Freitag, 13. November 2020
TOO TOO CATCH
Man mag es kaum glauben, interpretiert man im Corona-Jahr 2020 die Kinderliste der Jury Spiel des Jahres, dann war der kleine litauische Verlag Logis am erfolgreichsten. Mit FOTO FISH war ein raffiniertes Suchspiel von Michael Kallauch zum Kinderspiel des Jahres nominiert und mit GO SLOW! von Felix Beukemann war ein weiteres Spiel auf der Empfehlungsliste. Das hat nicht einmal Haba geschafft, die Bad Rodacher hatten nur HANS IM GLÜCK im Rennen.
Ein Blick auf eine weitere Veröffentlichung von Logis lohnt daher. Die Redaktion greift häufig auf deutsche Autoren zurück, die sie meist auf dem Autorentreffen in Göttingen rekrutieren konnten. Erstmalig sind die Litauer dabei auf Thilo Hutzler gestoßen, der seit 31 Jahren Spiele veröffentlicht, mit denen der Realschullehrer nach eigenen Angaben inzwischen eine Auflage von etwa 1,3 Millionen erreicht hat. Hutzler ist meist im Kinder- und Familienspielsektor unterwegs. Für das Noris-Spiel AUSGEFUCHST! konnte er 2016 den Preis Spiel der Spiele für Kinder in Österreich in Empfang nehmen.
Logis hat mit TOO TOO CATCH ein Beobachtungs- und Reaktionsspiel veröffentlicht, das sich schon für Kinder ab vier Jahren eignet. In Hutzlers Eisenbahnspiel sind die Waggonfarben von zentraler Bedeutung, es gibt rote, blaue, gelbe, grüne und orangene Anhänger in drei verschiedenen Formen, die alle eine entsprechende Zugmaschine besitzen. Die drei Lokomotiven liegen immer offen aus, die Waggonkärtchen werden gemischt und vier davon den passenden Loks zugeordnet. Dann wird mit zwei Farbwürfeln gewürfelt. Kommt die zu sehende Farbkombi in einem der Züge vor, grabschen alle ganz schnell nach einem großen Lokomotiven-Würfel. Der darf dann zweimal geworfen werden, taucht dabei die Lokomotive auf, nimmt der Gewinner sämtliche Waggons des betroffenen Zuges an sich, sonst wird der Würfel an den Nachbarn weiter gereicht, der aber nur noch einmal würfeln darf.
Falls eine Farbkombination nicht vorkommt, ergänzt der aktive Spieler die Züge um einen Waggon. Sollte ein Kind einen Fehler machen, bekommt es ein Stopp-Signal und muss eine Runde pausieren. TOO TOO CATCH endet, wenn alle Waggons verteilt und an die Loks angehängt sind oder vorher ein Kind sich zehn Waggons sichern konnte, was aber meist nur im Duell vorkommt.
TOO TOO CATCH ist ein einfaches Reaktionsspiel, das in seiner Farbzuordnung die Zielgruppe kleiner Kinder angemessen fordert. Das Material mit den Puzzle-Zügen und großen Würfeln ist gelungen, sehr schön ist auch die Unterscheidbarkeit der drei Züge, auf die die Kleinen achten müssen. Hutzlers Spiel fehlt zwar die Originalität, damit es wie FOTO FISH und GO SLOW! In Auszeichnungsregionen hätte vorstoßen können, aber es ist ein unterhaltsames und lehrreiches Spiel für Kinder ab vier Jahren.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: TOO TOO CATCH
Verlag: Logis
Autor: Thilo Hutzler
Grafik: Dovydas Ciuplys, Gediminas Akelaitis
Spielerzahl: 2 - 5
Alter: ab 4 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 17.- Euro
Spiel 75/ 2020
Donnerstag, 12. November 2020
HICK-HACK IN GACKELWAG
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Tierisches Vergnügen
Massentierhaltung ist auf den Hühnerhöfen des Hannoveraners Stefan Dorra nicht angesagt. Sechs Höfe hat er für sein Freilandgeflügel hergerichtet. Das Herumlaufen in der freien Natur bringt aber auch so einige Gefahren mit sich. Um die gesunde Körnernahrung des Federviehs, grüne, blaue und gelbe Holzklötzchen, die an den Höfen ausliegen, streiten sich bis zu sechs Spieler in dieser pfiffigen Spieleneuheit HICK-HACK IN GACKELWAG aus dem Zoch-Verlag in München.
Um an die Körner zu kommen, müssen die Spieler eine, bei weniger als vier Spielern auch zwei ihrer Handkarten verdeckt ablegen. Die Karten sind farblich den sechs Höfen zugeordnet und zeigen entweder das dortige Geflügel oder einen Fuchs. Ist ein Huhn allein auf dem Hof, erhält der Spieler den ganzen Körnervorrat. Gibt es ein Hühnertreffen, was bei großen Kornvorräten oft der Fall ist, dürfen die Beteiligten eine Einigung über die Verteilung der Körner aushandeln. Schaffen sie das nicht, kommt’s zum „Hick-Hack“, einem Duell mit Würfel und Kartenwerten, bei dem der Sieger alle Körner bekommt. Taucht ein Fuchs auf dem Hof auf, teilt er nicht mit. Er schnappt sich unbarmherzig alles dort befindliche Federvieh. Füchse sind Einzelgänger, treffen mehrere zusammen, entscheidet auch bei Ihnen ein Duell. In der Endabrechnung zählen dann neben den Körnern die Kartenwerte des gefangenen Geflügels, wobei den Füchsen auch Minuswerte untergeschoben werden können.
Stefan Dorra ist mit diesem Hühnerhof-Hick-Hack ein raffiniertes Bluffspiel mit psychologischem Tiefgang gelungen, das besonders in voller Besetzung mit sechs Spielern viel Spaß macht. Eine hervorragende Regel führt schnell ins Spiel ein, die Grafik von Doris Matthäus trägt zum Spielvergnügen bei. Mit einem Preis unter 20.- DM ist dieses Schmankerl aus München wohlfeil zu erwerben.
Wieland Herold
Titel: HICK-HACK IN GACKELWAG
Autor: Stefan Dorra
Verlag: Zoch-Verlag
Spieler: 2-6
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 19.- DM
Die Rezension erschien 2001 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 8/ 2001 R 149/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Der in der Nähe von Hildesheim lebende Sprachheilpädagoge Dorra startete 1992 seine Autorenkarriere mit einem Achtungserfolg. Sein Zocker-Spiel RAZZIA landete auf der Auswahlliste der Jury, erreichte den 9. Platz beim Deutschen Spielpreis und den 6. bei À la Carte. RAZZIA ist letztlich der Vorgänger für HICK-HACK IN GACKELWAG, das familienspieltauglicher gemacht wurde. Eine grafisch überarbeitete Neuauflage erschien 2014.
1994 bestimmte sein INTRIGE die Messediskussion auf der Spiel in Essen.
Mit LINIE 1 war er wahrscheinlich am dichtesten am Spiel des Jahres dran. Er hatte nur das Pech, dass Teubers CATAN unschlagbar war. Daher reichte es „nur“ für die Auswahlliste und den zweiten Platz beim Deutschen Spielepreis.
Mit den Spielern SEERÄUBER (2006), LAND IN SICHT (2009) und ESELSBRÜCKE (2011) war er dann später ebenfalls nominiert. Für MEDINA (2001) bekam er noch einmal den 2. Platz beim Deutschen Spielepreis.
Das Bild zeigt Dorra im Gespräch mit Bernd Brunnhofer 2002 auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Mittwoch, 11. November 2020
MOTORCHAMP
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MOTORCHAMP
Das exklusive Autorennspiel MOTORCHAMP von Albrecht Nolte kann sich sehen lassen. Spielmaterial und Design entsprechen höchsten Ansprüchen, die optische Aufbereitung der Regel mit vielen Beispielfotos ist für einen Kleinverlag (AZA-Spiele) vorbildlich und nicht zuletzt überzeugen die 16 großen Rennautos. Entsprechend riesig fällt der Spielplan aus, der, modulartig aufgebaut, 12 verschiedene Rennstreckenkombinationen, kurze und längere, zulässt. Bis zu acht Spieler können entweder mit einem Team (zwei Fahrzeuge) oder mehreren Teams zum Rennen antreten. Das Ganze hat aber auch seinen Preis, einen beträchtlichen nämlich. Bedingt durch die Spezialanfertigung der fantastischen, aber teuren Rennautos wird das Spiel für 150.- DM angeboten
Der atmosphärische Rahmen ist stimmig, wie steht es um die Spielspannung, die sich aus der spielerischen Umsetzung der Rennsituation ergibt? Rennmotor ist der Würfel, was prinzipiell kein Nachteil sein muss. Betrachten wir den Rennverlauf der abgeschlossenen Schumacher-Saison, spielte oft genug der Zufall eine entscheidende Rolle mit. Solange man dem Würfelglück nicht total ausgesetzt ist, ein taktischer Würfeleinsatz möglich wird, ist nichts gegen Würfel bei Sportspielen einzuwenden.
Die Fahrbahn von MOTORCHAMP besitzt drei unterschiedliche Grautöne. Auf den ganz dunklen Kurvenfeldern darf nur ein Würfel benutzt werden, wobei die Wahl zwischen einem normalen 6er-Würfel und einem Spezialwürfel, der nur bis 3 reicht, bleibt. Die normal grauen Felder verpflichten zur Benutzung von zwei 6er-Würfeln, bei den hellgrauen Feldern dürfen alle drei Würfel benutzt werden. Auf der Rennstrecke gibt es eine Reihe von Geschwindigkeitsbegrenzungen, die nicht überschritten werden sollten. Sobald der Würfelwurf die Begrenzung um mehr als einen Punkt übertrifft, wird der Wagen aus dem Rennen genommen. Würfelt man nur einen Punkt höher, bleibt das Auto im Rennen, landet aber wegen des zu schnellen Fahrens im Kiesbett. Es kann dauern, bis der Fahrer, der erst einmal entgegen der Fahrrichtung steht, sich wieder berappelt hat. Nolte hat den Aussetzfaktor geschickt an das Überholmanöver zweier folgender Rennautos gebunden. Sobald zwei Fahrzeuge vorbei sind, darf das ausgefallene in der nächsten Spielrunde wieder ins Renngeschehen eingreifen.
Das Risiko auszuscheiden gehen die Spieler nicht nur bei den Geschwindigkeitsfeldern ein, auch im normalen Rennverlauf muss auf die Renntaktik der Mitspieler Rücksicht genommen werden. Fahrbahnblockierungen durch vorausfahrende Fahrzeuge stellen dabei das größte Hindernis dar. Der Würfeleinsatz darf entsprechend reduziert werden. Sind viele Fahrzeuge im Rennen, kommt es gerade in der Anfangsphase oft genug zu Situationen, dass dann auch der Einsatz des Spezialwürfels Risiken mit sich bringt.
Ein Rennen geht über sechs Runden. Kleine farbige Plastikpins, die hinter dem Fahrer ins Auto gesteckt werden, markieren die Rundenergebnisse. Zu Überrundungen kommt es sehr schnell, so dass diese etwas fummelige Lösung für die Übersicht unabdingbar ist. Sind 12, 14 oder 16 Rennautos im Spiel haben alle sofort den Rundenstand im Blick. Es ist schon schwer genug bei so vielen Rennautos, die Zugreihenfolge immer korrekt einzuhalten.
Neben den Rennrunden wird ein Boxenstopp am Fahrzeug angezeigt. Spätestens am Ende der vierten Runde sollte jedes Team in der Box gewesen sein. Da die Zufahrt einspurig ist, häufig blockiert sein kann, kommt es aber immer einmal wieder vor, dass ein Fahrer seine Runden dreht und dreht und nicht in die Box kommt. Wer nach der vierten Runde vorbeifahren muss, wird mit einem erheblichen Handicap bestraft. Dieser Fahrer darf die nächste Runde nur mit einem normalen Würfel bestreiten, das bedeutet, dass auch der oft notwendige Spezialwürfel nicht eingesetzt werden darf.
Sobald das erste Rennauto die Ziellinie überfahren hat, endet das Rennen. Einzelwertungen und Mannschaftswertungen können nach offizieller Punktvergabe oder individuellen Regelungen vergeben werden. Die Spielbeschreibung macht deutlich, dass es dem Autor auf eine vielschichtige Umsetzung des Formel I-Betriebes ankam. Wesentliche Abläufe eines Rennverlaufs findet man wieder, authentisch ist diese Brettspielsimulation aber nicht. MOTORCHAMP bietet zwar einige taktische Möglichkeiten, hauptsächlich muss man aber auf sein Würfelglück vertrauen. Wer das mag, der kann insbesondere in großen Spielrunden viel Spaß mit diesem Autorennen haben. Ob einem dieser Spaß aber 150.- DM wert sein kann, das sollte jeder erst nach einem ausgiebigen Test für sich entscheiden.
MOTORCHAMP bietet sich natürlich für große Rennturniere an, zu denen die Startaufstellung dann nicht mehr einfach ausgewürfelt wird, sondern über Trainingsläufe erspielt werden kann. AZA-Spiele führt solche Turniere regelmäßig durch. Die neuesten Termine finden Sie auf der Homepage des Verlages: www.aza-spiele.de. Nutzen Sie die Möglichkeit über den Wettkampf die Qualitäten dieses Spiels für sich zu testen.
Wieland Herold
Titel: MOTORCHAMP
Autor: Albrecht Nolte
Grafik: Huch & Partner
Spieler: 2 bis 8
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 60 bis 90 Minuten
Preis: 150.- DM
Aza-Spiele e.K., Schnutenhausstr. 3, 45136 Essen
Die Rezension erschien 2000 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 12/ 2000 R 148/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Das Bild stammt von der Spiel in Essen aus dem Jahre 2000. Nolte spielt mit Besuchern seine Neuheit MOTORCHAMP.
