Montag, 22. November 2021
WER HAT’S?
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MEMO-Quartett
Das klassische QUARTETT erlebt in Hartmut Kommerells Spiel WER HAT’S? (Adlung Spiele) eine Renaissance. Dem Berliner Autor gelingt es, durch eine simple spielerische Ergänzung ein pfiffiges neues Spiel aus dem Klassiker zu machen. Bei WER HAT’S? bekommen drei bis fünf Spieler ab sechs Jahren (funktioniert aber auch schon mit jüngeren Kindern gut) zuerst einmal ihre Karten und benennen beim Aufnehmen die kindgerecht gezeichneten Motive. Dadurch entfällt der Glücksfaktor, der am Anfang eines QUARTETT-Spiels stets ein Herumstochern im Dunkeln mit sich bringt.
Nach der Kartenaufnahme darf in QUARTETT-Manier nach entsprechenden Motiven bei einem anderen Spieler gefragt werden. Hat er es, darf der Fragende das Kartenpärchen vor sich ablegen. Auch diese Regel vereinfacht den Spielablauf, da nicht vier Karten, sondern nur zwei Karten gesammelt werden. Die Kartenzusammenstellung für WER HAT’S? enthält für einige Motive zwei Karten, andere dagegen sind viermal vorhanden. Da man sich nicht selbst befragen darf, dürfen gesammelte Pärchen während des Spiels nicht abgelegt werden. Bei allen Viererkombination ist damit die Gefahr, dass solche Paare gut nachgefragt werden, natürlich groß. Wird der falsche Mitspieler gefragt, muss eine schon gesammelte Karte abgegeben werden.
Nach diesen einfachen Regeln läuft das Spiel, bis die Karten aufgebraucht sind. In der Schlussrunde darf jeder Spieler noch einmal nach einer fehlenden Karte fragen. Zum Schluss dürfen alle Pärchen, die die Spieler noch in den Handkarten halten, abgelegt werden. Wer die meisten Karten besitzt, gewinnt nach etwa 15 Minuten das unterhaltsame Spiel.
WER HAT’S? kommt ganz einfach daher, entfaltet aber einen erstaunlichen Spielreiz, dem sich die meisten Kinder nicht entziehen können, Kommerell bietet für die ganz kleinen noch zwei Varianten an, so können schon Dreijährige in einem offenen Spiel an Benennung und Beobachtung herangeführt werden. Deutlich schneller und leichter spielt sich das Spiel auch dann, wenn alle Motive nur zweifach benutzt werden. Neben dem hervorragenden MANIMALS hat Adlung Spiele mit WER HAT’S? ein weiteres gutes Kinderspiel im aktuellen Programm, für das der kleine Verlag aus Remseck im Kartenspielbereich für Kinder inzwischen erste Anlaufadresse ist.
Titel: WER HAT’S?
Verlag: Adlung Spiele
Autor: Hartmut Kommerell
Graphik: Sascha Wiechert
Spieleranzahl: 3-5
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: 10-20 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 30/2007 R205/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 55jährige Hartmut Kommerell, der in Berlin lebt und arbeitet, ist spezialisiert auf taktische Schmankerl für zwei Spieler. Kommerell hat rund 40 Spiele veröffentlicht.
DIE SEIDENSTRASSE war 1998 sein erstes großes Spiel. Kommerell engagiert sich über das Spieleerfinden hinaus sehr für die SAZ. Seit 2015 arbeitet er im Vorstand der Autorenzunft mit und ist seit 2017 deren erster Vorsitzender.
Im Bild sehen wir ihn 2005 auf dem Spieleautorentreffen in Göttingen.
Seine QUARTETT-Variante WER HAT’S? wird auf BGG mit einer 6,6 bewertet, allerdings haben nur 8 User eine Wertung abgegeben (Stand 12.11.21).
Sonntag, 21. November 2021
BANDA
SAMMELSURIUM
Ravensburger Traveller-Serie: BANDA
Neben der Casino-Serie war die Traveller-Reihe in den 70er Jahren besonders beliebt. Sie erschien in zwei Schachtelformaten, zuerst als flache Ausgabe (202x202x28 mm; 1972 und 1973) und als etwas kleinere dickere Schachtel (190x190x36 mm; 1973-1978). Diese Schachtelform setzte sich durch und diente auch der Veröffentlichung weiterer Titel. Zur Serie gezählt werden aber nur Titel mit dem Logo „traveller serie“. Die Spiele in der Reihe waren fast durchweg Spiele für zwei Personen, meist taktische Spiele mit geringem Glücksanteil.
In der Reihe veröffentlichte Alex Randolph die meisten Spiele, zum Teil wie auch in der Casino-Serie unter dem Pseudonym L.W. Bones (PEGGINO). Daneben erschienen Klassikerausgaben wie REVERSI, GO und GOBANG, TANGRAM, SOGO und 3x16, das alte NÜMMERCHEN.
Herausragend sind für mich die Randolph-Spiele WÖRTERKLAUER, BANDA und HEPTA. Immer wieder gut ist RACKO, das es aber auch in vielen anderen Ausgaben von Ravensburger gibt.
BANDA
Die 36 Spielsteine stellen Teilstücke eines langen grünen Bandes dar, geradlinig, verzweigt und in U-Form abschließend. Alle Teile kommen nur im Solospiel zum Einsatz. Eine Puzzleaufgabe, in der ein geschlossenes Band ohne Inseln oder lose Ende entstehen muss.
Im Duell werden 25 der 36 Teile in ein 5x5 Raster gelegt werden. Der Startspieler beginnt mit zwei Steinen, die isoliert platziert werden. Danach dürfen auch mehr Steine gelegt werden, die aber stets zusammenhängende Reihen ergeben müssen, sonst darf nur ein einzelner Stein platziert werden.
Einerseits kooperieren die Spieler bei ihrer gemeinsamen Arbeit am Band. Letztlich denkt jeder aber ans Spielende, denn es gewinnt der Spieler, der den letzten verbindenden Stein legt.
Sollte ein Spieler zwischendurch glauben, dass der zuletzt vom Gegner gelegte Stein ein durchgehendes Band unmöglich macht, darf er Einspruch einlegen. Der Gegner muss nun beweisen, dass es doch möglich ist. Gelingt ihm das nicht, hat der Spieler, der Einspruch einlegte gewonnen.
Man braucht schon ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen, um sich in die abstrakte Schnurwelt einzudenken. Aus den NIM-Welt stammt die Nutzung beliebig vieler Steine. Eine Begrenzung wäre mir lieber gewesen.
Deutlich schöner, überschaubarerer und beschränkt auf die maximale Nutzung von drei Kärtchen ist Alex Randolphs Neubearbeitung in VENICE CONNECTION gelungen, die Johann Rüttinger 1996 herausbrachte und die den Sonderpreis „Schönes Spiel“ gewann.
Titel: BANDA
Autor: Alex Randolph
Grafik: o.A.
Verlag: Ravensburger
Spielerzahl: 1 - 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 15-20 Minuten
Preis: ca. 15 DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 47 – S47/2021
Samstag, 20. November 2021
GHOST ADVENTURE
Nicht wirklich neu: GHOST ADVENTURE
Etwas verwundert habe ich mir bei der Entscheidung für den diesjährigen Preis „inno-Spiel“ 2021 die Augen gerieben. Gewann doch ein simples Geschicklichkeitsspiel auf Beyblade-Basis oder mit Handbetrieb den Preis gegenüber Hochkarätern wie MICROMACRO CRIME CITY oder DER PERFEKTE MOMENT. Wahrscheinlich hat sich die Jury gedacht, dass Johann Sichs Spiel schon genügend Preise abkassiert habe, aber den PERFEKTE(n) MOMENT habe ich schon deutlich vor GHOST ADVENTURE gesehen.
Im Grunde genommen haben wir in Wlad Watines Spiel eine Abwandlung des KUGELLABYRINTHs, nur fördert die Spielplanbewegung hier keine kleine Kugel voran, sondern einen Kreisel, der per Aufzugsystem mit Reißleine gestartet wird oder ganz traditionell mit dem Fingerdreh. In GHOST ADVENTURE bewegen wir uns in verschiedenen Welten, wechseln dabei auch Spielpläne. Ähnliches bot SLIDE QUEST mit einem kugelgelagerten Ritter, wo wir uns unterschiedlichen Questen stellen durften. Hier sind es Soloabenteuer und Teamaufgaben, in denen sich unser Kreisel stets ausgehend von einem Steinkreis von Mission zu Mission fortbewegt. Die Brettneigungen für die gewünschten Wege werden händisch vorgenommen und nicht über Seitenhebel wie in SLIDE QUEST, was den Teamgedanken in diesem Spiel verstärkte.
Hat in GHOST ADVENTURE der Kreisel das vorgegebene Ziel erreicht, muss dieser Erfolg durch Rückkehr in den Steinkreis erst einmal sichernd abgespeichert werden, erst dann bewegt man sich zum Ausgang einer der acht Welten, wo ein Partner wartet, um den Kreisel in der neuen Zielwelt vom dortigen Steinkreis aus weiter laufen zu lassen. Es klappt natürlich nicht immer, das kostet einen von drei gefüllten Erfrischungstränken. Geht der Getränkevorrat aus, hat das Team verloren. Sonst ist die Mission erfolgreich beendet, wenn alle Zielfelder erreicht wurden und auch das letzte Ziel sicher abgespeichert ist.
