern gedruckt, die beim richtigen Zusammenlegen ein Himmelsbild ergeben.
Jeder der drei bis fünf Spieler erhält zu Spielbeginn eine Anzahl Klötzchen, die man im Laufe des Spieles loswerden muss. Als Startkarte wird ein beliebiges Innenkärtchen mit vier schrägen Ecken ausgewählt. Danach nimmt sich reihum jeder Spieler eine Karte und legt sie offen vor sich hin. Passt sie an die ausliegende Karte, darf sie angelegt werden. Wer nicht anlegt, obwohl er es könnte, erhält ein zusätzliches Zählklötzchen. Dadurch sammelt man im Laufe des Spiels mehr Karten vor sich, die punkteträchtige Anlegemöglichkeiten ergeben. Maximal darf ein Spieler fünfmal auf die Auslagemöglichkeit verzichten. Seine Steine wird man los, wenn mit der vierten Karte ein kleines Kartenquadrat gebildet, oder wenn durch das Ablegen einer Karte ein Sternbild vollendet wird. Die Anzahl der Karten, über die sich ein Sternbild erstreckt – beim Orion sind es z.B. fünf Karten – entspricht der Anzahl der Holzklötze, die man abgeben darf. Wer am Ende die wenigsten Klötzchen hat, ist Spielsieger.
Das Spielmaterial ist eindrucksvoll. Der Nebeneffekt, dass die Spieler einen Blick für die Konstellation von Sternbildern gewinnen, stellt sich ganz von allein ein. Den Sternenhimmel sieht man plötzlich mit ganz anderen Augen und trifft dort „Bekannte“ wieder.
Wieland Herold
Titel: FIRMAMENTO
Verlag: Edition Perlhuhn, Am Goldgraben 22, 37073 Göttingen
Autor: Reinhold Wittig
Spieler: 3-5
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 39.- DM
Die Rezension erschien 1999 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 20/ 1999 R 156/2020
Zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte. In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel. Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. Das Foto stammt aus dem Jahre 2011.
FIRMAMENTO erschien 2004 noch einmal als NACHT DER STERNE bei Kosmos.
Dienstag, 24. November 2020
FLOWERPOWER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DOMINO mit Blumenkärtchen: FLOWERPOWER
Flower - ja, Power - nein. Der Rückgriff auf die späten 60er Jahre passt nicht so recht zu dem Legespiel FLOWERPOWER von Angelika Fassauer und Peter Haluszka, auch die süßliche Grafik weckt keine Woodstock-Assoziationen. Das neue Kosmos-Spiel in der Reihe "Spiele für zwei" ist vom Grundprinzip nichts anderes als ein DOMINO mit Blumenkärtchen. Das Kosmos-Spiel hat im Übrigen nichts mit dem gleichnamigen Spiel FLOWER POWER von Oliver Igelhaut zu tun, das dieser vor drei Jahren auf den Spielertagen in Essen vorgestellt hat.
Aus der DOMINO-Idee der beiden Autorenneulinge erwächst ein ganz ansehnliches und reizvolles, aber sehr besinnliches Legespiel. Die einhundert Kärtchen mit 10 Blumenarten werden auf einem nicht ganz quadratischen Spielplan abgelegt. Jeder Spieler hat seinen eigenen Gartenbereich mit je 84 Feldern, dazwischen liegt ein neutraler Bereich mit 52 Feldern, der von beiden beackert werden kann. Der Spielablauf ist einfach. Aus einem Säckchen wird ein Kärtchen gezogen, das beliebig im eigenen Garten und im neutralen Sektor platziert werden darf. Bei weiteren Zügen muss nicht angelegt werden, die Kärtchen dürfen beliebig verteilt werden. Die Spieler achten dabei darauf, dass sie möglichst große zusammenhängende Blumenfelder einer Sorte anlegen. Große Beete zählen am Schluss mehr als kleine: mindestens drei Blumen müssen es aber für der Schlusswertung, wenn keiner mehr ein Kärtchen legen kann, sein. Für drei bis fünf gleiche Blumen gibt es einen Punkt, sechs bis neun Blumen bringen zwei Punkte und zehn und mehr gar vier Punkte. Damit etwas Interaktion ins ruhige Legespiel kommt, gibt es dreimal im Verlaufe des Spieles die Möglichkeit, ein Plättchen statt in der eigenen oder neutralen Zone in den gegnerischen Bereich zu legen, damit dieser sich nicht allzu weit ausbreiten kann.
Das Spiel ist schnell erklärt, das Endergebnis auf dem Spielbrett auch ganz ansehnlich. Mit einer knappen halben Stunde Spieldauer lässt es außerdem eine Revancherunde zu. Für Liebhaber ruhiger Legespiele gilt durchaus eine Kaufempfehlung, zumal die Autoren - und das kommt nicht so häufig vor - noch eine reizvolle Solovariante anbieten, in der der gesamte Spielplan zur Verfügung steht.
Wieland Herold
Titel: FLOWERPOWER
Verlag: Kosmos
Autor: Angelika Fassauer, Peter Haluszka
Grafik: Grafik Studio Krüger
Spieler: 1-2
Alter: ab 8 Jahren
Zeit: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 29.- DM
Die Rezension erschien 2001 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 12/ 2001 R 155/2020
Zum Spiel und zu den Autoren:
Das Team Fassauer& Haluszka brachte es nur auf zwei Veröffentlichungen. Neben FLOWERPOWER (2001) erschien noch TRICK TRACK TROLL bei Klee 2002.
FLOWER POWER war 2002 immerhin in der Kategorie für zwei Spieler für die Gamers Choice Awards nominiert.
Montag, 23. November 2020
WER WIRD MILLIONÄR?
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Schopenhauer oder Wittgenstein? WER WIRD MILLIONÄR?
Hätten Sie’s gewusst?
Welcher Philosoph sagte: „Das Schicksal mischt die Karten, und wir spielen“?
Sie haben die Wahl zwischen vier Lösungsangeboten:
A: Wittgenstein, B: Descartes; C: Sartre , D: Schopenhauer.
Erkennen Sie’s wieder? Der Container hat inzwischen sein Spiel, Günter Jauchs erfolgreiche Quizsendung WER WIRD MILLIONÄR? seit wenigen Tagen auch. Bei der Umsetzung konnte die Firma Jumbo nichts falsch machen, da der Ablauf der Sendung fast identisch auf den spielerischen Ablauf übertragen wurde. Die Hauptarbeit lag ausschließlich im redaktionellen Bereich, damit der steigende Anspruch der Fragen aus dem Einhundertmarkbereich in die höheren Regionen bis hin zur Millionenfrage erhalten bleibt. Dieses ist gelungen, die Spannung der Fernsehsendung kann auch das Spiel vermitteln.