Nolte tingelte ein gutes Jahrzehnt mit dem 1999 erschienenen TURFMASTER über die Messen. Bis 2013 gab es Turniere. Ein Benno Schotte aus Münster führt das letzte Ranking an.
MOTORCHAMP war das zweite Spiel in dieser Sportreihe, es folgte 2003 noch GOLFPROFI. Beide Spiele konnten an den Erfolg seines Pferderennens nicht anknüpfen.
Dienstag, 10. November 2020
WELT DER WINDE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Mit Raumgleitern durch die WELT DER WINDE
Marion und Andrea Dettelbach sind inzwischen bekannt für eine liebevoll aufbereitete Materialflut ihrer Kleinstauflagen. Beim neusten Spiel WELT DER WINDE ist die Pappschachtel wieder proppenvoll, u.a. gefüllt mit 25 bräunlich-rote Cupriten, Kupfererzteile, die das Ziel der Begierde für zwei bis sechs Spieler in der Welt der Winde sind.
Steigen Sie mit ein in meinen Raumgleiter. Etwas Phantasie ist allerdings nötig. Auch wenn mein Raumgefährt scheinbar auf Holzdübeln fährt und Schaumstoffstopper einen optischen Abschluss bilden, der Corpus, das können sie mir glauben, ist echte Handarbeit – und das Ding fliegt wirklich. Meine vier gelben Gleiter finden Sie in allen Teilwelten unseres Windsystems. Ich stehe zurzeit in der weißen Schneewelt, mir gegenüber ist die graue Steinwelt, dazwischen die Cuprit-Insel. Rechts von mir ist die grüne Dschungelwelt, ihr gegenüber zu meiner Linken die blaue Wasserwelt. Die Wasser- und Steinwelt signalisiert mir akuten Cupritbedarf. In unserer Welt muss beim Fliegen mit ständig wechselnden Winden gerechnet werden, in vier Regionen gibt es ganz extreme Turbulenzen, die alles durcheinanderwirbeln und ein Auftauchen in einer anderen Turbulenz-Zone möglich machen. Ich schalte erst einmal den Kachelmann-Service ein, der mir Mitteilung über die Winde der nächsten sechs Minuten macht. Im Minutenwechsel verändert sich nämlich in der Welt der Winde die Lage. Zweimal soll es kräftig gen Dschungelland blasen, einmal bläst der Wind mir direkt ins Gesicht und dreimal geht’s Richtung Steinwelt. Ich aktiviere an meinem Gleiter den Windunterdrücker, den ich stets für eine Windrichtung benutzen kann. Dann werfe ich einen Blick auf die Raumkarte und programmiere meine Zieldaten in den Bordcomputer. Hoffentlich kommt mir niemand in die Quere, da schwirren noch sieben Raumgleiter meiner drei Mitspieler herum und ich hab’ keine Ahnung, auf welches Ziel sie zusteuern. Nur gut, dass nur drei davon gleich mit losfliegen werden. Mein Computer meldet, dass die Daten korrekt sind. Über den Monitor sehe ich, dass die Kapitäne der anderen Raumschiffe immer noch mit ihrer Planung beschäftigt sind. Bei der Raumkontrolle melde ich meine Zugzeit an, da ich von einer Teilwelt aus starte, will ich mir Zeit lassen und erst als letzter losfliegen. Vielleicht kommt mir ja noch einer vor die Flinte, aber unsere oberste Raumbehörde untersagt ja leider jegliche Streitigkeiten in der Startphase. Jetzt sind die anderen endlich startbereit, die Raumkontrolle gibt grünes Licht. Einer landet auf der Cuprit-Insel und belädt seinen Gleiter mit einem großen Brocken Kupfererz, der zweite schafft die Landung in der Dschungelwelt und lässt dort seine Ladung. Der dritte Kapitän fliegt von der Wasserwelt los und überspringt immerhin zwei Raumsektoren Richtung Cuprit-Insel. Mein eigener Flug führt mich drei Sektoren weiter.
Kennen Sie sich inzwischen schon aus? Vielleicht schaffen Sie den nächsten Zug schon alleine. Also: Kachelmann anrufen! Wenn Sie ihn sehen würden! Der sitzt in seinem Wetterbüro und würfelt sechs Farbwürfel, damit steuert er unsere ganze Windanlage. Dann – Lageanalyse: Wer fliegt wohin? Wo bin ich sicher? Wo kann ich meine Kollegen ärgern? Beeilen Sie sich, denn diesmal wollen Sie doch als erster losfliegen. Die Raumkontrolle wartet auf Ihren Anruf! Es klappt. Sie landen auf der Kupferinsel. Cuprit aufladen und weiter geht’s zur nächsten Runde.
Wir blenden uns aus. Das Spielprinzip ist Ihnen klar geworden. Atmosphärisch müssen Sie’s selbst nacherleben. Die Dettelbachs haben wieder ein echtes Schmankerl entwickelt. Klar, das Thema ist aufgesetzt, aber diese Raumgleiterrallye macht riesigen Spaß. Da jeder vier Raumschiffe besitzt gibt es ein ganz schönes Gedränge in der windigen Welt. Die Möglichkeiten sind vielschichtiger als dies die Beschreibung verdeutlichen kann. Alle sind zwar abhängig von den Würfelergebnissen und diese taugen für bestimmt Planungen manchmal überhaupt nichts, aber der Wurf gilt für alle und jeder muss versuchen, das Beste aus dieser Situation für sich herauszuholen. Gerade die Turbulenzfelder helfen oft weiter und führen immer wieder zu ganz neuen Situationen. Kommt man gar nicht weiter, hat man zweimal im Spiel die Möglichkeit auf Windstabilsatoren zurückzugreifen, die einen diagonalen und geraden Flug über vier oder fünf Felder ermöglichen. Für die Einführungsspiele und wenn Kinder dabei sind, empfiehlt es sich, diese Möglichkeit viermal während des Spiels zuzulassen.
Besonders effektvoll ist natürlich der Crash. Trifft ein Raumschiff auf ein anderes, gilt das Rauswerfprinzip. Geladenes Kupfererz kann übernommen werden oder fliegt sonst frei im Raum herum und ist damit Beute für alle. Das Spiel endet sobald jeder drei Cuprite in seine Teilwelten bringen konnte und einen vierten geladen hat. Das gilt für Spielerzahlen ab vier, sind weniger beteiligt, muss ein Kupfererz mehr gesammelt werden. Mit einer Spieldauer von 90 Minuten müssen Sie etwa rechnen. Beim Spiel zu zweit, für das es noch eine Sonderregel mit einem zusätzlichen Be-Gleiter gibt, auch beim Dreierspiel, dauert der Spaß maximal 60 Minuten. Wenn Sie einmal mehr als das Papp-Einerelei der üblichen Brettspiele erleben wollen, den Charme des Selbstgemachten in einem individuell gefertigten Spiel mögen, dann greifen Sie zu. Marion und Andreas Dettelbach nehmen Bestellungen gern entgegen!
Wieland Herold
Titel: Welt der Winde
Autor: Marion und Andreas Dettelbach
Verlag: Spielteufel, Eisenhutweg 10, 70374 Stuttgart
Grafik: Andreas Dettelbach
Spieler: 2 bis 6
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 60 bis 90 Minuten
Preis: 65.- DM
Die Rezension erschien 2000 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 11/ 2000 R 147/2020
Zum Spiel, Verlag und zu den Autoren:
Andreas und Marion Dettelbach haben den Kleinstverlag Spielteufel 1995 gegründet, um ihre Spiele in liebevoller Handarbeit gefertigt, an die Frau oder an den Mann zu bringen. Fast in einem regelmäßigen Rhythmus von fünf Jahren zwischen 1995 und 2011 brachten sie meist jeweils zwei Spiele heraus.
Sie starteten 1995 mit WESTWÄRTS, hinzu kam FETTE KÜHE. 1999/2000 folgten SCHWIMMER IN DER WÜSTE und WELT DER WINDE. 2005 kamen ABUSIR und mit AGGERSBORG, das einzige Spiel eines Gastautors (Uwe Fischle), dazu. In einer letzten Phase zwischen 2009 und 2011 erschienen noch 1314 A.D., DAS GEHEIMNIS VON TRELLEBORG und DIE TRÄNEN DER GÖTTER.
Bei einem anderen Verlag erschien nur ein einziges Spiel der Dettelbachs, 1999 das Ablegespiel PULS bei Adlung. Das Foto zeigt Andreas Dettelbach 2000 auf der Spiel in Essen.
Montag, 9. November 2020
LAGUNA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spiel auf Zeit: LAGUNA
Zur neuen optisch auffallenden Reihe „Queen Games 2000“ , deren Titelgrafik sich über alle Seitenteile der Spieleschachteln erstreckt, gehört das Perlensucherspiel LAGUNA, das auf einer innovativen Spielidee des Bonner Spieleautors Bernhard Weber beruht. Er entführt zwei bis vier Spieler zum Perlentauchen in die Südsee. Der fade Beigeschmack, den man in diesen Tagen bei einem solchen Tauchabenteuer haben muss, ist dem Autor nicht anzulasten. Das Schicksal der Göttinger Familie Wallert und das ihrer Mitgeiseln, die schon vor über fünf Wochen aus ihrem traumhaften Schnorchelrevier Sidapan auf die philippinische Insel Jolo verschleppt wurden und sich immer noch in der Gewalt terroristischer Entführer befinden, wird in diesen Tagen unausweichlich zum Thema, wenn LAGUNA auf den Spieltisch kommt.
Webers Südseeplan ist mit einem Raster von 24x24 quadratischen Feldern überzogen. Auf einigen dieser Felder sind Richtungspfeile zu sehen, die Strömungen des Wassers anzeigen, außerdem gibt es noch eine ganze Reihe von Riff-Feldern. In Ausstanzungen des Spielplans sind am Rande acht Perleninseln untergebracht; im Zentrum befindet sich eine Vulkaninsel. Auf den Inseln liegen zu Spielbeginn drei Perlen unterschiedlicher Farbe. Jeder der zwei bis vier Spieler erhält eine Art Floß, ein rechteckiges Holzstück mit sechs Löchern, das an einer der Perleninseln anlegt. In das Floß werden zwei oder drei Perlen von der Insel eingeladen. Die Spieler müssen nun versuchen, über die Wasserströmungen und Riffs hinweg Perlen der eigenen Floßfarbe zur Vulkaninsel zu bringen. Je nach Spielerzahl müssen dies bis zum Spielende vier, fünf oder sechs Perlen sein.
Seinen besonderen Reiz erhält LAGUNA durch den Zeitdruck, unter dem die Spieler stehen, wenn sie ihre Flöße bewegen. Eine Sanduhr, die ca. 30 Sekunden läuft, beschränkt die Dauer eines Spielzuges. Die Perlen müssen dabei so auf den sechs Löchern des Floßes verteilt werden, dass bei der „Fahrt“ des Bootes in den freien Öffnungen stets nur Wasserfelder zu sehen sind. Taucht ein Pfeil auf, so muss in dessen Richtungen weiter gefahren werden; ist ein Riff zu sehen, endet der Zug sofort. Restzeiten kommen dem nachfolgenden Spieler zugute, der dadurch länger fahren darf, wenn ihm nicht auch ein Riff in die Quere kommt. Während der Züge sind die Spieler ständig am Umgruppieren der Perlen, um gefährliche Stellen unsichtbar werden zu lassen. Da kommt Hektik auf ! Wer zu lange nachdenkt, ist bald aus dem Rennen. Unter dem enormen Zeitdruck kommt es aber auch bei scheinbar coolen Spielern ständig zu Fehlern. Unterwegs gilt es noch aufzupassen, dass die lieben Mitspieler dem eigenen Boot nicht zu nahe kommen. Denn sobald einer anlegt, darf er Perlen tauschen und kann damit die Anzahl der Perlen seiner eigenen Farbe erhöhen. Nur gut, dass nach dem Ausladen am Vulkan mindestens zwei Perlen noch im Floß bleiben müssen, sonst käme man auch gar nicht mehr weiter und würde hilflos in der Südsee herumtreiben.
Eine tolle Spielidee, deren redaktionelle Bearbeitung Bernd Dietrich von Queen Games fast perfekt gelungen ist. Äußerst stimmig ist der dreidimensionale Spielplan und das dazugehörige Spielmaterial. Raffiniert seine Idee, eine leichtere und eine komplexere Variante anzubieten, indem er den Spielplan doppelseitig nutzt. Auf der einen Seite befindet sich ein relativ harmloses Tauchgebiet, das Neulingen einen guten Einstieg ins Spiel bietet. Auf der Rückseite stoßen die Spieler fast ständig auf Riffe und Strömungspfeile, so dass selbst erfahrene Floßkapitäne ins Schwitzen kommen. Auch seine Regelvarianten bieten durch Weglassen der Sanduhr, Erhöhen der Ladekapazität Erleichterungen an. LAGUNA eignet sich dadurch sehr gut als Familienspiel, wenn mitspielende Grundschulkindern zum Beispiel ihr Floß mit fünf Perlen beladen dürfen. Der Verlag hat an alles gedacht, sogar an fehlende Spielpartner: Durch eine Solovariante kann man sogar alleine zum Perlensammeln aufbrechen.
Wieland Herold
Titel: LAGUNA
Verlag: Queen Games
Autor: Bernhard Weber
Grafik: Franz Vohwinkel
Spieler: 1 – 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 20 bis 30 Minuten
Preis: ca. 55.- DM
Die Rezension erschien 2000 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 10/ 2000 R 146/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Bernhard Webers erster großer Erfolg war der Gewinn des Hippodice Autorenwettbewerbs 1996 für BOOMTOWN (siehe Bild), das noch im gleichen Jahr als DOWNTOWN bei Abacus erschien. Es folgten bis jetzt rund 30 Spieleveröffentlichungen. Zuletzt das geniale KRASSER FALL bei Ravensburger, zuvor hat der 51jährige Autor, der in Bonn lebt Erfolge mit BURG APPENZELL (Zoch, 2007), das den Deutschen Kinderspielpreis gewann und auf die Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres kam. Das gelang im auch 2011 für DAS GROSSE KULLERN (Ravensburger) und 2017 für GLUPSCHGEISTER (Kosmos), wie schon bei BURG APPENZELL eine Kooperation mit Jens-Peter Schliemann. Außerdem war er 2013 mit GOLD AM ORINIKO (Haba) für das Kinderspiel des Jahres nominiert.
