Mittwoch, 31. März 2021
BUNTE BLÄTTER
Neue Minnys bei NSV: BUNTE BLÄTTER
Nach HAMSTERN & Co. 2020 setzt NSV die Angebote an preiswerten vernähten Spielideen fort. 2021 beschränkt sich der Spielkarten Verlag aus Fürth bei Nürnberg aber nicht mehr nur auf einen Autor, damals war es der noch völlig unbekannte Moritz Dressler, und auf ein Genre, das der Roll & Write-Spiele, neu sind nun Kartenspiele. Was vergleichbar bleibt, ist die Anzahl der Ideen, vier nämlich. Außerdem verzichtet NSV weiterhin auf eine Pappschachtel, die Ideen kommen in reiner Papierverpackung daher. Oben und unten vernäht, schält sich aus dem aufgerissenen Material ein Papiercover, eine Spielregel und unterschiedliche Materialien, diesmal liegen sogar Stifte bei.
Neu im Minny-Team sind Jens Merkl und Jean-Claude Pellin, die wie schon bei NINE TILES PANIC (Oink Games) oder HUNGRY HUGO (Logis) sich gut ergänzen. Ihre Spielidee BUNTE BLÄTTER rangiert für mich auf dem zweiten Platz der Minny-Neuheiten.
Ihr Blätterwald besteht aus identischen Kartensätzen für zwei bis vier Spieler. Nur fünf Karten, beidseitig nutzbar mit jeweils vier Ahorn-, Buchen- oder Eichenblättern in unterschiedlicher Verteilung. Im 2x2-Raster ausgelegt, ergeben die Karten ein Laubfeld von 4x4 Blättern. Die fünfte Karte deckt die Laubfläche irgendwo oben ab. All das dient letztlich der Nachkonstruktion einer Aufgabenvorgabe durch eine der 16 Aufgabenkarten, die ebenfalls beidseitig genutzt werden können.
Spieltechnisch entsteht ein Geschwindigkeitspuzzle um die richtige Lösung. Das macht aber auch alleine Spaß, da manche Konstellationen nicht ruckzuck lösbar sind. Kompetitiv tendieren diese Aufgabenformate dazu, dass sich häufig ein Schnell-Puzzler in der Runde herausschält, der alle anderen stets alt aussehen lässt. Spielen Kinder mit, macht es Sinn, schnelle Erwachsene mit Zeithandicap zu belegen. Die fangen erst nach einer Minute an.
Ein kleines bisschen erinnert Merkls und Pellins Idee an das Solospiel OBSTHAIN, bei dem die Abdeckung von Karten eine entscheidende Rolle spielt. Wahrscheinlich spiele ich deshalb BUNTE BLÄTTER auch gerne alleine, nur um die Lösung zu schaffen. Wer gar nicht weiterkommt, dem wird versprochen, sich unter nsv.spielregeln helfen zu lassen. Wahrscheinlich ist das Spiel im Augenblick aber noch zu neu am Markt, Hilfe wird wohl erst später gewährt.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: BUNTE BLÄTTER
Autor: Jens Merkl, Jean-Claude Pellin
Grafik/Design: Christian Opperer
Verlag: NSV
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 -4
Spielzeit: ca. 5-10 Minuten
Preis: ca. 4 Euro
Außerdem in der Reihe erschienen sind:
GO FOR GOLD, Steffen Bendorf, Kaddy Arendt
5 MINUTEN PUZZLE, Steffen Benndorf
LOOT SHOOT WHISKY, Moritz Dressler
Spiel 19/2021
Samstag, 27. März 2021
WORT-MIX
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spiele mit Sprache - WORT-MIX
Hektik und Schnelligkeit gehören zum Spielprinzip von WORT-MIX, ein „Turbo-Action-Spiel mit großem Lerneffekt“, wie es werbeträchtig auf der Rückseite der Schachtel heißt. Das schnelle Ergreifen von Buchstaben ist Spielziel, ob damit auch Begreifen verbunden ist, möchte ich nur eingeschränkt gelten lassen. Zumindest ein Wiedererkennen findet statt, was den Lernprozess durchaus voranbringen kann.
In einem runden Pool liegen 70 gelbe Buchstabenkugeln wie kleine Lottobällchen herum. Jeder der zwei bis vier Spieler besitzt eine Kunststoff-Röhre mit elastischer „Einsammel-Öffnung“. 55 Spielkarten geben Aufgabenstellungen für zwei Spielvarianten vor. Da gibt es einmal die reine Form des Buchstabensammelns, bei der sieben oder acht Kugeln in einer bestimmten Reihenfolge gesammelt werden. Da ist dann wirklich Hektik im Pool angesagt, da die vorgelegte Aufgabe für alle gilt. Mit einem raschen Stoß auf die gewünschte Buchstabenkugel befördert man das gelbe Bällchen ins Innere der Röhre. Auf diese Weise müssen die Spieler so schnell wie möglich aus dem Pool die richtigen Buchstaben für die vorgegebene Aufgabe sammeln. Für die korrekte Erfüllung der Aufgabe gibt es drei Punkte, sollten Fehler auftreten, erhalten die Mitspieler jeweils einen Punkt. Einfacher, sicherlich auch sinnvoller, ist die zweite Variante, in der es nach gleichem Verfahren Wörter zu bilden gilt. Die Aufgabenkarte gibt meist Wörter mit vier, fünf oder sechs Buchstaben vor, bei einigen Karten geht es bis zu sieben Buchstaben. Je nach Alter der Mitspielenden kann so das Spiel leichter oder schwieriger gestaltet werden.
Die Spielregeln überzeugen nicht unbedingt, trotzdem ist das zugrunde liegende Spielkonzept, das es als KUGEL-BLITZ auch für den Recheneinsatz gibt, tragfähig. Bei der ersten Variante passiert es meist, dass im Spiel zu viert, die Buchstaben nicht für alle reichen. Da gibt es Karten mit einem „Z“ am Anfang oder an zweiter Position, dieser Buchstabe ist aber nur einmal vorhanden, so dass die anderen nur noch zuschauen können, wie der erfolgreiche „Z“-Finder geruhsam seine restlichen Kugeln sucht. Das Problem taucht bei der Wörterbildung nicht so extrem auf. Ein freier spielerischer Umgang mit den Buchstabenkugeln kann erfinderisch machen. Die Spielregel liefert dazu einige Anregungen, die beliebig erweitert werden sollten. Worte können zum Beispiel von einem Spielleiter frei vorgegeben werden, so dass die Rechtschreibung im Anschluss überprüft werden kann. Die Suche nach einem möglichst langen Wort, besitzt ebenfalls ihren Reiz. Wer Buchstabenvorgaben für STADT – LAND - FLUSS sucht, kann diese schnell und vorausschaubar mit WORT-MIX vornehmen. Viele klassische Wortspiele wie BOGGLE oder WORTWIRBEL können mit dem Spielmaterial umgesetzt werden. Insofern bieten die Buchstabenkugeln von WORT-MIX viele Anregungen, die weit über das eigentliche Spiel hinausgehen.
Wieland Herold
Titel: WORT-MIX
Autor: Michael Rüttinger
Verlag: Noris
Spieler: 2-4
Alter: ab 6 Jahren
Preis: ca. 16 €
Spiel 25/2003 R54/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Michael Rüttinger, der Bruder von Johann Rüttinger, hat eigentlich als Lehrer gearbeitet, aber nebenberuflich viele Spiele für Noris entwickelt. In seinem Hauptberuf war er zwischen 1990 und 2017 27 Jahre Schulleiter an der Theo-Betz-Schule in Neumarkt. Für Noris hat er in dieser Zeit mindestens 60 Spiele entwickelt, vielfach zusammen mit seinem Bruder, aber Spiele fürs Alltagsgeschäft von Noris häufig alleine. Zu diesen gehört auch WORT-MIX.
Große Erfolge kann er nicht vorweisen, im Gegensatz zu seiner Frau Heidemarie, die für die Grafik des Kinderspiel des Jahres 2011, DA IST DER WURM DRIN, verantwortlich zeichnet.
Donnerstag, 25. März 2021
SO EIN KÄSE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
SO EIN KÄSE
Manchmal sind Spieletitel Programm! Von Wolfgang Kramer gab es vor Jahren ein Ravensburger Spiel, bei dem das Titelzitat als Verriss ausreichte, SO EIN MIST war so ein Mist. Ich bin daher mit etwas Skepsis an Peter Neugebauers neues Goldsieber-Spiel SO EIN KÄSE herangegangen. Ein gefährlicher Titel, ein unpassender für das Spiel dazu.
Neugebauer liefert nichts Neues, er schließt sich dem Trend von hinter Käse herlaufenden Mäusen an, entwickelt dazu ein kleines, recht einfaches Würfelspiel mit taktischen Einsprengseln, das aber an den Pepp des großen Vorbilds VIVA TOPO nicht ganz herankommt.
Dabei ist SO EIN KÄSE wahrlich nicht so ein Käse. Das Spiel bereitet Kindergartenkindern viel Vergnügen. Es gibt große Holzmäuse, die auf einem vernetzten Spielplan Chips einsammeln müssen, würfelnder Weise natürlich. Es gibt wertvolle Käsefunde, die am Ende drei Punkte zählen, auch Wurststücke sind mit zwei Punkten nicht zu verachten, oft ist es aber einfach nur Krempel, der herumliegt, der bringt am Ende nur etwas für den Spieler – sechs Punkte nämlich - , der den meisten Krimskrams gefunden hat. Außerdem treiben noch sechs Katzen ihr Unwesen, die die Mausfiguren allerdings auch einsammeln dürfen, sie werden mit einem Punkt bewertet. Ansonsten führt ihr Erscheinen dazu, dass die Mäuse sich in ihre Mauselöcher verkriechen. Das, was die zwei bis vier Mäuse im Laufe des Spiels einsammeln, liegt nur scheinbar sicher vor ihnen. Der Würfel dient im Spiel nicht nur der Fortbewegung, sondern bringt eine Verunsicherung für das Besitzdenken mit. Eine grapschende Hand entreißt den Mitspielern ein sicher geglaubtes Käsestück, das wieder zurück auf den Spielplan wandert, meist in die Nähe des Grapschers. Nur mit Hilfe des gewürfelten Truhenschlosses kann man die wertvollen Teile absichern, so dass sie vor nachbarschaftlichen Diebstählen gefeit sind. Die Spieler müssen im Übrigen nicht Grapschen und Bunkern, sie können bei den Sondersymbolen stets noch einmal würfeln, um vorwärts zu kommen und neue Teile einzusammeln. Das Spiel endet dann, wenn nur noch drei Überraschungschips auf dem Spielplan sind. Dann wird abgerechnet, dabei sind Fünfjährige, für die das Spiel schon sein soll, eindeutig überfordert. Die Maus mit den meisten Punkten, inklusive der Katzenfänge – da lacht der Elefant -, gewinnt nach 15 bis 20 Minuten das Spiel.
SO EIN KÄSE ist solide, es ermöglicht kleinen Kindern in Ansätzen strategische Planungen, vor allem dann, wenn nicht mehr ganz so viele Chips auf dem Spielplan sind und die Ausgangsposition, von der aus mehrere Zielpunkte erreicht werden können, Bedeutung erhält. Ein Merkeffekt kommt bei Wegnahme von Chips mit hinzu. Ansätze für ein ordentliches Spiel sind vorhanden. Weniger gefällig sind die Grafik und die Probleme bei der Endabrechnung.
Wieland Herold
Titel: So ein Käse
Verlag: Goldsieber
Autor: Peter Neugebauer
Spieler: 2-4
Alter: ab 5
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: 15 Euro
Spiel 23/2003 R58/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Lehrer Peter Neugebauer tanzt im Spielebereich auf vielen Hochzeiten. Hauptsächlich ist er als Spielekritiker unterwegs, hat für die spielbox geschrieben und schreibt augenblicklich für die Fairplay.
Die Verlags- und Redaktionsseite hat er für den TM-Verlag mitgeprägt. Er war an der Gründung des TM-Verlags beteiligt und Teil des Teams, das Spiele für Goldsieber entwickelt und betreut hat. So ist er auch Teil des legendären Kara Ben Hering-Pseudonyms von 1995. Zusätzlich hat er selbst noch etwa 50 Spiele entwickelt. Sein erstes Spiel erschien 1987 bei Herder (OMNIBUS). Ausgezeichnet wurde nur PINGO PONGO (Noris, 2013 Empfehlungsliste Kinderspiele) .
Das Bild zeigt Neugebauer 1991 mit Alex Randolph und Hajo Bücken auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Mittwoch, 24. März 2021
FLUCHT AUS DEM STARLINE EXPRESS
Wenn ein Verlag sich mit spannenden kriminalfällen auskennt, dann ist das moses. 1991 als Kinderbuchverlag gestartet, stammen von den Kempener Büchermachern schon seit 17 Jahren rabenschwarze Geschichten. Kein Wunder also, dass die Macher von moses. neben den Fitzek-Spielen nun auch in den Escape Room-Zug einsteigen. Sie setzen allerdings diesmal nicht auf eine Eigenentwicklung wie bei BLACK STORIES von Holger Bösch, sondern haben Lizenzen des englischen Professor Puzzle Verlages erworben. Die Briten starteten 2002 mit Metallrätseln, später kamen Holzpuzzle dazu. Auf seiner Homepage behauptet der Verlag, der weltweit führende Puzzlelieferant zu sein. Das erste ESCAPE-Spiel erschien dort 2018, das war auch das erste Spiel, das moses. übernahm, DAS GEHEIMNISVOLLE GRAND HOTEL, das die Kritik zwar für das Spielmaterial lobte, dessen Rätselqualität aber zu massiven Verrissen führte. In der BGG-Wertung macht es mit einer 3,3 keine gute Figur.
Der Verlag aus Kempen steht vorerst noch zu der deutsch-britischen Kooperation und bringt auch den zweiten Fall FLUCHT AUS DEM STARLINE EXPRESS heraus. Diesmal gibt es mit Alessandro Deriu immerhin einen Autoren, wenn er nicht ein Pseudonym aus der Professor Puzzle-Redaktion ist. Weitere Spiele scheint ein Deriu bisher nicht veröffentlicht zu haben. Wie schon beim ersten Spiel werden Grafiker nicht erwähnt. Wer für die redaktionelle Bearbeitung auf der Seite von moses. verantwortlich zeichnet, findet sich auch nirgends.
Das Ambiente ist erneut stimmig. Wir sind nicht mehr in einen Traditionshotel und laufen von Zimmer zu Zimmer, sondern in einem Traditionszug von London nach Paris in der Rolle der Kriminalreporterin Betty Wilsons. Diesmal laufen wir von Waggon zu Waggon. Eine wertvolle Diamanthalskette ist abhandengekommen, wobei wahrscheinlich die Rag-Tag-Crew hinter dem Raub steht. Die Umschläge mit jeweils neuen Waggons vom Speisewagen bis zum Gepäckwagen und Maschinenraum enthüllen immer mehr Teile der Geschichte. Wobei die Folge linear ist. Jede korrekte Lösung führt zu einem neuen Umschlag. Wer nicht weiterkommt, findet einen „versteckten Hinweis“. Für den Notfall kann man auch noch auf einen kompletten Lösungszettel zurückgreifen der sich in einem Umschlag befindet, aber gleich alle Lösungen zeigt.
Was richtig gut ist, dass das Material zum Knobeln meistens gleich doppelt im Umschlag steckt und wie schon beim ersten Fall nicht zerstört werden muss. Die Aufgaben sind nicht spektakulär, entsprechen aber dem Standard dieses Genres. Wobei die Herkunft aus einem Verlag, der sich mit puzzleartigen Spielen beschäftigt, durchaus erkennbar ist. Die Einordnung des Verlages, der STARLINE EXPRESS für Einsteiger empfiehlt, kann ich voll und ganz unterschreiben. Bis man sich durch die jeweiligen Einleitungstexte der Geschichte und des Fortgangs in den Abteilen gearbeitet hat, dauert es aber schon etwas Zeit. Die Lösung der Rätsel kommt noch hinzu, die angegebenen 90 Minuten sollte man daher durchaus einplanen.
FLUCHT AUS DEM STARLINE EXPRESS erfindet das Genre nicht neu, bewegt sich aber auf ausgetretenen Pfaden deutlich sicherer als im GRANDHOTEL. Zu Jubelstürmen á la EXIT reicht es bei weitem noch nicht, aber zu einer wohlwollenden Empfehlung für Einsteiger.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: FLUCHT AUS DEM STARLINE EXPRESS
Autor: Alessandro Deriu
Grafik/Design: o.A.
Verlag: moses.