Übung am Anfang ist dringend nötig, dafür gibt es sogar eine spezielle Übungsarena. Nicht jeder kommt mit der Zugvorrichtung des Spinners klar. Klappt es aber, dreht sich der Kreisel schon deutlich länger und kann locker die einfachen Aufgaben in einer Welt schaffen. Spezielle Felder geben der ganzen Geschichte zusätzlichen Pfiff, so können Tränke wieder aufgefüllt werden, giftige Tümpel verlangen aber auch einen Neustart. Insgesamt 56 Missionen sieht die Spielregel vor und bietet damit mehr Varianz als SLIDE QUEST. Ansonsten ist der wesentlich neue Effekt eigentlich nur der direkte Übergang, das Springen des Kreisels, von der einen zur anderen Welt. Für den inno-SPIEL Preis ist das für mich ein bisschen wenig, denn alles andere kennen wir und in der Kooperation vielleicht sogar noch besser umgesetzt.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: GHOST ADVENTURE
Autor: Wlad Watine
Grafik: Jules Dubost, Yann Valeani
Verlag: Pegasus
Spieler: 1-4
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 15-30 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 71/2021
Freitag, 19. November 2021
STIX
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spielesammlung von Steffen Mühlhäuser
Holz ist das typische Spielmaterial, aus dem Steffen Mühlhäuser immer wieder überraschende Spielideen zaubert. Da dienen Bambusstäbchen als Feldbegrenzung in dem taktischen Laufspiel LINJA, da wird mit Holzquadraten oder Sechsecken taktisch gespielt, da liefern 60 bunte Holzscheiben in COLOMO eine ganze Spielesammlung mit zwölf verschiedenen Ideen. Ganz in dieser Tradition steht STIX, das neueste Spiel des Autors und Verlegers Mühlhäuser. 40 lange Hölzchen und zehn kurze, außerdem vier Spielfiguren und eine Pappscheibe reichen ihm für die Entwicklung von drei ganz unterschiedlichen Spielen. Alles verpackt in einer kleinen quadratischen Schachtel, die erstaunliche Spielunterhaltung liefert.
Da haben wir einmal den kreativen Spielanteil in PICASSO. Hier dienen die Holzstäbchen der Begriffsbildung. Ein Hölzchenleger baut Stöckchen für Stöckchen einen ausgedachten Begriff auf, wobei die Mitspieler ständig ihre Vermutungen äußern dürfen, was aus dem Holz-Code entstehen könnte. Wird der Begriff erraten, bevor das sechste Hölzchen gelegt wurde, gibt es drei Hölzer zur Belohnung, bis zu zehn Hölzern zwei und danach noch ein Holzstäbchen. Durch die Honorierung reduziert sich die Anzahl der Hölzer, sobald kein Bild mehr gelegt werden kann, endet das Spiel.
Da die Begriffe wie in ähnlichen Spielen nicht durch Karten vorgegeben werden, müssen die Spieler ehrlich bleiben und sich nicht ständig neue, noch zur Auslage passende Begriffe ausdenken. Zur Sicherheit kann der zu legende Begriff auch vorher aufgeschrieben werden.
Bei der Spielvariante FLIPPER baut Mühlhäuser auf die Geschicklichkeit der Spieler. Die meisten werden sich in einer Kneipe schon am Bierdeckelstapeldrehen versucht haben. Ähnliches verlangt das Flipper Spiel: Ein langer Holzstab, auf dem flachen Handteller liegend, wird Richtung Pappscheibe geschleudert. Dazu schlägt man mit der richtigen Dynamik gegen die Unterseite einer Tischplatte. Landet das Hölzchen neben der Zielscheibe, bleibt es liegen. Landet es halb im Zielbereich, darf der Spieler zwei herumliegende Hölzer an sich nehmen. Fünf gibt es sogar für den eher seltenen Fall, dass das Holzstäbchen exakt auf der Scheibe landet. Immer dann, wenn ein Hölzchen im Umfeld oder auf der Scheibe auf einem anderen Holzstab landet, gewinnt man beide Hölzer zusätzlich. Etwas Übung ist nötig, dann erweist sich FLIPPER durchaus als kneipentauglich.
Ein typischer Mühlhäuser ist die letzte Spielvariante, die er AL CAPONE nennt. Ein schnelles Abbauspiel für zwei bis vier Spieler. Aus den 40 langen Hölzchen wird ein 5 x 5 Felder großes Spielfeld ohne Außenbegrenzung gelegt. Die Spiele setzen reihum ihre Spielfiguren in ein Spielfeld. Wer am Zug ist, darf seine Figur orthogonal über maximal drei Hölzchen hinweg bewegen. Alle übersprungenen Hölzer werden dabei eingesammelt. Dadurch entstandene Lücken dürfen von nachfolgenden Spielern ebenfalls übersprungen werden wie fremde Spielfiguren. Allerdings dürfen Hölzer, die direkt vor oder hinter einer übersprungenen Figur liegen, nicht eingesammelt werden. Wer keine Hölzchen mehr erreichen kann, ist zugunfähig und scheidet aus. Sobald kein Spieler mehr ziehen kann, endet das Spiel, das natürlich von dem gewonnen wird, der die meisten Hölzer sammeln konnte.
Klein verpackt, überall mit hinnehmbar, liefert Steffen Mühlhäuser mit seinen Hölzchen und Figuren abwechslungsreiche Spielvergnügen. Es erreicht zwar noch nicht die Vielfalt von Spielideen wie in COLOMO, aber was noch nicht ist, kann durchaus noch werden, so lässt sich ganz simpel mit den Hölzchen natürlich auch knobeln. Wer das kurzweilige Buch STREICHHOLZSPIELE von Sophus Tromholt besitzt , das schon im vorletzten Jahrhundert erschienen ist und seitdem bis in unsere Tage in vielfältigen Ausgaben herausgegeben wurde, findet dort schier endlose Anregungen für das Spielmaterial von STIX.
Titel: STIX
Verlag: Steffen Spiele
Autor: Steffen Mühlhäuser
Graphik: Bernhard Kümmelmann
Spieleranzahl: 2-8
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: 5-15 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 9/2008 R204/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
2003 trat der jetzt 65jährige Steffen Mühlhäuser erstmalig in Essen auf der Spiel auf und zeigte seine wunderbaren Ideen. Sein Hunsrücker Kleinverlag mit der schönen Adresse Krastel, Zum Spielplatz 1, ist seitdem nicht mehr aus der Kleinverlagsszene wegzudenken. Vorher verdiente er mit der Bären-Presse mit handgedruckten Bilderbüchern und Hampelmännern sein Geld.
Mühlhäuser bedient mit seinen Holzspielen konsequent eine Nische, die sich nicht nur auf taktische Zweipersonenspiele reduzieren lässt. Für die großen Verlage lohnt der Markt der abstrakten Taktikspiele kaum. Deshalb können Verlage wie Steffen-Spiele und Gerhards überleben. Steffen-Spiele behauptet sich inzwischen fast 20 Jahre auf dem Markt mit wachsender Fangemeinde im In- und Ausland.
Steffen Mühlhäuser ist mit Leib und Seele Autor und Verleger, der den Publikumskontakt sucht. Sein Verlag ruht zwar inzwischen auf vielen Standbeinen, die wichtigste Rolle spielt der Einzelhandel, wichtig sind aber auch der eigene Internetverkauf, der Großhandel, die großen Messen, der Verkauf von Lizenzen und - von Anfang an eine Herzensangelegenheit für ihn – der Besuch vieler kleiner Märkte. Dafür hat er einen eigenen Stand gebaut, mit dem er vor Corona durch die ganze Bundesrepublik auf Kunsthandwerkermärkten und Musikfestivals tingelte. „Wenn ich da Erfolg habe, dann ist das für mich ein großes Kompliment. Das sind meist Menschen, die sind gar nicht gekommen, um ein Spiel zu kaufen, sondern Ketten oder Töpferware und dann bleiben sie bei mir am Spieltisch sitzen.“ Auf solchen Märkten testet Mühlhäuser auch seine Prototypen.
Ursprünglich waren Steffen-Spiele Veröffentlichungsforum für die Ideen des Autors und Verlegers. Seit 2007 erscheinen Gastautoren im Programm, da taucht sehr früh schon Reiner Knizia (TIKU, 2008) auf, auch Bruno Faidutti (SOLUNA, 2012), Niek Neuwahl (SEDICI, 2011) oder Jaques Zeimet (FINDEVIER, 2010) haben Ideen bei Mühlhäuser veröffentlicht. „Mir gehen die Ideen nicht aus, mir werden aber so viel gute angeboten.“ In der Regel soll es schon jedes Jahr ein Spiel von Mühlhäuser geben, dazu können ein oder zwei weitere Spiele von anderen Autoren ins Programm kommen.
Sein Hölzchenspiel STIX wird auf BGG mit einer 5,5 bewertet, allerdings haben nur 12 User eine Wertung abgegeben (Stand 12.11.21).
Das Foto zeigt Mühlhäuser 2005 mit dem im Text erwähnten COLOMO in Essen.
Donnerstag, 18. November 2021
SCHAFE SCHNAPPEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Schacht schnappt Schafe
Michael Schacht geht nicht nur auf die Zoojagd nach Elefanten und Pandas, in einem fetzigen Würfelspiel lässt er auch SCHAFE SCHNAPPEN. In klassischer CAN‘T STOP-Manier würfeln zwei bis vier Spieler um eine Schafherde. Zu Beginn des Spiels besitzt jeder nur eine kleine Herde mit drei Schafen. Wer es schafft, als erster seine Herde auf mindestens 20 Tiere zu vergrößern, gewinnt das Spiel.