Für LAGUNA reichte es trotz aller Originalität nicht für Preise. Vielleicht lag es an der thematischen Belastung durch den Entführungsfall Wallert (s.o.).
Sonntag, 8. November 2020
VAMPIR
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Bekannter Mechanismus: VAMPIR
Ein „typischer Knizia“, wie oft musste der renommierte Spieleautor Reiner Knizia sich das in den letzten Jahren schon anhören, durchkonstruiert, glatt, zu mathematisch, beliebiges Thema, aber durchaus spielbar. Ich mag seine Spiele, muss aber bei der nun folgenden Besprechung des neuen Goldsieber-Kartenspiels VAMPIR zugestehen, dass er damit keinen Preis für Originalität gewinnen kann.
Drei bis fünf Spieler begeben sich auf Vampirjagd an sechs verschiedenen Örtlichkeiten, die zu Spielbeginn in der Tischmitte ausgelegt werden. Jeweils ein Vampir hat sich dort schon eingefunden. Von den restlichen Karten erhält jeder Spieler vier. Die Karten ziert entweder ein Vampirkopf oder zwei, außerdem gibt es noch Kutschenkarten, die Jokerfunktion besitzen. Wer am Zug ist, ergänzt seine Handkarten um zwei weitere Vampirkarten, dann muss er sich entscheiden, ob er eine Karte an einem Jagdort ablegen oder ob er selbst auf Jagd gehen möchte. Das darf man immer dann, wenn mindestens drei Vampirkarten einer Farbe ausgelegt werden können, dazu nimmt man alle schon ausgespielten Karten aus der Auslage und ergänzt diese durch Handkarten. Sobald der Kartenstapel aufgebraucht ist oder ein Spieler Vampirkarten in allen sechs Farben erjagt hat, endet das Spiel. In die Wertung kommen alle gesammelten Vampirkarten, sofern man in einer Farbe nicht die wenigsten Köpfe hat. Pro Kopf und Kutscherkarte wird ein Punkt gut geschrieben. Wer nach empfohlenen drei Spielrunden die meisten Punkte gesammelt hat, darf sich als größter Vampirjäger fühlen.
Das Spiel ist schnell erklärt, es besitzt einen einfachen, eingängigen Mechanismus. Die Spielspannung ergibt sich aus dem Abwägen, ob eine Jagd schon lohnt oder ob eine Erweiterung einer Jagdreihe noch eine ganze Runde Bestand haben könnte. Die Auslage der Mitspieler muss dabei stets mit im Blick sein. So hat ein Spieler durchaus Gewinnchancen, wenn er mit kleinen Reihen ein schnelles Spielende herbeiführt, denn sobald ein Spieler nicht mehr dazu gekommen ist, eine Farbe auszulegen, kommen alle gesammelten Karten dieser Farbe in die Wertung.
Die Kartengrafik ist stimmungsvoll, die Farben sind aber nur schwer auseinander zu halten. Was am Ende bleibt, ist durchaus so etwas wie Spielvergnügen, aber auch ein: „Das hatten wir doch schon!“
Wieland Herold
Titel: VAMPIR
Autor: Reiner Knizia
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: Goldsieber
Spieler: 3-5
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 10.- DM
Die Rezension erschien 2000 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 9/ 2000 R 145/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Reiner Knizia, der weltweit produktivste Spieleautor, der auf inzwischen über 700 Spieleveröffentlichungen stolz sein kann, hatte bis 2000 schon einige Auszeichnungen gewonnen, darunter 1993 für MODERN ART und 1998 für EUPHRAT & TIGRIS. VAMPIR (BGG-Wertung aktuell 5,9) war ein solides Spiel, landete aber auf keinen Auszeichnungslisten.
Die besondere Leistung für die spielerische Adaption von DER HERR DER RINGE zeichnete die Jury „Spiel des Jahres“ mit dem Sonderpreis „Literatur im Spiel“ 2001 aus.
2008 erhielt er für KELTIS erstmals den Titel „Spiel des Jahres“ und das gleichzeitig im Doppelpack, da WER WAR’S den blauen Pöppel bekam.
Das Bild stammt aus dem Veröffentlichungsjahr von VAMPIR 2000 in Nürnberg.
Samstag, 7. November 2020
HALALI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
HALALI – so richtig schön (un)gerecht
Ungerecht geht’s oft zu während eines Spiels: der Würfel ist gegen mich, die Karten, die ich brauche, bekomme ich nicht und dann verbünden sich noch alle Mitspieler gegen mich - schöne Freunde! Der Ärger, der in mir hochkommt, ist nicht dem Spiel anzulasten. Das Spiel ist gerecht. Chancengleichheit ist gegeben: jeder kann eine „1“, aber auch eine „6“ würfeln, jeder hat die Chance vier Buben zu erhalten. Das Glück ist irgendwann auch mal wieder auf meiner Seite.
Ungerecht geht’s auf jeder Jagd zu. Chancengleichheit ade, vor dem Blattschuss ist keiner gefeit. Nicht so bei Rudi Hoffmann, in seinem nicht ganz ernst zu nehmenden Spiel HALALI können die Gejagten zurückschlagen.
Ein typisches Brettspiel für zwei Personen, bei dem der eine Spieler die Rolle von Jägern und Holzfällern übernimmt und der andere die von Bären und Füchsen. Auf dem quadratischen Spielplan liegen die Akteure zu Beginn als verdeckte Papp-Plättchen aus, neben vielen Baumkärtchen und einigem Federvieh. Entweder werden Kärtchen aufgedeckt oder bewegt, wobei die Bären den Holzfällern und Jägern auf die Pelle rücken können, die Füchse sich am Federvieh laben, die Holzfäller den Wald entkernen und die Jäger auf alles schießen, was sich bewegt. Der Wert der gewonnenen Kärtchen ist unterschiedlich, so bringt ein Bär dem Jäger zehn Punkte, wenn die Bärenpranke zuschlägt gewinnt die tierische Seite aber nur fünf Punkte. Die Unausgewogenheit ist Programm, wie im richtigen Leben geht’s eben nicht so ganz gerecht zu. Richtig gestellt wird alles durch einen Rollenwechsel, der nach einer Spielrunde auf die beiden Spieler zukommt. Wer nach den beiden Runden am meisten Punkte vorweisen kann, darf sich Spielsieger nennen.
HALALI stellt keine großen Anforderungen an die beiden Spieler, die taktischen Möglichkeiten sind begrenzt, aber vorhanden, der Glücksfaktor ist recht hoch. Wer die leichte Unterhaltung für eine knappe halbe Stunde sucht, ist mit diesem Spiel vorzüglich bedient. Das gilt für erwachsene Spieler, Kinder ab 9 Jahren, aber auch Eltern, die mit ihren Kindern zu einem kurzweiligen Spiel Zeit haben. Rudi Hoffmanns Jagdspiel ist damit ein gutes Familienspiel, das sich auch als Turnierspiel für mehr als zwei Spieler eignet.
Wieland Herold
Titel: Halali
Verlag: Kosmos
Autor: Rudi Hoffmann
Grafik: Franz Vohwinkel
Spieler: 2
Alter: ab 9 Jahren
Spieldauer: 20 bis 30 Minuten
Preis: ca. 25.- DM
Die Rezension erschien 2000 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 8/ 2000 R 144/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Rudi Hoffmann, der Vater von Guido Hoffman, gehörte schon in den 60er und 70er Jahren zu den bekanntesten Autoren Deutschlands. Da er als Werbegrafiker arbeitete, hat er die meisten seiner Spiele mit einem unverkennbaren ironischen Stil selbst gestaltet. Seine Handschrift prägt viele frühe Spiele der Verlage Spear und Berliner Spielkarten.
Seinen größten Erfolg hatte er 1989 mit CAFÉ INTERNATIONAL (Mattel), das Spiel des Jahres wurde. Dieser Preis führte vor allem in den 90ern zu vielen Neuauflagen seiner älteren Spiele. HALALI gehörte dazu, ursprünglich hieß das Spiel JAG UND SCHLAG und war 1973 bei Spear erschienen. Das auch solche alten Ideen immer noch erfolgreich sein können, zeigen die weiteren Auflagen, die 2012 und 2015 folgten.
Rudi Hoffmann starb im Juli 2008 mit 83 Jahren.
Das Foto zeigt Rudi Hoffmann 1989 in Essen während der legendären CAFÉ INTERNATIONAL-Runde mit Randolph, Sackson und Kramer.
Freitag, 6. November 2020
MEIN LIEBER BIBER!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Biber auf der Rutsche
Eine Floßfahrt kann eine ganz schön wackelige Angelegenheit werden, das Auf und Ab führt manchmal auch die ganze Floßbesatzung ins kühle Nass. Da in dem hier vorgestellten Spiel sich sechs Biber auf einem kippligen Floß befinden, ist ein mögliches Abrutschen ins Wasser nicht weiter tragisch, ärgerlich ist nur, dass das Holz, das sie für ihren Dammbau sammeln wollten, verloren geht.
Um 60 Holzstämme können zwei bis sechs Kinder ab sechs Jahren in dem neuen Kinderspiel MEIN LIEBER BIBER! aus dem Verlag Goldsieber rangeln. Wer am Ende die meisten Stämme zum Dammbau beigetragen hat, gewinnt das Spiel. Die Holzbiberfiguren werden aus der Floßmitte über eine Spiralbahn zum Rand geführt. Da das Floß auf einem Holzsockel aufliegt, müssen die Kinder beim Bewegen der Biberfiguren auf die Balance ihres Wassergefährts achten. Jeder darf jede Figur mit Hilfe von Bewegungskarten voransetzen. Schaffen die Spieler es dabei, einen Biber auf ein Feld seiner Farbe zu führen, erhalten sie zur Belohnung ein Holzstäbchen oder eine zusätzliche Bewegungskarte. Gelangt ein Tier bis zum Wasser, gibt es die gleiche Belohnung. Insgesamt sind drei Spielrunden vorgesehen, bei denen es die Kleinen meist nicht belassen wollen.
Heinz Meister, erfolgreicher Spieleautor im Kinderspielsektor, gelingt es, mit MEIN LIEBER BIBER! eine gesunde Mischung aus leicht nachvollziehbarer Taktik, etwas Geschicklichkeit und viel Spielspaß anzubieten, ein Spiel also, das sowohl Erstklässler als auch deren Eltern mit Vergnügen spielen können. Der Verlag Goldsieber bietet das Spiel in einer preiswerten und kindgerechten Umsetzung an. Die „Minibox“, die das Spielmaterial enthält, ist nur etwas voluminös geraten.
Wieland Herold
Titel: MEIN LIEBER BIBER!
Autor: Heinz Meister
Verlag: Goldsieber, Reihe: Maxis in der Minibox
Spieler: 2 bis 6
Alter: ab 6 Jahren
Zeit: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 20 DM
Die Rezension erschien 2000 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 7/ 2000 R 143/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Heinz Meister gehört zu den produktivsten und am längsten aktiven Spieleautoren in Deutschland. Mit Blick auf die Anzahl seiner Veröffentlichungen dürfte ihn nur Reiner Knizia übertreffen.
Besonders erfolgreich war und ist Heinz Meister mit Kinderspielen. Mit SCHWEINSGALOPP gewann er 1992 sowohl den Sonderpreis der Jury Spiel des Jahres als auch den des Deutschen Spielepreises. Auf diesen war er Anfang der 90er Jahre abonniert, er gewann ihn 1993 für VERFLIXT GEMIXT und 1994 für HUSCH, HUSCH, KLEINE HEXE. Ein Jahr später zeichnete ihn die Jury Spiel des Jahres mit dem damaligen Sonderpreis Kinderspiel für KARAMBOLAGE aus. ZAPP ZERAPP war dann fast wieder ein Doppelerfolg, mit Klaus Zoch zusammen gewann er 2001 den Deutschen Kinderspielepreis und eben die Nominierung. Das Bild zeigt Heinz Meister mit Synes Ernst bei der Übergabe der Nominierungsurkunde während der Preisverleihung in Berlin 2005 für DADDY COOL, ein weiteres erfolgreiches Meisterstück.
Mittwoch, 4. November 2020
DER PLUMPSACK GEHT UM
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Neu aufgelegt: DER PLUMPSACK GEHT UM
Staupe-Spiele waren im Bereich der Kinderkartenspiele eine Klasse für sich. Beschränkt auf 32 Karten, grafisch wenig anspruchsvoll, aber durch die Bank mit Spielideen versehen, die sich sehen lassen konnten. Reinhard Staupe, inzwischen zuständiger Redakteur bei Amigo für den Kartenspielbereich, hat eine Reihe seiner Schmankerl bei seiner neuen Firma neu verlegt. In die Amigo-Schachtel passen mehr Spielkarten, so dass bei allen Spielen draufgesattelt werden konnte. Die Kartenqualität ist stabiler - die Firma wirbt mit dem Slogan: Extra für Kinderhände - und die Grafik ist gefälliger.
Auf der Auswahlliste für das „Kinderspiel des Jahres“ befindet sich deshalb zu Recht eines der Staupe Spiele. Die Kinder-Jury hat sich für DER PLUMPSACK GEHT RUM entschieden, eine kurzweilige pfiffige Memoryvariante für 2 bis 5 Spieler ab 5 Jahren.