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 – 5
Spielzeit: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 17/2021
Dienstag, 23. März 2021
FETTE BEUTE
FETTE BEUTE
Die aktuelle Amigo-Neuheit FETTE BEUTE von Andy Niggles, der bisher noch keine deutsche Veröffentlichung vorweisen kann, aber seit 2011 schon Spiele entwickelt, gehört in die fetzige HOL’S DER GEIER-Kategorie. Identische Kartensätze werden verdeckt gespielt, um hohe Erträge zu bekommen.
Das einfache Konzept funktionierte bei Randolph schon in den 80er Jahren und wurde immer wieder aufgegriffen. Bei Niggles geht es um futtersammelnde Tiere, die hinter allen möglichen Nussformen, Eicheln und Sonnenblumenkernen hinter her sind. Jeder Spieler besitzt dafür ein Tier-Set mit Eichhörnchen, Waschbär, Hamster, Murmeltier und Biber. Zusätzlich werden unsere Nager angefüttert mit drei zufällig gezogenen Futterkarten. Wer Glück hat, bekommt gleich zwei oder sogar drei von einer Sorte und ist damit dem Spielsieg deutlich näher als andere, die mit drei verschiedenen Sorten starten. Wer fünf identische Futterkarten sammelt, gewinnt FETTE BEUTE spätestens nach 15 Minuten.
Im Gegensatz zu Randolphs Klassiker stehen alle fünf Tierkarten in jeder Spielrunde zur Verfügung und es wird auch nicht nur eine Karte ausgespielt, sondern gleich zwei. Ausgehend vom Startspieler decken erst einmal alle eine Karte davon auf und nutzen die besonderen Optionen der Tiere. Das Eichhörnchen darf eine verdeckte Futterkarte ziehen, der Waschbär bedient sich offen aus den Auslagen der Gegner. Das klappt auch oft, es sei denn, der Hamster steckt unter den Karten des Angegriffenen, der verteidigt erfolgreich das Lager. Schon aufgedeckte Hamster, schrecken allerdings den Waschbären nicht mehr ab. Das Murmeltier kommt stets nur als zweites an die Reihe, es kopiert die erste Karte. Der große Nager, der Biber, bringt mit drei Karten den höchsten Ertrag, wenn er allein in der Runde gelegt wurde. In allen anderen Fällen profitieren die Spieler, die auf den Biber verzichtet haben, sie bekommen eine Karte.
Das ist ein interessantes Tierkonstrukt, das Niggles da auf Nussjagd schickt. Genial ist sein Einfall des doppelten Legens, der einerseits Verteidigung ermöglicht, andererseits das Duplizieren zulässt. Wer scheinbar hinten liegt, kann sich so schnell wieder nach vorn arbeiten, da ihn die anderen meistens in Ruhe lassen. Ziemlich glücksabhängig ist allerdings das verdeckte Nachziehen, da kann man wie schon mit den Startkarten viel Pech, aber auch viel Glück haben. Die spannendste Frage ist in jeder Runde, ob ein Biber durchkommt oder doch alle anderen eine andere Karte erhalten.
Das ist durchweg unterhaltsame Kost, nichts Großartiges, aber im Familienspielbereich mit Kindern immer wieder spielbar. Das übrigens nicht nur mit Achtjährigen, wie die Regel vorgibt. Erstklässler haben ebenfalls schon viel Freude an der FETTEn BEUTE.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: FETTE BEUTE
Autor: Andy Niggles
Grafik/Design: Christine Deschamps, Maëva da Silva
Verlag: Amigo
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 3 – 6
Spielzeit: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 17/2021
Montag, 22. März 2021
HEISSE WARE
Die ursprünglichen Verlagsziele haben inzwischen wenig mit dem realen Programm des Gmeiner-Verlag im Sigmaringschen Meßkirch zu tun. Armin Gmeiner, der den Verlag vor 35 Jahren als 22jähriger Student gründete, plante ursprünglich die Herausgabe der Enzykliken des Papstes in der Universalsprache Esperanto. Der angehende Wirtschaftsingenieur sah das als Experimentierfeld für seine Schwerpunkte Druck- und Verlagswesen, außerdem erfüllte er dem Dekan seiner Uni damit einen Herzenswunsch.
Es folgten regionalgeschichtliche Werke in kleinen Auflagen, erst 12 Jahre später startete Gmeiner mit einem belletristischen Programm. TIEFENRAUSCH von Gunter Haug war der erste Kriminalroman, aus dem sich die Reihe der Schwabenkrimis entwickelten. Inzwischen verlegt der kleine mittelständische Verlag mehr als 500 Autoren, gilt als Krimischmiede, setzt aber durchaus noch kulturelle Akzente, wobei er mit kriminellen Freizeitführern, Garten- und Kräuterkrimis Brücken schlägt.
Zum Brückenschlag gehört auch die Spielreihe mit Krimi- oder Rätselspielen zu Reisezielen. Spiele hat der Verlag inzwischen schon seit 15 Jahren im Programm. Anfangs und auch später immer wieder hat er sich dabei auf die Veröffentlichung von Ideen Sonja Kleins konzentriert. Seit 2010 taucht aber ab und zu der renommierte Spieleautor Reiner Knizia unter den Ideenlieferanten auf. Damals stellte er SIEBEN UNTER VERDACHT, nach dem KURZEn PROZESS (2017) folgte zwei Jahre später HEISSE WARE.
Das Gefühl kennen wahrscheinlich die meisten, wenn sie aus einem NICHT-EU-Land einreisen und doch etwas mehr Whisky oder Weinbrand im Koffer haben als die erlaubte Literflasche. Bisher durften es aus Schottland ganz offiziell 10 Liter sein, nun gilt die Flaschengrenze. Für Reiner Knizia ist es kein Problem mehr, da er inzwischen ja wieder in Deutschland lebt, aber in seinem Spiel HEISSE WARE dürfen wir mit der Schmuggel-Spannung spielen.
Das Spiel geht über mehrere Runden, bis jeder zweimal die Rolle eines Polizisten, der Koffer kontrolliert, übernommen hat. Je nach Spielerzahl besitzt der Grenzbeamte unterschiedlich viele Aktionskarten. In den zurzeit üblichen kleinen Runden sind es eine Bestechungs-, eine Kontroll- und eine Verhaftungskarte. Neben den Flaschen-Plättchen bekommen alle anderen noch fünf Kofferkarten, auf deren Rückseite keine Flaschen, nur eine oder zwei bis drei Flaschen Alkohol zu sehen sind.
Drei dieser Karten kommen in jeder Runde zum Einsatz. Zwei Koffer möchte man über die Grenze bringen, einer gilt als Bestechungsangebot für den Beamten. Knizia lässt diese Bestechung erst gar nicht unter der Hand stattfinden. Die Hand aufzuhalten, gehört wie wir aktuell von einigen CSU- und CDU-Abgeordneten erfahren, zum guten Ton. Alle offenbaren ihre Bestechung, was ohne Konsequenzen bleibt. Im Gegenteil, angenommen ist der kleine Nebenverdienst des Beamten, Garant für den sicheren Weitertransport der restlichen Koffer.
Im Anschluss kehrt der Grenzbeamte aber wieder ganz den korrekten Polizisten heraus, der mit der Kontrollkarte einen Koffer kontrolliert. Schließlich kann der Beamte noch einmal im Rundumschlag zuschlagen, indem er eine Verhaftung vornimmt. Das kann den gerade Kontrollierten treffen, aber auch einen anderen Spieler. Diese Aktion ist mit einem gewissen Risiko für den Polizisten verbunden. Er darf zwar beide Koffer öffnen, muss aber zur Entschädigung für einen zu Unrecht beschuldigten Reisenden, der nur eine erlaubte Flasche in beiden Koffern hat, zwei eigene Flaschen herausrücken. Da können die Bestechungsgelder schnell wieder flöten gehen. Im anderen Fall der berechtigten Anklage, kommt der Beschuldigte mit der Abgabe der gesamten Schmuggelware und einer Ermahnung davon. Dafür wandern die Flaschen auch nicht in die Asservatenkammer, sondern in den Privatbesitz des Polizisten.
Man merkt schnell, Verbrecher sind in diesem Spiel Knizias auf allen Seiten der Rollenverteilung. HEISSE WARE ist ein hundsgemeines Bluffspiel, bei dem es am meisten Spaß macht, den Polizisten vorzuführen. Die Optionen ergeben sich aber allerdings oft aus den Zwängen der Kofferzuteilung. Wer nur drei leere Koffer und zwei mit nur einer Flasche erhält, hat gar keine andere Chance, als darauf zu hoffen, dass der Polizist ihn verhaftet.
Zu dritt macht das Spiel überhaupt keinen Spaß, da die Polizeiaktionen zu stark sind. Wer nicht genügend in die Bestechung investiert, hat kaum eine Möglichkeit der Doppelaktion von Durchsuchung und Festnahme zu entgehen. In großen Runden, die uns hoffentlich bald wieder gegönnt sind, bringt dieses Bluffspiel Reiner Knizias aber genügend Pokerreiz auf den Tisch.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: HEISSE WARE
Autor: Reiner Knizia
Grafik/Design: Lutz Eberle, Kathrin Lahmer
Verlag: Gmeiner
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 3 – 8
Spielzeit: ca. 30 - 60 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 16/2021
Sonntag, 21. März 2021
WENDELIN UND WANDA
SAMMELSURIUM
Pelikan Travellerserie: WENDELIN UND WANDA
Die bei Spielesammlern bekanntesten Spiele aus dem Pelikan Verlag sind die Buchkassetten, die zwischen 1974 und 1976 herausgegeben wurden. Zeitgleich erschienen wie bei Ravensburger 12 Spiele im Traveller Format. Die ursprünglich nur für Tinten und Farben bekannte Firma aus Hannover mit dem Wappentier Pelikan, war ab den 30er Jahren die wesentliche Firma in Deutschland für Füllfederhalter. Die Erfolge führten in den 70er Jahren zu einer großen Erweiterung der Produktpalette. Neben Spielen kamen Drucker, Projektoren, sogar Kosmetik ins Sortiment der Firma. TKKG wurde von Pelikan ursprünglich entwickelt. Die Expansion ließ die inzwischen von der GmbH zur AG gewordene Firma straucheln. 1984 wurde sie von der Condorpart AG in der Schweiz übernommen, die die Spieleproduktion nicht fortführte. Inzwischen gehört Pelikan dem malaysischen Unternehmen Goodace, das nunmehr als Pelikan International Corporation Berhad firmiert.
Pelikan griff in der Traveller-Reihe wie schon bei den Buchschuber-Spielen weitgehend auf Autoren zurück, nur zwei Ausgaben waren Lizenzen von Seven Towns. Rudi Hoffmann hat zwei Spiele zu dieser Reihe beigesteuert, am bekanntesten ist WENDELIN UND WANDA.
Wie in der großen Reihe tritt auch hier Eugen Oker als Serienbegleiter auf. Einleitende Kurzgeschichten führen zu manchen Spielen, wie der Verlag selbst sagt, meist „frei erfunden, zum Teil wahr“. Eugen Oker „wolle ja nicht bloß Einleitungen schreiben, sondern Vorspiele und Einstimmungen.“ Auch an den Regeln der Pelikanspiele soll Oker beteiligt gewesen sein.
WENDELIN UND WANDA
Hören wir einmal in Okers Vorgeschichte zu dem Spiel hinein. Der Spielekritiker erzählt von Graf Bobby, eine Wiener Witzfigur, die noch zu Zeiten der k.u.k. Monarchie erfunden wurde. Begriffsstutzig und naiv, war er Zielscheibe unendlich vieler Witze. Das nutzt Oker: Graf Bobby erzähle von sich, dass er sich drei Dinge nicht merken könne, erstens Namen, zweitens Gesichter und drittens, drittens, was er sich drittens nicht merken könne, habe er sich noch nie merken können. Um sein Gedächtnis zu trainieren, habe er auf Karten hinten und vorne Männer- und Frauenköpfe gemalt, die er sinnend hin und her drehe, dabei murmelnd: „Nie g’sehn! Nie g’sehn!“ Nach Oker habe diese Anekdote Rudi Hoffmann bei der Entwicklung von WENDELIN UND WANDA inspiriert.
Okers Vorgeschichte beschreibt schon das Spiel. Auf 15 doppelseitigen Spielkarten in fünf Farben ist auf der einen Seite stets ein Mann, der WENDELIN, zu sehen, auf der Rückseite eine WANDA. Jede Figur gibt es dreimal in der gleichen Farbe, also drei rote Wendelins und drei rote Wandas usw.
Das Spiel startet im 3x5 Raster, auf den Karten sind erst einmal alle Männer zu sehen. Wer an der Reihe ist, versucht drei Wendelins die farblich passenden Wandas zuzuordnen. Man nennt die Farbe, in der die Pärchenbildung stattfinden soll und macht sich an das Wendespielchen. Wer seine Vorgabe beim Wenden nicht erfüllt, gibt an den nächsten Spieler weiter. Wer zuerst die drei passenden Paare einer Farbe findet, wird mit entsprechenden vier Farbchips belohnt. Der nächste, der diese Farbe schafft, erhält nur noch drei Chips. Wer als erster die Pärchen für alle fünf Farben finden kann, beendet das Spiel, das der mit den meisten Punkten gewinnt. So haben wir es zumindest immer gespielt. Die Regel Rudi Hoffmanns besagt nur, dass der gewinnt, der zuerst alle Farben findet. Dann macht aber die Staffelung der Chipvergabe keinen Sinn und es hätte im Vorfeld ausgereicht, mit einem Farbchip belohnt zu werden.
Hoffmanns Spiel mit seinen Grafiken ist ein echter Gehirnverzwirbler. Irgendwie fühlt man sich fast wie Graf Bobby, wenn er murmelt: „Nie g’sehn!“. Mit der Zeit hat man aber bestimmte Kombis raus, dass beispielsweise hinter gelben Wendelins nur grüne, schwarze und rote Wandas stecken können.
Hoffmanns Idee zu einem Wende-MEMO tauchte danach und immer noch in unendlich vielen Spielen auf. In den 80ern wurde dazu sogar in der spielbox eine ausführliche Plagiatsdiskussion geführt, weil Karl-Heinz Koch mit dem Ravensburger Spiel HAB ACHT arg nah am Original von Hoffmann war. In den letzten Jahren finden wir die MEMO-Variante zum Beispiel in JOE’S ZOO von Wolfgang Dirscherl (Piatnik 2015), BOLA von Ferdinand Hein (F-Hein-Spiele 2015) und FINDEVIER oder TEUFELSKREIS von Jaques Zeimet (Steffen Spiele 2019) wieder.
Die Europäische Spielesammler Gilde (ESG) hat Hoffmanns Idee als limitierte Auflage mit Originalgrafiken Hoffmanns zum Sammlertreffen 2002 herausgegeben.
Titel: WENDELIN UND WANDA
Autor: Rudi Hoffmann
Grafik: Rudi Hoffmann
Verlag: Pelikan
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 10-20 Minuten
Preis: ca. 20.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 12 - S12/2021
Donnerstag, 18. März 2021
SCHMACKOFATZ
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
SCHMACKOFATZ
Frank Czarnetzki, Gewinner des Förderpreises für Nachwuchsautoren 2002, kann in seiner noch jungen Karriere als Spieleautor und Grafiker immerhin schon zwei Veröffentlichungen vorweisen. Als Grafiker hat er das pfiffige Legespiel ZOO SIM von Corné van Moorsel eindrucksvoll gestaltet und als Autor zeichnet er verantwortlich für die Memoryvariante SCHMACKOFATZ, die bei Haba erschienen ist.
Tukan, Schnecke, Pinguin, Igel, Frosch und Känguru gehen in dem tierischen Merkspiel auf Futtersuche. Für jedes Tier liegen drei Futterkarten bereit, aber nicht offensichtlich, sondern verdeckt, auch nicht en bloc, sondern nur in kleinen Häppchen. Sieben solcher Häppchen sind es am Anfang, die im Kreis ausliegen. Hinter sechs von ihnen steht jeweils ein Tier. Die maximal sechs Spieler, die an SCHMACKOFATZ teilnehmen dürfen, versuchen möglichst viele passende Futterkarten für die Tiere zu finden. Sollte dabei ein Spieler, was im Spiel zu zweit und zu dritt durchaus passieren kann, drei identische Futterkarten während des Spiels gesammelt haben, ist er sofort Spielsieger. Sonst gewinnt das Kind, das die meisten Kärtchen ergattert hat.