Für das Spiel mit dem Risiko stehen fünf Würfel zur Verfügung. Jeder Würfel zeigt jeweils zweimal ein Schaf, einen Wolf und ein Verdopplungszeichen. Die Würfel werden einzeln geworfen. Nach jedem Wurf darf jeder Spieler entscheiden, ob er weitermachen möchte oder ob der Wurf abgerechnet werden soll. Nach dem fünften Würfel wird auf jeden Fall gewertet. Für jeden Schafwurf gibt es einen Schafchip aus dem Vorrat, für jeden Wolf muss ein Schaf aus der eigenen Herde abgegeben werden, entsprechend positiv oder negativ fallen die Verdopplungen aus. Mit ganz viel Glück können so auf einen Schlag 16 Schafe in den Stall gebracht werden, So groß können aber auch die Verluste sein.
Die Verdopplung bringt den Spielreiz. Würfelt man einen Wolf, versucht man auf alle Fälle einen weiteren Wurf, um mit einem Schaf auszugleichen. Schwierig wird es, wenn der Wolf verdoppelt wird. Minimiert man das Risiko und opfert zwei Schafe oder versucht man erneut auszugleichen. Wird dann ein zweites Mal die Verdopplung gewürfelt, sind es schon vier Schafe, die zu zahlen wären. Andererseits weiß man, dass ein Schaf immer noch ein Nullsummenspiel daraus macht. Geht man das Risiko ein?
Ständig sind die Spieler bei SCHAFE SCHNAPPEN mit der Risikofrage konfrontiert. Entsprechend spannend verlaufen die Würfelrunden.
SCHAFE SCHNAPPEN ist nicht mehr und nicht weniger als ein Glücksspiel, aber eines, bei dem man meint, das Glück steuern zu können. Das Spiel macht richtig Spaß und eignet sich gut als Familienspiel. Kinder ab sechs Jahren kommen schon gut klar damit und Eltern würfeln mit den gleichen Chancen mit ihrem Nachwuchs gerne mit. Für ein preiswertes Mitbringspiel ist das Material solide, die Regel lässt keine Fragen offen.
Titel: SCHAFE SCHNAPPEN
Verlag: Schmidt Spiele
Autor: Michael Schacht
Graphik: Michael Menzel
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: 15 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 87/2008 R203/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt Michael Schacht 2007 in Göttingen.
SCHAFE SCHNAPPEN wird auf BGG (Stand 11.11.21) mit einer Wertung von 4,9 geführt und liegt auf Rang 19.485 bei 30 Ratings.
Mittwoch, 17. November 2021
RAMSES
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
RAMSES: WETTLAUF UM DIE REICHTÜMER ÄGYPTENS
Florian Isensee, Oldenburger Buchhändler und Verleger, liebt das Genre der Kartenspiele mit historischem Hintergrund. Da kann er mit überschaubarem Kartenmaterial seine Spieler in Historie eintauchen lassen und jenseits des klassischen Stichspiels Spielabenteuer entwickeln, die alle ihren besonderen Reiz haben. Als Isensee I. hat er sich auf EXPEDITIONEN ZU DEN MAYASTÄTTEN aufgemacht, Isensee II. focht mit den MUSKETIER(en) IM AUFTRAG DER KÖNIGIN, ganz aktuell ist Isensee III. im Museumsauftrag hinter RAMSES hinterher und versucht in einem „Wettlauf um die Reichtümer Ägyptens“, eine opulente und publikumswirksame Grabschatzausstellung ägyptischer Kunst rund um Tutanchamun und Nofretete zusammenzustellen.
Nicht nur optisch das Auffälligste der bisherigen drei Spiele des Buchverlegers aus Oldenburg , aus spielerisch bietet er anspruchsvolle Kost. Isensee versetzt seine Spieler in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts; Carter hat gerade das sagenhafte Grab Tutanchamun im Tal der Könige entdeckt und damit einer Ägyptomanie in Europa und den Vereinigten Staaten ausgelöst. Die großen Museen wetteifern um den ersten Rang mit eindrucksvollen Ausstellungen.
Zwei bis vier angehende Museumsdirektoren, die mindestens im gehobenen Grundschulalter sein sollten, suchen nach 15 Altertümern, die in der ägyptischen Abteilung des Louvre präsentiert werden sollen. Die Ausstellungsfläche ist allerdings beschränkt. Streng wacht die Sphinx des Königs Amenemes II. aus der 12. Dynastie darüber, dass die 4200 Quadratmeter große Fläche nicht überschritten wird; Zugeständnisse macht sie nur bei den Längen- und Seitenverhältnissen, die 60x70 Meter, aber auch 70x60 Meter groß sein dürfen.
Für die Ausstellung kommen Ausstellungsgegenstände in Frage, die aus drei Karten senkrecht oder waagrecht zusammengesetzt werden können, wobei jeweils zwei Objekte insgesamt viermal vorhanden sind. Die Nofretete bleibt wie in der realen Welt einmalig. Zwei Objekte mit vier Karten sind jeweils doppelt vorhanden, Das gilt auch für die Goldmaske Tutanchamuns, die aus sechs Karten im Format 2x3 gebildet wird. Wegen diesen Objektkarten die von drei unterschiedlichen Stapeln gezogen werden, gibt es noch zwei rare Karten, die einen Skarabäus zeigen, der Jokerfunktion besitzt, und acht Handelskarten. Die Joker werden in beide Kartenstapel gemischt, die überwiegend 4er und 6er Kunstwerke enthalten, die Handelskarten liegen daneben aus.
Die Spiele starten mit jeweils einer Karte von den drei stapeln, so dass jeder meist eine 3er, 4er und 6er Karte besitzt. Reihum haben sie verschiedene Optionen. Sie starten mit einer sogenannten „Ankaufphase“, in der sie einen neue Kunstwerkkarte ziehen oder sich eine Handelskarte nehmen. Wählen Sie die zweite Option, eröffnen Sie sofort eine verpflichtende Handelsphase, der sich kein Museumsleiter entziehen darf. Der Spieler, der die Karte gezogen hat, darf in jedem Fall einen Handel ausführen, alle weiteren dürfen freiwillig in dieser Phase untereinander handeln. Die Aktion selbst ist Regeln unterworfen. Alle müssen für die Handelsphase zwei Karten zur Verfügung stellen, von denen eine offen die andere verdeckt gelegt wird. Getauscht wird immer das Gesamtpaket, wobei der Handel des auslösenden Spielers nicht abgelehnt werden kann. Wer durch die Ankaufphase oder den Handel in der Lage ist, die Ausstellung vorzubereiten, darf anschließend Karten auslegen, wobei 3er Objekte direkt in der Ausstellungsfläche platziert werden, größere Objekte müssen dagegen mit mindestens drei Karten in die vorbereitende Auslage für jeden Spieler gehen. Außerdem dürfen in dieser Phase auch Handelskarten in die Museumsausstellung gebracht werden. Dadurch lassen sich Räume verengen, sodass der Platz für große Objekte vermindert wird. Schließlich kann noch eine Handkarte verschenkt und die Kartenhand auf vier Karten ergänzt werden. Falls ein Spiele am Anfang keine Handelsphase ausgelöst hat, darf er dies am Ende seines Zuges tun, sofern noch Handelskarten zur Verfügung stehen oder er selbst eine spielen kann.
Das Spiel endet augenblicklich, wenn durch die Kartenablage in der Ausstellung kein Platz mehr für weitere Objekte ist. Handelskarten werden dabei ausgenommen. In der abschließenden Wertung erhalten die Spieler Punkte für ihren Beitrag zur Ausstellung. Jedes Objekt wurde mit einem entsprechenden Museumsmarker gekennzeichnet. Wer es schafft, einen Tutanchamun zu platzieren, erhält acht wertvolle Punkte, die 4er Objekte bringen fünf Punkte und die 3er mit der Ausnahme der Nofretete drei Punkte. Für die ägyptische Königin erhält ein Spieler sieben Punkte. Sie lässt sich meistens nur mit einem Joker vorbereiten, der in der Aufbauphase eingetauscht werden darf. Vorbereitete Objekte, die es nicht in die Ausstellung geschafft haben, bringen unabhängig von ihrer Kartenzahl einen Minuspunkt. Außerdem werden bis auf die Handelskarten, alle Handkarten mit Minuspunkten belegt, ein nicht ausgelegter Joker zählt sogar drei Minuspunkte. Wer nach dieser Abrechnung die meisten Punkte vorweisen kann, gewinnt nach etwa 30 Minuten das Spiel.
RAMSES ist vielschichtiger als die meisten Spieler anfangs denken. Das geht mit der Kartenaufnahme los. Orientiert man sich besser auf die relativ leicht erreichbaren 3er Objekte oder versucht man doch die Punkte trächtige Goldmaske Tutanchamuns zu legen, mit der Chance dabei an einen Joker zu gelangen. Andere konzentrieren sich lieber auf die 4er Objekte, bei denen ebenfalls ein Joker liegt und nehmen gerne das eine oder das andere kleinere Ausstellungsstück im Tauschverfahren mit. Auf alle Fälle muss die Aufmerksamkeit der Sammeltätigkeit der Mitspieler gelten. Wichtige Informationen bieten dazu die Tauschphasen, die durch die offenen Karten zumindest Teilinformationen aller Spieler preisgeben.
Am Ende geht es meist knapp und spannend zu, wenn die Räume eng werden und die Handelskarten Chancen vernichten. Hier wird RAMSES zum taktischen Legespiel. Ein Legespiel, das in seiner Gesamtauslage auch ästhetischen Genuss bietet. Die Fotoqualität der Spielkarten ist vorzüglich. Die kleine, immer noch etwas instabile Pappschachtel enthält neben den Spielkarten und Museumsmarken für jeden Spieler eine hilfreiche Kurzübersicht über den Spielablauf, auch die gut strukturierte Regel ist Florian Isensee ordentlich gelungen. Mit seinem dritten Spiel hat der Autor eine Professionalität erreicht, die mit Produkten renommierter Verlage durchaus mithalten kann.