Die moderatorischen Fähigkeiten eines Günter Jauchs kann jeder Mitspieler erproben, denn die Rolle des Quizmasters wandert reihum. Hier unterscheidet sich auch das Spiel von der Sendung, da der Spielleiter die Fragen an alle Kandidaten stellt, die auf einem „Antwortmodul“ ihren Lösungstipp A, B, C, oder D einstellen können. Jokereinsatz ist wie im realen Spiel möglich, wobei die Publikumsbefragung sich auf alle Mitspielenden bezieht.
Mit WER WIRD MILLIONÄR? gibt es im Genre der Quizspiele ein neues Angebot, das es durchaus mit dem Klassiker TRIVIAL PURSUIT aufnehmen kann. Es besitzt aber einen Nachteil: da es für die erste Ausgabe des Spiels nur 2000 Fragen gibt, ist der Wiedererinnerungswert bei mehrmaligen Spielen recht hoch. Hier wird der Verlag aber sicher bald Ergänzungsfragen anbieten. Mit Schopenhauer wären Sie im übrigen Millionär geworden, zwar nur auf Spielgeldbasis, aber vielleicht versuchen Sie, geschult durch das Spiel, Ihr Glück in der richtigen Sendung.
Ins Trainingslager können Sie auch ins Internet gehen, die „echten“ Fragen können Sie nachspielen unter: http://www.rtl.de/ea/million/trainingslager/spielstart.asp.
Wieland Herold
Titel: WER WIRD MILLIONÄR?
Verlag: Jumbo
Autor: Celador Ltd.
Spieler: 2 bis 5
Alter: ab 12 Jahren
Zeit: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 90.- DM
Die Rezension erschien 2001 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 12/ 2000 R 154/2020
Zum Spiel:
WER WIRD MILLIONÄR flackert seit 1999 über den Bildschirm. Zum Erfolg haben der Moderator Günter Jauch beigetragen, das Pokern um die hohen Summen und die Jokerbeteiligung von Publikum Telefonpartner. Knapp 3000 Kandidaten stellten sich bisher Jauchs Fragen und gewannen rund 121 Millionen Euro (Stand September 2020).
Das Spiel von Jumbo ist mehrfach neu aufgelegt worden, zuletzt zum 20jährigen Jubiläum 2019.
Sonntag, 22. November 2020
LUXOR
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Forschungsarbeit in LUXOR
Endlich geschafft! Die Grabungsarbeit der letzten sieben Monate im Tal der Könige hat uns unter den Tempel der Pharaonin Hatschepsut geführt. Thutmosis I, ihr Vater, hat sie zur Halbgöttin gemacht, um sie als seine Nachfolgerin einsetzen zu können. Ihre beiden Ehen sollen nicht glücklich gewesen sein, angeblich hat er zweiter Ehemann, Thutmosis III, nach ihrem Tode alle ihre Bilder und Namen zerstören lassen. Sie brachte Ägypten in ihrer Regierungszeit Frieden und Wohlstand und vor der Tür ihrer Grabkammer stehen wir jetzt. Wir, das sind 20 archäologische Fachleute aus vier Nationen, die mit vereinter Kraft die Tür aufdrücken. Wir sind überwältigt, die vor uns liegende Grabkammer scheint unberührt. Wir zählen 21 völlig intakte Sarkophage die sich, verteilt an sieben Säulen mit rätselhaften Tierzeichnungen, in der großen Kammer befinden. Nur – nähern können wir uns den Sarkophagen nicht, sobald es einer von uns versucht, wird er durch eine unsichtbare Wand abgehalten. An der Stirnseite der Kammer entdecken wir eine riesige leere Wandfläche, die im deutlichen Kontrast zu den bemalten anderen Wänden steht, davor ein großer Steinhaufen mit rund 50 noch gut erhaltenen Hieroglyphenplatten. Die untypischen Zeichnungen entsprechen den Bildern auf den Säulen, vielleicht gibt es hier einen Zusammenhang? Vielleicht haben wir ein großes Puzzle vor uns, das wir nur rekonstruieren müssen?
Jedes Team schnappt sich drei der schweren Platten und dann geht es sofort an die Arbeit. Schnell haben wir heraus, dass es Sinn macht, gleiche Hieroglyphenbilder zusammenzubringen. Wie durch Zauberhand löst sich nämlich zeitgleich ein smaragdfarbener Skarabäus von der Decke und fällt auf die passende Grabstelle. Die magische Wandsperre wird freigegeben und ein Forscher kann bis zu den dort befindlichen drei Sarkophagen vordringen. Alle Versuche, einen der Deckel zu heben, scheitern aber, bis der dritte Skarabäus von der Decke fällt. Jetzt, wo wir wissen, wie wir vorzugehen haben, hat uns der Konkurrenzneid gepackt. Jedes Team versucht seine Steinplatte möglichst skarabäenträchtig einzusetzen. Da immer zwei Symbole auf jeder Platte sind, gibt es mehrere Gewinnstellungen. Hier muss genau überlegt werden, an welcher Stelle eine der drei Platten angebracht wird. Es gilt ja, besonders viele Sarkophage zu gewinnen. So richtig fetzig wird es aber erst, als wir merken, dass wir unsere Miststreiter, die bis zu den Sarkophagen vordringen konnten, wieder vertreiben können. Wir brauchen nur darauf zu achten, dass die Figuren, die wir zusammenbringen, in eine Richtung schauen. Das Ganze ist zwar Schwerstarbeit für uns, aber nach 30 Stunden haben wir die Hieroglyphenwand rekonstruiert. Immer noch stehen vier Särge ungeöffnet, so ganz scheint unser Puzzle nicht aufgegangen zu sein. Vielleicht sollten wir nach einer Mütze Schlaf die Wand noch einmal neu zusammenfügen.
Mit LUXOR, dem Spiel des Hamburgers Gunter Baars, stellt man sich einem kniffligen Taktikspiel. Da kann Ihre neunjährige Tochter schon mitmachen, aber auch der Opa, der gerade zu Besuch ist. Dieses neue Ravensburger Spiel besitzt die Vorzüge eines guten Familienspiels. Die Spielatmosphäre ist stimmig, das Spielmaterial akzeptabel, das Spielgeschehen taktisch bestimmt, aber auch etwas glücksabhängig, die Spieldauer ideal. Was will man mehr. Im Bereich der einfachen Familienspiele gehört LUXOR zu den herausragenden Neuheiten in diesem Spieljahr.