Auf 49 strapazierfähigen Pappkarten sind Gegenstände abgebildet, zusätzlich findet sich im oberen Kartenbereich eine Zahl mit einem Pfeil, der nach links oder rechts zeigt. Acht der Spielkarten werden offen kreisförmig ausgelegt, so dass die Spieler etwas Zeit haben – die Spielregel schlägt 30 Sekunden vor – sich die Gegenstände und am besten auch noch die Zahlen einzuprägen. Dann beginnt das eigentliche Spiel.
Startspieler ist der jüngste Spieler, sein rechter Nachbar erhält eine rote Plumpsack-Karte, die er vor eine verdeckte Karte legt. Nun muss der Startspieler einen Tipp abgeben, welcher Gegenstand sich unter der markierten Karte verbergen könnte. Hat er sich richtig erinnern können, wandert die Karte mit dem Plumpsack in der Pfeilrichtung und um die Felderanzahl, die die erratene Karte vorgibt, weiter. Das geht solange, bis er daneben tippt oder beim Weiterziehen zu einer offen ausliegenden Karte kommt. Diese erhält er dann. Die Lücke wird aufgefüllt, so dass alle Spieler die neue Karte sehen können. Dann werden alle Karten umgedreht und es geht in die nächste Runde. Gespielt wird auf sechs Siegkarten, wobei diese Festlegung natürlich ebenso wie die Anzahl der Karten im Kreis je nach Schwierigkeitsgrad variiert werden kann.
Das Resümee hatte ich schon im Anfangsabsatz versteckt: Eine Spielidee, die sich sehen lassen kann. Natürlich lässt sie sich auch fantastisch spielen. Die gedanklichen Anforderungen sind beträchtlich, so dass Eltern es schwer haben, bei ihren Grundschulkindern mitzuhalten. Für die Vorschulkinder sollte man auf die einfacheren Varianten zurückgreifen.
Wieland Herold
Titel: DER PLUMPSACK GEHT RUM
Verlag: Amigo
Autor: Reinhard Staupe
Grafik: Oliver Freudenreich
Spieler: 2-5
Alter: ab 5 Jahren
Dauer: 15 Minuten
Preis: ca. 6.- Euro
Die Rezension erschien 2003 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 8/ 2003 R 142/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Reinhard Staupe, der mit WIR SIND DIE ROBOTER aktuell zu den Nominierten für das Kinderspiel des Jahres 2020 zählt, war 2003 erst acht Jahre lang Spieleautor, zählte aber innerhalb kürzester Zeit zu den damals erfolgreichsten. Mit SPEED, COMEBACK, DAVID & GOLIATH und BASARI landete er auf der Auswahlliste der Jury. Neben dem Eigenverlag Staupe Spiele, arbeitete er als verantwortlicher Redakteur für die Berliner Spielkarten. 2001 wechselte er zu Amigo und seit 2012 prägt seine Handschrift den Erfolg von NSV.
DER PLUMPSACK GEHT UM gehört zu den Spielen, die Staupe im Eigenverlag herausgebracht hat, 2003 sorgte er für eine Neuauflage bei Amigo. In dieser Fassung landete es auf der Auswahlliste für das Kinderspiel des Jahres.
Das Bild zeigt Staupe 1996 auf dem Autorentreffen in Göttingen im Gespräch mit Karin Pennther von der Haba-Redaktion, unten ist die Staupe-Ausgabe des Spiels von 1999 zu sehen.
MICROMACRO: CRIME CITY
Wer hätte gedacht, dass Apologeten Ali Mitgutschs mit einer Wimmelbild-Idee einmal den ersten Platz der Fairplay Scoutaktion in Essen gewinnen und nicht Schwergewichte wie BONFIRE oder AEONS END. Im Buchsektor gibt es seit Jahren die vergleichbaren Ratekrimis FINDE DEN TÄTER von Julian Press. Die Wimmelbild-Idee in Spielen ist ebenfalls nicht neu, Parker hatte sich in den 90ern mit WO IST WALTER? in diesem Genre versucht und dabei an die weltweit erfolgreichste Reihe des britischen Grafikers Martin Handfords angeknüpft. Ravensburger experimentierte 2015 mit einer RIESEN BILDER-RALLYE im Disney-Universum auf einem exorbitanten Plan von 180 Zentimetern Länge. So richtig erfolgreich waren alle bisherigen Vorgänger aber nicht, das wird nun anders.
Johannes Sich, den wir von LA COSA NOSTRA kennen, hat Michael Schmitt von der Edition Spielwiese die Idee zu Wimmelbild-Krimis vor einiger Zeit angeboten und Schmitt war sehr angetan. Bei der letzten realen Spiel 2019 zeigte er im Hinterzimmer seines Standes schon stolz den damaligen Prototypen und seit der digitalen Spiel können 16 Kriminalfälle im wuseligen CRIME CITY auf einem Plan von ca. 110x80cm gelöst werden.
Sichs schwarz-weiße Städteschluchten mit Hafenanbindung zeigen keine Momentaufnahme der verbrecherischen Großstadt, sondern zeitversetzte Ausschnitte, die zwar ins große Ganze passen, aber kleine Zeitreisen vor und zurück erlauben. So erleben wir Mordopfer noch lebend, nur wenige Straßenzüge von dem späteren Tatort entfernt und eben daraus entwickelt Sich eine spannende Such-Deduktion, die hilft den Fall zu klären und den Täter zu finden.
Karten leiten uns durch die Diebstähle und Morde, anfangs leichter, später immer schwerer lösbar. Der Autor bietet Kartensätze in fünf Schwierigkeitsgraden an, die wir alle erst einmal eintüten müssen. Teillösungen führen uns zu immer weiteren Fragen, die sich mithilfe einer gründlichen Untersuchung der Bilder auf dem Plan und logischer Überlegungen beantworten lassen, bis schließlich die Lösung gefunden ist. Wirkt wie ein Solospiel, kann natürlich auch alleine gespielt werden, macht aber gerade im gemeinsamen Suchen unheimlich viel Spaß, weil es neben dem Fall soviel zu entdecken gibt. Da fällt anfangs die Konzentration auf die ersten eher leichten Fälle ziemlich schwer, weil die Großstadt viele Ablenkungen bietet.
Wer den Suchrhythmus verstanden hat, sich allmählich hineinzoomt in die Mikrowelt der kleinen Strichfiguren, darf sich dann an der ganz großen kriminalistischen Aufgabe versuchen, in der der Fall nicht mehr über Hilfsschritte gelöst wird, sondern nur aus der Anfangskonstellation heraus rekonstruiert werden soll. Das ist dann eine echte Herausforderung, die aber durchaus zu bewältigen ist.
Im Detail mag es Kritik geben, der große Faltplan macht ebensolche Probleme, wie wir sie früher mit Falk-Stadtplänen hatten. Er ist nur auf dünnes Papier gedruckt, alles andere würde das Spiel aber wohl viel teurer machen. Etwas unpraktisch sind auch die durchsichtigen Tütchen für die Fallkarten, sie spoilern über die Rückseite. Die beiliegende Lupe ist eher ein Wundertüten-Witz und bringt nur wenig Hilfe, zumal sie nur einer nutzen kann. Viel wichtiger ist eine gute Ausleuchtung des gesamten Spielplans und Einblicke von der Hafenseite ins Stadtinnere für alle Beteiligten. Aus nördlicher Perspektive lassen sich die Fälle weniger gut lösen.
Trotz allem hat Johannes Sich hier ein großartiges Konzept entwickelt, das nach neuen Plänen und Fällen nur so schreit. Ähnlich wie die brandtschen EXIT-Fälle dürfte der MICROMACRO-Ansatz das Zeug zum Dauerbrenner besitzen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: MICROMACRO: CRIME CITY
Verlag: Pegasus / Edition Spielwiese
Autor: Johannes Sich
Grafik: Hard Boiled Games (Johannes Sich, Daniel Goll, Tobias Jochinke)
Spielerzahl: 1 - 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 - 45 Minuten
Preis: ca. 19.- Euro
Spiel 74/ 2020
Dienstag, 3. November 2020
SPACE BEANS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Galaktische Farmen
Satirisch nimmt die Firma Amigo den Weltraumboom zur Jahrtausendwende auf. Einer ihrer erfolgreichen Kartenspielautoren, Uwe Rosenberg, der mit dem Bohnen-Sammel- und Tauschspiel BOHNANZA enormen Erfolg hat, tritt mit SPACEBEANS gegen die großen Brettspiele an. Wer wird Herrscher des „Bohniversums“ und sammelt die meisten außerirdischen Lebensformen in Bohnengestalt.
Über den kleinen Prinzen und Kubricks 2001 bis zum Krieg der Sterne ist alles bohnenmäßig aufbereitet, originell in einen ungewöhnlichen Spielablauf verpackt, in dem die Mitspieler ihre sämtlichen Handkarten weiterverschenken müssen. Auch hier werden Sammlungen aufgebaut und in Punkte umgewandelt, wer als erster 30 erreicht, wird zum obersten „Weltraumbohnenbauer“ ernannt.
Rosenberg ist wieder ein gefälliges, neuartiges Kartenspiel gelungen, das viele Freunde finden wird. Es besitzt zwar nicht ganz die Genialität seines irdischen Vorbilds, unterhält aber unter den vielen Weltraumspielen ausgezeichnet.
Wieland Herold
Titel: SPACE BEANS
Verlag: Amigo
Autor: Uwe Rosenberg
Grafik: Björn Pertoft
Spieler: 2-5
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 40 Minuten
Preis: ca. 10.- DM
Die Rezension erschien 1999 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 19/ 1999 R 141/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Seinen ersten Erfolg fuhr Rosenberg als junger Autor mit dem zweiten Platz für MILLENIUM 1991 im Hippodice Wettbewerb ein. Das Spiel erschien unter der Ägide von Peter Gehrmann 1992 als TIMES bei Salagames. Dort veröffentlichte der Redaktionsleiter außerdem noch die Idee MARLOWE von Uwe Rosenberg. Danach ergab sich die ertragreiche Kooperation mit Amigo.
BOHNANZA (1997) war dann sein erster ganz großer Erfolg, das Spiel landete nicht nur auf der Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres. Es gewann den À la Carte-Preis der Fairplay 1997 und erreichte den fünften Platz beim Deutschen Spielepreis.
Der auch internationale Siegeszug setzte sich aber erst danach in Gang. Seit 23 Jahren schon liefert Amigo Gartenbohnen, Saubohnen und auch die ein oder andere Blaue Bohne in unendlich vielen gelben Schachteln aus. Keiner hat mehr so den rechten Überblick, was da alles in rosenbergscher Gartenerde inzwischen herangezüchtet wurde. Das klassische Saatgut wurde vielfach gemendelt und gegendert, musste sich gegen die Bohnenmafia wehren, trat Seereisen an, gelangte in den Wilden Westen und kämpfte sich in BOHNRÖSCHEN durch Rankenwerke.
SPACE BEANS war eine satirische Reaktion des Amigo-Redakteurs Uwe Mölter und Uwe Rosenbergs auf die inflationäre Herausgabe von Weltraumspielen zur Jahrtausendwende.
Nach seinem Studium der Statistik gründete Uwe Rosenberg 2000 zusammen mit Hanno Girke und Marcel-André Casasola Merke den Lookout Spieleverlag. Er behielt aber im Gegensatz zu Klaus Teuber, der sich an Kosmos band, seine Unabhängigkeit und veröffentlichte weiter Spiele bei vielen Verlagen, so das Zweipersonenspiel BABEL 2001 bei Kosmos oder 2004 YELLOWSTONE PARK bei Amigo.
Die großen Erfolge mit komplexen Aufbauspielen wie in AGRICOLA gönnte er aber Lookout Games.
Auch in der Folgezeit unterstützte er Neugründungen von Verlagen, so Feuerland und die Edition Spielwiese. Ganz aktuell hat er auch die Wyrmgold GmbH mit angeschoben und dem jungen Verlag ROBIN VON LOCKSLEY spendiert.
Auf dem Bild ist der 29jährige Uwe Rosenberg 1999 in Essen mit seinem damaligen Gesamtprogramm zu sehen.
Montag, 2. November 2020
SPACE WALK
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
KALAHA in den Weltraum hineinverlegt
Vor der Jahrtausendwende folgt ein Weltraumspiel dem anderen. Kosmos siedelt im All, die Kleinen spielen mit Sternsplittern und Abacus erfindet mit Alan Moon fliegende Aschenbecher. Ravensburger verlegt aktuell einen Klassiker in den Weltraum.
Eines der ältesten Spiele der Welt, von dem über 200 verschiedene Versionen existieren, ist das BOHNENSPIEL, auch unter dem Namen KALAHA bekannt. Die meisten Variationen dieses Spiels gibt es in Afrika, so dass es oft als „Nationalspiel Afrikas“ bezeichnet wird. Auf die taktisch geschickte Verteilung von Bohnen, Perlen, Muscheln oder kleinen Steinen in meist 14 Spielmulden kommt es bei diesen Spielen an.
Die Firma Ravensburger hat in diesem Jahr eine Weltraumadaption dieser Spielidee herausgebracht. Das klassische KALAHA wird zu zweit gespielt, SPACEWALK von Rüdiger Dorn kann noch drei zusätzliche Spieler vertragen.
Neun Raumschiffe in drei unterschiedlichen Größen bewegen die Spieler über einen Rundkurs mit 21 Feldern. Drei dieser Felder sind schwarze Löcher, die magisch die Raketen anziehen. In seinem Spielzug sucht sich der Spieler, der an der Reihe ist, einen Planeten aus, von dem er sämtliche Raketen fortbewegt. Die Zugweite ergibt sich aus der Zugreihenfolge. Zuerst müssen die großen, dann die mittleren, zum Schluss die kleinen Raketen bewegt werden. Die erste Rakete zieht ein Feld weit, die zweite zwei usw. Gespielt wird solange, bis ein Spieler seine gesamten Raketen in den schwarzen Löchern verloren hat. Die anderen Astronauten erhalten für ihre restlichen Raumschiffe je nach Größe Punkte. Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt den „Weltraumspaziergang“.