Der Spielablauf ist simpel. Eins der sechs Tiere wird am Anfang noch rein zufällig zu der freien Futterkarte geführt. Das Kind, das am Zug ist, darf sich diese Karte ansehen und merken. Hat es mit Glück die passende Futterkarte für das Tier gefunden, erhält es diese und ergänzt die Futterstelle vom Vorratsstapel. Einerseits müssen sich die Kinder aufgedeckte falsche Karten für spätere Züge merken, andererseits gilt es aber auch die Mitspieler im Blick zu behalten, denn aus ihren Zügen erhalten sie ebenfalls Informationen über die Karten. Gegen Spielende können die Futterkarten nicht mehr ergänzt werden. Das Tier ohne Futterkarte darf dann zu einem Tier mit Karte geführt werden, so dass die Chancen, eine passende Futterstelle zu finden, deutlich erhöht werden. Zu sechst, mit voller Besetzung, oder auch zu fünft bleibt der Ablauf eher dem Zufall überlassen, da ständig Veränderungen eintreten. Der Memorycharakter des Spiels kommt mit zwei, drei oder vier Spielern deutlich besser zum Tragen, da lohnen sich die genaue Beobachtung und das Memorieren der gesehenen Kärtchen. SCHMACKOFATZ ist kein genialer neuer Spielansatz, aber solide Hausmannskost, die in der preiswerten Mitbringschachtel daherkommt und Vorschul- und Grundschulkindern durchaus mundet.
Titel: SCHMACKOFATZ
Autor: Frank Czarnetzki
Grafik: Gesa Sander
Verlag: Haba
Spielerzahl: 2 bis 6
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 8.- €
Spiel 21/2003 R53/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Frank Czarnetzki gewann 2002 den Förderpreis für Nachwuchsautoren. Der Kommunikationsdesigner machte im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends durch die Verbindung von Spiel & Kunst auf sich aufmerksam, die er in Produkten wie die MEISTERTDIEBE und BLACK ELEPHANT eindrucksvoll vorführte. Die MEISTERDIEBE waren 2004 sein Diplomabschlusses als Kommunikationsdesigner. Das Spiel brauchte seine Zeit, da für das Hauptobjekt, eine große Schmuckschatulle aus Holz, die sich auf drei Ebenen verdrehen lässt, ein sauber arbeitender Produzent gefunden werden musste. Ein edles Spiel, das durch die verschiedenen Rollen, in die man schlüpfen konnte, auch einen hohen Spielreiz besaß. Ein Meilenstein in der Spielentwicklung und Umsetzung, bisher unerreicht, hier stimmten Anspruch und ästhetische Umsetzung im besonderen Maße.
2006 gründete er für seine Spielideen den Verlag LudoArt, der nicht nur durch eindrucksvolle Standgestaltungen auf der Spiel in Essen auf sich aufmerksam machte. In dem Verlag veröffentlichte er auch Spiele von anderen Autoren, so PLANET STEAM von Heinz-Georg Thiemann und SHEN SHI von Andreas Schmidt.
Das Bild zeigt Czarnetzki 2001 auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Sonntag, 14. März 2021
PRÄRIE
SAMMELSURIUM
Pelikan Buchkassetten: PRÄRIE
Die bei Spielesammlern bekanntesten Spiele aus dem Pelikan Verlag sind die Buchkassetten, die zwischen 1974 und 1976 erschienen sind. Die ursprünglich nur für Tinten und Farben bekannte Firma aus Hannover mit dem Wappentier Pelikan, war ab den 30er Jahren die wesentliche Firma in Deutschland für Füllfederhalter. Die Erfolge führten in den 70er Jahren zu einer großen Erweiterung der Produktpalette. Neben Spielen kamen Drucker, Projektoren, sogar Kosmetik ins Sortiment der Firma. TKKG wurde von Pelikan ursprünglich entwickelt. Die Expansion ließ die inzwischen von der GmbH zur AG gewordene Firma straucheln. 1984 wurde sie von der Condorpart AG in der Schweiz übernommen, die die Spieleproduktion nicht fortführte. Inzwischen gehört Pelikan dem malaysischen Unternehmen Goodace, das nunmehr als Pelikan International Corporation Berhad firmiert.
18 Spiele in Buchkassetten sind in den 70er Jahren erschienen. Die Spiele waren kleiner als die der Konkurrenz. Ihr quadratisches Format (19x19 cm) wirkte sich auch auf die Spielfeldgröße aus, das geklappt die vierfache Schachtelgröße ergab, oft aber auch nur aus einem Kunststoffbrett eben der Größe bestand.
Pelikan griff teilweise auf renommierte Autoren zurück wie Alex Randolph und Eric Solomon. Bei firmeneigenen Entwicklungen arbeitete die Redaktion mit Pseudonymen. Das Pferderennspiel FINISH wurde so einem E. Siena zugeschrieben, GLOBETROTTER hat angeblich ein R. F. Pleuna erfunden und DIAMANT ein A. Steyn.
Wie in der E-Serie von F.X. Schmid tritt auch bei Pelikan der Spielekritiker Eugen Oker als Serienbegleiter auf, aber auf eine anregende Weise einstimmend. Einleitende Kurzgeschichten führen zu manchen Spielen, wie der Verlag selbst sagt, meist „frei erfunden, zum Teil wahr“. Eugen Oker „wolle ja nicht bloß Einleitungen schreiben, sondern Vorspiele und Einstimmungen.“ Auch an den Regeln der Pelikanspiele soll Oker beteiligt gewesen sein.
PRÄRIE
Die Geschichte des Taktikspiels PRÄRIE von Alex Randolph ist lang. Damit verbunden sind edle Buchspiel- und Buchkassetten-Ausgaben der Firma Pelikan, die 1975 das Spiel erstmalig in der klassischen Schuberserie herausbrachten, einige Jahre später folgte eine Neuauflage als BÜFFELJAGD als eines von den fünf großen Buchspielen, zu denen auch Rudi Hoffmanns Klassiker OGALLALA gehörte. Mit deutschsprachigen Neuauflagen ist anscheinend regelmäßig ein Namenswechsel verbunden. 1999 erschien das Spiel erstmalig bei Piatnik, damals unter dem Namen BUFFALO. 2016 folgte die bisher letzte Ausgabe ebenfalls von Piatnik , der Titel beschränkt sich nun ausschließlich auf die zu jagenden Tiere, die BISONs.
Randolphs Idee geht zurück auf Urformen asymmetrischer klassischer Belagerungs- und Verteidigungsspiele. Da stehen stets wenige Verteidiger einer Überzahl von Angreifern gegenüber. Im 19. Jahrhundert sind die klassischen Vorgänger das FESTUNGSSPIEL, das RITTERSPIEL oder FUCHS UND GÄNSE. Vorbilder gibt es weltweit, so stammt aus Südasien das LEOPARDENSPIEL, in dem sich zwei Leoparden gegen 24 Kühe durchsetzen müssen. Ähnliche Konstellationen gibt es beim indischen TIGERSPIEL.
In Randolphs Taktikspiel stehen sich elf Bisons, ein Indianer und vier Hunde gegenüber. Die Bisons wollen über einen zweiten Flusslauf, der sich hinter dem Indianer und den Hunden befindet. Der Indianer muss alle Bisons fangen bzw. sie mit den vier Hunden stoppen. Die Dynamik des Spiels, die die asymmetrische Figurenverteilung relativiert, ergibt sich aus den unterschiedlichen Zugmöglichkeiten. Die Bisons laufen in ihrer Herde nur stur geradeaus und das auch nur Feld für Feld, nur sie dürfen die beiden Flüsse überqueren. Ihre Gegner bewegen sich innerhalb der Flussläufe. Am beweglichsten sind dabei die Hunde, die orthogonal und diagonal ziehen dürfen. Sie stellen die Bisons und hindern sie am Weiterkommen, wenn sie vor ihnen stehen bleiben. Damit werden sie zur Beute des Indianers, der sich in jede Richtung bewegen darf, aber nur ein Feld vorankommt. Er darf die Bisons angreifen und fangen. Das Spiel ist auf mindestens zwei Runden angelegt. Man gewinnt nämlich erst dann, wenn man sowohl als Bison-Spieler als auch als Indianer jeweils mindestens einmal siegen konnte.
Das ist schon das ganze Regelwerk. Wenn man sich die Büffel als Bauern, die Hunde als Damen und den Indianer als König vorstellt, haben wir eine Art Endspielsituation wie beim SCHACH vor uns. Die Varianz ist allerdings nicht hoch. Die Büffel müssen den Druck über die Ränder ausüben, um die Hunde zu binden. Der Indianer versucht in der Mitte aufzuräumen, darf aber nicht zu sehr nach rechts oder links abdriften, dann kommt nämlich garantiert ein Büffel durch. Ein gewisser Spielreiz ist da, der sich aus der Asymmetrie und den Siegbedingungen ergibt, er hält aber nicht ewig an. Meine Empfehlung für BISON gilt daher eher dem Kinderspiel, um Grundschüler an taktische Spiele heranzuführen.
Viel Holz war damals in der Schachtel von Pelikan. Bei den schon ganz speziell geformten Bisons, kann ich mir gut vorstellen, dass Randolph damals der Ideengeber für die Form war. Für seinen Kinderklassiker TEMPO KLEINE SCHNECKE hatte er für Ravensburger 1985 auch die Schneckenformen entworfen. Wenn Sie die Bisonfiguren Kopfstand machen lassen, haben Sie auch gleich elf Eisbären. Die Hundefiguren und der Indianer, ein großer roter Pöppel, waren eher Standard.
Titel: PRÄRIE
Verlag: Pelikan
Autor: Alex Randolph
Spielerzahl: 2
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 10-20 Minuten
Preis: ca. 50.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 11 - S11/2021
Donnerstag, 11. März 2021
MONTE ROLLA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Über Berg und Tal: MONTE ROLLA
Ein dreidimensionales MENSCH ÄRGERE DICH NICHT mit Murmeln hat sich Selecta mit MONTE ROLLA einfallen lassen. Das dachförmig aufgestellte Spielbrett, das einem Flusslauf aus einem Teich ins große Meer folgt, enthält Laufbahnvertiefungen für jeweils zwei Murmeln der zwei bis vier Spieler. Gefährlich sind die ständigen Flussüberquerungen, denn die Strudelfelder reißen die Murmel mit, das kann von Nachteil sein, dann nämlich, wenn es im wahrsten Sinne des Wortes flussaufwärts geht, dann rollt die Kugel zurück. Umgekehrt ist es aber bei Strudeln, die flussabwärts liegen, ein Vorteil, mitgerissen zu werden, denn es geht voran. Das gleiche gilt beim klassischen Werfen, das wie beim MÄDN- Vorbild funktioniert. Es gibt allerdings auch einige Felder, die zwei Murmeln aufnehmen. Im Flusslauf gibt es außerdem noch Steinfelder, die durchaus Kugelhalt bedeuten, jedenfalls solange nicht eine Murmel von oben angerollt kommt und alles mitreißt. Wer zuerst nach einer kurzweiligen Würfelrunde, die nach 15 bis 20 Minuten endet, mit beiden Murmeln im großen Meer gelandet ist, gewinnt das Spiel.
Die Murmelidee ist pfiffig, das Spielmaterial durchaus in der üblichen Selecta-Qualität. Dem genauen Weg zu folgen, bereitet kleinen Kindern aber doch einige Schwierigkeiten. Die vielen nicht weit auseinander liegenden Vertiefungen laden die lieben Kleinen geradezu zum Schummeln ein und wer möchte nicht seine Kugel auf der letzten Strecke ganz schnell den Monte hinunterrollen sehen. Nicht ganz eindeutig geregelt sind auch die Wiedereinstiege in dem talseitigen Sammelbecken. Trotz dieser Einschränkungen, MONTE ROLLA macht Spaß, Kindern deutlich mehr als erwachsenen Mitspielern.
Wieland Herold
Titel: MONTE ROLLA
Autoren: Gattermayer & Kapp
Grafik: Barbara Kinzebach
Verlag: Selecta
Spieler: 2-4
Alter: ab 4
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: 30 Euro
Spiel 18/2003 R50/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Das Münchner Autorenpaar Ulrike Gattermeyer-Kapp und Manfred Kapp hatten zwischen 2000 und 2007 fast ein jährliches Abonnement für eine Veröffentlichung bei Selecta. Insgesamt sieben Spiele waren es am Ende.
MONTE ROLLA war mit Abstand das erfolgreichste Spiel, es landete immerhin auf der Empfehlungsliste zum Kinderspiel des Jahres 2004.
Die Seniorenspielreihe, die Selecta ab 2005 startete, prägten die beiden ganz wesentlich mit Spielen wie ÜBERLÄUFER, PLAN QUADRAT und QUATANA.
Sonntag, 7. März 2021
1000 KILOMETER
SAMMELSURIUM
Die kleinen Buchspiele von F.X. Schmid
Die bei Spielesammlern bekanntesten Spiele aus dem F.X. Schmid Verlag sind die Spiele der E-Reihe. Das „E“ steht für Erwachsenenspiele, die Serie erschien in den Jahren 1973/74. Die E-Serie war die Antwort aus Prien auf die Casino-Reihe von Ravensburger und die 3M-Serie. Die Spieleschachteln ähnelten aber nur den Buchschubern von 3M. Im Grunde genommen waren es einfache Stülpschachteln mit durchaus edler Innenverkleidung. Im deutlich kleineren Format (20,5x14,5x4 cm) erschienen die kleinen Buchspiele.
Recht bekannt ist davon der Klassiker von Edmond Dujardin: 1000 KILOMETER. Daneben erschienen in dieser Reihe Quiz- und Partyspiele wie QUIZ FÜR GLOBETROTTER und PANTO-MIMIK. Auf dem Foto fehlt nur das Spiel 5 MINUTEN – DENK MAL, eine Stadt-Land-Fluss-Variante.
Die Firma war älter als Ravensburger. Franz Xaver Schmidt gründete den Verlag 1860 in München. Anfangs wurden nur Spielwaren und Karten produziert, nach dem Zweiten Weltkrieg, das Unternehmen war inzwischen in Prien am Chiemsee ansässig, kamen auch Brettspiele und Puzzles dazu. 1997 übernahm Ravensburger die Firma, labelte bis 2000 noch Produkte unter FX, stellte dann aber die Spiele ein.
1000 KILOMETER
In Frankreich war MILLES BORNES schon in den 50ern ein beliebtes Spiel. Der Autor Arthur Dujardin veröffentlichte die erste Idee dazu schon 1951 unter dem Titel L‘AUTOSTOP. Er griff dabei auf wesentliche Elemente des 1906 in den USA erschienenen Spiels TOURING zurück (Wallie Doo Company). 1954 kam dann die abschließende Bearbeitung als 1000 BORNES heraus. Bei den 1000 Kilometern hat jeder Franzose die N7 vor Augen, die auch Route Bleue genannte Nationalstraße, deren Länge zwischen Paris und Nizza etwa 1000 Kilometer umfasst. Aus Dujardins Kellerwerkstatt wurde bald eine richtige Spielfirma. Internationale Erfolge kamen hinzu. Parker verzichtete beispielsweise auf die Lizenz für TOURING und nahm lieber MILLE BORNES ins Programm, von dem innerhalb kürzester Zeit 500.000 Spiele verkauft wurden. 1960 folgte die erste Veröffentlichung in Deutschland, zuerst von Dujardin selbst herausgegeben später dann bei F.X. Schmid (1962). In den 80er Jahren folgten Ausgaben bei Schmidt Spiele, 2008 noch eine bei Winning Moves.
Auf dem Höhepunkt des Unternehmenserfolgs 1975 starb Edmond Dujardin. Die Geschäftsführung des Verlags übernahm kurzfristig seine Frau und danach sein Sohn Patrick, der Anfang der 80er Jahre noch versuchte elektronische Spiele zu importieren. 1981 wurde das Unternehmen unter Beibehaltung des Markennamens von der Firma Regain Galore übernommen. 2007 landeten die Namensrechte bei TF1 Games, das für Brettspielversionen bekannter TV-Shows bekannt ist. Die Firma stellt auch heute immer noch MILLE BORNES in einem kleinen Werk in Saint-Pantaléon-de-Larche her. In Vollzeit sind damit immerhin 12 Mitarbeiter beschäftigt.
Was ist an dem Dauerbrenner dran, der mit einer Bewertung von 5,7 auf BGG eigentlich gar nicht gut wegkommt? Die Spielregel von F.X. Schmid verweist auf die frühen Auszeichnungen. Danach hat 1000 KILOMTER 1956 in Paris einen internationalen Erfinderwettbewerbs gewonnen und das Ganze noch einmal 1961 in Belgien.
Gespielt wird mit rund 100 Streckenkarten mit Kilometerleistungen zwischen 25 und 200 Kilometern und Aktionskarten, die als Angriffs- und Verteidigungskarten gespielt werden können. So warten die Gegner bei einer roten Ampel oder müssen eine Motor- oder Reifenpanne beheben, auch Geschwindigkeitsbegrenzungen und ein leerer Tank verzögern das Vorankommen. Nur wer entsprechend grüne Ampeln, Reparatursets und Reservekanister vorweist, kommt weiter. Spezielle Trumpfkarten wirken gleich mehrfach, so das Blaulicht-Fahrzeug, das keine Ampeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen kennt.