Wieland Herold
Titel: Luxor
Verlag: Ravensburger
Autor: Gunter Baars
Grafik: Chris Mitchell
Spieler: 2-4
Alter: ab 9 Jahren
Spieldauer: ca. 30 - 45 Minuten
Preis: ca. 45.- DM
Die Rezension erschien 2001 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 11/ 2001 R 153/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Gunter Baars, Jahrgang 1962, arbeitete viele Jahre als freiberuflicher Texter, Herausgeber und Drehbuchautor, unter anderem für MAD und Ottos Ottifanten.
Er ist schon seit über 30 Jahren Spieleautor. OTTO’S GROSSES OTTIFANTEN-Spiel war 1989 seine erste Spieleveröffentlichung. Inzwischen hat er ca. 80 Ideen veröffentlicht, das Spielen in der Schachtel gehört oft zu seinem Markenzeichen.
Zu ganz großen Preisen in Deutschland hat es noch nicht gereicht. Immerhin war er mit SPARITO (Selecta, 2003) , BUDDEL COMPANY (Ravensburger, 2005), DAS GROSSE TIER-RÄTSEL (Ravensburger, 2011) und KIPP, KIPP, AHOI! (Ravensburger, 2009) auf der Auswahlliste und den Empfehlungslisten der Jury Spiel des Jahres.
Das von mir damals gelobte LUXOR wurde nur in Österreich gewürdigt, es bekam den Preis Spiel der Spiele für Familien.
Samstag, 21. November 2020
CHIP CHIP HURRA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Hütchenspiel mit Robotern: CHIP CHIP HURRA
Gäbe es einen Spielepreis für originelles Spielmaterial, würde Klaus Teubers neuestes Kinderspiel CHIP CHIP HURRA (Klee) ganz oben auf dem Treppchen stehen. Wenn Kinder zum ersten Mal die große quadratische Spieleschachtel öffnen, führen die acht schon leicht angeschmort wirkenden „Robbys“ zu Begeisterungsstürmen. Da beginnt sofort ein Spiel vor dem eigentlichen Spiel: die Roboter werden über den Tisch geschoben, tanzen an der Antenne, es wird an ihnen gekratzt, weil keiner so recht glauben will, dass es sich bei der rußgrauen Bemalung nicht um einen Produktionsfehler handelt.
Jeder der zwei bis vier Spieler erhält zwei Robbys, die er mit einem diskettenähnlichen Chip füttert. In das Schachtelunterteil wird ein quadratischer Spielplan gelegt, auf dem die Roboter sich austoben dürfen. In seinem Innern besitzt jeder Robby einen Würfel, bei dem am Anfang der Wert 3 oben liegt. Jede Bewegung in ein anderes Spielfeld über eine kleine Kante verändert den Würfelwert. Spielziel ist, beide Roboter mit vier Disketten zu füttern. Weitere Disketten kommen über eine kleine Schleuder ins Spiel. Hier knüpft Teuber kongenial an das alte Hütchenspiel an. Die Spieler versuchen eine Diskette auf das Spielbrett zu schleudern. Gelingt dies nach maximal drei Versuchen, dürfen alle Spieler jeweils einen ihrer Roboter in Richtung Zielobjekt bewegen, dabei darf stets nur über freie Felder und geradeaus gezogen werden. Alle Roboter, die auf einem Feld neben der Diskette zum Stehen kommen, überprüfen nun ihre Energie. Der Spieler mit dem höchsten Würfelwert, zu dem noch die Anzahl der bisher erworbenen Disketten gezählt wird, gewinnt das Duell.
Der Spielgedanke ist toll, die taktischen Möglichkeiten sind vielfältig, vom Spielmaterial ist CHIP CHIP HURRA hervorragend ausgestattet, trotzdem bleibt ein Aber. Da gibt es geschickte sechsjährige Kinder, die mit der Diskettenschleuder hervorragend zurechtkommen, da gibt es aber auch – und leider überwiegt deren Zahl – plumpe Kinderhände, die es nach dem (nicht zulässigen) fünften oder sechsten Versuch nicht schaffen, die Zielfläche zu treffen. Eigentlich sieht die Spielregel für solche Fälle Diskettenverlust vor. Das kann ganz schön frustrierend sein, zumal bei den Mitspielern schnell Schadenfreude aufkommt. Sechs- und Siebenjährige kennen hier kein Erbarmen. In einer Runde, in der die Voraussetzungen für alle stimmen, macht CHIP CHIP HURRA riesigen Spaß, leider findet man solche Runden mit Kindern nur selten.
Wieland Herold
Titel: Chip-Chip Hurra
Autor: Klaus Teuber
Grafik: Gabriela Silveira
Verlag: Klee
Spieler: 2-4
Alter: ab 6 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 39.- DM
Die Rezension erschien 2001 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 10/ 2001 R 152/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Der gelernte Zahntechniker Klaus Teuber war schon vor CATAN einer der bekanntesten Spieleautoren Deutschlands, hatte er doch schon für sein Erstlingswerk BARBAROSSA 1988 das Spiel des Jahres gewonnen. Es folgten Doppelsiege 1990 und 1991 für ADEL VERPFLICHTET und DRUNTER & DRÜBER.
Kinderspiele sind eher rar von ihm, LICHT UND SCHATTEN und BARBAROSSA JUNIOR stellen ebenso Ausnahmen dar, wie einige Spiele von Goldsieber in der Reihe Die Maxis in der Minibox. CHIP CHIP HURRA erschien 2001 bei Klee und gewann die österreichische Auszeichnung Spiel der Spiele für Kinder.
Das Bild zeigt Klaus Teuber auf dem Goldsieberabend 1997.
Freitag, 20. November 2020
SO EIN ZIRKUS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Innovative Spielidee für Kinder - SO EIN ZIRKUS
„Damit kannst du sowieso nichts anfangen!“, gemeint waren Mundstücke für Kohlenmonoxidtestgeräte und die apodiktische Setzung musste sich Volker Schäfer, Spieleverlagsgründer und Autor aus Hannover, vor anderthalb Jahren anhören. Gibt es nicht, gibt’s nicht für Volker Schäfer und Sprüche solcher Art sind Aufforderung für ihn, gerade damit etwas anzufangen. Wenige Wochen später war ein Spiel fertig, in dem die Pappröllchen eine wichtige Funktion übernahmen: SO EIN ZIRKUS.
Das Spielbrett des Zirkusspiels ist ein 1,5 Zentimeter dickes rechteckiges Holzbrett. Auf drei Bahnen über je acht Felder erstreckt sich das darauf gedruckte Spielfeld, auf dem sich drei Clownfiguren tummeln, die Kohlenmonoxidtestgeräte. Volker Schäfer hat sie innen und außen beklebt, mit einem Holzsockel versehen, so dass sie als wandelnde Pappröhrchen in der Lage sind bis zu drei Jonglierbälle (Holzkugeln) aufzunehmen. Sechs Bohrungen hat Schäfer noch in seinem Spielbrett angebracht, Löcher zur Aufnahme der Holzkugeln.