SPACE WALK ist ein taktisches Schmankerl, das gegenüber dem klassischen Vorbild den großen Vorzug des Mehrpersonenspiels besitzt. Beim Spiel zu fünft, sind die taktischen Möglichkeiten zwar begrenzt, da man zu sehr von den Aktionen der Mitspieler abhängig ist, es macht aber gerade in voller Besetzung viel Spaß. Etwas Planung, die Anderen ein bisschen ärgern, selbst auch Ärger einstecken müssen, was will man mehr. Zumal das Spielmaterial überzeugt und die optisch gut aufgemachte Regel schnell in das Spiel einführt.
Wieland Herold
Titel: SPACE WALK
Verlag: Ravensburger
Autor: Rüdiger Dorn
Grafik: Franz Vohwinkel
Spieler: 2-5
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 30 Minuten
Preis: ca. 39.- DM
Die Rezension erschien 1999 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 18/ 1999 R 140/2020
Zum Autor:
Rüdiger Dorn feiert bald sein 30jähriges Jubiläum als Spieleautor, er gehört zu den erfolgreichsten deutschen Spieleautoren. Sein erstes Spiel CAMEO erschien 1992 bei Haba, es folgten EX & HOPP (F.X. Schmid, 1996), DER KLEINE RIESE KASIMIR (Goldsieber, 1998), DER SCHATZ DER ERDGEISTER (Piatnik, 1998) und schließlich das hier besprochene SPACE WALK (Ravensburger 1999).
Die ersten Erfolge stellten sich dann mit Alea für DIE HÄNDLER VON GENUA (2001) und mit LOUIS XIV. ein. Das zweite Spiel gewann 2005 den Deutschen Spielepreis. Es folgten viele Nominierungen zum Spiel des Jahres u.a. für das geniale JAMBO (Kosmos, 2005) und DIE BAUMEISTER VON ARKADIA. (Ravensburger, 2007). ISTANBUL (Pegasus) wurde dann 2014 zum Kennerspiel des Jahres gekürt. Von dieser Preisverleihung stammt das Bild.
Sonntag, 1. November 2020
GALAXIA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spielerische Himmelskunde
Der Göttinger Geologe und Hobby-Astronom Reinhold Wittig, bekannter als erfolgreicher Spieleautor, beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der spielerischen Umsetzung astronomischer Phänomene. In dem Kinderspiel GALAXIA (Haba) arbeitet er beispielhaft mit der Schwerkraft und lässt Sternschnuppen auf die Erde fallen.
Die Sterne müssen die Spieler an einem großen Sternrad anbringen. Acht Holzstäbe mit schrägen Bohrungen dienen zur Aufhängung . Das Rad ist an einem Holzständer befestigt, so dass es sich drehen kann. Die angehängten Holzsterne bringen das Himmelsrad in Bewegung, dadurch fallen schon angehängte Sterne immer wieder als Sternschnuppen herunter. Eingesammelte Sterne bringen in der Schlussauswertung Punkte.
Zwei bis vier Kinder ab fünf Jahren können sich an diesem Sternschnuppenregen ergötzen. Das erste Kind sucht drei Holzsterne aus, die das zweite Kind am Sternrad aufhängen muss. Fallen durch die Drehung dabei Sterne herunter, erhält diese das erste Kind. Wenn alle Sterne zu Sternschnuppen geworden sind, endet das Spiel.
In der Spielvariante GALAXIO versuchen die Kinder, ihre Sterne möglichst am Sternrad zu halten. Hier suchen sie selbst einen Stern aus, den sie am Rad aufhängen. Fällt keine Sternschnuppe, gibt es zur Belohnung den aufgehängten Stern aus dem großen Vorrat. Wer am Ende die meisten Sterne gesammelt hat, ist Spielsieger.
Beide Varianten sind Geschicklichkeitsspiele mit hohem Aufforderungscharakter. Das Spielobjekt ist von Haba perfekt konstruiert und funktioniert, den Gesetzen der Schwerkraft folgend, vorzüglich.
Heo
Titel: Galaxia
Verlag: Haba
Autor: Reinhold Wittig
Grafik: Edda Skibbe
Spieler: 2-4
Alter: ab 5 Jahren
Dauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 55.- DM
Die Rezension erschien 1999 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 17/ 1999 R 139/2020
Zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte. In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel. Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden (siehe Foto).
Samstag, 31. Oktober 2020
ANDROMEDA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Fliegender Aschenbecher im All
Zum Jahrtausendwechsel boomen Science Fiction-Spiele. Marssonden, die nicht funktionieren, gibt es in den spielerischen Szenarien natürlich nicht, der unendliche Raum öffnet sich hauptsächlich für Weltraumdeals.
Spätestens seit dem Erfolg von ELFENLAND ist der in den USA lebende britische Autor Moon auch in Deutschland kein Unbekannter mehr und immer mehr Verlage freuen sich über Veröffentlichungen von ihm. Das gilt auch für den kleinen Verlag Abacus aus Dreieich, der mit ANDROMEDA Teubers STERNENFAHRER VON CATAN Konkurrenz machen will.
In dem Spiel von Moon versuchen drei bis fünf Spieler Wirtschaftszentren im Orbit zu errichten. Raketen suchen wir vergebens, unsere Vorstellungskraft muss schon ausreichen, wenn wir unsere Handelssteinchen von der Erde aus ins All bringen.
Moons ADROMEDA wird nicht durch einen Würfel gesteuert, sondern durch Spielkarten. In einer Handelsphase versuchen die Spieler möglichst viele gleichartige Planetenkarten zu bekommen, die sie in der Aktionsphase dann einsetzen können. Dort kommt dann u.a. ein umgestülpter schwarzer „Aschenbecher“ zum Einsatz, mit dem man versuchen muss, eigene Handelsstationen auf einem Mond unterzubringen, dafür gibt es dann die am Ende entscheidenden Wertungspunkte.
ANDROMEDA bietet einen äußerst originellen und sehr kurzweiligen Ausflug in die galaktische Spielewelt. Das Glück fliegt mit, aber man fühlt sich dem Kartenzufall und Rüttelglück nicht zu sehr ausgesetzt. Leider nicht im Duell spielbar.
Wieland Herold
Titel: ANDROMEDA
Autor: Alan Moon
Grafik: Doris Matthäus
Verlag: Abacus
Spieler: 3 bis5
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: 49.- DM
Die Rezension erschien 1999 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 16/ 1999 R 138/2020
Zum Autor:
Alan Moon war in den 80er Jahren für Avalon Hill journalistisch tätig, arbeitete auch an der Spielentwicklung für diese Firma und für Parker Brothers. Dem deutschen Publikum wurde er Anfang der 90er Jahre durch den Verlag White Wind bekannt, den er zusammen mit Peter Gehrmann gründete.
In 1000er Auflagen erschienen so Spiele wie ELFENROADS, das später in der Version von Amigo als ELFENLAND Moons erstes „Spiel des Jahres“ wurde. Zwischen 1998 und 2004 war Moon besonders erfolgreich. ANDROMEDA erschien 1999. Mit UNION PACIFIC (1999) und DAS AMULETT (2001) landete er auf der Nominierungsliste. 2004 gelang ihm sein größter Erfolg mit ZUG UM ZUG, zu dem in der Folgezeit verschiedene Varianten und Erweiterungen erschienen sind und immer noch erscheinen.
In dieser erfolgreichen Phase war Moon erster Vorsitzender der Spieleautorenzunft. Das Bild stammt aus einem Gespräch zweier Preisträger in Göttingen aus dem Jahre 2005. Werner Hodel und Alan Moon diskutieren, ob der Mississippi oder die Schiene der bessere Transportweg in den USA sei.
Freitag, 30. Oktober 2020
ARBOS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Das Baumspiel ARBOS
„Bäumchen-Jenga“ nennen wir es inzwischen liebevoll und holen es seit den Essener Spieletagen immer wieder begeistert hervor, das Baumspiel ARBOS von M + A Spiele. Der Aufforderungscharakter des Spieles ist riesig. Mit ARBOS bekommen Sie garantiert Oma und Opa und alle Enkelkinder an den Spieltisch. Verständnisprobleme bei der Spielregel gibt es nicht: Einmal gesehen, sofort verstanden und immer wieder gespielt!
Unser Ausgangsmaterial ist ein Holzstamm mit Schrägbohrungen, der je nach Schwierigkeitsgrad mehr oder weniger durch einen Holzsockel geschoben wird, so dass unterschiedliche Neigungen des Stammes entstehen. Das restliche Spielmaterial, 16 Äste und 25 Blätter, wird gleichmäßig unter die bis zu acht Spieler aufgeteilt, die stets nur mit einer Hand ein Baumteil in ein beliebiges Loch des wachsenden Baumes stecken müssen. Das ist gar nicht so einfach, da ARBOS sich nicht so ruhig verhält, wie man das hofft. Runtergefallene Blätter oder Äste nehmen die Spieler in ihren Vorrat. Spielsieger ist derjenige, der zuerst alle Teile los geworden ist. Aber Sie werden erleben, dass es meist darum geht, ARBOS wachsen zu sehen und alle Teile unterzubringen. Das Spiel eignet sich gut zur Entwicklung eigener Regeln, einen kleinen Kartenspielsatz zu ARBOS bieten die Autoren inzwischen auch an.
Der kleine Verlag M + A Spiele, der bisher nur durch eine raffinierte Schachvariante auf sich aufmerksam gemacht hat, stellt mit „ARBOS die innovativste 99er-Neuheit im Bereich der Geschicklichkeitsspiele vor, die auch 2000 gute Chancen auf Spielepreise haben dürfte.
Wieland Herold
Titel: ARBOS
Autor: Armin Müller u. Martin Arnold
Grafik: Stephan Kreuzer
Verlag: M + A Spiele, Akazienweg 2, 71686 Remseck, Tel./Fax 07141 / 903462
Spieler: 1 bis 8
Alter: ab 4 Jahre
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: 49.- DM
Die Rezension erschien 1999 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 15/ 1999 R 137/2020
Zum Spiel und zu den Autoren:
Armin Müller und Michael Arnold haben ihren Kleinverlag M + A Spiele 1996 mit der Schachvariante TROIA gestartet. ARBOS erhielt 2000 den letzten „Sonderpreis Kinderspiel“, ein Jahr später gab es das „Kinderspiel des Jahres“. Auch wenn die beiden Autoren keinen gleichwertigen Erfolg danach mehr einfahren konnten, gibt es sie immer noch. Sie sind regelmäßig in Essen präsent, haben danach eine Reihe von weiteren Geschicklichkeitsspielen wie SNIP (2002) und NELLY NATTER (2005) erfunden. In Essen knüpften die beiden Autoren 2013 an den Erfolg von ARBOS an und spezifizierten MIT ARBOIS APFEL die Baumart. Neben Ästen und Blättern konnten nun auch Äpfelchen in die Astbohrungen gesteckt werden.
Im Bild sind Müller&Arnold mit ihrem ersten Spiel, dem trojanischen Schach 1996 in Essen zu sehen.
Donnerstag, 29. Oktober 2020
TROJA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Das Trojanische Spiel: Schach der neuen Generation
Im letzten Jahr war es noch ein Prototyp, den M&A Spiele mit TROJA auf der Spielemesse in Essen vorstellten. In diesem Jahr konnten sie stolz ihre Erstauflage vorweisen. Armin Müller und Martin Arnold, die ihre Initialen in den Verlagsnamen übernommen haben, präsentierten mit TROJA das „Schach der neuen Generation“. Was nach vollmundigen Werbespruch klingt, ist durchaus berechtigt. Ihr Anklang ans Trojanische Pferd vermittelt ganz neue Zugangsweisen zum Schachspiel. Arnold und Müller wollen die Schachgeschichte neu schreiben. Für beide ist das Schachspiel historisch gewachsen, ständig auch Veränderungen unterworfen gewesen. Ihre neue Variation sei nun das I-Tüpfelchen. Im Spiel Troja bleibt die Grundstruktur des Schachspiels erhalten. Wir haben das bekannte 8x8 Feld, der Zugmechanismus ist identisch, alle bekannten Figuren sind vorhanden, sie sehen nur etwas anders aus. Sie haben im Figurenfuß eine Bohrung und am Kopf eine Ausbuchtung. Darauf beruht letztlich die neue Spielidee, denn M+A-Figuren können Huckepack genommen werden, die jeweils obere Figur bestimmt die Zugweise.
Ganze neue Eröffnungen sind plötzlich denkbar. Die weiße Dame, sonst hinter der Bauernlinie eingekeilt, lässt sich vom Königsbauern E2 auf die Schulter nehmen. Sollte der Gegenspieler mit Bauer E7 – E5 reagieren, steht die weiße Dame samt Bauer im Gegenzug auf E5. Mit Ausnahme des Königs können so alle eigenen Figuren beliebig übereinandergesetzt werden. Diese „trojanischen Figuren“ können unbegrenzt wachsen, was allerdings auch das Schlagrisiko erhöht. Beim Ziehen solcher Figurentürme, darf der Spieler entscheiden, wie viele Basisfiguren er jeweils mitnehmen möchte. Schon allein die Nutzung von Doppelfiguren gibt dem Spiel ganz neuen Pfiff, so dass ein Bauer, der einen Turm schultert, plötzlich ganz schnell in gegnerischen Reihen auftauchen kann. Springt der Turm im nächsten Zug wieder ab, ist der Bauer gefährlich präsent und gelangt vielleicht zur Grundlinie des Gegners. In einem solchen Fall, der in dieser Schachvariante viel häufiger vorkommt, gilt für die Bauernumwandlung, daß ausschließlich zuvor geschlagene Figuren wieder ins Spiel gebracht werden können. Reizvoll ist die Huckepackstrategie auch für Läuferfiguren, die so von weißen auf schwarze Felder gelangen können.