Ziel ist es, im Einzelkampf 700 Kilometer als erster zu erreichen. Im Team-Wettbewerb mit zwei Mannschaften mit je zwei oder drei Personen gilt der Spieltitel als zu erreichendes Ziel. Jeder agiert stets mit sieben Handkarten, die reihum gespielt werden. Zum Start braucht es eine grüne Ampel, nur mit ihr können in Folge Kilometerkarten ausgespielt werden. Wer das nicht macht, darf Angriffe auf Gegner starten. Mit den speziellen Aktions-Trumpfkarten darf sofort auf Angriffe reagiert werden, sonst muss man warten, bis man wieder dran ist.
1000 KILOMETER taugt auch heute noch als einfaches, glücksbetontes Familienspiel, das man mit passenden Trumpfkarten und hohen Kilometerwerten gewinnen kann. Bekommt man nichts Ordentliches zur Verteidigung auf die Hand, ist es ein eher mühsames Unterfangen. Trotzdem lässt sich Dujardins Spiel in Ansätzen auch taktisch spielen. Wer darauf achtet, welche Angriffskarten nicht mehr im Spiel sind, kann Karten entsorgen und sich eine höhere Varianz von Etappenkarten einhandeln. Dafür braucht es aber einen guten Überblick. Die damalige Regel hatte dafür extra eine Übersichtskarte, die zeigte, dass die meisten Angriffskarten nur dreimal im Spiel waren, die Geschwindigkeitsbegrenzung viermal und die rote Ampel gar fünfmal. Die Reaktionskarten waren meist im doppelten Verhältnis vorrätig, sodass das Rennen meist nicht zu sehr stoppte. Von der grünen Ampel gab es sogar 14 Karten.
Die Umsetzung von F.X. Schmid in der kleinen Buchschuberschachtel war für die 70er Jahre für ein Kartenspiel sehr ordentlich. Die Kartenqualität entsprach den üblichen F.X.-Karten. Die Regel war zwar umständlich, aber sehr ausführlich und gut bebildert, inklusive einer Variante der Rallye-Meisterschaft, die über 5000 Punkte lief. Punktetabellen, Kartenübersichten waren nicht selbstverständlich damals. Das samtige Inlett entsprach dem Standard der großen Schachteln.
Titel: 1000 KILOMETER
Verlag: F.X. Schmid
Autor: Edmond Dujardin
Spielerzahl: 2 – 6
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 20.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 10 – S10/2021
Donnerstag, 4. März 2021
HUNDSGEMEIN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Piatnik hat in letzter Zeit erfolgreich mit Venice Connection zusammengearbeitet, dabei sind so tolle Spiele wie TOSCANA von Niek Neuwahl herausgekommen. Das italienische Mensamitglied Dario Zaccariotto ist über Venice Connection 2003 ebenfalls bei Piatnik gelandet und so zu seiner ersten Spieleveröffentlichung gekommen. HUNDSGEMEIN, sein raffiniertes Legespiel enthält pfiffige Elemente, aber ein unheimlich aufgesetztes Thema.
Abstrakt lässt sich Zaccariottos Idee so beschreiben: Stellen Sie sich ein Gitternetz von sechs waagrecht und senkrecht sich kreuzenden Wegen vor, so dass neben den Wegen ein Spielfeld mit 49 Feldern entsteht. Das zentrale mittlere Feld wird zur Tabuzone erklärt. Den meisten Wegen können dadurch links und rechts oder oben und unten jeweils sieben Felder zugeordnet werden. Nur zu den vier Wegen neben der Tabuzone gehören 13 Felder. Auf die Wege werden beliebig Punkteplättchen verteilt, die je dreimal in den Werten zwei bis fünf vorhanden sind. Um diese Punkte rangeln die zwei bis vier Spieler. Dazu erhalten sie einen Farbsatz mit Plättchen, die auf die 48 Felder gelegt werden können. Diese Plättchen sind auf der einen Seite durch die Spielerfarbe gekennzeichnet, auf der anderen Seite befinden sich vier unterschiedliche Symbole, die jeder Spieler in der gleichen Verteilung erhält. Auf den Spielplan gelegt werden die Plättchen nur mit ihrer Symbolseite nach oben. Unter zwei Plättchen dürfen die Spieler stets wählen. Bei der Ablage müssen sie beachten, dass identische Symbole nicht benachbart gelegt werden dürfen. Das schließt auch diagonales Legen aus. Sobald durch diese Einschränkung kein Kärtchen mehr gelegt werden kann, endet das Spiel. Die Plättchen werden umgedreht und die Punktekarten je nach Farbmehrheiten in den zugeordneten Wegen verteilt.
Das ist es schon! Simpel, aber raffiniert. Einerseits Memory, da ich mir ja zumindest ungefähr merken muss, wo ich Mehrheitschancen besitze und dies möglichst auf punkteträchtigen Wegen. Damit ich mich nicht verkalkuliere, muss ich mir möglichst ebenfalls die gegnerischen Farben merken. Dann bringt mir die Ablageregel zusätzliche Blockademöglichkeiten, da ich die Auslage meiner Mitspieler vor Augen habe und so gezielt Symbolkärtchen spielen kann, die sie fern von mir halten. Diesen Einschränkungen unterliege ich aber auch selbst, so dass das Warten auf ein passendes Symbol zur Qual werden kann. Hundsgemein kann das sein.
Was macht ein Spieleredakteur (oder der Autor selbst) mit einer solchen Grundidee? Kris Burm hätte für das 49. Feld einen GIPF-Stein geopfert und alles wunderbar abstrakt, im Edellook als DNUH herausgegeben, was dem Spiel nicht schlecht bekommen wäre. Kosmos hätte die neue Reihe von Brett- und Kartenspielen in der kleinen Reihe genutzt. Fritz Gruber hätte getextet, „ich suche dir ein Schätzchen, Kleines“ und hätte die Spieler auf Diademsuche für Nofretete geschickt, die Symbolkärtchen wären Hieroglyphen gewesen, die Punktekarten wertvolle ägyptische Klunker. Ravensburger hätte in dem Straßenlabyrinth sofort Ähnlichkeiten zu Kobberts Verrücktheiten entdeckt und den guten Max an die Überarbeitung der Spielidee gesetzt. Was macht Piatnik draus? Das appetitliche Thema: Flöhe auf Hundejagd. Kein Wunder „Kommissar Rex“ jagt noch durch Wien, also finden wir Rex mit höchstem Wert im Spiel wieder. Verkaufsfördernde Lizenzgebühren zahlt Piatnik natürlich nicht, jegliche Anspielungen auf die Serie fehlen. Die wiederum sich wohl auch kaum hergegeben hätte für einen verlausten Rex und einen sich ständig kratzen müssenden Marc Hoffmann.
Unter einen Deutschaufsatz würde ich jetzt schreiben: „Leider haben Sie das Thema verfehlt, aus dieser guten Grundidee hätten Sie viel mehr machen können!“ Für einen Deutschaufsatz wäre das der Totalverriss mit mangelhaftem Ergebnis. Uns Spielern bleibt der durchaus vorhandene Spielspaß.
Wieland Herold
Titel: HUNDSGEMEIN
Autor: Dario Zaccariotto
Grafik: Oliver Freudenreich
Verlag: Piatnik
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Spiel 14/2003 R45/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 52jährige Dario Zaccariotto stammt aus Dolo bei Venedig. Sehr früh kommt er in Kontakt zu Dario de Toffoli und Leo Colovini. Mit beiden entwickelt er zusammen Spiele und veröffentlicht Bücher. Er gehört zum Team von Studiogiochi, das u.a. verantwortlich für den Premio Archimede ist.
HUNDSGEMEIN ist sein erstes und auch einziges Spiel, das nur von ihm stammt. 2005 und 2006 folgen CHALLENGE SUDOKU und KAKURO CHALLENGE mit Colovini und de Toffoli. 2007 erscheint von dem Trio das letzte Spiel MINENRÄUMER bei Clementoni.
Die Arbeit an Spielebüchern vor allem mit Denkaufgaben stellt Zaccariotto aber nicht ein. Neben acht Spieleveröffentlichungen hat er es inzwischen auf 25 Buch-Publikationen gebracht. Die meisten veröffentlichte er zusammen mit de Toffoli. Zuletzt erschien 2020 „Aumenta il tuo quoziente intellettivo (Increase your IQ)“ nur von Zaccariotto.
Montag, 1. März 2021
GRAWORIE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Gewichtsmemory: GRAWORIE
Das klassische Merkspiel ist MEMORY. Inzwischen gibt es viele Nachahmer, die mit der Zahl der zu sammelnden Plättchen variieren, die Duft- oder Geräuschkomponenten dazu nehmen. Ganz neu ist ein Spiel mit Gewichten, die der Designer Heiko Tullney sich mit seinem Spiel GRAWORIE hat einfallen lassen. 18 Edelstahlwürfel sind mit Kreisen, Quadraten und Dreiecken versehen. Die edlen Spielsteine unterscheiden sich aber dadurch, dass es unter den sechs identischen Formen jeweils zwei schwere, mittelgewichtige und leichte Würfel gibt. Gesucht wird ganz klassisch nach passenden Pärchen. Es reicht aber nicht, zwei identische Symbole aufzudecken, diese müssen zusätzlich noch gewichtsidentisch sein.
Vor dem Spiel sollten die Spieler eine Übungsrunde Gewichtheben einlegen, denn man braucht das richtige Feeling, um im Spiel die passenden Paare zu finden. Keine Probleme hat man mit den leichten und schweren Aluminiumwürfeln, das mittlere Gewicht wird aber immer einmal wieder falsch zu geordnet. Wichtig ist bei diesem Spiel auch, dass immer nur mit der rechten oder der linken Hand aufgenommen wird, da wir unterschiedliche Wahrnehmungen entwickelt haben.
GRAWORIE eröffnet eine ganz neue Dimension des Merkspiels. Im klassischen Spiel erhält der Gegenspieler alle Informationen, die er für sein eigenes Spiel weiter verwenden kann. Hier gibt es nur Teilinformationen über die geometrischen Symbole. Man weiß dann zwar, wo sich ein Kreiswürfel oder ein Dreicksymbol verbirgt, man weiß aber nichts über deren Gewicht. Heiko Tullneys Spiel eröffnet nicht nur eine neue Gefühlswelt im Merkspiel, es ist auch ein optischer und haptischer Hochgenuss zu einer schnellen Runde GRAWORIE anzutreten. Ein Spiel, das nicht in der schwarzen Verpackunsschachtel bleiben sollte, sondern in seiner ganzen Schönheit aufforderungsbereit im Wohn- oder Spielzimmer aufgebaut sein muss. Klasse Idee! Ein hochwertiges Weihnachtspräsent.
Wieland Herold
Titel: GRAWORIE
Verlag: Troika
Autor: Heiko Tullney
Spieler: 2
Alter: ab 6
Spieldauer: 5 bis 10 Minuten
Preis: 110 Euro
Spiel 16/2002 R42/2021
Die Rezension erschien 2002 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
GRAWORIE ist von einer Webeartikel-Firma vertrieben worden. Troika liefert normalerweise Schlüsselanhänger, Kulis etc. , bezeichnet sich selbst aber als Spezialisten für Männergeschenke. In dieser Sparte tauche Tullneys Idee damals auf. Aktuell gibt es im Programm nur noch einen „Würfelbecher TO GO“.
Dienstag, 23. Februar 2021
ARNE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Nur äußerlich erinnert ARNE an UNO. Der belgische Spieleautor Arne Lauwers präsentiert eine Spieleneuheit, die nach seinen Angaben zum Spielhit in seinem Heimatland geworden sei.
ARNE ist ein Sammelspiel wie der Klassiker 1000 KILOMETER. Seine Eigenständigkeit gewinnt das Spiel durch weiße Punkte- und Aktionskarten, die jeder der bis zu vier Spieler in einer vorgegebenen Farbe sammelt oder für sich einsetzt, und vor allem durch schwarze Aktionskarten, die jederzeit gespielt werden können. Diese bringen Abwechslung und Bewegung ins Spiel. Richtig eingesetzt halten sie den Spielausgang bis zum Ende offen. Mit den schwarzen Karten können gegnerische Karten entwertet werden, es kommt zu Punktabzügen, Karten können ihre Farbe wechseln, die Spielrichtung ändert sich, teilweise besitzen sie aber auch Schutzfunktion.
Großmundig verkündete Lauwers 2002 auf der Spiel in Essen, dass ARNE begeisterten Spielern „neue Horizonte“ eröffne. Das mag übertrieben sein, aber meine bisherigen Spielerfahrungen belegen, dass ARNE durchaus Spaß machen kann, dass die doppelte Mischung von weißen und schwarzen Aktionskarten zu einem vielschichtigen Spielablauf führen, der allerdings Siebenjährige überfordert. Die Altersangabe sollte für dieses Kartenspiel eher ab 8 Jahren lauten. Zum Spielhit in Deutschland wird es sicher auch nicht reichen.
Wieland Herold
Titel: ARNE
Autor: Arne Lauwers
Grafik: o.A.
Verlag: Lauwers Games
Spieler: 2-4
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 9.- DM
Spiel 15/2002 R39/2021
Die Rezension erschien 2002 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Arne Lauwers ist ein belgischer Autor, der ab 2002 seine ARNE-Idee mit viel Enthusiasmus vermarktete. Von ARNE erschienen noch weitere Varianten wie ARNE TOTAL (2003) und ARNE JUNIOR (2005). Eine Lizenz wanderte auch an Piatnik. Bekannt wurde Lauwers eher durch seinen Erfolg PICTUREKA! (2006). Die damals für ARNE gegründete Firma Lauwers Games existiert immer noch und hat ihren Sitz in Kaprijke, in Nordflandern nahe der Grenze zu den Niederlanden.
Samstag, 20. Februar 2021
VALENTINE’S DAY
Der Valentinstag ist zwar schon fast eine Woche her, aber Rosen gehen immer. Deshalb hieß Ken Gruhls Spiel bei Blue Orange ROSE CEREMONY in Anlehnung an die ABC- oder bei uns RTL-Kuppelserie The Bachelor, die schon seit fast 20 Jahren ausgestrahlt wird. Ich habe diese Serie zwar noch nie verfolgt, aber mir sagen lassen, dass das Überreichen von Rosen ein Ausschluss-Ritual sei. Nur wer eine Rose bekommt und diese auch annimmt, kommt weiter. Der Spiegel hat schon 2012 dieses „Zelebrieren von Dekadenz, Oberflächlichkeit, Beklopptheit und den Werten der fünfziger Jahre“ massiv kritisiert. Die Einschaltquoten sind daher nicht allzu berauschend und liegen aktuell in der Regel zwischen 6 und 8 Prozent. Die letzte Sendung am 17.02. sahen nur knapp über 2 Millionen Zuschauer (6,5%).
Ob es Lizenzfragen oder die häufige Kritik an der Sendereihe waren, weiß ich nicht. Pegasus löst das Problem durch die geschickte Umbenennung in VALENTINE’S DAY für das einfache unterhaltsame Bluffspiel mit Rosenkarten.
Gruhl kennen wir von fetzigen Spieleunterhaltungen mit HAPPY SALMON und MONSTER MATCH, auch VALENTIN’S DAY kommt aus der leichten, aber nicht aus der harmonischen Ecke. Beim Bachelor ist die Aussortierphase ja ebenfalls ziemlich gemein und diesen Aspekt übernimmt Gruhl.
In seinem Spiel mit 54 Rosenkarten geht es um Geschenke. Jeder muss, wenn er am Zug ist, eine seiner vier Handkarten Mitspielern anbieten. Die können sie ablehnen oder nehmen. Wird sie abgelehnt, landet sie im eigenen Rosenstrauß , den alle vor sich sammeln. Das Besondere dieser Karten liegt einerseits im Frischezustand der Rose, da fehlt manchen schon die Wassererfrischung und sie lassen ihre Köpfe hängen, andere stehen in voller Entfaltung ihrer vielen Blätter. Entsprechend wird ihr Wert zwischen null und fünf Punkten taxiert.
Zur Rose gehören nun einmal auch die Dornen. Diese Kombination aus Schönheit und Gefahr verleiht der Pflanze ihre besondere Ausstrahlung, sie steht für Liebe und Leid. Gruhl nutzt den Stachelanteil der Rose für die Prise Gemeinheit in seinem Spiel. Die Rosenkarten zeigen zwischen null und vier Stacheln, ein addierter Straußwert mit mindestens fünf Stacheln macht ihn wertlos und lässt ihn auf dem Kompost landen. Wertige Sträuße darf man gegen rote Herzchen eintauschen, das klappt ab einem Rosenwert von vier Punkten. Der bringt zwar nur ein Herz, kann aber auch nicht mehr verstachelt werden. Lukrativer sind Sträuße mit sechs oder sieben Blütenpunkten oder acht oder neun, die bringen zwei oder drei Herzen. Der Gewinnzone wird schon bei fünf Herzen erreicht. Das kann ganz schnell gehen, denn ein Strauß mit zehn Punkten ergibt exakt diese Belohnung. Meist dauert es aber länger, sodass das Ende ebenfalls eintreten kann, wenn der Nachziehstapel aufgebraucht ist.