Maximal vier Spieler können sich an diesem pfiffigen Kinderspiel beteiligen. Jeder erhält drei Holzkugeln einer Farbe und versucht diese in die Spielplanlöcher zu befördern. Spielmotor ist ein Farbwürfel, mit dessen Wurfergebnis entweder die entsprechende Farbkugel in ein Clownsröhrchen gesteckt oder ein Clown gezogen werden darf, wenn dessen oberste Kugel die gewürfelte Farbe besitzt. Die Zugweite ergibt sich aus der Anzahl der Kugeln. So können die Figuren über die Löcher gezogen werden, aber auch an ihnen vorbei. Je nach Lage gibt es für die Kugeln in den Vertiefungen ein bis sechs Punkte. Das Spiel endet sofort, wenn das sechste Loch gefüllt ist. Die Spieler zählen die Punkte für die Bälle ihrer Farbe zusammen, wer die meisten hat, ist der geschickteste Clown. Das Spiel ist solide gefertigt, funktioniert hervorragend und ist für 25.- DM äußerst preiswert zu erwerben.
„Im ersten Verlagsjahr habe ich viel gelernt, viel Erfahrungen sammeln können, es hat sich letztlich gelohnt.“ Lehrgeld hat Volker Schäfer sicherlich auch zahlen müssen. Die Kleinstauflage seines ersten Spiels rechnet sich, wenn man die viele Handarbeit bedenkt, natürlich nicht. Der Autor überlegt, in Zukunft produzieren zu lassen, wobei das Risiko der höheren Auflage eingegangen werden muss. Vorerst nimmt er aber noch gern Bestellungen für sein handgefertigtes Spiel entgegen.
Wieland Herold
Titel: SO EIN ZIRKUS
Autor: Volker Schäfer
Verlag: Spieleverlag Regenbogen, Volker Schäfer, Albertstr. 28, 30451 Hannover , Telf. 0511 / 2151106
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 6 Jahren
Zeit: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 25 DM
Die Rezension erschien 2001 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 9/ 2001 R 151/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Volker Schäfer, der in Hannover mit Allerlei Spielerei ein „Spielwaren-Eventhaus“ unterhält und Mattel auf Messen und manchmal auch bei der Spielentwicklung unterstützt, beschäftigt sich schon lange mit Spielen. Der ehemaliger Salem-Schüler, dort auch durch die „Spielschule“ Uwe Petersens gegangen, hat sein erstes Spiel während seines Zivildienstes in Helmstedt entwickelt. DAS PIRATENSCHIFF nannte er diese frühe Erfindung, die er 11 Jahre später wieder hervorkramte, als er SO EIN ZIRKUS in Kleinauflage herausbringen wollte. Mit den Piraten und einigen weiteren Prototypen, die er Anfang der 90er Jahre erfand, sammelte er die üblichen Verlagserfahrungen: Ablehnungen auf der einen Seite, andererseits aber auch ein Bemühen um seine Spielideen, so dass ausführliche Begründungen, weshalb ein Spiel abgelehnt wurde, durchaus Anreiz für sinnvolle Weiterarbeit an der Spielkonzeption bedeuteten.
Volker Schäfer hatte Feuer gefangen, besuchte regelmäßig das Göttinger Spieleautorentreffen, nahm Kontakt auf zu Kleinverlegern wie Friedemann Friese (2F-Spiele) , Magnus Reisinger (Magnus Spieleverlag), Günter Cornett (Bambus Spieleverlag) und gründete am 1. Juni 1998 den Spieleverlag Regenbogen.
Hier erschienen beide oben erwähnten Spiele, später noch DIE KLEINE ELFE, eine Spielidee, die er zusammen mit Heike Archut entwickelte.
Die spätere Zusammenarbeit mit Günter Cornett im Bambusverlag führte dort zu professionellen Neuauflagen eines Teils seiner handgefertigten Ideen.
Auf dem Bild ist Volker Schäfer bei der Präsentation seiner Spiele in Essen 1999 zu sehen.
Donnerstag, 19. November 2020
KUPFERKESSEL CO.
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Duell im Zauberladen: KUPFERKESSEL CO.
Im Sog der magischen Welten um Harry Potter und Gandalf tauchen in diesem Jahr eine Reihe von Spielen auf, die ohne teure Lizenzgebühren von der überirdischen Welle profitieren. Das muss nicht nachteilig sein, im Gegenteil, da die spielerische Qualität von Merchandisingspielen oft zu wünschen übrig lässt, fallen die Umfeldprodukte umso positiver auf.
Wenn Harry Potter seine Zauberausrüstung bei der „Kupferkessel Compagnie“ , dem Geschäft für qualitätsbewusste Zauberer, eingekauft hätte, wäre er sicher sehr zufrieden gewesen. Der Zauberladen dieses neuen Goldsieber Spieles bietet 14 magische Zutaten für Zaubereien aller Art. Von allen Zutaten gibt es vier quadratische Karten mit Werten von 1 bis 4, aus ihnen wird eine Ladenauslage von sechs mal sechs Karten gebildet. Die übrigen Spielkarten sind der Zugstapel, von dem jeder der zwei Spieler eine Karte erhält, die, offen ausgelegt, „Zauberkessel“ darstellen. Die gezogene Karte gibt gleichzeitig die Zugweite des eigenen Zauberers vor, der um die Ladenauslage herumspaziert und versucht, möglichst identische Zutaten zu sammeln. Die neue Karte wird aus der Reihe oder Spalte, vor der man steht, beliebig gewählt und auf den eigenen „Zauberkessel“ gelegt. Diese magische Zutat bestimmt gleichzeitig die Weite des nächsten Zuges, so dass zumindest ein Schritt vorausgeplant werden kann. Bei der Schlussabrechnung zählen Zutaten, die man nur einmal hat, Minuspunkte. Erst drei oder alle vier Karten bringen die nötigen Pluspunkte zum Sieg.
Sobald eine Reihe komplett abgeräumt ist, kommt es zur Abrechnung, dabei zählen die Werte von Zutaten der eigenen Farbe doppelt. Außerdem bekommt derjenige, der am meisten Zutatenkarten mit dem Wert 1 gesammelt hat, Bonuspunkte.