Besonders die Rolle der Bauern ändert sich durch TROJA, sie kommen nicht nur schneller auf die Grundlinie des Gegners, ihre normale Zugrichtung wird aufgehoben. So können Bauernfiguren auch auf der eigenen Grundlinie zu stehen kommen oder mehrmals auf die Grundstellung in der zweiten oder siebten Reihe gelangen. Immer dann haben sie erneut die Wahlmöglichkeit, ein oder zwei Felder vorzurücken. Die versteckten Bauern sind die eigentlichen trojanischen Pferde, die schnelle und wirkungsvolle Spielzüge ermöglichen.
Insgesamt haben Armin Müller und Martin Arnold mit TROJA eine geniale Idee ausgetüftelt, von der nicht nur Schachspieler begeistert sind. Sie verkaufen ausschließlich ihre Schachfiguren mit einer siebenseitigen Spielanleitung ohne Brett in unterschiedlicher Verpackung. Die Figuren sind nicht billig, aber die Spielidee ist ihren Preis wert. Für knapp 70.- DM erhält man alle Utensilien in einem Stoffbeutel, zehn DM mehr kostet die Holzkassette, für 90.- DM fertigen die beiden Autoren als Aufbewahrungsbehälter ein hübsches trojanisches Pferd aus stabilem Karton.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: Troja
Verlag: M+A-Spiele, Akazienweg 2, 71686 Remseck
Autor: A. Müller, M. Arnold
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Preis: Stoffbeutel. 69.- DM
Holzkassette 79.- DM
„Trojanisches Pferd“ 89.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 18/ 1997 R 136/2020
Zum Spiel und zu den Autoren:
Armin Müller und Michael Arnold haben ihren Kleinverlag M + A Spiele 1996 mit der Schachvariante TROIA gestartet. ARBOS erhielt 2000 den letzten „Sonderpreis Kinderspiel“, ein Jahr später gab es das „Kinderspiel des Jahres“. Auch wenn die beiden Autoren keinen gleichwertigen Erfolg danach mehr einfahren konnten, gibt es sie immer noch. Sie sind regelmäßig in Essen präsent, haben danach eine Reihe von weiteren Geschicklichkeitsspielen wie SNIP (2002) und NELLY NATTER (2005) erfunden. In Essen knüpften die beiden Autoren 2013 an den Erfolg von ARBOS an und spezifizierten MIT ARBOIS APFEL die Baumart. Neben Ästen und Blättern konnten nun auch Äpfelchen in die Astbohrungen gesteckt werden.
Im Bild sind Müller&Arnold mit ihrem ersten Spiel, dem trojanischen Schach 1996 in Essen zu sehen.
Mittwoch, 28. Oktober 2020
SATURN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
SATURN: Eine Spielidee wird zum Kunstobjekt
Markenzeichen des Theta-Verlages aus Kleinmachnow ist schon seit einigen Jahren, dass außergewöhnliche Spielideen als Kunstobjekte verpackt herausgegeben werden. Ihr Meisterstück haben Michael Sohre und Werner Falkhof, die gleichzeitig Verleger und Spieleautoren sind, mit dem in diesem Jahr erschienenen Spielobjekt SATURN abgeliefert.
Als Raumkunstwerk können Sie sich den Saturn mit seinen Ringen in Ihr Wohnzimmer holen und Sie können auch noch mit ihm spielen.
Um die Saturn-Halbkugel schwanken drei Holzringe mit Lochbohrungen, in die zwei bis vier Spieler Kugeln unterschiedlicher Größe platzieren müssen. SATURN ist letztlich ein Waage-Spiel , bei dem die Spieler abwechselnd ihre Kugeln auf eine beliebige Position auf den Ringen setzen, dabei aber den Ausschlag der Ringe beachten müssen. Setzt einer der Saturnringe auf den Tisch auf, ist der Zug ungültig und die Kugel muss wieder zurückgenommen werden. Sobald ein Spieler alle Kugeln ablegen kann, ist das Spiel beendet. Der Mut zum Risiko wird durch einen speziellen Wertungsmechanismus belohnt, sodass nicht automatisch der Spieler gewinnt, der als erster fertig ist.
Eleganz und Spielreiz verbindet SATURN auf vorbildliche Weise. Mit 120.- DM ist dieses bespielbare Kunstwerk zwar nicht billig, aber allemal seinen Preis wert!
Wieland Herold
Titel: SATURN
Verlag: Theta, Johannistisch 20, 14532 Kleinmachnow
Autor: Michael Sohre, Werner Falkhof
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 120.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 17/ 1997 R 132/2020
Zum Spiel und zu den Autoren:
1993 gründete der Bonner Werner Falkhof, der gerade mit PUSHER reüssierte (Auswahlliste 1993) zusammen mit Michael Sohre den Theta Verlag, der 1995 für Sohres TRI-BA-LANCE mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet wurde und in Frankreich den „Super As D’Or“ erhielt. Sohre war neben Wolfgang Großkopf der erste Spieleautor aus der DDR, der im Westen präsent war. Er war zu DDR-Zeiten Produktionsleiter für die Defa, aber auch schon vor 1989 interessierte sich der ausgebildete Werkzeugmacher für die Spielzeugentwicklung und entwarf Baukastensysteme.
Folgeprodukte wie SATURN, HEADQUARTER und HANDICAP waren weitere herausragende Spiele.
Die Designobjekte von Theta setzten sich leider nie so richtig durch. Zwischenzeitlich übernahm sie ASS, dann stellte die Firma aber ihre Produktion ein.
Seit der Jahrtausendwende experimentierten beide in Kleinmachnow mit einem Material, das zu neuer ästhetischer Qualität im Brettspielbereich führen sollte. Sohre wandte sich vom Holz ab und begab sich auf die Suche nach Möglichkeiten, Kunststoffe zu ersetzen. Ihr Ergebnis nannten sie „THETA-Stone“. Ihr Geheimrezept lässt wie Steinholz eine sehr kurze kalte Aushärtung von nur zwei Stunden zu. In Spielen wie LETTER STONE und einer Neuauflage von MINOTAURUS zeigten sie die Qualitäten des Stoffes.
2011 verstarb Sohre leider viel zu früh mit 62 Jahren, drei Tage vor der Spielemesse in Essen.
Das Bild zeigt Werner Falkhoff und Michael Sohre 2008 in Kleinmachnow mit Materialproben von THETA-Stone.
Dienstag, 27. Oktober 2020
DAS PRESTEL KUNSTSPIEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Von Lascaux bis Lichtenstein
Kein Reisespiel, sondern ein lehrreicher Ausflug in die Kunstgeschichte ist das gerade erschienene „Kunstspiel“ von Prestel. Wenn ein renommierter Kunstverlag sich auf das spielerische Parkett begibt, sind die Erwartungen hoch, auch ein Ausrutscher kann leicht geschehen.
Geboten werden die bekannten „100 Meisterwerke“ vom „Schwarzen Stier“, einem Ausschnitt aus den Höhlenmalereien von Lascoux bis zur Pop Art Roy Lichtensteins. Große Bildkarten in guter Reproduktionsqualität entführen uns in recht bekannte Bilderwelten. Zum Glück hat der Verlag bei dem sich um die Bilder rankenden Spiel nicht nur auf das Mittel des Quizspiels zurückgegriffen. Eine Mischung von Spielelementen aus dem Genre bekannter Unterhaltungsspiele á la ACITIVITY oder TABU hat eine kunterbunte Mixtur ergeben, die nicht originär, aber originell ist. Dahinter steckt mit Bertram Kaes auch ein Autor, der durch Spiele wie NOBODY IS PERFECT und DAS NILPFERD AUF DER ACHTERBAHN sich im Genre auskennt.
Drei bis sieben Spieler oder Teams sammeln auf ihrem Ausflug in die Kunstgeschichte acht Belohnungschips auf einer Papp-Palette für das Lösen unterschiedlicher Aufgaben. Jede der sechs Chipfarben muss dabei mindestens einmal vorkommen. Da gilt es, neben Fragen zu den einzelnen Gemälden, wahre von unwahren Behauptungen zu unterscheiden. War Leonardo da Vinci der uneheliche Sohn eines Notars und eines Bauernmädchens? Reizvoll und auf die spielende Gruppe abgestimmt, sind die Rubriken „Gedankenblitze“ und „Spaß mit Kunst“, da geht es nicht mehr um richtig oder falsch, sondern um Übereinstimmungen mit den Spielpartnern bei Begriffsassoziationen. Da müssen Begriffe umschrieben oder Mitspielerreaktionen eingeschätzt werden. Wo würden Sie die Sonnenblumen von van Gogh hinstellen? Hasardeure kommen auch zu ihrem Recht: Zwar etwas unpassend als „Auktion“ bezeichnet, gibt es eine an 17+4 angelehnte Zockerphase, mit der sich auch die Farbpalette ergänzen lässt.
Auch wer wenig Ahnung von Kunst besitzt, kann dieses Spiel gewinnen, und sollte es nicht zum Spielsieg reichen, hat man so ganz nebenbei auf unterhaltsame und spielerische Art viel Neues über Kunst und Künstler erfahren. Ausgestattet mit etwas Phantasie, Kreativität und Einfühlungsvermögen sollte man allerdings sein, wenn man sich in möglichst großer Runde auf DAS PRESTEL KUNSTSPIEL einlässt.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: DAS PRESTEL KUNSTSPIEL
Verlag: Prestel
Autor: Bertram Kaes
Grafik: o.A.
Spielerzahl: 3-7
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 70.- DM
Die Rezension erschien 1998 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 10/ 1998 R 135/2020
Montag, 26. Oktober 2020
TOWERS OF HAMBURG
Der aus Nigeria stammenden Benjamin Soberekon schleppt schon viele Jahre eine Spielidee mit sich herum, eine Reminiszenz an seinen ersten USA-Aufenthalt im Jahre 1983. Angetan vom Empire State Building in New York und vom Sears Tower in Chicago, waren es schließlich die Hamburger Mundsburg-Türme, die seine Idee für ein Hochhausspiel voranbrachten. Wie so oft bei solchen Spieleentwicklungen war das private Umfeld des Autors von Anfang an begeistert. Das Angebot an einen großen Spieleverlag brachte 1987 aber die ernüchternde Ablehnung. Zehn Jahre schmorte die Idee, bis eigenes Kapital und das unterstützungswilliger Freunde zur Kleinverlagsgründung Beson Games (BEnjamin SoberokoN) ausreichte.
Worum geht es in Soberekons taktischen Spiel für zwei Personen? Auf einem 6 mal 6 Felder großen Spielfeld befinden sich abwechselnd schwarze und weiße Spielfelder, die zu Beginn mit entsprechenden Spielsteinen, den Turmbausteinen, bestückt werden. Damit die Türme, die im Laufe des Spiels entstehen, nicht ins Rutschen geraten, besitzen die quadratischen Turmteile in den Ecken vier Zapfen, die in Vertiefungen des Spielbretts und auf der Oberseite der Spielsteine passen. Spielziel ist es, als erster einen sechsstöckigen Turm zu bauen, oder den Gegenspieler so zu blockieren, daß dieser nicht mehr ziehen kann.
Die Zugregeln sind einfach, erlauben aber ein vielschichtiges Spiel. Jeder Spieler bewegt nur die Steine seiner Farbe und zwar erst einmal auf jedes beliebige Feld. Entscheidend ist die Einschränkung, daß der höchste Turm alle fremden Steine sowohl in der waagrechten wie auch senkrechten Reihe blockiert. Diese Steine dürfen nicht mehr gezogen werden, man darf aber auf sie bauen, um mit dem höchsten Turm gleichzuziehen und damit die Blockade aufzuheben. Das geht am Anfang mit den Zweiertürmen recht fix. In die oberen Etagen kommt man aber nur, wenn mindestens zwei gleichhohe niedrigere Türme vorhanden sind. Man benötigt also für einen Viererturm zwei Türme mit drei Etagen, wobei beim Auf- und Abbau ein Vierer- und Zweierturm entstehen. Entsprechend sind für den gewinnträchtigen Sechserturm zwei Türme mit fünf Stockwerken nötig. Diese Siegbedingung zu erreichen, ist gar nicht einfach, häufiger führt die Blockadetaktik zu einem schnelleren Spielgewinn. Das Spiel verlangt eine gute Übersicht. Ein zu schnelles Vorpreschen in die Höhenregionen, führt schnell zur Blockade der restlichen Steine. Einen wesentlichen Vorteil hat man allerdings mit dem höchsten Turm, da man, statt zu bauen, auch einen ganzen Turm auf ein freies Feld bewegen kann, um so gegnerische Blockierungen aufzuheben.
Die gediegene schwarz-weiße-Optik der Hochhäuser in TOWERS OF HAMBURG ist gefällig. Das optische Vorbild der Mundsburg-Türme, die auf der Schachtelrückseite zu sehen sind, ist gut umgesetzt. Spielmechanismus und Spielthema haben allerdings weniger miteinander zu tun. Fliegende Hochhausbestandteile, die beliebig hin und her jongliert werden können, sind auch mit großem Kraneinsatz schwer vorstellbar. Obwohl das Spiel im Hamburger Umfeld entstanden ist, hofft der Autor, dass die Hessen bald mit TOWERS OF FRANKFURT spielen und TOWERS OF NEW YORK müsste doch auch gut laufen.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: TOWERS OF HAMBURG
Verlag: Beson-Games, Imstedt 5d, 22083 Hamburg
Autor: Nkem Benjamin Soberokon
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Preis: 59.- DM
Die Rezension erschien 1998 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 9/ 1998 R 134/2020
Sonntag, 25. Oktober 2020
PULA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Michail Antonow, neuer Autor in neuem Verlag
Der inzwischen leider nicht mehr existente Verlag Pro Ligno hatte sich die Marktnische der edlen, in Holz produzierten Taktikspiele reserviert. Dass der Spielemarkt in Bewegung bleibt, haben nicht nur die Konzentrationsprozesse des letzten Jahres belegt. Neue Pflänzchen entstehen trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Dominanz der großen Verlage. So versucht es Roland Siegers mit dem neu gegründeten Relaxx-Verlag und auch für Pro Ligno gibt es einen Nachfolger: Dieser ist schon in Essen mit seinen ersten Produkten aufgefallen. Mit drei weiteren Neuheiten macht der neue Verlag in Nürnberg deutlich - darunter auch mit Knizia-Spielen -, dass er keine Eintagsfliege werden möchte. Es handelt sich um Norbert Dinters Holzspielwaren.