Titel: RAMSES: WETTLAUF UM DIE REICHTÜMER ÄGYPTENS
Verlag: Isensee Verlag
Autor: Florian Isensee
Graphik:
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 30 Min.
Preis: ca. 8 Euro
Spiel 7/2008 R202/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seit 1995 ist der Oldenburger Buchhändler und Verleger, seit 2005 verlegt er auch eigene Spiele. Seine EXPEDITION ins Reich der Spiele bestand anfangs ausschließlich aus Kartenspielen, Ausflüge in die Geschichte, die zu den Mayas, nach Frankreich (MUSKETIER), Ägypten (RAMSES), Rom (HÄNDLER AUF DEM FORUM ROMANUM) und Kreta (LABYRINTH DES MINOTAURUS) führten.
Mit RAMSES und den HÄNDLERN verließ Isensee schon das Genre eher klassischer Kartenspiele, arbeitete aber noch kartenbasiert. In dem 2009 erschienenen dreiteiligen Abenteuer um MINOTAURUS ging es im Prinzip nur noch um Elemente des Kartenerwerbs zum Ausbau eines Labyrinths. 2010 lag mit GESCHENKE FÜR DEN RADSCHA in einer großen Schachtel, die als Umverpackung für das gesamt Œuvre Isensees dienen konnte, ein außergewöhnliches Wüstenabenteuer mit einem ungewöhnlichen Bewegungsmechanismus vor, das schon am Samstag auf der Messe ausverkauft war.
2011 erschien mit AKTIENRAUSCH das letzte Spiel, das aus der historischen Reihe herausfiel, aber extrem viel Aufmerksamkeit erregte. Isensee kommentierte das nach der Messe wie folgt: „Das hat mich damals total überrascht, dass sich erstmals TV-Stationen für eins meiner Spiele interessierten. Die Medienresonanz war unglaublich.“
Noch größer war die Resonanz 2019 zu einem Wahlspiel in den USA, das sich den damaligen Präsidenten vorknöpfte: FROM IDIOT TO PRESIDENT. Eine Teamarbeit mit Philipp Grasl, Daniel Sip, Mark Schütte und Thorben Schwitalla, für die die Freunde mit Haarenwerk einen eigenen Verlag gründeten. Produziert wurde nun auch nicht mehr im Isensee Verlag, sondern bei LudoFact mit einer Initialfinanzierung über Kickstarter. Das Medienecho auf das Spiel war beachtlich, wichtiger war für das Verlagsteam aber das große internationale Interesse und das der Drogeriekette Müller.
Mit nur 10 Ratings wird das RAMSES-Spiel im Augenblick (01.10.21) auf BGG nur mit 4,4 bewertet.
Das Foto zeigt Florian Isensee mit Ramses 2007 auf der Spiel in Essen.
Dienstag, 16. November 2021
PATRIZIER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 201
Häuserbau in Italien
Spielen bildet! Das Geschlechtertürme im mittelalterlichen Italien Statussymbole waren, wissen wir spätestens seit CAMPANILE oder SAN GIMIGNANO. Dieses „Manhattan des Mittelalters“ taucht in Michael Schachts neuestem Amigo Spiel PATRIZIER zwar nicht auf, thematisch geht es aber sehr wohl um mittelalterlichen Häuserturmbau in neun beziehungsweise zehn italienischen Städten.
Die ständige Flucht der Spieleautoren in die Historie produziert ästhetisch wohl gefälligere Themen als aktuelle: Da wäre ein Wettkampf um die höchsten Müllberge wohl eher angemessen gewesen. Politisch weniger anrüchig und damit sicherlich auch besser zu vermarkten ist das, wenn zwei bis fünf Baumeister nach Ruhm und Ehre streben. Michael Schacht entwirft dazu einen leicht zugänglichen kartengesteuerten Bauwettkampf. Ruhmespunkte erhalten die Spieler, wenn sie mehr zum Turmbau in einzelnen Städten beitragen als Mitspieler, Punkte erhalten sie aber auch, wenn sie die richtigen Karten zu ihrem Häuserbau benutzen.
Der beidseitig nutzbare Spielplan zeigt im Spiel zu fünft zehn italienische Städte, sonst neun mit jeweils zwei Bauplätzen. Die maximale Zahl der dort zu errichtenden Stockwerke wird nur für die Städte und nicht für die Bauplätze vorgeschrieben, so können insgesamt fünf, sieben oder neun Stockwerke in fast beliebiger Verteilung errichtet werden. Entsprechend gibt es für diese Städte vier, fünf oder sieben Baukarten. Sind alle Stockwerke in einer Stadt auf beiden Bauplätzen errichtet, werden Ruhmespunkte verteilt. Der Spieler mit den meisten Bauanteilen im höchsten Turm erhält ein Plättchen, das den Punktwert der maximalen Stockwerke der jeweiligen Stadt entspricht, für den niedrigeren Turm gibt es mit sechs, vier und zwei Punkten entsprechend weniger. Im Falle des Gleichstands zählt für den Punktgewinn natürlich das höhere Stockwerk.
Sehr geschickt hat Michael Schacht den Kartennachschub in PATRIZIER geregelt. Jeder startet mit drei Auftragskarten für den Turmbau in den Städten. Die Karten tragen das jeweilige Stadtwappen und meistens einen von drei unterschiedlichen Patrizierköpfen. An jeder Stadt liegt eine Auftragskarte offen aus, wobei darunter auch Sonderkarten ohne Kopf sein können, die zum Beispiel ein Doppelwappen tragen und damit den Bau von zwei Stockwerken in einer Stadt ermöglichen, oder Verschiebekarten, die das Versetzen eines obersten Stockwerks in einer Stadt gestatten. Den Kartennachschub erhalten die Spieler in der Regel in der Stadt, in der sie bauen. Dadurch schafft Schacht es, die Optionsauswahl vielschichtig zu verknüpfen. Einerseits müssen die Spieler auf die Stockwerkmehrheit achten, andererseits geht es aber auch um den Baukartenerwerb, da Sonderkarten, zur richtigen Zeit eingesetzt, erhebliche Veränderungen bewirken. Schließlich ist es nicht von Nachteil, die Schlusswertung der Patrizierköpfe mit dem Blick zu behalten, da jeweils drei identische Köpfe sechs Ruhmespunkte bringen. Gewertet wird im Übrigen, sobald kein Spieler mehr eine Auftragskarte besitzt. Wer dann nach allen Stadtwertungen und den Punkten für die Köpfe die meisten Ruhmespunkte gesammelt hat, gewinnt.
Michael Schacht Spielidee ist wieder einmal genial einfach, entwickelt aber trotzdem eine erstaunliche Spieltiefe. Sicherlich ist der Glücksfaktor in dem Spiel recht hoch, wer aber PATRIZIER erfolgreich spielen will, muss über ein vorzügliches Gedächtnis verfügen und kann dadurch vor allem bei weniger Spielern das Spiel kalkulierbar machen. Bis auf die Ausgangssituation liefert PATRIZIER alle Informationen offen, so dass eine Abwägung der Chancen, ob Bauinvestitionen lohnen, sehr wohl möglich ist. Die Spieler haben zwar nur drei Baukarten zur Auswahl, aber sie haben es in einem gewissen Rahmen selbst in der Hand, wie ihre Handkarten mit der Zeit aussehen.
Eine Runde Turmbau in PATRIZIER geht erstaunlich schnell vorüber, die angegebene Spieldauer von 45 Minuten wird nur mit Grüblern am Spieltisch erreicht. In der Regel reichen 30 zügige Bauminuten, die zu Revancherunden einladen. Das macht auch deshalb Sinn, weil das Spiel von hinten deutlich besser kontrolliert werden kann und deshalb die letzten auch einmal die ersten sein sollten. Die grafische Umsetzung des Spiels ist gelungen, der Holzanteil - 149 gut stapelbare Stockwerke - ist beachtlich, die Regel lässt keine Fragen offen. Erneut ein gutes, elegantes Spiel des „Spiel des Jahres“ Preisträgers 2007, ein typischer Schacht, der etwas an KARDINAL UND KÖNIG erinnert und fast ebenso viel Spaß bereitet.
Titel: PATRIZIER
Verlag: Amigo
Autor: Michael Schacht
Graphik: Design Main
Spieleranzahl: 2-5
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 30-45 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 6/2008 R201/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt Michael Schacht 2007 in Göttingen.
PATRIZIER wird auf BGG (Stand 11.11.21) mit einer Wertung von 6,6 geführt und liegt auf Rang 676 bei den Familienspielen.
Montag, 15. November 2021
NEXT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Das nächste bitte!
Spiele für ganz große Spielerunden sind selten. Das kleine Mitbring Spiel NEXT von Jeffrey Berndt gibt vor, sogar bis zu zehn Spielern Spaß zu bringen. Worin dieser Spielspaß besteht? Nun ja, der Untertitel des Spiels spricht von hektischem Würfeln und von Zahlensuche und beschreibt damit recht genau den Spielablauf.
NEXT ist im Prinzip ein Papier-und-Bleistiftspiel, wobei ein sechsseitiger Würfel noch hinzukommt. Jeder Spieler hat ein Blatt vor sich, auf den Zahlen von 1 - 60 in wilder Verteilung vorkommen. Spielziel ist es, die Zahlen in absteigender Reihenfolge zu finden und auf dem Blatt durchzustreichen. Der linke Nachbar würfelt in dieser Zeit, sobald er das auf dem Würfel zweimal vorkommende „Next“ geworfen hat, nimmt er den Stift und sucht auf seinem Zettel die absteigende Zahlenfolge, wobei er unter dem Druck seines linken Nachbarn steht. Die Zahlensucherei läuft so lange, bis der erste Spieler seine „1“ durchstreichen konnte. Jeder darf dann sein Blatt umdrehen und für die nächste Suchrunde starten.