Die Spielmixtur des Magiers Günter Burkhardt ist gelungen. Er tariert taktische Möglichkeiten und Erinnerungsvermögen seiner Spieler geschickt aus. Die Frage, was habe ich denn nun schon alles in meinem Zauberkessel, beschäftigt die Spieler ständig in dem kurzweiligen Duell im Zauberladen von KUPFERKESSEL CO. Für die gelungene Grafik zeichnet Franz Vohwinkel verantwortlich, die großen Zaubererfiguren tragen zur Spielatmosphäre bei. In einer Spielvariante mit Rezeptkarten können zusätzliche Pluspunkte gesammelt werden. Auf seiner Homepage bietet der Spielautor noch eine brauchbare Umsetzung für drei Spieler an.
Wieland Herold
Titel: KUPFERKESSEL CO.
Autor: Günter Burkhardt
Verlag: Goldsieber Verlag
Grafik: Franz Vohwinkel
Spieler: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 19.- DM
Die Rezension erschien 2001 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 8/ 2002 R 150/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Der Realschullehrer Günter Burkhardt startete 1997 als 36jähriger zu Beginn gleich richtig durch. Er durfte sich nicht nur über MANITOU freuen, sondern hatte mit LANG LEBE DER KÖNIG und BÜRO CRAZY (beide FX Schmid) gleich zwei weitere Spiele in seinem Erstveröffentlichungsprogramm. BGG verzeichnet vorher noch Eigenpublikationen wie die QUASSELSTRIPPE (1994) und DAS LIEBLINGSSPIEL DES ADAM RIESE 1996.
MANITOU gefiel nicht nur den Juroren von Spiel des Jahres, es erreichte den fünften Platz beim Kartenspielpreis der Fairplay und den zehnten Platz beim Deutschen Spielepreis. Im Jahresrhythmus folgten mindestens zwei bis drei weitere Veröffentlichungen. Mit KUPFERKESSEL (Goldsieber) landete er 2002 erneut auf der Auswahlliste der Jury und gewann den österreichischen Titel Spiele Hit für Zwei und erreichte den achten Platz des Kartenspielpreises der Fairplay. Die Spiele MAORI (Hans im Glück, 2009) und POTATO MAN (Zoch, 2014) kamen auf die Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres.
Beim Kartenspielpreis der Fairplay war er noch erfolgreicher, sein VOLLTREFFER Berliner Spielkarten) gelangte 2000 auf den vierten Platz und mit VOM KAP BIS KAIRO (Adlung Spiele) erreichte er 2002 den ersten Platz.
Sein bisher größter Erfolg im Team mit seiner Tochter Lena war 2018 die Auszeichnung mit dem Kinderspiel des Jahres für FUNKELSCHATZ.
Von seinem Lehrerberuf hat er sich schon vor einiger Zeit beurlauben lassen. Er arbeitet inzwischen hauptberuflich als Spieleautor, engagiert sich in seiner Heimat in der Nähe von Bad Ditzenbach im Sportverein und ist für Die Grünen im Gemeinderat.
KUPFERKESSEL CO. wurde 2013 von Franjos unter dem Titel GLASTONBURY neu aufgelegt.
Das Bild zeigt Günter Burkhardt 2003 in Göttingen im Gespräch mit Stefan Brück. KUPFERKESSEL CO. ist auf der rechten Tischhälfte zu sehen.
Mittwoch, 18. November 2020
VIA MAGICA
Vor sieben Jahren rief man „Ave Cäsar“ , wenn eine römische Provinz mit Legionen besetzt war, heute sprechen wir die magische Formel „Incatatum“, wenn alle nötigen Animi kristallisiert sind. Gespielt wurde und wird in beiden Fällen BINGO, nur feiner abgeschmeckt und berechenbarer verzahnt.
Es geht um die aktuelle Neuauflage des 2013 erfolgreichen Spieles AUGUSTUS von Paolo Mori, das thematisch aus dem römischen Geschichtsumfeld in eine Zauberschule abgewandert ist. Um das Zauberdiplom zu erhalten, wandern kleine Magier auf der VIA MAGICA und öffnen dort magische Tore.
Grundsätzlich hat sich nur wenig an der damals zum Spiel des Jahres nominierten Spielidee geändert, die Regel ist besser und aggressive Komponenten sind eliminiert. Geblieben sind die Zielkartenauswahl, die Nutzung der Boni und der Zugriff auf spezielle Belohungskarten.
Im BINGO-Säckchen stecken zauberaffine Elementeplättchen. In absteigender Häufigkeit sehen wir die Luft am häufigsten, das Feuer ist ebenso rar wie die Jokerplättchen und die Schattenwelt ist ein Unikat und oft nur durch Joker zu erfüllen. Anfangs sucht sich jeder aus sechs Karten drei magische Tore aus, deren Bedingung er erfüllen möchte. Dazu stehen allen sieben Kristalle zur Abdeckung zur Verfügung. Zwischen drei bis sechs Felder müssen pro Tor verdeckt werden, da macht es schon Sinn anfangs auf eine höhere Kristallauswahl zu spielen.
Sobald alle Felder eines Tores belegt sind, öffnet es sich und liefert viele Punkte oder weniger, wird dann aber magisch sofort, dauerhaft oder am Ende ergänzt. Wer drei Tore einer Farbe sammeln konnte, erhält eine Belohnungskarte. Auch die Anzahl der geöffneten Tore bringt Punkte, nur muss jeder hier genau überlegen, wann er seine Belohnung einstreicht. Wer dabei gegen Ende zu sehr pokert, kann leer ausgehen. Sobald ein Spieler sein siebtes Tor öffnet, endet VIA MAGICA mit einer Gesamtberechnung der Belohnungen und unterschiedlichen Tore Punkte.
An der Zugänglichkeit und am Spielreiz hat sich nichts geändert. Das familientaugliche BINGO-Element trägt noch immer. Die Kalkulierbarkeit durch die unterschiedlichen Häufigkeiten der Elemente-Plättchen heben VIA MAGICA aus der reinen Zufallsebene des BINGO-Spielens heraus. Dies wird zusätzlich ergänzt um die gezielte Verzahnung der Kartenboni und den Wettlauf um die Belohnungskarten. Natürlich spielt der Zufall weiterhin mit, aber alle meinen, ihn in den Griff zu bekommen.