Ganz im Stil seiner bisherigen Spiele bietet Ken Gruhl leichte Kost. Das Bluffen mit den Kartenangeboten ist nichts Neues, macht aber Spaß. Spannend wird es meistens schon ab der zweiten Karte, wenn man eine Rosenkarte mit zwei Stacheln und drei Rosenpunkten beim Gegner sieht und ihm verdeckt die wertige Fünfer-Rose mit drei Stacheln anbietet. Lehnt er sie ab, hat man schon einen verwertbaren Strauß in der Hand. Nimmt er sie, darf er gleich von vorn anfangen. Da sind Kalkül und Psychologie im Spiel, das hat seinen Reiz für den Aufwärmbereich eines Spieleabends oder für die Abschlussrunden.
Die Umsetzung mit länglich schmalen Karten in der für Blue Orange typischen Klappschachtel mit Magnetverschluss ist gelungen. Grafisch hat Sabrina Miramon die Verfalls- und Prachtzustände der Rosen ansprechend umgesetzt. Geschenketauglich, nicht nur zum Valentinstag, aber die ganz großen Emotionen dürfen Sie nicht erwarten.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: VALENTINE’S DAY
Autor: Ken Gruhl
Grafik: Sabrina Miramon
Verlag: Pegasus Spiele
Alter: ab 8 Jahre
Spieler: 3-6 Spieler
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 7/2021
Samstag, 13. Februar 2021
FINOPOLIS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
FINOPOLIS - SPIEL DES LEBENS auf Schollessche Art
Dass wir inzwischen schon im pränatalen Zustand unseres Nachwuchses an dessen zukünftige Rentenabsicherungen im Jahre 2069 denken müssen, wissen wir, seitdem Renate Schmid und Horst Seehofer Hand in Hand staatliche Zusagen einkassieren. Rentenvorsorge ist angesagt, Finanzplanung für die Zeit nach 65 oder 70. Das können wir üben, nicht so ganz real zwar, aber spielerisch. Dazu haben sich ein renommierter Autor, immerhin INNO-Spatz-Preisträger, und ein auf Versicherungen spezialisiertes Internetportal zusammengetan, das Ergebnis heißt FINOPOLIS. Klar, dass das Produkt, letztlich ein Marketingmittel der Firma Avanturo, die Absicherung jeglicher Lebensereignisse in den Vordergrund schiebt. Klar auch, dass der Spieleautor Franz Scholles dafür Sorge trägt, dass das Spielerische, Unterhaltsame nicht auf der Strecke bleibt.
Franz Scholles führt drei bis fünf Spieler auf einem 80-Felder-Weg durch sein SPIEL DES LEBENS, das durch fünf Lebensphasen von der Geburt bis zum 80. Geburtstag führt. Die dazwischen liegenden Spielfelder stehen für Konsumzuwachs, Vermögensaufbau, Versicherungen und – damit man weiß, weshalb man das viele Geld für Sekuranzen ausgeben musste – unvorhersehbare Ereignisse.
Geldvermehrung ist das Spielziel. Es gilt aus 50.000 Euro Startkapital und dem Zugewinn der gleichen Summe bei Eintritt in jede neue Lebensphase möglichst viel Profit zu schlagen. Der mögliche Gewinn kann von den Spielern beeinflusst werden. Vor dem ersten Würfeln und immer dann, wenn der führende Spieler in eine neue Lebensphase eintritt, werden die Marktbedingungen beeinflusst. Die Marktsteuerung geschieht durch so genannte „Marktsteine“, von denen die Spieler acht besitzen. Vier wirken als Bonus-, die anderen vier als Malussteine. Jeweils sechs Steine müssen stets platziert werden. Die Marktsteine können die Preise von Konsumgütern, wie Autos und Mobiliar verbilligen, aber auch verteuern. So lässt sich der Preis einer Segelyacht von 50.000 Euro auf 25.000 Euro senken, genauso kann er bis auf 75.000 Euro steigen. Jeder Stein verändert den Konsumgüterwert um 10 Prozent nach oben oder nach unten. Da die Marktsteine verdeckt gelegt werden, bleibt immer die Spannung bis zur ersten Kaufentscheidung in einem Marktsegment. In der Endabrechnung zählt immer nur der empfohlene Preis, so dass die selbst gesteuerte Rabattierung entscheidend für den Gewinn ist. Lukrativer sind die Vermögensfelder, deren Aktien- und Fondsmarkt ebenfalls durch die Marktsteine beeinflusst werden kann. Bei den Aktien verändern die Steine den Wert sogar um 20 Prozent nach oben und nach unten. Im Idealfall, den ich allerdings nie erlebt habe, könnte man dadurch sogar ein 50.000er Aktienpaket kostenlos erhalten. Insgesamt stehen leider nur drei Aktienpakete und zwei Fondsbeteiligungen zur Verfügung. Aus dem Bereich Vorsorgen und Sparen erweisen sich besonders die Bausparverträge – nur drei sind vorhanden – als äußerst lukrativ. Wer sich mit 36.000 Euro einen Bausparvertrag über 90.000 Euro sichert, steht beim Immobilienerwerb blendend da, zumal eine Rückzahlung des Kredits in den Regeln nicht vorgesehen ist. Da die Immobilien geheim versteigert werden, lässt sich bei geschicktem Kalkül und mit etwas Glück innerhalb von zwei Spielzügen ein Maximalgewinn von 134.000 Euro erwirtschaften. Haus- oder Wohnbesitz muss nicht einmal versicherungstechnisch abgesichert werden, man geht also kein Risiko ein und muss nicht vorher oder sofort danach auf einem Versicherungsfeld landen.
Die Beispiele spiegeln einen prinzipiellen Eindruck des Gelderwerbs von Finopolis wider. Die Gewinnmaximierung ist sehr unterschiedlich geregelt. Erwähnenswert ist noch der 50/50-Markt, der bei fast der Hälfte der Ereigniskarten ins Spiel kommt. Dieser Risikomarkt birgt die Chance einer Kapitalverdopplung, aber auch die eines Totalverlusts. Eine Reihe von Karten setzen Kaufsummen bis 15.000 Euro für Antiquitäten oder Kunstgegenstände fest. Ob sich der Kauf als wertvoll oder wertlos erweist steuern alle Spieler durch einen Knobeleinsatz ihrer Marktsteine. Jeder legt verdeckt einen der beiden übrig gebliebenen Marktsteine auf das entsprechende Spielplanfeld. Sollten kein oder zwei bzw. vier Bonussteine aufgedeckt werden, erweist sich der Kauf als gewinnträchtig, bei ungerader Zahl war es eine Fehlinvestition. Da gerade am Anfang die Spieler oft alle Bonussteine einsetzen, ist die Gewinnmöglichkeit groß. Gegen Ende muss man vorsichtiger sein, zumal vier dieser Ereigniskarten eine manchmal spielentscheidende Rolle spielen können. Diese Karten ermöglichen nämlich einen Einsatz nach eigener Wahl. Wer darauf spekuliert, viel Bargeld aufgehoben hat und Spaß am Vabanque-Spiel á la „rouge et noir“ hat, kann so die Gewinnreihenfolge ganz schön durcheinander wirbeln.
Obwohl Franz Scholles einen Farbwürfel als Antriebsmotor einsetzt, ist das Spiel durchaus steuerbar. Einmal dadurch, dass zwei weiße Würfelseiten eine freie Auswahl der Felder ermöglichen, außerdem darf man innerhalb der Farbfelder auch noch entscheiden, ob man zum Beispiel im Konsumbereich ein Auto oder eine Reise erwerben möchte, in dem man auf das entsprechende Feld geht. Nur so macht das Legen der Marktsteine Sinn. Diese Optionen lassen außerdem ein schnelles Vorankommen zu. Das ist deshalb wichtig, weil jede neue Lebensphase zur Kapitalaufstockung führt. Wer zum Beispiel die oben beschriebene Immobilienstrategie verfolgt, hat ein großes Interesse an einem schnellen Spielende und wird versuchen mit großen Sprüngen auf die 80 zuzueilen.
Das Spielmaterial ist funktional, optisch sicherlich nicht mitreißend, aber von solider Qualität. Das gilt vor allem für die Holzspielsteine und Marktsteine. Die Grundidee der Marktsteuerung ist nicht neu. Scholles greift auf Steuerungselemente zurück, die er in dem Wirtschaftsspiel INCOME benutzt hat. Er selbst bezeichnet das Versicherungsspiel deshalb auch als „Enkelchen von INCOME“. Identisch sei die Grundidee, die geheimen Kräfte des Marktes durch Marktsteine (Bonus & Malus/ Preistreiber und Preisdrücker), die die Spieler verdeckt setzen, wirken zu lassen. Beide Spiele hätten dadurch den Charakter eines Bluffspiels. INCOME sei das anspruchsvollere Spiel, FINOPOLIS eher das Familienspiel. Die Einschätzung ist sicherlich richtig. Ohne große strategische Überlegung ganz im Sinne einer „Tour durchs Leben“ gespielt, kann FINOPOLIS Spaß machen. Bei Vielspielern hinterlässt das Spiel aber einen eher ambivalenten Eindruck. Einerseits gibt es zwar reizvolle Steuerungsmechanismen durch die Marktsteine, oft sind aber dadurch, dass die gegenseitige Wirkung der Steine sich aufhebt, die Gewinnmargen zu gering, so dass nicht wenige Spieler die Ereignisfelder gezielt aufsuchen, um ihr Glück auf dem 50/50-Markt zu suchen. Ob das der Sinn des Spiels ist, wage ich zu bezweifeln. Wenn eine gerade oder ungerade Steinzahl gegen Ende über den Spielsieg entscheidet, dann könnten wir doch gleich am Anfang würfeln. „Spiel und Spaß mit Versicherungen – unglaublich, aber FINOPOLIS hat’s geschafft!“, textet die Spielregel werbend am Ende. Ob Rainer Elmer, Geschäftsführer von Avanturo, dem diese Worte in den Mund gelegt werden, glücklich damit ist, dass manche Spieler die 80 Jahre absolvieren und ohne große Nachteile ganz auf Versicherungen verzichten können?
Wieland Herold
Titel: FINOPOLIS
Verlag: aktuell-spiele-verlag, Batterieweg 42f, 53424 Remagen
Autor: Franz Scholles
Grafik: Ulrike Vater
Spielerzahl: 3-5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 20.- €
Spiel 11/2003 R34/2021
Die Rezension erschien 2003 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Über 40 Jahre war der diplomierte Handelslehrer als Spieleautor und Kleinverleger in der Szene vertreten und hat dabei eine Nische der engagiert politischen und kommunikativen Spiele gepflegt, an die sich die großen Verlage nicht herantrauen. 2001 erhielt er dafür in Göttingen den Inno-Spatz, ich durfte damals sein Laudator sein.
Teile dieser Lobrede möchte ich hier nutzen: „Den Beginn der 80er Jahre bezeichnet Franz Scholles selbst als die ‚goldene Zeit des Brettspiels‘. Im Kleinverlagsbereich gab es nichts außer der Edition Perlhuhn und wie so viele Kleinverleger nach Wittig packte Franz Scholles 1980 seinen Erstling in die Reinholdsche Röhre. Programmatisch waren Titel und Thema dieses Spiels, typisch für sein später immer wieder auftauchendes Gespür für die Trends der Zeit, die er aber oft genug lange vor der breiten gesellschaftlichen Diskussion aufgriff. Hier finden wir die herausragende Stärke dieses Autors, der uns und unserer Gesellschaft mit vielen seiner Spiele einen Spiegel vorhält, der uns nachdenklich werden lässt. Passend zum Zeitgeist 1979/80 , die Grünen standen vor ihrem ersten Einzug in den Bundestag, hieß sein erstes und immer noch erfolgreiches Spiel ÖKO. Das von ihm selbst verlegte, alternativ produzierte Gesellschaftsspiel, das Verlage wie Schmidt und Bütehorn, damals ein durchaus angesehener Hannoveraner Spieleverlag, 1979 abgelehnt hatten. Schon sein erstes Spiel zeigt, dass er trotz der Neigung zu politischen Themen keine "Zeigefinger-Autor" ist. Seine Spiele transportieren zwar Botschaften, die er aber spielerisch vermittelt, so dass nicht nur Erkenntnis, sondern der Spielspaß im Vordergrund stehen.“ … „‘Der macht nur den aktuellen Kram‘ heißt es oft etwas abfällig über ihn, ich selbst bin auch jahrelang auf der Spiel in Essen an seinem Stand vorbeigegangen - aber wenn nicht er, wer macht solche Spiele sonst - frage ich Sie? Die großen Verlage trauen sich an politisch angehauchte Spielthemen nicht heran, damit ist nicht das große Geld zu machen. Für uns sind die Spiele von Franz Scholles aber ein hochinteressanter Zeitspiegel der 80er und 90er Jahre. Die zur Zeit geführte Gen-Diskussion hat er schon 1988/89 in GEN ZEIT und GEN WELT vorweggenommen, Mit dem Spiel JOB - 1987 erschienen - entwirft er ein realistisches Bild der von Stellenabbau bedrohten Arbeitswelt, Parteiprogramme lernen wir im pfiffigen POLIT POKER auf sehr spielerische Art und Weise unterhaltsam kennen, den Nord-Süd-Konflikt machte er zum Thema seines EINE WELT SPIEL von 1986, Menschenrechtsverstöße stellt der Autor 1991 an den PRANGER. Den Ökotouch der Frühphase hat der Kleinverleger inzwischen abgelegt, seine Spiele sind hochwertig produziert, grafisch zum Teil gefällig, zum Teil aber auch avantgardistisch. Das gilt vor allen Dingen für die Spiele, die Ulrike Vater für ihn bearbeitet hat. Der Trend der letzten Jahre geht bei Franz Scholles eindeutig zum psychologisierenden kommunikativen Spiel, sehr witzig in TYPISCH MANN, TYPISCH FRAU umgesetzt, etwas schwerfälliger in IDENTITY und GENERATIONEN.“
Der zuletzt erwähnte Trend prägt auch die meisten Spiele in den anschließenden Jahren. Da folgen Ideen wie FAMILIENGEFLÜSTER, LIEBESGEFLÜSTER und PAARTIE. Zum 18. April 2021 stellt Franz Scholles seine Arbeit in seinem Kleinverlag ein. Alle noch vorhandenen Spiele können zu einem Preis ab 1 Euro erworben werden.
Das Bild zeigt Scholles 2001 mit seinem Göttinger Innospatz.
Freitag, 12. Februar 2021
ATTRIBUT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
ATTRIBUT – Kultspiel aus dem Netz
In den letzten Jahren ist es immer üblicher geworden, dass erfolgreiche Brettspiele sehr bald online nachspielbar sind. Die imposanteste Sammlung hat inzwischen brettspielwelt.de anzubieten, die von Sid Sacksons Klassikern wie BAZAAR und CAN’T STOP zu Neuheiten wie JÄGER & SAMMLER und EMERALD reichen. Marcel André Casasola Merkle nutzt schon seit längerem dieses Medium für seine Spiele. Deshalb ist auch seine Idee zu ATTRIBUT als überaus erfolgreiches Pilotprojekt zuerst in der Brettspielwelt erschienen, bevor es 2002 als Neuheit bei Lookout Games herausgegeben wurde. Gezielt wird auf der Schachtelpackung mit dem Spruch „Das Kultspiel aus dem Internet“ Werbung gemacht. Ob Internetkult zu einem Kultspiel am Spieltisch taugt, wird zu untersuchen sein.
ATTRIBUT ist ein assoziatives Wortspiel, bei dem schnelle Reaktionen gefordert sind. Die bis zu acht Spieler, drei sollten es mindestens sein, besitzen vier Karten mit Adjektiven und eine rote oder grüne Schafskarte. Reihum legen die Spieler Themenbereiche fest, die je nach Schafskarte zu ihren Adjektiven passen oder nicht. Jeder der eine Pluskarte, ein grünes Schaf, besitzt, sucht ein Wort zu legen, das gut zum Thema passt. Die anderen legen ein Adjektiv, das möglichst gar nichts mit dem vorgegebenen Motiv zu tun hat. Auf Kommando decken alle gleichzeitig ihre Karten auf und jeder versucht möglichst als erster ein fremdes Wort an sich zu ziehen, von dem er glaubt, dass der Besitzer ein grünes Schäfchen vor sich liegen hat. Solche Karten bringen am Ende Plus-, falsche Zuordnungen allerdings Minuspunkte. Die Wertung geschieht in bewährter BOHNANZA-Manier, da die ATTRIBUT-Karten auf ihrer Rückseite einen Schäfchentaler besitzen. Die Spieler, deren Karte nicht gewählt wurde, werden trotzdem in die Wertung mit einbezogen. Der Besitz eines grünen Schafes führt zu einem Minuspunkt, einen Pluspunkt erhalten alle, die ein Adjektiv mit einem roten Schaf durchgebracht haben. Gespielt wird eine feste Rundenzahl, die sich an der Größe der Spielgruppe orientiert. Das kann zu 14 bis 18 Einschätzrunden führen. Sieger ist natürlich der Spieler mit den meisten Schaftalern.