Einfallslos werden Sie sicher jetzt sagen. Es kommt noch schlimmer. Die Grundidee des Autoren gibt schon nicht allzu viel her, aber was der Verlag redaktionell daraus gemacht hat, ist eine wahre Katastrophe. Die Zahlenfolgen sind für alle identisch, zum Abgucken wird man geradezu herausgefordert. Es gibt auf dem ganzen Block auch nur die gleiche Zahlenverteilung der Vor- und Rückseiten der Blätter, so dass ganz schnell die bekannte Suchroutine nur noch von der Würfelzahl unterbrochen wird.
Gähnende Langeweile käme in der Zehnerbesetzung auf. Der einzige Vorteil wäre, dass der Spielblock ein schnelleres Ende finden würde. Was bleibt, ist der Wunsch nach dem nächsten und hoffentlich besseren Spiel.
Titel: NEXT
Verlag: Schmidt Spiele
Autor: Jeffrey W. Berndt
Graphik: Michael Menzel
Spieleranzahl: 2-10
Alter: ab 7 Jahren
Dauer: 15 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 5/2008 R200/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 3 von 10 Sternen,
das entspricht: Vielleicht nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Von Jeffrey W. Berndt (Jahrgang 1963) gibt es nur zwei Spiele. Der gelernte Journalist war Ende der 90er Jahre an der Gründung der Firma Reveal Entertainment in Abilene beteiligt, die 1997 den MONOPOLY-Clon TRIOPOLY herausbrachte, an dessen Entwicklung er beteiligt war. Das Spiel lief recht erfolgreich.
Insgesamt verzeichnet BGG 28 Veröffentlichungen des Verlages, die letzte 2008.
Zu diesen gehört auch das 2000 erschienene QUICK COUNT von Berndt, aus dem Schmidt sieben Jahre später NEXT machte.
BGG führt NEXT mit einer Wertung von 5,5 auf einer Basis von 23 Wertungen.
Sonntag, 14. November 2021
AKROPOLIS
SAMMELSURIUM
Bütehorn Buchkassetten: AKROPOLIS
Die Buchkassetten, die Ravensburger und Pelikan bis Mitte der 70er Jahre herausbrachten, waren wirtschaftlich nur bedingt Erfolge für die Verlage. Als beide Firmen ihre Reihen einstellten und die hannoverschen Pelikane dann bald auch ihre Spielproduktion, füllte die Lücke eine neue Firma aus dem Umfeld von Hannover. Die Bütehorn KG brachte ab 1976 wertige Buchschuber-Spiele unter dem Dach des Buchholz Verlags in Sarstedt bei Hannover heraus, hielt sich allerdings auch nur bis 1982 auf dem Markt.
Markenzeichen der Buchkassetten aus Sarstedt waren Klappdeckel und Druckknopf-Verschluss an einem Leinenanhänger. Heute ist das zwar eine Schwachstelle vieler in die Jahre gekommenen Spiele, damals war das aber eine originelle Idee. Eine Reihe der Ausgaben in den 80ern verzichtete dann schon auf diesen Verschluss und nutzte einen normalen Pappdeckel. Von diesen Ausgaben wurden mit der Insolvenz des Verlags einige von Hexagames übernommen. Der Verlag aus Dreieich nutzte die Spiele, um ein gutes Startprogramm neben dem Wirtschaftsspiel LONG SHORT zu haben.
Das Bütehorn-Programm war geprägt von großen, mittleren und kleinen Buchkassetten-Spielen. Daneben gab es einige Spiele in flachen Schachteln u.a. die damals sehr bekannten Ferienrallys. Prägend für die Programmgestaltung war Erik Grischeit als Produktmanager, er hatte vorher für Parker gearbeitet. Grischeit, der mit dem Schweizer Journalisten Walter Luc Haas befreundet war, holte bekanntere Autoren ins Programm. So kam er an DAMPFROSS, das in der Ausgabe von Schmidt Spiele 1984 Spiel des Jahres wurde. Auf der ersten Liste der Jury Spiel des Jahres 1979 waren gleich zwei Titel des Verlages vertreten. SETI bekam den ersten Sonderpreis für das schöne Spiel. Die Jury wollte damit zugleich auch den Buchholz-Verlag für sein Bemühen um besonders schön und aufwändig gestaltete Spiele würdigen. Neben SETI landete BLOCKADE von Sid Sackson auf der Auswahlliste. RÄUBER UND GENDARM von Rudi Hoffmann kam 1981 auf dem Bronzeplatz in diesem Jahr, hinter SAGALAND und FOCUS. 1982 schaffte es dann GEISTER von Alex Randolph auf die Liste der Jury.
AKROPOLIS
Der inzwischen 72jährige Walter Wolf Windisch arbeitete Anfang der 70er Jahre als Art Director in einer Schweizer Werbeagentur. 1973 machte er sich als Erfinder von Kinder- und Erwachsenenspielen sowie als Autor von Kinder- und Sachbüchern selbständig. Vor allem Anfang der 80er Jahre hat er viele Spiele entwickelt, darunter AKROPOLIS für Bütehorn, das 1984 von Fagus übernommen wurde. Der Verlag hat auch die wundervollen Märchenspiele HÄNSEL UND GRETEL und DIE SIEBEN GEISSLEIN von ihm herausgebracht.
AKROPOLIS erschien 1981. Der Autor war dem Verlag so wichtig, dass er sogar in der Spielregel mit Bild und Signatur auftaucht, was nicht einmal Alex Randolph schaffte. Der Materialaufwand für das Baumeisterspiel ist beträchtlich. Mit 40 Boden- und Deckplatten, 50 Säulenteilen und 12 Friesen steckt eine Menge Holz in der Klappschachtel. Alle Teile haben eine jeweils helle und braune Seite, deren Farbe den Gegnern anfangs zugeordnet wird.
Windisch definiert den Tempelbau wie folgt: Ein Tempel besteht auf vier gleichhohen Säulen, die aus mindestens zwei oder drei Säulenstücken bestehen müssen und mit vier Friesen verbunden sind.
Entscheidend ist beim Säulenbau, dass der endgültige Besitz erst durch die letzte Deckplatte definiert wird, sodass zwischendurch beide Spieler an einer Säule bauen dürfen. Wer nicht bis zum fertigen Tempelbau warten will, kann niederschwelligere Spielziele vereinbaren, wie den Bau von drei Säulen, die mit zwei Friesen verbunden sind.
Gespielt wird abwechselnd. Zuerst kommen die Bodenplatten auf das Baurasten von 12x12 Feldern. Insgesamt dürfen nie mehr als drei leere Bodenplatten auf dem Plan sein. Die Platten selbst dürfen nur von ihren Besitzern bebaut werden. Auf die erste Säule darf dann jeder bauen. Das gilt auch für die dritte Säule, wer abschließen will, muss aber im Besitz der zuvor gesetzten Säule sein. Entsprechend dürfen Friese auch nur zwischen gleichfarbigen Deckplatten gesetzt werden.
Da man sich ständig in die Quere kommt, ist konstruktiver Bau gar nicht so einfach, sodass es durchaus häufig vorkommt, dass auch die einfacheren Spielziele nicht erreicht werden. Dann wird der Säulenbau nach Punkten abgerechnet. Kleine Säulen bringen zwei Punkte, die großen drei, mit Fries verbundene Säulen bringen zusätzlich noch einmal die hälftige Punktzahl beider Säulen also zwei oder drei Punkte.
Ein schönes Spiel, bei dem letztlich unbefriedigend bleibt, dass echte Tempel kaum errichtet werden. Fingerspitzengefühl ist nötig, da gegen Ende ein ziemliches Säulenwirrwarr auf dem Spielfeld entsteht. Am Tisch darf man jedenfalls nicht ruckeln, sonst stürzt die ganze AKROPOLIS ein.
Titel: AKROPOLIS
Autor: Walter Wolf Windisch
Verlag: Bütehorn
Spielerzahl: 2
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 50.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 46 – S46/2021
Samstag, 13. November 2021
SNOWHERE
Welt im Wandel
Zum notwendigen Umdenken in unserer Welt im Wandel will NSV mit der neuen Produktreihe NATURELINE beitragen. Der Fürther Verlag verzichtet bei Spielen dieser Linie ganz auf Plastik. Statt Folie drumherum gibt es eine Art Papierschuber, der die Verpackung schützt. Spielregel, Schachtel und Verpackung sind aus recyceltem Kartonmaterial. Die Karten (100% FSC) werden von einer Papierbanderole zusammengehalten. Kleinere Verpackungen bei Kosmos, der Plastikverzicht bei NSV, diese Signale sollten Schule machen.
Zum Start der Reihe hat sich der Hausautor des Verlags, Steffen Benndorf, ein Feuerinferno aus 111 Karten einfallen lassen, das es zu löschen gilt. Benndorf überrascht immer wieder durch genial einfache Ideen mit pfiffigem Dreh. Das muss man in SNOWHERE wörtlich nehmen, denn seine Wendekarten zeigen einerseits das Flammenmeer und andererseits eine Schneelandschaft, die als Löschteppich fungiert.
Wie groß der Feuerteppich ist, entscheidet der Solospieler oder das Team. Die Karten werden einfach als zusammenhängende Fläche auf dem Tisch ausgebreitet. Nur freie, nicht überdeckte Karten dürfen aufgenommen, umgedreht und als Schneefeld platziert werden. Deckungsgleich darf nie gelegt werden, leichte Überlappungen zu den Karten und auch zu den Rändern des Feuerteppichs sind nötig. Dafür ist die Puzzleaufgabe klar: Wie schafft man es, effektiv an möglichst viele Karten heranzukommen, die das gesamte Feuer abdecken. Meistens geht es in den ersten Runden bei SNOWHERE so zu wie bei vielen Waldbränden, da lässt sich nicht sofort alles bekämpfen, da und dort züngeln noch Flammen oder größere Brände.