AUGUSTUS hatte der Verlag noch für Kinder ab acht Jahren empfohlen, beim magischen Thema sollen Kinder ab sieben Jahren schon einsteigen können. Nun ja, schon allein das „Incatatum“ kommt ihnen schwerer über die Lippen als das „Ave Cäsar“, auch die Erstellung der Abschlussbilanz überfordert die meisten Zweitklässler.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: VIA MAGICA
Verlag: Asmodee
Autor: Paolo Mori
Grafik: Biboun, Camille Chaussy, Jérémy Fleury, Mathieu Leyssenne, Régis Torres, Djib
Spielerzahl: 2 - 6
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: 30 Minuten
Preis: ca. 20.- Euro
Spiel 80/ 2020
Dienstag, 17. November 2020
PARIS STADT DER LICHTER
PARIS STADT DER LICHTER
Die Pariser Weltausstellung zum 100. Jahrestag der Französischen Revolution 1889 bescherte den Franzosen nicht nur den Eiffelturm, sondern auch eine weitgehende Elektrifizierung der Straßenbeleuchtung. Jeder Hausbesitzer wollte seine Gebäude entsprechend illuminiert haben.
Der Blick von Sacré-Cœur auf das noch ländliche Montmartre zog damals zahlreiche Künstler an. Hier lebten und arbeiteten Renoir, Van Gogh und Toulouse-Lautrec, hier entstanden Tanzlokale und Kabaretts wie Le Chat Noir und das Moulin Rouge. Eben diese Atmosphäre fängt PARIS STADT DER LICHTER des spanischen Autors José Antonio Abascal traumhaft schön ein. Das Spiel, das 2019 bei Devir Games in Spanien erschien, hat Kosmos für den deutschen Markt aufbereitet, da es wunderbar in die Zweipersonen-Reihe des Stuttgarter Verlages passt. An der grafischen Gestaltung musste nichts verändert werden, Oriol Hernández hat hier exzellente Vorarbeit geleistet.
PARIS STADT DER LICHTER läuft in zwei Phasen ab. Einer Vorbereitungsphase, in der Straßenzüge ausgelegt werden, die Bauplätze für kleine und große Gebäude schaffen, die ebenfalls in der ersten Phase aufgenommen werden. Die quadratischen Straßen-Plättchen zeigen jeweils vier Felder in unterschiedlicher Verteilung der Spielerfarben Blau und Orange, zusätzlich gibt es die für beide Kontrahenten nutzbare Farbe Lila. Einige Karten weisen außerdem die Straßenbeleuchtung aus, um die sich letztlich alles dreht. Die Gebäude-Plättchen sind tetrisartige Formen, die drei bis sechs Felder in dem 8x8 Raster belegen. Ist der Plan voll und sind die voraussichtlich passenden Gebäude-Plättchen genommen, werden in der zweiten Phase die Häuser platziert. Darüber hinaus bieten acht Postkartenmotive zusätzliche Aktionen, die auf die Auslage und abschließende Wertung Einfluss besitzen. So können Gebäude erweitert, zusätzliches Licht in die Straßenfluchten gebracht oder auch Plättchen getauscht werden.
Am Ende wird überprüft, wie es um die Beleuchtung der Gebäude steht. Für die Wertung entscheidend ist die Gebäudegröße, die mit der Anzahl der an sie grenzenden Laternen multipliziert wird. Außerdem bringt jeweils der größte Gebäudekomplex für jeden noch Punkte. Wer ein aufgenommenes Gebäude nicht bauen konnte verliert drei Siegpunkte. Zusätzlich können aktivierte Postkarten Gewinnpunkte bringen.
Abascals Idee ist nicht nur hervorragend umgesetzt, sondern spielt sich in den beiden Phasen spannend, da sowohl im ersten als auch im zweiten Abschnitt das richtige Timing die Spielspannung zwischen den Gegnern bringt. Anfangs geht es nicht nur um Baulogistik, sondern um das Wegschnappen zentraler Gebäude. Die großen Gebäude bringen theoretisch viele Punkte, aber sie lassen sich am besten blockieren. Eine ähnliche Spannung tritt in der zweiten Phase auf, in der es wichtig ist, wer anfangen darf, derjenige nämlich, der als erster alle seine Straßen-Plättchen legen konnte. Hier geht es darum, entscheidende Lila-Felder zu okkupieren, die der Gegner dann nicht mehr nutzen kann. Andererseits ist der frühe Zugriff auf bestimmte Aktionskarten ebenfalls nicht zu unterschätzen. Meist klappt es nicht mit allen Plänen, dann können aber die Postkarten einen gewissen Ausgleich bringen.
PARIS STADT DER LICHTER ist ein zweiphasiges abstraktes Puzzle, dessen erste Phase in der strategischen Planung prägender ist als die folgende Ausführung. Trotzdem bleibt das Konkurrieren um die von beiden nutzbaren Felder auch im zweiten Abschnitt spannend. Das kleine Sahnehäubchen sind dann die Boni der Aktionspostkarten. Das ganz große Sahnehäubchen gilt aber der Gestaltung, dem Spiel in der Schachtel, den Tetristeilen mit hervorgehobenen Dachteilen, den Holzschornsteinen zur Besitzmarkierung und den schönen alten Postkarten. Wenn es etwas zu meckern gibt, dann eigentlich nur die fehlenden Funktionserklärungen der zwölf Aktionen der Postkarten. Oft reicht zwar die visuelle Erklärung aus, manchmal wären kurze Erläuterungen aber hilfreich, sodass man nicht immer in der Regel nachschlagen muss.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PARIS STADT DER LICHTER
Verlag: Kosmos
Autor: José Antonio Abascal
Grafik: Oriol Hernández
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 20 - 30 Minuten
Preis: ca. 19.- Euro
Spiel 79/ 2020
Montag, 16. November 2020
FANTASTISCHE REICHE
FANTASTISCHE REICHE
Der 58jährige Bruce Glassco ist Professor für Englisch in einem College in Charlottesville in Virginia. Seit den 90er Jahren veröffentlicht er Kurzgeschichten, die dem Fantasy- und Horror-Genre zugeordnet werden können. 2004 erschien mit BETRAYAL AT HOUSE ON THE HILL sein erstes Spiel, das gut zu seinen literarischen Versuchen passte. Es handelt sich um eine Art interaktiven Horrorfilm, in dessen Verlauf sich einer der Akteure als Bösewicht herausstellt. Gleich 50 unterschiedliche Szenarien hat Glassco diesem Spielansatz spendiert.
2015 erschien mit MYSTERY! MOTIVE FOR MURDER ein Krimispiel, in der alle auf die Suche nach dem größten Mordmotiv gehen. Fast als Mikrogame kam 2017 FANTASY REALMS daher, das ursprünglich bei WizKids erschien und aktuell in einer deutschen Bearbeitung von Strohmann Games vorliegt.