Die Spielidee scheint stimmig. Die Spielerfahrungen sind dann aber doch manchmal frustrierend. Die Spielgruppen, mit denen ich ATTRIBUT ausprobiert habe, sind nach der Regelerläuterung stets mit großem Elan in das Spiel hineingegangen, wobei dann aber oft Unzufriedenheit aufkam, was manchmal zu Spielabbruch führte. Der Geschwindigkeitseffekt des Klatschens von positiven Karten trägt nicht lange. Zu oft geraten die Spieler, die das Thema nicht vorgegeben haben, in die Situation, dass, vor allem wenn sie ein grünes Schaf haben, keine von den Karten passt. Wie soll ich zum Beispiel das Thema „Winter“ mit den ATTRIBUT-Karten „stinkend“, „dreist“, „dehnbar“ und „alt“ positiv beschreiben. Das Beispiel ist nicht konstruiert. Ständig sind die Spieler in dieser Zwangssituation, die bei vorsichtigen Spielrunden meist dazu führt, dass man auf seiner Karte sitzen bleibt und Minuspunkte kassiert. Je größer die Spielrunde ist, je lockerer sie an ATTRIBUT herangeht, umso mehr Spaß kann sie allerdings haben. Wer nicht zu viel Tiefgang erwartet, wer bereit ist, risikobereit um die Ecke zu denken, die geringe Kartenauswahl in die Überlegungen mit einbeziehend, der kann auch lustvolle ATTRIBUT-Runden erleben.
Wieland Herold
Titel: ATTRIBUT
Autor: Marcel-André Casasola-Merkle
Verlag: Lookout Games
Alter: ab 10 Jahren
Spieler: 3 bis 8
Preis: 10 Euro
Spiel 12/2002 R33/2021
Die Rezension erschien 2002 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Marcel-André Casasola Merkle ist in der Stadt des Spielens, in Nürnberg, 1977 geboren. Schon zu Beginn seines Grafikdesign-Studiums an der Fachhochschule dort brachte er seine ersten Spiele heraus. Erfolgreich war er mit kleinen Spielen anfangs bei Adlung, später bei Lookout. Beim letzten Verlag war er 2000 an der Gründung beteiligt. Mit VERRÄTER (Adlung) landete er 1999 auf der Auswahlliste der Jury, zwei Jahre später bekam er für MEUTERER den ersten Platz beim Kartenspielpreis der Fairplay, was ihm auch schon mit VERRÄTER gelungen war. ATTRIBUT war das erste ausgezeichnete Spiel für Lookout, es erreichte 2003 ebenfalls die AWL der Jury, ebenso wie ATTIKA (Hans im Glück) ein Jahr später. Zeitgleich war er für viele Grafiken eigener aber auch fremder Spiele verantwortlich. Viel Beachtung fand seine Comic-Regel zu PIRANHO PEDRO, die er im Rahmen seiner Tätigkeit für das Team Annaberg entwickelt hat.
Von 2005 bis 2007 war Casasola Merkle Vorsitzender der SAZ, der Spieleautorenzunft. Mit dem Animationsfilm „After Midnight“ schloss Casasola Merkle 2006 sein Studium an der Kunsthochschule für Medien in Köln ab. Danach hat er nicht mehr so viele Spiele veröffentlicht, recht bekannt ist noch SANTA CRUZ (2012).
Er ist Mitbegründer und Partner bei Aixsponza, einem Münchner Designstudio. Dort arbeitet er als kreativer und technischer Leiter. Inzwischen entwickelt er auch Computerspiele. Das zusammen mit seiner Frau Agnes Lison erfundene ONE BUTTON TRAVEL gewann 2016 den Deutschen Computerspielpreis in der Kategorie bestes Jugendspiel.
Das Bild von Casasola-Merkle stammt vom Göttinger Autorentreffen 2004.
Donnerstag, 11. Februar 2021
BAU AUF! ÜBERDACHEN OHNE EINZUKRACHEN!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Häuslebau im Sozialismus: BAU AUF!
Mit spielerischer DDR-Nostalgie ergänzt der BuschFunk-Verlag seit einigen Jahren sein Musikprogramm. Ein Renner ist inzwischen das 1995 erschienene ÜBERHOLEN OHNE EINZUHOLEN von Robert Kurek, das eine stattliche Auflage von 175.000 verkauften Exemplaren vorweisen kann. Eine Persiflage auf die DDR-Idylle, in der ohne Schwarzarbeit oder Westkontakt nichts ging. Nostalgie als Kaufimpuls, vom Spielwert her hat das erste Spiel Kureks nicht viel zu bieten.
Anspruchsvoller kommt die neueste Spielentwicklung des Autors daher. Plakativ fordert er zum Aufbau auf, plakativ wäscht – Pardon! schüttelt – die eine Hand die andere. Ohne Kungeln läuft gar nichts, zur Datsche oder zum Eigenheim kommt man nur durch rudimentären Tauschhandel. ÜBERDACHEN OHNE EINZUKRACHEN, so der Untertitel des Spiels, eignet sich am besten für vier Spieler, die die Rollen des Maurers, Elektrikers, Tischlers und Klempners übernehmen. Aus der Rollenzuweisung ergibt sich das Materialangebot für die Kungeleien. Viel Plaste bietet uns der Autor an, Heizungsteile und Wasserhähne, Lampen und Steckdosen, Fliesen und Putz, Türen und Regale, außerdem noch Mauerteile, die unser Haus in die Höhe wachsen lassen. Jeder startet mit einer Grundplatte, die einen Lagerplatz für Baumaterialien und 28 Felder für den Innenausbau bereitstellt. Dort werden die Plasteteilchen verankert, die zur Zimmerausstattung benötigt werden. Dazu ziehen die Spieler Zimmerkarten, deren Materialvorgaben im Laufe des Spiels erfüllt werden sollten. An die Baumaterialien kommt man ganz simpel durch Würfeln. Danach kann zur Erfüllung der Ausstattungswünsche kräftig getauscht werden, sofern die Lagerplätze der Mitspieler Passendes hergeben. So wird eine Kammer fertig oder Flur und Küche, wenn nicht zu häufig eine sechs gewürfelt wird. Dieser Wurf verpflichtet zum Mauerbau. Sobald vier Mauerteile gesetzt sind, folgt bei der nächsten sechs das erste Stockwerk, das richtig verankert wird und das Erdgeschoss total abdeckt. Der Innenausbau geht weiter bis ein Spieler notgedrungen seine zehnte sechs gewürfelt hat und zum Richtfest einlädt. Damit endet das Spiel, wobei nicht allein das Dach über dem Kopf den Spielsieg bringt, dafür gibt’s nämlich nur drei Punkte, für jedes vollständige Zimmer, für die Berücksichtigung aller sechs Zimmertypen und die Erfüllung weiterer Bedingungen gibt es Punkte. Den Ehrentitel „Baulöwe des real-abwesenden Sozialismus“ bekommt der Punktbeste, der meist nach einer knappen Spielstunde feststeht.
Robert Kurek baut wie in seinem ersten Spiel weitgehend auf den Spielmotor Würfel, und das tut diesem Spiel trotz aller Zufälligkeiten gut. Die Tauschatmosphäre erinnert an catanische Auseinandersetzungen, die Tauschmöglichkeiten sind aber durch das auf fünf Plätze beschränkte Lager etwas eingeschränkt. Das Spiel ist reichhaltig ausgestattet bis hin zum „Einheitsflaschenöffner“, der sogar spielerische Aufgaben besitzt. Gut gelöst ist der Stockwerkbau, wobei in meinem Spielekasten leider das Dach fehlt. Die launig geschriebene Regel lässt (fast) keine Fragen offen, sehr hilfreich ist das bebilderte Ergänzungsblatt. BAU AUFf! ist mehr als ein DDR Nostalgie-Spiel, auch Wessis haben Spaß am Häuslebau unter sozialistischen Bedingungen. Der Flaschenöffner zum Öffnen der Bierflaschen beim Richtfest liegt bei.
Wieland Herold
Titel: BAU AUF! ÜBERDACHEN OHNE EINZUKRACHEN!
Autor: Robert Kurek
Verlag: BuschFunk
Alter: ab 8 Jahren
Spieler: 2 bis 4 ; ideal 4
Preis: 39 DM
Wieland Herold
Spiel 22/1999 R32/2021
Die Rezension erschien 1999 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Berliner Buschfunk Verlag ist im Wendejahr 1989 in Berlin am Prenzlauer Berg gegründet wurden. Er sieht sich als erster unabhängiger Musiverlag der DDR. Neben Eigenproduktionen waren CDs der Puhdys, von Petra Zieger und Wladimir Kaminer mit im Vertrieb. In den 90er Jahren wurde Buschfunk durch die Herausgabe von DDR-Spielen berühmt.
Die Idee zu ÜBERHOLEN OHNE EINZUHOLEN hatte Robert Kurek 1991. Westliche Verlage winkten ab, sodass er sich zur Kleinauflage entschloss, die er 1994 handkonfektioniert anbot. Ein Exemplar viel dem Buschfunk -Chef zufällig in die Hand, der das Ganze nun professionell anging und innerhalb eines Jahres 100 000 Spiele verkaufte. Bislang sind 250 000 Spiele verkauft. Das hier beschriebene BAU AUF erreichte immerhin noch 25 000 verkaufte Exemplare.
Der in Bernau bei Berlin lebende Kurek hat danach noch mit BIERBARDE ein Spiel für 2 – 5 Wirte im Eigenverlag herausgebracht mit Texten und Liedern, um in bierselige Stimmung zu kommen. Der Anlass war die Gründung der ersten Bernauer Braugenossenschaft.
Mittwoch, 10. Februar 2021
DUOPENTO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DUOPENTO
Solomon W. Golomb hat ein Faible für das Spiel mit geometrischen Formen. Als 22-jähriger Mathematik-Doktorand der Harvard-Universität spielte er 1954 mit aneinander gelegten Quadraten. Wenn man Figuren, die durch Drehung oder Spiegelung ineinander übergehen, als gleich betrachtet, erhält man zwei verschiedene dreiteilige, fünf vierteilige und zwölf fünfteilige Gebilde, die Golomb in Analogie zu „Domino“ „Triominos“, „Tetrominos“ und „Pentominos“ nannte. Die wenigen Triominos und Tetrominos erwiesen sich bald als zu unergiebig, größere Formen wie Sechs- oder Siebenteiler (35 Hexominos und 108 Heptominos) waren zu unübersichtlich. Die zwölf Figuren aus fünf zusammenhängenden Quadraten, die Pentominos, erwiesen sich aber als komplex genug, um geistig anregende Probleme aufzuwerfen.
Spätestens seit dem Erfolg von BLOKUS, das auf der Auswahlliste zum „Spiel des Jahres“ 2002 landete, sind anspruchsvolle Legespiele wieder gefragt. Ingo Uhl, der seit über zehn Jahren mit klassischen Formen spielerisch experimentiert, schließt sich diesem Trend mit dem Spiel DUOPENTO an. Zwei Spieler erhalten jeweils einen eigenen Satz Pentominos. Abwechselnd müssen sie ihre Steine auf einem Spielbrett mit 120 Feldern unterbringen. Sie versuchen dabei eine möglichst große zusammenhängende Fläche ihrer Farbe zu bilden. Freiräume zu schaffen, in die möglichst nur eigene Steine hineinpassen, ist eine wesentliche Taktik. Sobald kein Spieler mehr Pentominosteine ablegen kann, endet das Spiel. Es zählen die Steine der größten zusammenhängenden Fläche, wobei Spielsteine, die in diese Fläche gelegt werden, nachdem der Gegenspieler nicht mehr legen konnte, doppelt zählen.
DUOPENTO spielt sich schnell, die jeweils 12 Steine sind spätestens nach 15 Minuten abgelegt. Ingo Uhls Spiel trainiert das räumliche Vorstellungsvermögen der Spieler, Spielspannung kommt allerdings nur bei gleichwertigen Spielern auf. BLOKUS lebt auch durch den hohen Aufforderungscharakter des Materials. Uhls umweltfreundlicher Recyclingkunststoff kommt etwas hausbacken daher, das gilt auch für die lila-orangene nicht gerade verkaufsfördernde Verpackung.
Mit dem Spielmaterial lässt sich natürlich noch viel mehr machen. Der Autor lockt mit vielen Solovariationen und einem Halbfeldkampf, bei dem jeder Spieler die Hälfte des Spielfelds voll auszufüllen versucht. Für Könner keine allzu schwere Aufgabe. Wer über das Spiel hinaus Anregungen sucht, was er sonst noch so alles mit seinen Pentominosteinen machen könnte, dem empfehle ich die Seite von Jürgen Köller mit mathematischen Basteleien. Von Faltspielen über Legepuzzle bis hin zum Zauberwürfel wird man hier fündig. Seine Homepage enthält eine Reihe von Legeaufgaben für den 12er Spielsteinsatz (www.mathematische-basteleien.de/pentomino.htm). Diese Aufgaben können mit dem Doppelsatz aus Uhls Spiel natürlich auch kompetitiv ausgetragen werden.
Wieland Herold
Titel: DUOPENTO
Autor: Ingo Uhl
Verlag: Logika, Ingo Uhl GmbH - Quickborner Strasse 27 - 25494 Borstel-Hohenraden
Spielerzahl: 1 bis 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 18.- €
Wieland Herold
Spiel 11/2002 R31/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Ingo Uhl betreibt seit 1979 in Borstel-Hohenraden (bei Hamburg) ein kleines Unternehmen mit zur Zeit 20 Mitarbeitern im Bereich Kunststoffspritzgusstechnik und Formenbau. Zu seinen Kunden gehören Firmen aus der Möbelbranche, Medizintechnik sowie Unternehmen aus der Verpackungs- und Windenergieindustrie.
Uhl nutzt seine Firma auch für die Produktion von Logik- und Lernspielen. Dafür hat er 1991 die Firma LOGIKA gegründet, die inzwischen weit über einhundert Puzzle und Spiele auf den Markt gebracht hat. Für die Produktion nutzt Uhl überwiegend Recycling-Kunststoff. Sieben seiner Spiele wurden schon mit der Auszeichnung „Spiel gut“ prämiert, DIE MIDROMIS von Nicole Bock stand auf der Auswahlliste zum Lernspiel des Jahres 2004.
Einen Teil der Spiele hat Uhl selbst entwickelt, so auch DUOPENTO, das ZAHLENLABYRINTH (1998), TRILEVEL (2004) und SCHALENWÜRFEL (2008).
Mein Fotoarchiv weist Ingo Uhl an seinem Stand in Nürnberg leider nur hälftig aus. 2004 hatte Nicole Bock MODROMIS bei Uhl veröffentlicht, auf ihrem Foto ist Ingo Uhl zumindest halb zu sehen.
Samstag, 6. Februar 2021
KLEINE KLÄFFER
2020 war für Piatnik ein überaus erfolgreiches Jahr. Mit SPEEDY ROLL konnte der Wiener Verlag erstmalig den Preis für das Kinderspiel des Jahres gewinnen. Auch sonst war das Programm mit Spielen wie DRAGON MARKET, LAMA EXPRESS und KANALOA recht ansehnlich.
Zu den Herbstneuheiten gehörte KLEINE KLÄFFER des spanischen Autors von Félix Bernat Julián, der seit 2015 Spiele entwickelt. Er startete mit Eigenproduktionen wie dem DUELO PRIMIGENIO. Die erste Verlagsveröffentlichung kam 2019 mit MASATABAS bei GDM Games. Das Spiel von Piatnik ist erst seine dritte Veröffentlichung, die 2021 als CONCLAVE bei Reverse Games RG grafisch erwachsener überarbeitet erscheinen wird.
Einer recht abstrakten Kartenspielidee im Kampf um Farbmehrheiten hat der Autor einen Revierkampf von Hunden übergestülpt. Er versetzt uns nach New York in den Stadtteil Queens, dort geht es um die Neuaufteilung der Hundereviere. Letztlich entscheidet darüber ein Hundeparlament, der „Rat der kleinen Kläffer“, in dem um jede Stimme gekämpft werden muss. Es gibt sechs farblich gekennzeichnete Reviere, in denen Chihuahuas, Zwergspitze und Bulldogen ihr Unwesen treiben. Die Hunde gibt es in unterschiedlicher Verteilung in den Werten 1 bis 5, die für den Kartengewinn und die abschließende Abstimmung von Bedeutung sind.