Wer meint ein kompakter Feuerteppich mache es leichter, irrt, da er von vornherein an weniger Karten herankommt und der Rest wird bald unzugänglich durch die Schneekarten. Mit einem flächigeren Brand zu arbeiten, macht es auch nur bedingt leichter, da ja auch eine viel größere Fläche abgedeckt werden muss. In diesem Fall kommt man aber vom Abbau her leichter an Karten heran, das ist ja auch eine Form der Feuerbekämpfung, und vor allem an mehr Karten. Die Chance, damit auf einige von sechs Sonderkarten zu stoßen, wächst zusätzlich. Das sind Schneeflocken, die nicht sofort zur Abdeckung genutzt werden, sondern helfen, am Ende die Lücken zu füllen.
Die fast patienceartige Aufgabe, die Benndorf hier stellt, besitzt auf alle Fälle Reiz. Stellen sich die Erfolge aber häufiger ein, ist bald die Luft raus. Und wie das so ist mit dem Feuer, ohne den Sauerstoff der Luft geht es von alleine aus. Das bedeutet nicht das Ende des Spiels, es kann gut weiterverschenkt werden.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: SNOWHERE
Autor: Steffen Benndorf
Grafik: Christian Opperer
Verlag: NSV
Spieler: 1-
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 15-20 Minuten
Preis: ca. 12 Euro
Spiel 70/2021
Freitag, 12. November 2021
MING DYNASTIE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MING DYNASTIE: Elfenland lässt grüßen
Robert F Watson ist bisher ausschließlich durch Kinderspiele bei Haba in Erscheinung getreten, wobei sein 2005 erschienen ist Geschicklichkeitsspiel POLLY POTTWAL äußerst innovative Elemente besitzt.
Um die Wertung gleich vorwegzunehmen, ähnlich Innovatives gelingt dem Autor mit seinem ersten abendfüllenden Spiel MING DYNASTIE, das bei Hans im Glück erschienen ist, leider nicht. Das in letzter Zeit beliebte China Thema greift Watson aus der Perspektive des 14. Jahrhunderts auf. Die Mongolen sind vertrieben und die Ming Dynastie kam nach vielen Jahrhunderten Fremdherrschaft wieder als eine rein chinesische Dynastie an die Macht, die sie bis ins 17. Jahrhundert behielt. Zwei bis vier Spieler agieren als kaiserliche Prinzen und versuchen den größten dynastischen Einfluss zu gewinnen.
Der Autor hat sich Mühe gegeben und vielfältige Elemente in seinen Mehrheitenspiel verwoben, Erinnerungen an EL GRANDE und ELFENLAND werden wach. Um Mehrheiten in sechs kaiserlichen Provinzen geht es letztlich. Dazu stellt Watson viel Material zur Verfügung, da ist einmal die kaiserliche Prinzenfigur, die zusätzlich auf 31 Familienmitglieder zurückgreifen kann. Reihum stellen die Spieler ihre Prinzen in eine Provinz und erhalten dafür eines von jeweils 18 Provinzplättchen. Jede Provinz ist in durch Wege begrenzte drei Gebiete eingeteilt, die im Zentrum eine gemeinsame Metropole besitzen, deren drei Stadtbezirke mit jeweils drei Häusern den drei Gebieten zugeordnet sind. Jedes Gebiet verfügt zusätzlich noch über ein Klosterfeld.
Den Provinzen zugeordnet sind Provinzfelder, neben denen Bewegungskarten ausliegen, die wiederum für die Fortbewegung der Prinzen notwendig sind. Das läuft ähnlich wie in ELFENLAND ab, für das Überschreiten von Grenzen sind jeweils bestimmte Fortbewegungsmittel vorgeschrieben, für die man eine entsprechende Karte benötigt. Zu Beginn jeder Spielrunde setzen die Spieler reihum jeweils fünf Familienmitglieder in Einzelschritten auf die Provinzfelder. Einerseits eröffnen sie damit die Optionen für den Kartenerwerb, andererseits können sie, sofern der Prinz sich in die entsprechende Provinz bewegen kann, dort zum Einsatz kommen. Das müssen Sie auch, denn in jeder geraden Rundenzahl von insgesamt sechs Spielrunden führt ihr Einsatz zu Siegpunkten, die auf einer Kramerleiste angezeigt werden. Mehrheiten in den jeweils drei Gebieten der sechs Provinzen werden abgerechnet. Der Spieler mit den meisten Anhängern darf zwei der drei Häuser des zugeordneten Stadtbezirks besetzen, der zweite das dritte Haus. Für jedes Familienmitglied in einer Stadt gibt es im Anschluss daran ein Provinzplätzchen, die wiederum bringen im Sechserpack die Siegpunkte, 28 nach der ersten Wertung bis hinzu nur nach 20 nach der dritten und letzten Wertung, einzelne Plättchen zählen dann nur noch einen Punkt. Punkte gibt es dann zusätzlich noch für in der Stadt verbliebene Figuren und Anhänger in den Klöstern
In MING DYNASTIE wird für wenig Spiel ein gewaltiger Abrechnungsaufwand betrieben. Die Vernetzung von Figureneinsatz, Kartenerwerb und Mehrheitsveränderungen scheint auf den ersten Blick interessant, erweist sich dann aber doch als viel weniger steuerbar als ursprünglich vermutet. Oft kann die eingeplante Wegeroute für den Prinzen nicht umgesetzt werden, weil die entsprechenden Karten nicht zur Verfügung stehen. Die gegensteuernde Jokerlösung muss unter Verzicht eines Familienmitglieds recht teuer erkauft werden. Auch die Wertung verläuft in Dimensionen ab, die die Kramerleiste mit ihren 50 Punkten regelmäßig sprengt. Der Verlag hat dafür zwar extra Zählplättchen vorgesehen, aber elegantere Lösungen hätte es sicherlich auch geben können. Was sich die Redaktion mit den beiden Regelfassungen gedacht hat, von denen die zweiseitige eine Kurzfassung scheint, die aber ohne das vielseitige Erklärungsblatt unverständlich bleibt, wird wohl Verlagsgeheimnis bleiben. Hinzukommt eine Schludrigkeit bei den Kurzspielregeln, da auf der Wertungsseite die entscheidende Berechnung der Provinzplättchen fehlt.
Positiv sei eine Neuerung anzumerken, die Schule machen sollte: Autor und Grafiker werden mit Bild und Kurzbiografie auf den inneren Schachtellängsseiten vorgestellt. Die Erwartungshaltung bei Spielen dieses Münchner Verlags ist in der Regel hoch, von daher fällt die Enttäuschung vielleicht noch etwas größer aus als bei einem anderen Verlag. Der Autor, der mit diesem Spiel 2001 im Hippodice-Wettbewerb vertreten war, hat durchaus interessante Elemente seinem Spiel zugrunde gelegt, allerdings ist seine Idee schon vor sieben Jahren nur auf der Empfehlungsliste gelandet und nicht bis zur Endrunde vorgedrungen. Irgendwie bleibt auch bei diesem Produkt der Eindruck zurück, dass weniger mehr gewesen wäre oder, um im Kulturkreis Chinas zu bleiben, Laotse war der Auffassung, das „in Einfachheit und Veredelung“ am Ende der Reichtum läge.
Titel: MING DYNASTIE
Verlag: Hans im Glück
Autor: Robert F. Watson
Graphik: Harald Lieske
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: 90 Min.
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 4/2008 R199/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Für Robert F. Watson war MING DYNASTIE die letzte Veröffentlichung. Es blieb bei diesem Spiel und den im Text erwähnten Haba-Spielen POLLY POTTWAL und DIE NASCHBÄREN.
MING DYNASTIE wird auf BGG mit einer Wertung von 5,9 bei immerhin 521 Ratings auf Platz 2015 bei den Strategiespielen geführt.
Das Bild zeigt Watson 2002 auf dem Autorentreffen in Göttingen mit dem Prototypen von MING DYNASTIE.
Donnerstag, 11. November 2021
LINQ
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Um die Ecke gedacht
Arg wortkarg geht es in diesem neuen Kommunikationsspiel von Erik Nielsen zu, ganz im Gegensatz zu dem, was gedanklich und nonverbal während der Spielrunden abläuft und ganz im Gegensatz zu den Wortkaskaden nach der Auflösungsphase einer Spielrunde. Hören Sie doch einfach mal zu:
Annette Wirft einen „Dieb“ in die Runde, Bernhard glänzt schmunzelnd mit dem „Stern“, Christiane hält sich ganz kurz an das Adverb „ab“, Doris setzt lächelnd den „Himmel“ hinzu, Eberhard ergänzt stirnrunzelnd mit einem Blick in die Runde den Begriff „Kreuz“, Fridolin greift ihn amüsiert im „Busch“ auf, Gerlinde schließt die Runde mit dem Begriff „Elefant“ ab. Verstanden? Nein? Das macht nichts. Gerlinde hat alles mitgeschrieben.