54 Karten reichen für ein kurzes Spielvergnügen, aber auch eines, das zu immer neuen Runden auffordert. Glasscos Regeln sind ganz simpel. Jeder bekommt sieben Handkarten, die er im Laufe des kurzen Spiels optimieren muss, da die Basisstärke vieler Karten sich durch bestimmte Kombinationen deutlich verbessern lässt. Wer am Zug ist, zieht eine Karte vom Nachziehstapel und legt dann diese oder eine von seinen Handkarten offen aus. Der nächste bedient sich aus der offenen Auslage oder zieht wieder blind. Sobald die zehnte Karte im Ablagebereich liegt, endet das Spiel und alle Hände werden ausgewertet. Die Basiswerte der Karten liegen zwischen 0 und 40, wobei die niedrigeren Werte oft Boni für bessere Punkte besitzen. Karten mit hohem Wert wirken sich oft negativ auf andere Kartensorten aus und verlangen bestimmte Bedingungen, damit sie überhaupt in die Wertung kommen.
Klingt einfach, ist auch ganz einfach, ist aber so richtig erst nach einigen Partien gezielter zu spielen. Es braucht schon den Blick auf die zehn Kartenbereiche, wie Anführer, Armeen, Bestien, Waffen und Artefakte. Außerdem muss man ein Gespür für die Nutzung der drei Jokerkarten, den Doppelgänger, Gestaltwandler und die Spiegelung bekommen. Es gibt eine Menge Synergien, die in FANTASTISCHE REICHE zu berücksichtigen sind, das macht aber den besonderen Spielreiz aus.
Das Glück spielt eine nicht unbedeutende Rolle in den Partien. Daher macht es Sinn, Regelergänzungen, die der Autor mitliefert, im Sinne von Draftingsystemen bei der Vorauswahl zu nutzen, die die ersten sieben Karten nicht ganz zufällig auf die Hand geraten lassen. Dann kommt man vielleicht auch zum Maximalergebnis von 397 Punkten (siehe Bild), wird sich aber meistens schon über Ergebnisse zwischen 150 und 250 Punkten freuen.
Die Auswertung am Ende dauert fast so lange wie das Spiel, zum Glück liegt ein Auswertungsbogen bei, der die Buchführung erleichtert, außerdem hilft die gemeinsame Auswertung beim Erkennen und Lernen der Karteneffekte. Wer es einfacher haben möchte, greift auf die App von WizKids zurück, die zwar nicht unbedingt komfortabel ist, aber die gegenseitigen Beziehungen der Karten korrekt auswertet.
Der Sog, der von der Suche nach idealen Kombis ausgeht, ist beachtlich. Ich habe lange kein Spiel erlebt, dass von allen Beteiligten immer wieder nachgefragt wurde. Ohne mindestens eine Wiederholungsrunde laufen die FANTASTISCHEn REICHE nicht ab. Die Corona-Restriktionen spielen Glasscos Idee auch ganz gut in die Karten, denn am besten funktioniert es nach meiner Meinung in kleinen Runden zu zweit und zu dritt.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: FANTASTISCHE REICHE
Verlag: Strohmann Games
Autor: Bruce Glassco
Grafik: Patricia Rodriguez
Spielerzahl: 2 - 6
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 20 Minuten
Preis: ca. 20.- Euro
Spiel 78/ 2020
Sonntag, 15. November 2020
ROBIN VON LOCKSLEY
ROBIN VON LOCKSLEY
Uwe Rosenberg fungiert quasi als Hebamme bei vielen jungen Spieleverlagen. Seine Geburtshelfertätigkeit ist Anschub und Qualitätssicherung zugleich, zuletzt ist ihm das mit Alexander Ommers Wyrmgold Verlag gelungen.
Mit ROBIN VON LOCKSLEY hat der renommierte Autor dem Verlagsgründer Ommer eine gute Duell-Mischung bekannter Spielideen aus dem Hause Rosenberg angeboten. Da steckt das Wettlauf-Prinzip von REYKHOLT mit drin, sogar die Münzwährung aus seinem Klassiker BOHNANZA taucht auf und schließlich greift der Autor sogar in die uralte SCHACH-Kiste. Das Ganze elegant zu arrangieren. ist eine Stärke Uwe Rosenbergs, das ist ihm auch hier wieder gelungen.
Das Thema können Sie dabei vergessen, die Rivalität zweier Locksley-Brüder wirkt eher aufgesetzt, entscheidend ist die pfiffige Verknüpfung von Beutesammlungen und Aufgabenerfüllungen auf einem Rundkurs. Dazu liegen in einem 5x5-Raster Schatzplättchen in sechs Farben aus, dort springen gegnerische Rösser in bekannter Manier zwei Felder nach vorne und eines zur Seite, um die Plättchen einzusammeln. Drumherum führt eine Laufstrecke mit Aufgabenplättchen, die zweimal umrundet werden muss. Um voranzukommen, müssen die beiden Robins bestimmte Beuteplättchen haben oder Ross-Positionen auf dem Spielfeld einnehmen. Einige Aufgaben sind leicht zu erfüllen , wie der Besitz einer bestimmten Farbe, manche sind schwerer zu schaffen, da ist es gut, dass man sich mit Gold immer freikaufen kann. An die Edelmetalle kommen alle für die Auflösung von Beutesammlungen. Diese müssen mindestens drei Plättchen einer Farbe umfassen, zwei werden davon abgelegt, ab dem dritten gibt es Gold. Große Sammlungen generieren damit viele Goldmünzen, wer fünf oder sechs grüne Goldkelche hortet, kommt damit an drei oder vier Münzen und braucht sich erst einmal nicht mehr um Aufgabenhürden scheren.
Diese doppelte Verzahnung von Bezahlung und Aufgabenerfüllung auf der Rundlauf-Rennstrecke kombiniert mit der strategischen Rösselprungplanung stellt für mich den besonderen Reiz von ROBIN VON LOCKSLEY dar. Die Runde schafft Variabilität, da im Grundaufbau nie alle Kärtchen im Spiel sind und auch die Reihenfolge sich ständig ändert. Nur das Schlussfeld ist statisch und bedarf einer eifrigen Goldsammlung, denn ohne vier Goldtaler kommt man nicht ins Ziel. Für schnellere Spiele kann die Strecke auf 16 Felder verkürzt, für längere auf 24 Felder erweitert werden. Auf der kurzen Bahn kann es auch zu dem eher seltenen Ende durch eine Überrundung kommen. Spielen jüngere Kinder mit, wird empfohlen, sie durch einen Goldbonus zu unterstützen.