Bis zu vier Spieler starten mit vier Handkarten, deren Revierzugehörigkeit aus den Kartenrückseiten ablesbar sind. In der Auslage wird der „Rat der kleinen Kläffer“ in einer 4x4 Auslage mit leerer Mitte offen präsentiert. Die restlichen Karten liegen als Nachziehreihe, sodass die Rückseiten der Farben erkennbar sind, an den Seiten aus.
Die Runden beginnen mit den Pflichtzügen, in denen eine Karte dem Hunderat zugefügt wird. Ergibt dadurch die Addition angrenzender Karten in der Reihe und Spalte einen Wert von 10 Punkten oder mehr, bekommt der Spieler zur Belohnung alle karten die mit der Farbe seines gelegten Hundes oder mit der Rasse übereinstimmen. Die gewonnenen Karten werden offen gesammelt und nach Revieren sortiert. Wer weniger Punkte erreicht, darf nur nachziehen, das gilt natürlich ebenfalls für den Gewinner von Karten. Falls mehr als vier Plätze im Hunderat frei sind, werden diese ergänzt.
Wenn die Karten der Nachziehreihen aufgebraucht sind, haben alle Beteiligten noch einen Zug und müssen die restlichen Handkarten den eigenen Revierreihen zuordnen. Dann wird in allen Revieren die Stimmmehrheit geprüft. Wer diese erreicht, sichert sich das Revier und darf diese Karten umdecken. Alle anderen müssen die Farbe offen liegen lassen, das sind dann die abschließenden Strafpunkte. Und genau diese gilt es im Blick zu behalten. Wer die wenigsten hat und mindestens ein Revier gewinnen konnte, ist am Ende Spielsieger.
Diese Wertungsregelung könnte zu sehr passivem Spielverhalten führen. Gegen Spieler, die meinen, nur eine Revierfarbe sammeln zu können, hat Bernat Julián eine Regel eingebaut, die optional ab der zweiten Runde genutzt werden darf. Danach kann jeder zu Beginn seines Zuges die Farbkarten eines Reviers an einen Mitspieler verschenken, der diese Farbe noch nicht hat. Diese Geschenkeregel führt automatisch zum Anhäufen von Minuspunkten, die gewöhnungsbedürftig „Schlechtpunkte“ genannt werden. Wer so fünf oder sechs Strafpunkte abbaut, sollte aber zur Sicherheit einen kleinen Wert dieser Farbe in sein Portfolio aufnehmen, sonst landet das „Geschenk“ wieder bei ihm. Nicht optional, sondern verpflichtend geregelt ist der Fall, dass durch passives Spielen alle 16 Felder belegt sind. Der Autor spricht dann von einer Krise im Hunderat, die so aufgelöst wird, dass der arme Betroffene jeden Hund in Spalte und Reihe aufnehmen muss, der nicht seiner Farbe und Rasse der gespielten Karte entspricht.
Thematisch und regeltechnisch ist KLEINE KLÄFFER ein Spiel- und Wertungskonstrukt, das mit seinen mathematischen Bezügen durchaus aus dem Hause Knizia stammen könnte. Im Spielablauf ist man nicht automatisch auf Kartengewinn hin orientiert. Die Aufnahmezwänge über die gelegte Tierrasse auch andere Farben mit in seine Auslage zu bekommen, führt doch dazu, dass man häufiger niedrigere Karten spielt, um nicht über den Wert 10 zu erreichen. Andererseits will man sich in bestimmten Farben die Mehrheit sichern. Da auch in Vollbesetzung zu viert nie alle Karten im Spiel sind, lässt sich die Endabrechnung nicht prognostizieren. Wichtig sind die Handkarten, mit denen man am Ende noch überraschend auf die Siegerseite kommen kann.
KLEINE KLÄFFER ist zwar Konstrukt, aber ein intelligentes, das mit der Idee eines ganz alten Piatnik-Spiels liebäugelt. 1987 hat Alex Randolph INDISCRETION veröffentlicht, bei dem die Kartenrückseiten Auskunft über die Kartenart gaben. Mit dieser Idee spielt der spanische Autor. Piatnik hatte damals einen mit 10.000 DM dotierten Ideen-Wettbewerb ausgeschrieben, dessen Ergebnisse in einem späteren Regelheft veröffentlicht wurden. Hier hätten die KLEINEn KLÄFFER auch gut hineingepasst.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: KLEINE KLÄFFER
Autor: Félix Bernat Julián
Grafik: Paletti-Grafik
Verlag: Piatnik
Alter: ab 10 Jahre
Spieler: 2-4 Spieler
Spieldauer: ca. 25-30 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 4/2021
Freitag, 5. Februar 2021
CHINA MOON
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
CHINA MOON Frösche auf Seerosensuche
Über zehn Jahre schmort die Spielidee schon in der Schublade Bruno Faiduttis. Angeregt wurde er durch David Parletts HASE UND IGEL. Ebenso wie Parlett wollte er ein Spiel entwickeln, das einfache Regeln besitzt, thematisch für Kinder ansprechend sein soll, ohne den Glücksfaktor auskommt und im Wesentlichen taktisch geprägt ist. Vor sieben Jahren veröffentlichte Faidutti das Spiel auf der Seite Game Cabinet (http://www.gamecabinet.com/rules/FlowerOfTheLotus.html), so dass es in den internationalen Test gehen konnte. Es hat bis Oktober 2003 gedauert, bis der Autor sein Spiel endlich in einer Schachtel verpackt erleben durfte. Eurogames hat sich Faiduttis Frühwerk angenommen.
Normalerweise werden Autor und Verlag am Anfang einer Spielbeschreibung erwähnt, bei CHINA MOON muss es der Grafiker sein. Vincent Dutrait zieht den Betrachter mit dem Schachtelcover in einen ganz besonderen Bann. Der uns neckisch zublinzelnde Frosch vermittelt Spielvergnügen, aber auch Kopfarbeit, wie die an der Stirn kratzende Pfote deutlich macht. Im Hintergrund spiegeln sich Spielgeschichte und Spiel im Wassertümpel unter dem Brückenbogen wider, alles in das silbrige Licht einer Vollmondnacht getaucht, CHINA MOON eben. Toll!
Ein melancholischer Mandarinerpel treibt in Gedanken an seine Auserwählte versunken durch Seerosenblätter dahin. Die Frösche, die vergnügt um ihn herumspringen, bemerkt er gar nicht, bis sie sich an ihn wenden. „Hübscher Erpel, warum weinst du?“ Da gesteht er seinen Kummer, dass er nicht wisse, mit welchem Geschenk er seiner Traumente seine Liebe gestehen könne. Es gebe nichts Schöneres als ein in einer Vollmondnacht gepflückter Seerosenstrauß, schlagen die Frösche vor und bieten sich gleichzeitig an, in Teams für die Zusammenstellung toller Sträuße zu sorgen.
Wir sind im Spiel. Jeder hat drei kleine Gummifrösche zur Verfügung, die über einen verschlungenen Wasserweg mit vielen Seerosenblättern zur Seeroseninsel gelangen wollen. Auf dem Weg dorthin können sie 16 wunderschöne Seerosen einsammeln, fünf blütenweiße, fünf butterblumengelbe und fünf karminrosa Lotusblumen, auch eine rare blaue, zusätzlich noch eine 17., die nicht erwünschte schwarze Blume. Die Frösche bewegen sich in großen Sprüngen voran, mit dem Sprung auf das nächste Seerosenblatt geben sie sich nicht zufrieden. Es muss stets das übernächste sein, wobei sie von Artgenossen besetzte Felder gar nicht erst mitzählen. Drei Frösche müssen so in einem Spielzug bewegt werden, wobei die Regel vorschreibt, dass es nicht nur die eigenen Frösche sein dürfen, die man bewegt, mindestens ein fremder muss dabei sein. Das macht auch Sinn, denn niemand käme sonst auf die Idee, eine schwarze Blume zu sammeln. Es macht auch deshalb Sinn, weil einige Sonderfelder gezielter genutzt werden können. Um diese zu verstehen, müssen wir uns an den Mandarinenterich erinnern. Er ist sich sicher, dass er am meisten Erfolg bei seiner Angebeteten mit möglichst vielen Blumen einer Farbe haben wird, so vergibt er für eine einzelne Seerose an die Frösche einen Punkt, für zwei einer Farbe aber schon drei Punkte, für drei sechs Punkte, so dass im Idealfall 15 Punkte erreicht werden. Ist dann noch die rare blaue Blume dabei, gibt es noch vier Punkte dazu, deren Erfolg nur durch einen kleinen Punktabzug von zwei Punkten durch die nicht so attraktive schwarze Seerose geschmälert werden kann. Über Sonderfelder werden die Spieler zum Tausch von Seerosen gezwungen, manchmal müssen auch Blumen wieder zurückgelegt werden. Das Spiel endet nach etwa einer halben Stunde Sprungvergnügen, sobald die letzten vier Seerosen auf der Seeroseninsel abgeerntet sind, dabei ist die blaue Blume stets die allerletzte, die gepflückt wird.
Die Geschichte ist märchenhaft-kindlich, das Spiel selbst aber kein Kinderspiel. Die Spielregel empfiehlt es für Kinder ab 12 Jahren, wobei auch Zehnjährige schon gut damit klarkommen. Der Würfel fehlt, dafür bietet die Fortbewegungsregel genügend Raum für die Entwicklung von Spielstrategien. Besonders beim Spiel zu dritt bleibt alles planbar und spannend bis zum Schluss. In der Vollbesetzung mit fünf Spielern ist man aber ganz schön abhängig vom Handeln der Mitspieler, wer da das letzte Spiel gewonnen hat, besitzt schlechte Karten in der aktuellen Runde. Bruno Faidutti, der französische Autor des Spiels, hat auf seiner Homepage Varianten zu CHINA MOON veröffentlicht, die u.a. auch eine sehr gute Zweierversion umfassen.
Eurogames hat die Vorlagen des Autors fast 1: 1 übernommen. Das gilt für die ganze Spielgeschichte, aber auch den Spielplan mit den meisten Sonderfeldern. Dazu gekommen sind nur kleinere Ergänzungen, wie zum Beispiel zwei Trampolinfelder, die einen Doppelzug ermöglichen. Ursprünglich haben sich die drei Frösche ein Feld, zwei und drei Felder weit bewegt, was durchaus Sinn macht und was Faidutti auch in seinen Sonderregeln wieder aufgreift. Ob CHINA MOON nun an den Erfolg des Vorbilds, HASE UND IGEL, anknüpfen kann, darf bezweifelt werden. Dazu fehlt dem Spiel doch etwas Tiefgang. Trotzdem bleibt es ein ordentliches Familienspiel, das in einem stimmigen Ambiente daherkommt. Wer es ausprobieren möchte, ohne gleich knapp 20 Euro zu investieren, kann ohne große regeltechnische Abstriche problemlos auf die Fassung von Game Cabinet zurückgreifen, optisch entgeht Ihnen dabei aber eine ganze Menge.
Wieland Herold
Titel: CHINA MOON
Autor: Bruno Faidutti
Grafik: Autor: Bruno Faidutti
Verlag: Eurogames
Spieler: 3 bis 5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Spiel 8/2004 R30/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Bruno Faidutti, 1961 in Berlin geboren, ist ein französischer Spieledesigner, Historiker und Soziologe, der häufig mit anderen Spieleentwicklern wie Alan R. Moon, Bruno Cathala und Michael Schacht zusammenarbeitet. Seine erste Veröffentlichung BASTON stammt aus dem Jahre 1984. Inzwischen hat er meist in Kooperation rund 120 Spiele erfunden. Sein Bekanntestes ist OHNE FURCH UND ADEL, das er allein entwickelt hat. Das Spiel war 2000 zum „Spiel des Jahres“ nominiert, gewann den Kartenspielpreis À la carte der Fairplay und landete auf dem 6. Platz des deutschen Spielepreises. Bekannt sind außerdem noch Spiele wie BOOMTWON und DIAMANT (beide 2005, Empfehlungsliste der Jury). Aktuellere Spiele von ihm sind ELEPHANT RALLY (2020), GOLD RIVER (2020) und angekündigt DREADFUL CIRCUS (2021).
Donnerstag, 4. Februar 2021
AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Gutes Familienspiel: AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO
Ravensburgers diesjähriges großes Familienspiel knüpft an die Start-Ziel-Spiele der 80er Jahre an, die für die damalige Zeit zu so beachtlichen Ergebnissen wie IN 80 TAGEN UM DIE ERDE und dem ausgezeichneten FLIEGENDEn TEPPICH geführt haben. 2004 begibt sich Reiner Knizia auf die Spuren von MARCO POLO und führt zwei bis fünf Reiselustige ab acht Jahren vom persischen Hormus über die Oasenstadt Kantshou ins chinesische Daidu, das heutige Peking. Knizia wäre nicht Knizia, wenn er nur ein einfaches Start-Ziel-Spiel dazu erfunden hätte. Bei ihm kann auch derjenige gewinnen, der als zweiter theoretisch sogar als letzter ins Ziel kommt, vorausgesetzt, er ist derjenige, der die meisten Goldkisten mitschleppt.
Die Reiseroute besteht aus nur 30 Feldern, sie kann recht schnell bewältigt werden, da besetzte Felder übersprungen werden dürfen. Die freien Felder stellen Anforderungen an die Kartenabgabe. So muss anfangs nur eine beliebige Warenkarte abgegeben werden, dann werden es zwei Warenkarten oder zwei Karten einer Farbe bis hin zu vier oder sogar fünf Karten, die speziellen Anforderungen genügen müssen. Die Spieler dürfen mit ihren Kamelfiguren beliebig weit ziehen, solange sie die entsprechenden Karten abgeben können. Wer keine passenden hat, darf rasten und ruhen, wobei er am Ende eines solchen „Zuges“ seine Kartenhand ergänzt. Dies kann er blind von einem Zugstapel tun oder er kann sich von fünf offen ausliegenden Karten eine auswählen. Spitzenpositionen werden bei der Zwischenwertung in Kantshou und bei der Schlusswertung in Daidu mit besonders vielen Goldkisten belohnt. So erhält der erste in der Oase Kantshou sechs Kisten Gold, derjenige, der auf dem Feld direkt dahinter ist, fünf Kisten usw., im Zielort sind es dann sogar sieben Kisten. Nach der Zwischenwertung beginnt das Rennen zur zweiten Etappe für alle neu. Alle starten von der Oase aus, unabhängig davon, ob sie auf der ersten Etappe hinterherhinkten oder vorn dabei waren.
Marco Polo ist im ausgehenden 13. Jahrhundert als siebzehnjähriger Jüngling zu dieser Reise gestartet und als Einundzwanzigjähriger schließlich in der Mongolenhauptstadt Kublai Khans, in Daidu, angekommen. Die vier entbehrungsreichen Jahre verdichten sich für die Spieler auf lockere 30 Minuten, wenn es lange dauert, ist die Spielkarawane eine Dreiviertelstunde unterwegs. Das Spiel ist schnell erklärt, die farbige Spielregel lässt kaum Fragen offen. Erwartet werden darf kein großartiges Taktikspiel, aber ein ordentliches Familienspiel, das an gute Ravensburger Traditionen anknüpft. Knizia bietet einfaches Spielvergnügen, nicht mehr und nicht weniger!
Wieland Herold
Titel: AUF DEN SPUREN DES MARCO POLO
Autor: Reiner Knizia
Grafik: Michael Bayer
Verlag: Ravensburger
Spieler: 2-5
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 - 45 Minuten
Preis: ca. 20 €
Spiel 7/2004 R29/2021
Die Rezension erschien 2004 www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Reiner Knizia, der weltweit produktivste Spieleautor, der auf inzwischen über 700 Spieleveröffentlichungen stolz sein kann, hatte bis 2000 schon einige Auszeichnungen gewonnen, darunter 1993 für MODERN ART und 1998 für EUPHRAT & TIGRIS. AUF DEN SPUREN VON MARCO POLO (BGG-Wertung aktuell 6,2) war ein solides Spiel, landete aber auf keinen Auszeichnungslisten.
Die besondere Leistung für die spielerische Adaption von DER HERR DER RINGE zeichnete die Jury „Spiel des Jahres“ mit dem Sonderpreis „Literatur im Spiel“ 2001 aus.
2008 erhielt er für KELTIS erstmals den Titel „Spiel des Jahres“ und das gleichzeitig im Doppelpack, da WER WAR’S den blauen Pöppel bekam.
Das Bild stammt aus dem Jahr 2001 und wurde im Februar 2001 am SAZ-Abend in Nürnberg aufgenommen. Die Hut-Partnerin Knizias ist Marieke Hoeber, Redakteurin bei Jumbo.