Trotzdem sollten Sie jetzt erst einmal auf den Kenntnisstand von Annette und Co. gebracht werden. Die sieben Spieler haben zu Beginn der Spielrunde jeweils eine Karte mit 12 Begriffen zugeteilt erhalten, auf einer Karte ist allerdings nur ein Fragezeichen zu sehen. Jeweils zwei Spieler besitzen identische Karten. Der für die Spielrunde geltende Begriff wird ausgewürfelt, in unserem Fall ist die „12“ geworfen worden. Die Spieler haben nun reihum einen sprachlichen Hinweis gegeben, der zu ihrem Begriff führen soll. Nach dieser ersten Runde gibt jeder einen ersten Tipp ab, welche Spieler Partner sein könnten. Erstes Ziel sollte dabei sein, den eigenen Partner zu erkennen, denn dafür gibt es die meisten Punkte. Tippt man andere Paarungen richtig, müssen diese dafür jeweils einen Punktechip bezahlen, das gilt auch dann, wenn man das Fragezeichen getippt hat.
Nach der ersten Begriff Runde geht es in eine zweite, die der weiteren Klärung dienen kann, aber zusätzlich oft extreme Verwirrung stiftet. Wer der Meinung ist, seinen Partner gefunden zu haben, kann noch freie assoziieren und die Mitspieler bluffen. Im Prinzip läuft die Runde wie die erste ab, so dass wir uns die Beispiele sparen können und gleich zur Auflösung schreiten.
Anette und Fridolin haben sich ihre Spielbälle in „Bagdad“ zugeworfen, der „Dieb“ war für Fridolin ein guter Hinweis, der für die anderen kaum zu entschlüsseln war, dass mit seinem Busch eigentlich der Buschkrieger gemeint war, ahnte auch nur Annette. Da beide sich gefunden haben, erhalten sie fünf Siegpunkte aus der Kasse. Den Hinweis auf den Cullinan, den „Stern von Afrika“ oder auch auf das gleichnamige Piatnik Spiel hat Gerlinde verstanden, sie konnte daher fast Klartext reden und mit dem Elefanten einen eindeutigen Hinweis auf „Afrika“ geben, auch dieses Paar geht mit voller Punktzahl aus der Runde raus. Eberhard hat allerdings mit Christianes Idee „Ab in den Süden“ nicht das Richtige anfangen können, wobei sein Kreuz für Christiane ein guter Hinweis auf den gemeinsamen Begriff „Süden“ war. Die beiden finden sich nicht, da Eberhard Doris als Partnerin wählt, die aber nur für himmlische Verwirrung sorgen wollte.
Gespielt wird über mehrere Runden, bis ein Spieler 25 Siegpunkte erreicht hat. Das ist aber fast nebensächlich bei dem Spielerlebnis in LINQ-Runden. So wortkarg die Runden verlaufen, so erklärungsfreudig geht es danach zu. Erik Nielsen Spiel, das erstmalig bei Endless Games in den USA erschienen ist, lebt von der hervorragenden redaktionellen Bearbeitung durch Andrea Meier, die damit erstmalig einen Gastautor in ihrem Eigenverlag veröffentlicht. Heidelberger vertreibt dieses ausgezeichnete assoziative Wortspiel, das vor allem in großen Runden riesigen Spaß macht. Die Obergrenze sieht Andrea Meier bei acht Spielern, wobei meine Erfahrung auch mit zehn Spielern positiv waren. LINQ ist im Sektor der kommunikativen Spiele ein absolutes Highlight, das besonders in Spielrunden, die sich gut kennen, ein außergewöhnliches intellektuelles Vergnügen bietet.
Titel: LINQ
Verlag: BeWitched Spiele
Autor: Erik Nielsen
Graphik: keine Angabe
Spieleranzahl: 4-10
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 45 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 3/2008 R198/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der in Dallas lebende Erik Nielsen hat Wirtschaftswissenschaften und Geschichte an der Sorbonne und in San Diego studiert. Zurzeit arbeitet er als CEO für das Startup WatchTAG.
Was seine Erfindertätigkeit angeht, beschränkt sie sich auf LINQ und LINQUER, die Erweiterung, die 2008 erschien.
Mit dem Spiel war er recht erfolgreich. In Deutschland landete er 2008 auf der Empfehlungsliste für das Spiel des Jahres.
BGG führt LINQ mit einer Wertung von 6,9 bei den Partyspielen auf Rang 120 (Stand 08.11.21).
Mittwoch, 10. November 2021
LANDLORD
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wo ist die Regel?
Flohmarktfunde mit Spielen aus den 60er Jahren enden bei der Überprüfung des Spielmaterials meist mit der mühsamen Spielregel suche. „Die steht doch auf der Rückseite oder im Schachteldeckel !“, versuchen sich die Verkäufer stets rauszureden. Bei Noris Spielen aus dieser Zeit haben sie sogar oft Recht. Meist finden sich aber auf den Rückseiten der Schachtel nur Regelkurzfassungen, mit denen das Spiel nur in Ansätzen rekonstruierbar ist. Ähnliche Erfahrungen machen Spieler 2008 mit einem brandneuen Noris Spiel, die Regel zu LANDLORD ist einfach nicht auffindbar. Auf der Suche nach einer ordentlichen Spielregel versuchte ich sogar den schwarzen Plastikteller, der einen Druckmechanismus besitzt, zu öffnen, um dort die eventuelle eingelegte Regel zu ergattern. Vergebliche Mühe. Auch das Tiefziehteil erwies sich als wenig aussagekräftig. Wo war die Regel? Kurz und gut, nach langem Suchen musste ich mich damit abfinden, dass tatsächlich die Schachtelrückseite nicht nur der Demonstration des Schachtelinhalts und von Spielzügen dient: Die sieben maximal fünfzeiligen Absätze stellen die Regeln für das Spiel LANDLORD dar.
In dem Spiel für zwei Personen geht es um Landgewinn. Zwei Plastiklords bewegen sich auf 21 Spielfeldern orthogonal oder diagonal. Die Wege, die sie dabei marschieren, gelbe Stege im Spielbrett, werden durch die Figuren nach unten gedrückt und dadurch als nicht mehr durch gehbar markiert. Sobald durch diese Markierungen Flächen umschlossen sind, dürfen diese farblich gekennzeichnet werden. Wer am Ende auf diese Weise die meisten Gebiete gewonnen hat, gewinnt das Spiel.
So weit so gut, das Material ist in Ordnung, der Druckmechanismus funktioniert, wobei ein genaues Hinsehen oft nötig ist, um festzustellen, ob dieser oder jener Weg schon markiert ist. Auch nach dem Spiel lässt sich durch Drücken auf die Rückseite des Spielbrettes der Ausgangszustand schnell wiederherstellen.
Funktioniert das Ganze auch als vernünftiges Spiel? Um diese Frage zu beantworten, brauchten wir wahrscheinlich doch so etwas wie eine richtige Regel, die uns klarer mitteilt, wie LANDLORD funktionieren soll. Die entscheidende Frage, wie weit bewegen sich die Figuren, wird sehr widersprüchlich von der Schachtel Rückseite beantwortet. Da heißt es einmal, „abwechselnd bewegen Sie ihre Spielfiguren über die Wege (horizontal, vertikal oder - soweit möglich - diagonal)“. Was ist gemeint? Ziehen die Figuren so weit wie möglich oder nur, wenn es möglich ist? Wobei die zweite Interpretation wahrscheinlicher ist, aber trotzdem unlogisch scheint, denn diese Aussage müsste auch für orthogonale Züge gelten. Spielziel soll der Flächengewinn sein, in den Partien, die wir nach der Regel von beliebiger Zugweite gespielt haben, stellt sich schnell heraus, dass die Isolierung des Gegners oft zu einem schnellen Spielende führte. Das Schachtelcover zeigt genau diese Situation , der blaue Lord dürfte sich nicht mehr bewegen.
Wenn ich ernst nehme, dass markierte Wege nicht mehr begehbar sind, muss die Einengung des Gegners die zentrale Strategie sein. So gespielt , bietet LANDLORD sogar einen gewissen Reiz, aber soll es wirklich so gespielt werden? Es könnte ja auch sein, dass Bewegung im eigenen Gebiet noch möglich ist. Wer weiß das schon? Vielleicht die Regel, die dem Spiel demnächst noch bei liegt!
Titel: LANDLORD
Verlag: Noris
Autor: Guido Lap
Graphik: keine Angabe
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: 20 Min.
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 2/2008 R197/2021 Rezension erschien 2008 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Guido Lap hat in Deutschland nur ZEPARATE (ursprünglich ISOLATE, 2003 Educational Insights) und LANDLORD (Noris 2007) veröffentlicht.
Für ZEPARATE war Lap für den Deutschen Lernspielpreis 2006 nominiert.
LANDLORD wird auf BGG (Stand 8.11.21) bei neun Wertungen mit einer 5,6 geführt.
Dienstag, 9. November 2021
GEMISCHTES DOPPEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MEMO mit Wortwitz
Christian Gottwalt hat die kürzeste Kolumne der Welt erschaffen, zwei Worte reichen ihm im Magazin der Süddeutschen Zeitung, seine wachsende Fangemeinde mit GEMISCHTES DOPPEL zu erfreuen. Gottwald spielt mit Worten, verdrehte Buchstaben und kommt mit Wortwitz zu neuen Sichtweisen.
In seiner Kolumne wird aus „Klitschko“ „Kitschklo“, das „Heidekraut“ zur „Kreidehaut“ oder die „Gartenkunst“ zur „Kartenkunst“. Kein Wunder, dass die Wortpaare sich irgendwann im Spiel wiederfinden mussten. Bastian Sicks RETTUNG DES GENITIVS wird inzwischen erfolgreich von Kosmos vermarktet, Gottwalds GEMISCHTES DOPPEL setzt der Frankfurter Verlag MeterMorphosen passend in ein MEMO-Spiel um.
Das klassische Gedächtnisspiel geht von der Suche nach Bildpaaren aus. Die Anforderungen in Gottwalts Spiel toppt den Klassiker gleich doppelt. Einerseits dürfen sich die Spiele auf Wortverdrehungen einlassen, andererseits muss auch bei dem Bildsignalen total umgedacht werden.