Mutig setzt der Verlag mit seinen beiden Erstveröffentlichungen dabei auf einen recht unbekannten Spieleautor, den gebürtigen Bulgaren Michail Antonow - ehemaliger Redakteur bei der Deutschen Welle –, der mit den beiden Neuheiten COLORADO und PULA reüssierte. Beides wunderschöne Holzobjekte, wobei vor allem die Spielidee des zweiten Spiels überzeugt. COLORADO ist ein Setzspiel für zwei bis vier Spieler, bei dem in 36 Spielfeldmulden zweifarbige Spielfiguren eingesetzt werden, wobei die Spieler versuchen, möglichst große farbgleiche Gruppen zu erreichen.
Das Spiel PULA ist ein reizvolles taktisches Zweipersonenspiel, in dem es um die Eroberung von 37 Sechseckfeldern geht. Jedes Sechseck besitzt in seinen Ecken ein Loch, wobei die Randfelder im Außenbereich keine Löcher haben. Durch Setzen heller und dunkler Steckhölzer versuchen die beiden Spieler die Dominanz über ein Feld zu gewinnen, was im Randbereich sehr leicht ist, umkämpft sind vor allem die Mittelfelder.
Sobald ein Spieler einen Stecker seiner Farbe in ein beliebiges Spielfeldloch gesteckt hat, gilt sein Gewinnanspruch für die drei angrenzenden Sechseckfelder. Er markiert diese mit runden Holzscheiben seiner Farbe. Erst wenn der gegnerische Spieler mehr eigene Stecker um ein Feld platziert hat, geht dieses in seinen Besitz über. Die Holzscheibe wird umgedreht, um den Besitzwechsel deutlich zu machen. Bei den sechs Eckfeldern mit nur zwei Löchern, gewinnt damit der Spieler, der dort den ersten Stecker platziert, sofort das ganze Eckfeld. Solche Felder werden durch einen neutralen Stecker gekennzeichnet, der in die Holzscheibe gesteckt wird. 12 Randfelder haben drei Löcher, werden also erst gewonnen, wenn zwei Stecker einer Farbe platziert sind. Die restlichen 19 Mittelfelder sind immer dann erobert, wenn drei Stecker einer Farbe gesteckt sind. Zum Spielgewinn sind 19 Felder nötig.
PULA ist ein äußerst vielschichtiges taktisches Zweipersonenspiel, dessen Spielbrett auf einer Baumscheibe auch optisch zu gefallen weiß. Der Ansatz, Dominanzen zu erreichen, erinnert etwas an das gleichzeitig in Essen vorgestellte ARABANA IKIBITI von Günter Cornett, wobei die Steuerung durch Spielkarten und die bessere thematische Einbindung durch das Brückenbauen von Insel zu Insel in dem Spiel aus dem Bambus-Verlag zusätzlichen Spielreiz bedeutet. PULA ist ein durchweg abstraktes Spiel, das wegen des leichten Anfängervorteils immer eine Revanchepartie mit einschließen sollte.
Reizvoller als das Grundspiel ist die TWIXT-Variante, die Antonow als PULA 2 vorstellt. In diesem Spiel geht es nicht um die Eroberung der meisten Felder, sondern um möglichst viele Verbindungen zwischen den Spielfeldrändern. Der Spielablauf entspricht genau dem Grundspiel. Gespielt wird, bis alle Felder erobert sind. In der dann folgenden Abrechnung werden Verbindungen von genau gegenüberliegenden Rändern mit 5 Punkten bewertet, schräg gegenüberliegende mit 3 Punkten und benachbarte Ränder mit einem Punkt. In dieser Variante ist die Gefahr eines unentschiedenen Ausgangs, die bei zwei Partien in der PULA-Grundversion bei etwa gleichstarken Spielern recht häufig vorkommt, nicht gegeben.
Preislich liegen die Spiele bei Norbert Dinter etwa in dem Bereich der Pro Ligno-Spiele. Sie kosten um die 60.- DM. Verpackung und Spielmaterial haben mich allerdings bei den Spielen Siegfried Biehlers mehr angesprochen. Die braune, aufkleberlose Pappschachtel Dinters wirkt nicht verkaufsfördernd. Das Baumscheiben-Spielbrett ist zwar attraktiv, mit der Preiskalkulation ist aber eine Schmerzgrenze erreicht : 50.- DM erscheinen eher angemessen.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: Pula
Verlag: Norbert Dinter, Steinstr. 8, 56357 Holzhausen
Autor: Michail Antonow
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60.- DM!
Die Rezension erschien 1998 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 8/ 1998 R 133/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Michail Antonow veröffentlichte nach PULA vor allem Spiele zusammen mit Jens Peter Schliemann. Am bekanntesten war dabei das Spiel KARIBIK (2004, Winning Moves), ausgezeichnet auch das Taktikspiel ARONDA (2008, Gerhards).
Das Bild zeigt den Autor bei der Präsentation von PULA 1997 in Essen.
Samstag, 24. Oktober 2020
SWITCH & SIGNAL
Kosmos gelingt erneut die Quadratur des Kreises, 2019 überzeugten sie durch ein raffiniertes kooperatives Stichspiel. Thomas Sings DIE CREW REIST GEMEINSAM ZUM 9. PLANETEN räumte 2020 alle wesentlichen Preise vom Kennerspiel über den Deutschen Spielepreis ab. Aktuell bricht der Stuttgarter Verlag mit dem kooperativen Ansatz in das klassisch kompetitive Genre der Eisenbahnspiele ein und siehe da, auch das funktioniert.
Transportzüge sind in Mitteleuropa und Nordamerika unterwegs, die in Metropolen wie in Berlin oder Paris Waren abholen, um sie in Hafenstädte zu transportieren. Auf dem Europaplan wird nur nach Marseille geliefert, in Nordamerika geht es sowohl an die West- als auch an die Ostküste nach San Francisco und New York.
Die Strecken sind gekennzeichnet durch Startbahnhöfe der Züge, die mit drei unterschiedlichen Geschwindigkeitswürfeln unterwegs sind. Da gibt es die zumindest theoretisch schnellen schwarzen Eisenbahnen, die auch mal fünf Streckenabschnitte überwinden, die mittelschnellen brauen Züge und die langsamen grauen Schneckenbahnen, die mit hälftiger Chance nur ein Feld vorankriechen. Für die Streckenplanung wichtig sind die passenden Weichenstellungen, die elegant durch kleine schwarze Weichenscheiben vorgenommen werden. Außerdem müssen die Ampelanlagen an der richtigen Stelle grünes Licht zeigen, damit man Zugang zu den Warenlieferanten in den Großstädten bekommt und auch unterwegs freie Bahn hat.
Gesteuert wird alles über Aktionskarten der Spieler, mit denen Weichen gestellt, Ampeln geschaltet und Züge in Fahrt gesetzt werden. Eine wesentliche zweite Steuerung haben die Akteure nicht in ihrer Hand, das sind die Fahranweisungen, die vor jedem ihrer Züge aufgedeckt werden. Diese bringen neue Züge ins Spiel, bewegen auch beliebige oder bestimmte Zugfarben und stellen so etwas wie die tickende Bahnhofsuhr dar, die die Zeit vorgibt, in der acht Warensteine in die Hafenstädte gebracht werden müssen.
Der amerikanische Autor David Thompson stellt uns eine raffinierte logistische Aufgabe, die bis auf Aktien und Streckenbau alles enthält, was man sich von einem Eisenbahnspiel wünscht. Da geht es zu wie in einer großen Märklin-Landschaft, in der mehrere Züge unterwegs sind und möglichst nicht zusammenstoßen sollten. Geschickt müssen wir die Weichen stellen und für grünes Licht auf der Strecke sorgen. Dazu darf jeder alle seine fünf Handkarten nutzen und wenn einmal nichts Passendes auf der Hand ist, dienen zwei beliebige Karten als Joker. Unberechenbar bleiben die Fahranweisungen. Da soll dann manchmal eine Lokomotive in einen Ort gestellt werden, der schon besetzt ist, da wird ein schneller schwarzer Zug in Gang gesetzt, der noch kein grünes Licht für die Einfahrt nach Paris besitzt. All das hat Strafpunkte in Form von kleinen Uhren zur Folge. Sind die sieben Startuhren aufgebraucht, kostet das eine Fahranweisung und verkürzt damit die Zeit zur Aufgabenbewältigung. Drei Helfer unterstützen die Logistiker in ihren Aufgaben, allerdings darf jeder nur einmal pro Spiel zur Hilfe herangezogen werden. Da dürfen in Europa Würfel oder Fahranweisungen ignoriert werden, auch die Durchfahrt durch Städte ist einmalig erlaubt, um schneller ans Ziel zu gelangen.
Nur wenn das Eisenbahnteam alle acht Waren innerhalb der Zeit nach Marseille oder in die amerikanischen Zielorte bringt, gewinnen die Spieler. Die Chance des Scheiterns ist durch die Ausgangsvorgaben eher groß. Wer verloren hat, darf sich durch mehrere Stellschrauben Erleichterung schaffen. Da können mehr Uhren oder Fahranweisungen genutzt werden, auch die Zahl der grünen Ampeln kann erhöht werden. Entsprechend umgekehrt lässt sich aber auch die Schwierigkeit erhöhen.
SWITCH & SIGNAL ist ein herausforderndes Spiel und es geht in ihm zu wie bei der Deutschen Bundesbahn, pünktlich kommen die Züge nie so richtig an. Der Zeitdruck ist extrem, fangen Sie daher am besten gleich am Anfang mit allen 18 Fahranweisungen an und nicht mit nur 16, da besteht eine kleine Chance, die Aufgabe mit dem richtigen Einsatz von Schnellzügen und dem eher moderaten der Schneckenzüge zu bewältigen. Diesem Planungssog , der nah an echter Eisenbahnlenkung scheint, kann sich kaum einer entziehen. Die Entscheidungsdiskussionen machen dabei den besonderen Reiz aus. Das geht für den Verlag soweit, dass der Redakteur Wolfgang Lüdtke auf BGG SWITCH&SIGNAL ausdrücklich „als solo nicht spielbar“ deklariert. Das ist natürlich Unsinn, auch wenn Kosmos bewusst das Spiel erst ab zwei Personen empfiehlt, klappt es wunderbar und ohne Regelanpassung alleine.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: SWITCH & SIGNAL
Verlag: Kosmos
Autor: David Thompson
Grafik: Antje und Claus Stephan
Spielerzahl: 1 - 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 35.- Euro
Spiel 73/ 2020
Freitag, 23. Oktober 2020
CRAZY CUBES
Die Neuheiten, die HCM Kinzel zur SPIEL digital vorstellt, können sich sehen lassen. Ganz aktuell freuen sich Markus und Christian Kinzel über den deutschen Kindersoftwarepreis für TAP IT!. Als einziger analoger Spieleverlag hat es das schwäbische Unternehmen der beiden Brüder Kinzel unter die diesjährigen Gewinner geschafft. Unter der Schirmherrschaft der Familienministerin Franziska Giffey, ausgewählt von fast 900 Kindern, gewürdigt in einer Liveübertragung am 17. Oktober auf KiKA landete TAP IT! auf den dritten Platz in der Kategorie „Elektronisches Spielzeug“.
Auch das sonstige Programm aus dem schwäbischen Zaberfeld kann sich sehen lassen. Uns gefallen im Augenblick die Puzzleaufgaben der CRAZY CUBES ganz ausgezeichnet. Der dänische Autor Jeppe Norsker hat diese Idee als MATCH MADNESS schon 2016 veröffentlicht, aktuell kennen wir ihn von BERMUDA PIRATES (HUCH!) und dem ESCAPE-Thriller LEOPOLD-TRILOGIE (Game Factory).
Worum geht es? Jeder besitzt einen fünfteiligen Satz von Würfelblöcken, die auf ihren vier Längsseiten jeweils zwei identische oder verschiedene weiße Symbole vor farbigem Hintergrund zeigen. Da tauchen weiße Kreise vor einem roten Hintergrund auf, außerdem Quadrate Kreuze, Sterne und Blüten. Jedes Symbol gibt es einmal doppelt, manche Kombination sogar zweimal, beispielsweise die Farb-Kombi rot-blau und rot-lila, aber nicht rot-grün und rot-orange. Das sollte man vorher wissen, wie auch die Setzung, dass die Doppelfarben auf ihren jeweiligen Blöcken nie mehr diese Farbe zeigen. Aufgabenkarten in fünf Schwierigkeitsstufen geben ein zu legendes Muster vor, in dem alle Blöcke eingebaut sein müssen.
CRAZY CUBES wird damit zum Reaktionspuzzle, bei dem es im Grundspiel um den Gewinn einer vorher festgelegten Zahl von Aufgabenkarten geht. Alle grübeln, drehen und wenden ihre Steine, sind oft verzweifelt, weil die letzte Lücke nicht gefüllt werden kann, sodass man meint, diesen nötigen Stein gebe es doch gar nicht. Aber es gibt ihn, da hat sich vorher wohl ein Fehler eingeschlichen.