Dienstag, 2. Februar 2021
KRIEG UND FRIEDEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
KRIEG UND FRIEDEN: Nicht immer ganz friedlicher Kathedralenbau
Hinter dem Verlagskürzel TM-Spiele stehen der renommierte Spieleautor Klaus Teuber und sein Lieblingsredakteur Reiner Müller. Der Kleinverlag startete 1993 mit Teubers Spiel VERNISSAGE, das den Bronzeplatz beim deutschen Spielepreis erreichte. Das dann folgende KNOCK OUT von Wolfgang Panning landete immerhin noch auf dem achten Platz. Weitere Spiele blieben erst einmal auf der Strecke, da das Team die Betreuung des neu gegründeten Goldsieber-Verlages von Simba Toys überaus erfolgreich übernahm. 1997 wechselte das TM-Team nach dem Erfolg mit CATAN dann zu Kosmos. Danach gab es dann auch wieder TM-Spiele. 1998 MINISTER von Rudi Hoffmann, das auf die Auswahlliste der Jury kam und in diesem Jahr KRIEG UND FRIEDEN von Gerald Mulder.
Optisch verpackt wie ein großes Buch mit angedeuteten Leinenrücken und einer opulenten Kathedralen-Grafik auf dem Cover kommt das Spiel eindrucksvoll daher. Um den Bau dieser Kathedrale geht es in dem Spiel von Gerald Mulder. Bis zu vier Fürsten wetteifern um die Gunst ihres Königs im Ablauf der Jahreszeiten, in dem sie königliche Berater stellen, Arbeiter zum Bau der Kathedrale delegieren, eigene Höfe und Hütten bauen und gegnerische Ritter herausfordern. Für Bauteile der Kirche gibt es königliche Siegel, wer davon nach Errichtung der Kathedrale am meisten hat, gewinnt das Spiel.
Entscheidendes Steuerungselement sind Macht- und Schicksalskarten, mit denen man um die Position des Beraters steigert, Häuser und Arbeiterhütten baut oder kämpft
und sich verteidigt. Man muss Sorge tragen, dass der Kartennachschub nicht ausbleibt, sonst muss man den König um Gnade anflehen. Kartenglück und strategische Planung halten sich die Waage. Das Spiel bietet viel Interaktion, hat tolles Material und besitzt einen schönen Spielrhythmus in seiner Orientierung am Jahresablauf. Trotzdem stört mich die abschließende Dachabdeckung, die fast jedes Mal den Gewinner bestimmt. Damit hängt zu viel von der letzten Bietrunde ab und den Karten die man genau in diesem Moment auf der Hand hat. Das liegt auch daran, dass man drei Siegel für das Dach erhält, was meistens für den Schlusssieg reicht.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: KRIEG UND FRIEDEN
Autor: Gerald Mulder
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: TM-Spiele
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: etwa 90 min
Preis: ca. 59.00 DM
Spiel 21/1999 R27/2021
Die Rezension erschien 1999 unter www.spielundautor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Gerald Mulder ist ein 51jähriger holländischer Spieleautor, der zwischen 1998 und 2000 eine besonders erfolgreiche Phase hatte.
KRIEG UND FRIEDEN veröffentlichte er 1998 als CHARLEMAGNE, da wurde statt der Kathedrale noch eine Burg errichtet. Es folgte WORTELBOER für den Eigenverlag Think-Games, ein Jahr später kam dann sein größter finanzieller Erfolg mit BIG BROTHER: DAS SPIEL für Jumbo, das dann auch Verlage wie Hasbro und Clementoni übernahmen.
Montag, 1. Februar 2021
ALI BABA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Scheherezade als Spielautorin
In der Vorgeschichte dieses im April '93 bei Abacus erschienenen Spieles von Ian Livingstone, dessen Vorläufer das Versicherungsspiel CALAMITY ist, taucht Scheherezade ausnahmsweise einmal nicht als Geschichtenerzählerin, sondern als Spieleautorin auf. Sie lenkte ihren Sultan über einige Nächte mit dem zauberhaften Spiel von ALI BABA ab. In Livingstones Spiel übernehmen die Spieler Räuberrollen und ergaunern sich ein möglichst großes Vermögen.
Sieht man einmal von diesem verwerflichen Tun ab, das nur dadurch relativiert wird, dass ALI BABA von Zeit zu Zeit einige Banditen zur Strecke bringt, hat der Abacus Verlag ein spannendes Familienspiel für 2 bis 6 Spieler produziert, das viel Spielspaß bringt.
Insgesamt zweimal wird die schöne ALI BABA-Figur über einen 52-Felder-Kurs in Basra gesteuert. 24 Bewegungskarten mit unterschiedlicher Zugweite von 1 bis 5 Feldern stehen den Spielern pro Runde zur Verfügung. ALI BABA kann auf leere Felder gesteuert werden, auf denen man Beute machen kann, auf Felder mit farbigen Symbolen oder auf Ereignisfelder. Die Verbrecherbanden Basras, derer man sich bedienen kann, sind Schwindler, Diebe, Betrüger und Räuber. Jede Bande besteht noch aus vier weiteren Untergruppen. Besitzt man alle vier Mitglieder einer Gruppe, kann man das Doppelte erbeuten, geht aber auch ein höheres Risiko, erwischt zu werden, ein. Auf den leeren Feldern dürfen bis zu drei Banditenkarten erworben werden. Landet Ali Baba auf einem farbigen Symbolfeld, dann ist er der Bande in dieser Farbe auf der Spur. Alle Bandenbesitzer dürfen sich loskaufen, pro Bandenkarte kostet das 20 Piaster. Die Spieler können auch untereinander Karten frei verkaufen. Jeder Räuber besitzt eine persönliche Schicksalsrolle in einem 6x6-Raster. Je nach Beutewert der Räuberkarte sind mehr oder weniger Zahlen gekennzeichnet. ALI BABA würfelt mit zwei Würfeln die "Trefferzahl' aus. Dies geschieht in zwei Stufen. Nach dem ersten Wurf, der die Zahlenreihe festlegt, kann man immer noch seine Räuberkarte abstoßen, nun aber gegen 100 Piaster. Sollte man nach dem zweiten Wurf mit einer entsprechenden Karte erwischt worden sein, muss man vor den Kadi. Jetzt wird es teuer: Teure 200 Piaster kostet die Bestechung des Kadis.
Am Ende der ersten Runde wird ausgezahlt. Für jedes Bandenmitglied erhält man den Wert der Beute, besitzt man die gesamte Bande, gibt es den doppelten Wert. Dann geht es in die zweite Runde, die nach dem gleichen Schema, wie oben beschrieben, abläuft.
Das Abwägen zwischen dem Risiko, erwischt zu werden oder doch noch durchschlüpfen zu können, macht den großen Spielreiz dieser Spielentwicklung aus. Die Steuerungsmechanismen über die Bewegungskarten lassen gewisse taktische Freiräume zu, obwohl das Spiel hauptsächlich von den Schicksalswürfen der beiden Würfel abhängt. Hier liegt aber auch die enorme Spielspannung, der es wohl zuzuschreiben ist, dass Scheherezade über mehrere Monate hin auf das Geschichtenerzählen verzichten durfte, da der Sultan ganz wild auf die Schatzjagd bei Ali Baba war.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: ALI BABA
Verlag: Abacus
Autor: Ian Livingstone
Grafik: Hartmut Gärling
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: etwa 90 min
Preis: ca. 50.00 DM
Spiel 23/1993 R26/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 71jährige Ian Livingstone ist vor allem als Gründer von Games Workshop bekannt. Zusammen mit seinem Partner Steve Jackson brachte er DUNGEONS & DRAGONS 1975 nach Europa und übernahm 1977 den Vertrieb von Citadel-Figuren. 1978 wurde der erster Laden eröffnet.
1982 erschien das erstes Fantasyabenteuerbuch der beiden Autoren, DER HEXENMEISTER VOM FLAMMENDEN BERG. Innerhalb weniger Monate wurden zehn Auflagen davon verkauft, auch in Deutschland war das Buch ein riesiger Erfolg, der Thienemann Verlag übernahm die Rechte. Die Reihe wurde fortgesetzt und ist inzwischen weltweit über 15 Millionen Mal verkauft worden.
Mitte der 90er Jahre wechselte Livingstone in den Computerspielsektor. Er war vor allem für Eidos Interactive tätig.
Livingstone hat einige Spiele veröffentlich, darunter BOOM TOWN (1990), LEGEND OF ZAGOR (1993) und eben ALI BABA (1993). Keines seiner Spiele konnte an die Erfolge der Bücher heranreichen
Sonntag, 31. Januar 2021
DORADO
SAMMELSURIUM
Berliner Spielkarten – SPIEL-O-THEK: DORADO
Der Berliner Spielkarten Verlag ist vor allem durch seine Quartettspiele bekannt. Der Verlag hat sich zwischen 1968 und 2000 zwischendurch immer wieder kleine Abstecher in den Brettspielbereich geleistet. Bekannt ist vor allem die schöne Brettspiel-Serie SPIEL-O-THEK, in der ab 1974 Spiele veröffentlicht wurden. Die quadratischen Schachteln mit samtigem Inlett sollten der CASINO-Serie von Ravensburger und der E-Serie von F.X. Schmid Konkurrenz machen. Der Berliner Spielkarten Verlag, der die Reihe bis 1976 produzierte, brachte es aber nur auf fünf Spiele.
Erfolgreich war der Verlag dann noch einmal in seiner Schlussphase als Reinhard Staupe als Redakteur Spiele wie DAVID UND GOLIATH (1997) und MIT LIST UND TÜCKE (1999) veröffentlichte. 1999 übernahm Ravensburger die Firma Berliner Spielkarten. 2000 wurde die Marke Berliner Spielkarten mit den zusätzlichen Produktfeldern Spiele und Puzzle in die Spielkartenfabrik Altenburg integriert.
Ganz wesentlich für die Serie der SPIEL-O-THEK war die Kooperation mit Rudi Hoffmann, der einige Spiele beisteuerte. Rudi Hoffmann, der Vater von Guido Hoffman, gehörte schon in den 60er und 70er Jahren zu den bekanntesten Autoren Deutschlands. Da er als Werbegrafiker arbeitete, hat er die meisten seiner Spiele mit einem unverkennbaren ironischen Stil selbst gestaltet. Seine Handschrift prägt viele frühe Spiele der Verlage Spear und Berliner Spielkarten. Seinen größten Erfolg hatte er 1989 mit CAFÉ INTERNATIONAL (Mattel), das Spiel des Jahres wurde. Dieser Preis führte vor allem in den 90ern zu vielen Neuauflagen seiner älteren Spiele. HALALI gehörte dazu, ursprünglich hieß das Spiel JAG UND SCHLAG und war 1973 bei Spear erschienen. Das auch solche alten Ideen immer noch erfolgreich sein können, zeigen die weiteren Auflagen, die 2012 und 2015 folgten. Von den Berliner Spielen erlebte ELDORADO mehrere Neuauflagen, so als DORADA (Ravensburger, 1988), ALLES FÜR DIE KATZ? (F.X. Schmid, 1994) und SCHATZ IN SICHT (Haba, 2006). Rudi Hoffmann starb im Juli 2008 mit 83 Jahren.
DORADO
In DORADO taucht Hoffmann gleich im Doppelpack auf mit den beiden Spielen ELDORADO und NUMERI, die ein Jahr zuvor als eigenständige Spiele bei Berliner Spielkarten erschienen waren. Der quadratischen Schachtel angepasst, änderte sich der ursprünglich rechteckige Spielplan in einen quadratischen, was auch grafische Veränderungen notwendig machte, die vor allem bei NUMERI zu erheblichen Abweichungen führte.
Beide Spiele sind relativ einfache Würfel- und Laufspiele, die aber trotzdem den Hoffmanschen Stempel der Originalität tragen.
ELDORADO ist ein risikoreiches Insel-Hopping zu einer blumenbekränzten Trauminsel. Alle starten mit vier Touristen und müssen dabei immer größere Meerengen überwinden. Der Sprung von der Startinsel zur zweiten führt locker über ein Wasserfeld, das steigert sich aber bis zu dramatischen fünf Feldern vor der Zielinsel.
Solange man noch alle vier Spielfiguren zur Verfügung hat, gibt es meist genügend Alternativen für den Einsatz eines Wurfresultats. Wenn dann aber doch eine Spielfigur im Wasser landet, wird sie umgedreht und damit zur kleinen Insel.
Zuerst im Ziel zu landen, das vor den Inselbildungen nur mit einer Sechs erreicht werden kann, bringt besonders viele Punkte. Der erste Tourist bekommt 100 Punkte, die nachfolgenden 75, 50, 25 und jeder weitere zehn Punkte. Am Ende wird addiert, welche Touristengruppe am erfolgreichsten war.
ELDORADO ist ein glücksabhängiges Würfelspiel, das als Familienspiel trotzdem Spielspannung entwickelt. Da gibt es ein Wettrennen um die 100 oder 75 Punkte. Solange man noch alle vier Figuren hat, lassen sich die Wurfergebnisse durchaus taktisch einsetzen. Da können andere Spieler blockiert werden, damit ihr Zugzwang wächst. Da kann man auch länger auf der fünften Insel ausharren, um auf die nötige Sechs zu warten. Gegen Ende wird es sowieso leichter, weil immer mehr kleine Inselbrücken geschaffen werden. ELDORADO macht daher in Vollbesetzung durchaus Spaß, zu zweit hält sich der Reiz in Grenzen.
Der ursprünglich längliche Spielplan der ersten Ausgabe lebte von den kleinen Karikaturzeichnungen Hoffmanns, nur wie eine Skizze wirkend, aber mit dem typischen Augenzwinkern versehen, das diesen Grafiker auszeichnete. Der quadratische Spielplan der SPIEL-O-THEK-Fassung ist bunter gehalten, betont den Südsee-Charakter, besitzt aber nicht ganz so viel Esprit. Die Wendesteine sind in beiden Ausgaben aus Plastik. Regeltechnisch und auf die Laufstrecken bezogen gibt es keine Unterschiede.
Auch NUMERI ist ein Würfel- und Laufspiel, das noch ein bisschen abstrakter als ELDORADO ausfällt. Jeder besitzt einen Satz Holzzylinder mit den Werten von eins bis sechs. Ist man an der Reihe, würfelt man und kann nun die Spielfigur mit dem passenden Wert auf das nächste unbesetzte Feld stellen. Hat man alle Spielfiguren im Spiel, darf man seinen Augenwurf auf mehrere Figuren aufteilen. Mit einer „6“ lassen sich damit gleich drei Figuren bewegen. Wer eine Kettenbildung mit drei eigenen Figuren hinbekommt, ist erneut am Zug, das kann auch mehrfach geschehen.
NUMERI endet, wenn die letzten drei Zielfelder, die mit 50, 30 und 20 Punkten ausgewiesen sind, besetzt werden. Für die Abrechnung werden alle Figuren herangezogen, die auf solchen Zahlenfeldern stehen. Ihre Zahl wird mit dem Wert der Figur multipliziert. Solchen 18 Wertungsfeldern stehen aber auch 24 leere Felder gegenüber, so dass in der Regel nie alle sechs Figuren in die Wertung kommen.
NUMERI wirkt fast wie ein Radrennen, im großen Peloton hält man sich am besten auf, weil da die größten Sprünge möglich sind. Kleine Lücken schließt man. Vor allem die niedrigen Figurenwerte können gut pendeln , da sie durch die Wurfaufteilung häufiger genutzt werden. Daher bekommt man auch kaum eine „5“ oder sogar „6“ auf das 50er Schlussfeld, bestenfalls eine „3“. Wer hinterherhinkt, hat kaum Chancen, dem Hauptfeld zu folgen, auch Ausreißer haben es schwer, da sie ja immer nur ein Feld vorrücken können. Die Dynamik bringt nur die große Gruppe und da sollte man mit seinem Team dabei sein. Die hohen Nummern parkt man am besten auf kleineren Wertungszahlen, damit sie zumindest etwas für die Wertung beitragen können.
Auch NUMERI ist recht glücksabhängig, aber in Ansätzen taktisch spielbar. Altmodisch wie die „6“ bei MENSCH ÄRGERE DICH NICHT wirkt allerdings die Regel, dass erst alle Figuren im Spiel sein müssen, bevor man Zahlen aufteilen darf. Wer ewig auf eine fehlende „3“ warten muss, wird hinterherhinken. Da helfen nur Hausregeln weiter.
Der ursprünglich einfache ovale Laufplan mit bunten Hoffmann-Figuren ist in der DORADO-Fassung zu einer eher grellen lila-orangenen Schleifenfassung geworden, die mich wenig überzeugt. Das Peppen auch die weißen Karikaturen des Autors nicht mehr auf.
Titel: DORADO
Spiel: ELDORADO
Verlag: Berliner Spielkarten
Autor: Rudi Hoffmann
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Spiel: NUMERI
Verlag: Berliner Spielkarten
Autor: Rudi Hoffmann
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 59.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 5 - S5/2021
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