Uwe Rosenbergs Geburtshilfe hat dem Wyrmgold-Verlag auf die Sprünge geholfen. Ein Debut, das sich sehen lassen kann und sicherlich mit dazu führt, dass der Verlag aus dem niedersächsischen Meine nicht in der Versenkung verschwindet. Die Mitglieder des Ali Baba Spieleclubs haben ROBIN VON LOCKSLEY immerhin den Bronze-Platz bei ihrem DuAli beschert. Kurz nach der digitalen Spiel 2020 wird es mit PAGAN von Kåre Werner Storgaard und Kasper Kjær Christiansen im Programm weitergehen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: ROBIN VON LOCKSLEY
Autor: Uwe Rosenberg
Grafik: Maren Gutt
Verlag: Wyrmgold
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 - 30 Minuten
Preis: ca. 19.- Euro
Spiel 77/ 2020
Samstag, 14. November 2020
THE KEY – SABOTAGE IM LUCKY LAMA LAND
THE KEY – SABOTAGE IM LUCKY LAMA LAND
Thomas Sing ist ein Knobelmeister, ein Fan von Rätsel- und Denkspielen. Seit diesem Jahr hat ihn sein Kartenspielerfolg THE CREW einem breiteren Publikum bekannt gemacht, dabei war er schon vor fast zehn Jahren mit dem an SUDOKO angelehnten MISS LUPUN aufgefallen, ein Spiel das ihm 2012 erstmals in den Fokus der Jury Spiel des Jahres brachte.
Logische Denkprozesse spielen auch bei der Lösung von Kriminalfällen eine zentrale Rolle, irgendwie stecken deduktive Prozesse in den meisten der Singschen Ideen, letztlich auch in dem kooperativen Expertenspiel des Jahres 2020. Haba nutzt die Kompetenzen des Autors für den Einstieg ins Krimi-Genre. In der Reihe THE KEY sind inzwischen drei Spiele erschienen, die alle ähnlich strukturiert sind und jeweils neun verschiedene Fälle umfassen, die in sich noch einmal drei Verbrechen ausmachen. Die üblichen W-Fragen wer, wann, wo und womit müssen dabei beantwortet werden.
Die Spieler wühlen sich dabei durch einen Kartenberg an Informationen. Die Farbe des ausgewählten Fall-Schlüssels hilft etwas bei der Vorsortierung, aber die Spieler sollten gezielt nach bestimmten Hinweiskarten suchen. Im aktuellen Fall im Freizeitland LUCKY LAMA werden Saboteure der Einrichtung gesucht, die an drei Tagen das Leben der Besucher aufs Spiel gesetzt haben. Die jeweiligen Hinweiskarten umfassen Zeugenaussagen, Schuhabdrücke, Showtickets und Schnappschüsse. Achten muss man noch auf die Werte der Karten, denn diese ergeben, im Nachhinein addiert, die Ermittlungsbilanz. Nicht unbedingt der schnellste Detektiv gewinnt damit THE KEY, sondern der, der die richtige Lösung mit den wenigsten Punkten schafft. Das nimmt den Druck in gewisser Hinsicht raus, sorgt für die notwendige gründliche Analyse, wobei nicht zu vernachlässigen ist, dass der erste Spieler eine Karte mit niedrigem Wert streichen darf.
Ein Aktenkoffer-Sichtschirm und weitere Unterlagen unterstützen bei der Ermittlungsarbeit. Der Sichtschirm zeigt die Täter, Tatwerkzeuge und Tatorte. Dort dürfen wir unsere Ermittlungsergebnisse eintragen, um am Ende einen Lösungscode zu generieren, der mit Hilfe eines Lösungstableaus überprüft wird. Im Grunde genommen ist, eigentlich völlig unlogisch, alles von Anfang an klar. Wir kennen die drei Täter und ihre Motive: Da ist Gonzo Musone, der die Konkurrenz wegen seines Indoor-Spielplatzes schädigen möchte: Die 22jährige Jennifer Dillington ist gekränkt, da ihre akrobatischen Fähigkeiten keine Anerkennung im Lucky Lama-Park fanden. Schließlich ist sogar eine gewählte Bürgermeisterin unter den Tätern, die anstelle des Parks ein steuertechnisch lukrativeres Einkaufszentrum bauen möchte. Sie haben mit einem Jagdmesser, einer Rundzange und einem Elektroschocker Sabotageakte an der Wildwasserbahn, der Achterbahn und am Auto-Scooter zwischen dem 5. und 8. Mai vorgenommen. Die Karten, richtig ergänzt, führen allmählich zu den korrekten Kombinationen und lösen für jeden die Frage, wer hat wann was und mit welchem Werkzeug sabotiert. Das Glück spielt dabei durchaus eine Rolle, da der Zugewinn an Erkenntnissen beim Nachziehen der Karten manchmal gering ist. Das stört Kenner, Kinder aber gar nicht so sehr, die fühlen sich wie echte Ermittler, wenn sie mit der Spiegelfolie Fußspuren untersuchen, die nur so ihre wahren Geheimnisse offenbaren. Auch der Informationsflut von 140 Karten ausgesetzt zu sein, hat etwas von echter Ermittlung, wirkt wie die Suche nach der bekannten Stecknadel.
Zielgruppenbezogen sind diese deduktiven Lösungen von Kriminalfällen eine fantastische Idee. Unser zehnjähriger Enkel ist begeistert und gibt sich nie mit der Lösung eines Falls zufrieden. Sein siebenjähriger Bruder hat Probleme bei der Notation, bei den logischen Verknüpfungen, aber auch mit den Spiegelbildern. Er ermittelt trotzdem gerne, sucht sich aber lieber einen Partner, da kann er dann Suchaufgaben übernehmen, die er gut bewältigt.
Mit neun Fällen reicht ein Spielekasten erst einmal für eine Weile und da an jedem Fall über 60 Karten beteiligt sind, trifft man auch später immer wieder auf andere Kombinationen und wird sich kaum im Detail an einen schon gelösten Fall erinnern. Neben dem LAMA LAND gibt es schon den RAUB IN DER CLIFFROCK VILLA und den MORD IN OAKDALE CLUB. Das letzte Spiel ist anspruchsvoller, da hier ein vierstelliger Schlüssel zu ermitteln ist.
Das KEY-Konzept werden Haba und Thomas Sing sicherlich weiter entwickeln, der höchste Schwierigkeitsgrad ist noch offen. Ich gehe fest davon aus, dass Sing daran ebenso tüftelt, wie an weiteren Aufgaben, die er seiner CREW stellen möchte, die bald nicht mehr nur im All, sondern Unterwasser unterwegs sein wird.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: THE KEY – SABOTAGE IM LUCKY LAMA LAND
Verlag: Haba
Autor: Thomas Sing
Grafik: Timo Grubing
Spielerzahl: 1 - 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 - 20 Minuten
Preis: ca. 19.- Euro
Spiel 76/ 2020
« vorherige Seite
(Seite 16 von 43, insgesamt 1074 Einträge)
nächste Seite »