Das rein kompetitive Gegeneinander in der Geschwindigkeitsschlacht um eine Karte wäre nichts Besonderes, weil meist die üblichen Verdächtigen mit dem entsprechenden räumlichen Vorstellungsvermögen als Sieger nach Hause gehen. Die CRAZY CUBES werden für mich erst durch die Variante TOTAL CRAZY richtig gut. In dieser Fassung liegen Aufgabenkarten aller fünf Schwierigkeitsgrade aus und jeder darf sich an beliebige Aufgaben machen. Hier kommt es auch zu Erfolgserlebnissen für schwächere Puzzler. Individuell lassen sich so auch Siegbedingungen für Kinder und Erwachsene festlegen.
CRAZY CUBES funktioniert in reinen Kinderrunden und mit Erwachsenen ausgezeichnet. Ein flottes Reaktionsspiel, an dem man sich sogar solo versuchen kann. Wer Puzzle-Spiele mag, sich außerdem gern dem Vergleichsdruck aussetzt, wird Gefallen an dieser Idee von Jeppe Norsker finden.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: CRAZY CUBES
Verlag: HCM Kinzel
Autor: Jeppe Norsker
Grafik: o.A.
Spielerzahl: 1 -4
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 29.- Euro
Spiel 72/ 2020
Donnerstag, 22. Oktober 2020
KANALOA
Thematisch an KAHUNA angelegt, bewegte sich der Berliner Autor Günter Cornett schon vor 20 Jahren in der Götterwelt der Südsee. Sein KANALOA um den Gott des Ozeans spielte schon 2001 mit den vier Elementen. Zuerst erschien Cornetts Idee im Eigenverlag Bambus, zwei Jahre später dann bei Tilsit.
Die Namensrechte scheinen wieder frei zu sein, denn ein anderer Günter, der bisher am erfolgreichsten mit funkelnden Schätzen und seiner Tochter Lena Burkhardt war, hat ganz aktuell ein KANALOA bei Piatnik veröffentlicht.
Die hawaiianische Götterwelt um KANALOA spielt erneut mit, aber mechanisch bewegt sich Günter Burkhardt in der in Deutschland so beliebten Stichspielwelt. Trotzdem ist alles anders, als wir es von SKAT und DOPPELKOPF gewohnt sind. Burkhardt verknüpft die üblichen Farbstichrunden mit einem Wettrennen. Erstmals ist eine solche Idee 1972 in Frederiks Herschlers 3M-Spiel BID & BLUFF aufgetaucht, das Abacus als CANYON 1997 herausgebracht hat.
Das Ambiente ist bekannt, Farbkarten, die den Göttern der vier Elemente zugeordnet sind, besitzen die Werte 1 bis 12, zusätzlich sind noch drei nur durch sich selbst schlagbare KANALOA-Karten im Spiel und zwei schwache Kraken-Karten. Für die normalen Karten gilt die übliche Bedienpflicht von Stichspielen, für die Sonderkarten wird diese Grundregel aufgehoben. Die Farben der Götter spiegeln sich auf den Meereskarten wider, die bilden, zum Kreis ausgelegt, die Segelstrecke der Spieler, die auf einem gemeinsamen Startfeld beginnen. Zehn bis zwölf Karten liegen je nach Spielerzahl in der Rennstrecke. Da jeweils zwei unterschiedliche Wasserfelder auf den Karten zu sehen sind, blicken alle mit ihren Segelschiffen auf eine scheinbar lange Segeltour vor sich. Der Spielablauf sorgt aber für eine dynamische Verkürzung der Strecke.
Für die Stichspielrunden starten alle mit acht Spielkarten. Im Ablauf ähnelt KANALOA allen klassischen Stichspielen, allerdings gibt es keine freie Trumpfwahl. Es muss bedient werden, der Gewinner des Stichs bekommt zur Belohnung einen Schritt auf der Segelstrecke. Die jeweilige Trumpffarbe ergibt sich stets durch das Wasserfeld des führenden Bootes. Sind die acht Karten gespielt, entfernt der Gewinner des letzten Stiches eine freie Meereskarte. Auch jede Kraken-Karte sorgt für die Verkürzung der Rennstrecke, sodass innerhalb einer Runde die Strecke um maximal sechs Felder schrumpft. Durch diese Verkürzung der Seestrecke funktioniert auch Burkhardts Idee für das Spielende gut, das eintritt, sobald ein Spieler das letzte Boot überrunden konnte.
Beschleunigend wirken zusätzlich die Regeln, dass nur auf dem Startfeld alle Schiffe stehen dürfen, sonst müssen besetzte Felder übersprungen werden. Aufholtechnisch ist das hilfreich, das gilt zusätzlich für die Delfinfelder, die auf vier Karten vorkommen. Wer ein solches Feld erreicht und die Felder vor und hinter ihm sind frei, erhält Hilfe von dem Delfin, der den Segler ein zusätzliches Feld voranbringt. Unbedingt einbauen sollte man von Anfang an außerdem die empfohlene Variante für Luschen-Blätter. Wer meint, ein ganz schlechtes Blatt zu haben und ohne Stich aus der Runde herauszugehen, kann das vorher ankündigen und darf bei korrekter Voraussage drei freie Wasserfelder vorwärts segeln.
Die Verknüpfung von Stichkartenspiel mit einem Segelrennen gelingen Burkhardt und Piatnik auf überzeugende Weise. KANALOA ist meist spannend bis zum Schluss, da die verkürzte Rennstrecke am Ende oft große Sprünge zulässt. Grafisch gefällig, mit schönen Holzschiffen ausgestattet, hat auch Piatnik das Notwendige dazu beigesteuert, dass Hermes und Thot, die griechischen und ägyptischen Götter des Spiels dem hawaiianischen Heiler KANALOA gewogen sein werden.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: KANALOA
Verlag: Piatnik
Autor: Günter Burkhardt
Grafik: Fiore GmbH
Spielerzahl: 3 -5
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 25 Minuten
Preis: ca. 20.- Euro
Spiel 71/ 2020
Mittwoch, 21. Oktober 2020
KING OF 12
Rita Modl reüssierte 2018 mit dem vielbeachteten MEN AT WORK. Zwei Jahre später darf man schon prognostizieren, ihr zweites Spiel KING OF 12 wird ebenfalls nicht in der Versenkung verschwinden, obwohl es deutlich weniger opulent daherkommt.
KING OF 12 ist eine Würfelschlacht in einer magischen Welt, in der mit Hilfe von Zauberkarten Würfelwerte sich ständig verändern. Jeder startet mit einem zwölfseitigen Würfel, einem identischen Set von sieben Charakterkarten, die aus zwölf verschiedenen ausgewählt werden, und einer Übersichtskarte über den Spielablauf, das Runden- und Spielende. Corax Games hat dann noch einige Siegpunktmarker für die Bilanzierung der einzelnen Runden spendiert.
Gewürfelt wird um eine Thronbesteigung in einem imaginären Reich, wobei jeder zu Beginn nur ein einziges Mal würfelt. Mit diesem Wurf gilt es, sechs Kampfrunden zu überstehen, bei denen jeweils überprüft wird, wer am Ende den höchsten Würfelwert besitzt. Hier kommen nun die Kartensätze ins Spiel, die auch mit scheinbar miesen Würfen, den Würfel glänzen lassen. Die Karten manipulieren meist die eigenen, manchmal auch gegnerische Ergebnisse. Jeder muss sich für eine Karte entscheiden, die er verdeckt ablegt. Die Wirkung identischer Karten hebt sich auf, einzeln gespielt, gelten aber die Effekte, wie die Wertungsumkehrung beim Ritter, die Werteverdopplung durch den Alchemisten oder der Golem, der den Wert 12 ergibt. Nicht nur identische Karten werden negiert, auch identische Würfelergebnisse nach der Kartenmanipulation schalten sich aus.
Der Gewinner einer Pokerrunde erhält zwei Siegpunkte, der zweite der Runde noch einen. Gespielt wird, bis einer nur noch eine Karte auf der Hand hat, wer dann die meisten Gewinnchips vorweisen kann, ist der Rundengewinner. Identische Ergebnisse werden auch bei dieser Abrechnung negiert. Theoretisch kann die erste Spielphase schon nach vier Runden beendet sein, denn acht Siegpunkte reichen ebenfalls aus. Der Gewinner wird leicht geschwächt. Er muss eine seiner Karten als Zeichen seines Sieges unter seinen Würfel legen. Wer die zweite Karte verliert, gewinnt das Spiel.
KING OF 12 ist ein typisches Bluffspiel, in dem man versucht, die anderen reinzulegen, weil man zu wissen meint, was diese legen könnten. Von dem Spieler mit dem niedrigsten Würfelwert wird meistens erwartet, dass er den Ritter spielt, um zu gewinnen. Ebenfalls einen Ritter zu spielen, würde die Umkehrung der Wertung verhindern. Wenn der dann aber statt des Ritters einen Parasiten spielt, der einen Abzug von sieben Punkten auf den Würfelwert zur Folge hat, macht er den anderen eine lange Nase. Auf die Dauer helfen aber nur hohe Ergebnisse, da muss man entweder den Würfel drehen oder das Orakel zu einem erneuten Würfelversuch nutzen.
Spannend ist die Nutzung der Gleichstandregel, bei der man hinten liegend in der letzten Runde versuchen kann, dem Zweiten Punkte zuzuschustern, damit er mit dem vor ihm liegenden Spieler gleichzieht.
In Vollbesetzung und zu dritt machen diese magischen Karteneinwirkungen auf die Würfelergebnisse richtig viel Spaß. Da sind Emotionen am Tisch, jedes Kartenaufdecken wird zelebriert. Im Duell zündet das weniger.
Die grafische Umsetzung durch den französischen Illustrator Robin Lagofun gefällt mir ausgesprochen gut. Auch die mit Glitzereffekten durchwirkten blauen Würfel machen etwas her. Die Alterseinordnung ab 10 Jahren sollte großzügig ausgelegt werden. Achtjährige habe ich mit großer Begeisterung im Karten-Würfel-Geplänkel erlebt.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: KING OF 12
Verlag: Corax Games
Autor: Rita Modl
Grafik: Robin Lagofun
Spielerzahl: 2 -4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 20 - 40 Minuten
Preis: ca. 20.- Euro
Spiel 70/ 2020
Dienstag, 20. Oktober 2020
RETTET RAPUNZEL
Vor 22 Jahren tauchte erstmals mit PINGUIN KEGELN ein raffiniertes Schnipp-Spiel des Bremer Autors Torsten Marold auf, der ein Jahr nach dem großen Erfolg von HUSARENGOLF damals ein gesuchter Autor war. Die Holzinsel brachte dieses Pinguin Kegelspiel 1998 heraus, bei dem es darum ging, Eisscheiben unter Pinguinen wegzuschubsen, dies aber so geschickt und schnell, dass der Pinguin davon gar nichts mitbekommt und einfach stehen bleibt.
Als SCHNIPP-TRICK erlebte die Idee bei Steffen-Spiele 2015 eine Neubelebung, diesmal thematisch passender als reines Kegelspiel umgesetzt. Ganz aktuell retten wir auf ähnliche Weise Rapunzel. Da nun der Verleger Steffen Mühlhäuser als Mitautor ausgewiesen wird, gehe ich davon aus, dass die entscheidende Idee, den ursprünglich horizontalen Spielansatz in die Vertikale zu verlegen, von ihm stammt. Sämtliche Scheiben, neun an der Zahl, sind zu einem Turm aufgerichtet, in dessen Turmzinne Rapunzel auf Rettung wartet.
Mit einer Schnipp-Scheibe gilt es, den Turm abzubauen. Was mit Pinguinen und Tischkegeln geklappt hat, funktioniert, man mag es kaum glauben, auch mit fragilen Turmscheiben. Die nötige Geschwindigkeit der Scheibe vorausgesetzt und zentrale Treffer verkleinern den Turm tatsächlich. Übungsschüsse vor dem ersten Spiel sollten aber gewährt werden.
Wie bisher spielt CAN’T STOP etwas mit. Wer erfolgreich war, darf aufhören, aber auch den nächsten Versuch starten. Stürzt dabei der Turm ein, verliert man die bereits gewonnenen Scheiben. Der Turm wird danach mit allen noch nicht gesicherten Turmetagen und natürlich Rapunzel wieder errichtet. Wer die letzte Scheibe unter Rapunzel herausschnippt, gewinnt das langhaarige Mädchen gleich mit, sofern es nicht aus seiner Turmzinne fällt. Die Abrechnung ist einfach, Rapunzel bringt zwei Punkte, die Turmscheiben einen. Gespielt werden so viele Spielrunden wie Rapunzel-Retter am Werk sind. Jeder muss einmal anfangen, denn der ganz hohe Turm ist am schwierigsten zu bewältigen.
RETTET RAPUNZEL ist noch imposanter und spannender als seine Vorgängerspiele in der Horizontalen. Bei Torsten Marolds Geschicklichkeitsspiel stimmt nun alles, das Thema, das tolle Material und der Spielablauf. Wegen eines Konfektionsfehlers schenkt uns Steffen Mühlhäuser sogar eine zusätzliche rote Scheibe, die gut für individuelle eigene Regeln genutzt werden kann. Wir bauen sie ganz unten im Turm ein und sie zählt wie Rapunzel zwei Punkte.
In dieser Woche gibt es RETTET RAPUNZEL sogar ganz preiswert. Während der gesamten Messewoche zur SPIEL digital vom 19. bis zum 25. Oktober gewährt Steffen-Spiele einen Rabatt von 18 % auf alle Einkäufe über die Webseite www.steffen-spiele.de.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: RETTET RAPUNZEL
Verlag: Steffen-Spiele
Grafik: Bernhard Kümmelmann
Autoren: Torsten Marold, Steffen Mühlhäuser
Spielerzahl: 2 -5
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 14.- Euro
Spiel 69/ 2020
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