Wer denkt denn schon bei unserer Kanzlerin an ein Schweinchen? Wenn diese aber nur fast so aussieht wie das Original, also eigentlich nur eine „Fastmerkel“ ist, dann ist der Weg zum „Mastferkel“ nicht weit. Die
besondere redaktionelle Leistung liegt In der Umsetzung der Sprachschöpfung Gottwalts. Die Bildauswahl steht dem Sprachwitz des Autos in nichts nach und interpretiert seine Wortschöpfung kongenial. So wie Gottwalt sprachschöpferisch mit seinen Lesern spielt, so spielt auch der Frankfurter Verlag MeterMorphosen mit seinen Spielern.
Die Spielanregung führt sich selbst ad absurdum. „Die wichtigste Regel ist dabei allerdings, dass sie keine der folgenden Regeln ernst nehmen müssen. Was sie am Ende mit den Spielkarten anstellen, ist allein ihre Sache.“ Bevor mit dem Pappkärtchen (KapptPärchen) das Kaminholz entzündet wird oder sie in irgendwelchen Schubladen (Schulbaden) verschwinden, sollten Sie sich der Kartengunst stellen.
GEMISCHTES DOPPEL ist mehr als eine reizvolle MEMO-Variante, ein tolles Partyspiel, bei dem der Gesprächsstoff nie ausgeht. Wenn sie demnächst mal wieder richtig Powershoppen (Schauerpoppen), dann denken Sie daran ein gemischtes Doppel mit in die Tüte zu packen. Der stabile Kartenschuber, den Sie dann erwerben, enthält 72 Kartenmotive für Anregendes Denkvergnügen. Sollten Sie aber tatsächlich nichts damit anfangen können, verzichten Sie auf die Kaminlösung, als Geschenk taugt das Spiel allemal.
Titel: GEMISCHTES DOPPEL
Verlag: MeterMorphosen
Autor: Christian Gottwalt
Graphik: Mirko Borsche
Spieleranzahl : 1-6
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 30 Min.
Preis: ca. 17 Euro
Spiel 29/2007 R196/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Christian Gottwalt, 1968 in Mellrichstadt in Unterfranken geboren, studierte Volkswirtschaft in Würzburg und absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München.
Er arbeitete Ende der 90er und Anfang der 00er Jahre zehn Jahre lang als Redakteur beim "Süddeutsche Zeitung Magazin", wo er sich um schräge Geschichten und die Wortspiel-Kolumne GEMISCHTES DOPPEL kümmerte. Danach war er mehrere Jahre Textchef beim Frauenmagazin InStyle und arbeitete für das Allianz Magazin 1890.
Vom GEMISCHTEN DOPPEL sind inzwischen vier Ausgaben bei MeterMorphosen erschienen.
Die erste Fassung wird auf BGG mit 5,6 bewertet und liegt auf Rang 17.406 aller Spiele. (Stand 8.11.21).
Montag, 8. November 2021
ZUG UM ZUG MÄRKLIN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Deutschlandreise á la Alan Moon: ZUG UM ZUG MÄRKLIN
Ohne Erweiterungen kommen erfolgreiche „Spiele des Jahres“ nicht mehr aus. Kosmos hat mit den SIEDLERN VON CATAN mit der Erweiterungsorgie begonnen, Hans im Glück hat sie extensiv mit CARCASSONNE fortgesetzt und in diese Riege reiht sich Days of Wonder mit ZUG UM ZUG-Nachfolgern ein. Nicht immer brachten die an die Originale angelehnten Erweiterungen Verbesserungen, wie es dabei um die dritte Erweiterung von Alan Moon steht, werden Sie gleich erfahren.
Vom Start weg war dieses geniale Eisenbahnspiel Moons erfolgreich mit seinem US- amerikanischen Streckenplan, kamen der Europaplan mit Bahnhöfen und unkalkulierbaren Tunneldurchfahrten, erst 2006 bietet das Spiel seiner deutschen Fangemeinde heimisches Ambiente. Und nicht nur das: Days of Wonder verknüpft dank einer gelungenen Kooperation die Brettspielwelt mit der der Spielzeugeisenbahnen. Ob damit neue Käuferschichten gefunden werden, weiß ich nicht, aber der Schachzug scheint genial, wenn die bisher uniformen Lokomotiven und Waggons ihren individuellen Märklin-Charakter erhalten.
ZUG UM ZUG MÄRKLIN bleibt natürlich die logistische Herausforderung mit Streckenbau und Zielkarten mittels Wagenkarten und platzierter Kleinwaggons aus Plastik. Die Märklin-Variante bietet aber viel mehr als einen Abklatsch des Originals, erstmalig tauchen Passagiere, Passagierkarten und Waren auf , zudem gibt es besondere Jokerkarten, die sogenannten "4+-Lokomotiven", die erst bei Zügen ab einer Länge von 4 Wagenkarten und mehr eingesetzt werden können.
ZUG UM ZUG MÄRKLIN benötigt deutlich mehr Vorbereitung als seine Vorgängerspiele. Punkteplättchen, das sind die Warensteine, müssen erst einmal in jede Stadt gelegt werden, meist ist es nur ein 2er-Pappchip, aber es gibt auch viele kleine Stapel mit abnehmenden Punktwert. Berlin wird seinem Hauptstadtstatus insofern gerecht, dass dort der einzige Viererstapel mit immerhin 7,6,5 und 4 Punkten liegt. In anderen Zentren wie Hamburg und München müssen sich die Spieler schon am Anfang mit 4 Punkten begnügen. Neben den 45 Eisenbahnwaggons erhalten die Spieler zu Spielbeginn jeweils drei Passagiere und vier Wagenkarten. Von den Zielkarten, die in dieser Version in je einem Stapel mit kurzen und langen Strecken aufgeteilt sind, müssen vier aufgenommen und mindestens zwei behalten werden. Auf den den meisten Lesern sicherlich bekannten Ablauf wird nur in aller Kürze eingegangen. Einerseits gilt es, die Zielkarten zu erfüllen, denn das bringt am Ende Zusatzpunkte, bzw. bei Nichterfüllung Punktabzug. Zum Streckenbau sammeln die Spieler farbige Waggonkarten, mit denen entsprechend farbige Bahnstrecken zwischen Städten bebaut werden, auch dafür gibt es Punkte, die sofort auf einer Wertungsskala angezeigt werden. Jokerkarten erleichtern den Streckenbau, im Laufe des Spiels können auch weitere Auftragskarten angenommen werden. Das Spiel geht in eine Schlussrunde, sobald ein Spieler nur noch ein oder zwei Waggons besitzt. Erst dann werden die Zielkarten ausgewertet, zusätzlich wird der Spieler mit den meisten erfüllten Aufträgen (bisher: längste Strecke) belohnt. Soweit das übliche Procedere mit seinem dynamischen Spielverlauf.
Sobald eine Strecke gebaut ist, darf ein Passagier in eine der beiden Städte gestellt werden, wobei in jeder Stadt nur ein Reisender stehen darf. Soll dieser Fahrgast reisen, kostet das eine vollständige Aktion. Seine Reiseroute führt weitgehend über eigene Strecken, die der Mitspieler dürfen dann benutzt werden, wenn zusätzlich Fahrgastkarten ausgespielt werden, die sich bei den Wagenkarten befinden. Außerdem darf ein Passagier jede Strecke nur einmal benutzen. In allen besuchten Orten, allerdings nicht im Startort, gibt es, sofern noch vorhanden, die Punktechips als Handelsgüter. Eine frühe Reise kann deshalb äußerst lukrativ sein, die Planungen der Gegenspieler, die sich zum Teil aus den aufgestellten Passagieren ablesen lassen, sind im Blick zu behalten.
Diese neue Form des Punktesammelns verändert deutlich die Taktik des Spiels. Wer dreimal lukrativ seine Passagiere in Deutschland herumschicken konnte und dabei durchaus mit 30 und mehr Punkten rechnen kann, muss sich nicht mehr so viel Mühe mit den Zielkarten geben. Das Problem war dem Autor sicherlich auch bewusst, der deshalb erstmalig die Erfüllung besonders vieler Aufträge mit einer Bonuskarte belohnt. Dem kommen außerdem die differenzierten Auftragsstapel mit den kurzen und langen Strecken entgegen. Der Deutschland-Plan selbst erzwingt einen anderen Spielrhythmus, das kleinmaschige Netz mit vielen Kürzeststrecken im Westen steht im deutlichen Gegensatz zu dem eher langstreckigen Osten. Das bedingt, besonders wenn nur zwei oder drei Spieler beteiligt sind, einen beschleunigten Streckenbau. Da werden keine Karten gehortet, wie beim Eisenbahnbau in den USA, sondern da schließt der Startspieler (der mit der besten Märklin-Sammlung natürlich) gleich am Anfang aus der Hand die Verbindung Köln-Düsseldorf. Sobald vier Spieler im Spiel sind, darf diese Strecke sogar dreimal gebaut werden.
Days of Wonder hat ZUG UM ZUG MÄRKLIN erneut hervorragend umgesetzt. Nicht nur für Märklin-Fans sind die vielfältigen Zugkarten ein Augenschmaus. Die Regel ist akzeptabel, Kenner der Vorgängerspiele werden kaum Probleme damit haben. Fehler sind wohl nie ganz zu vermeiden, nur gut, dass zumindest ein ganz grober geografischer Schnitzer nur noch im Spielaufbauplan der Regel erkennbar ist. Der dortige Spielplan zeigt nämlich Expansionsgelüste der Brüder Kwasnieski, die Tschechien vereinnahmt haben.
Die Werbebeigaben sind vielfältig: Das Märklin Gesamtsortiment kommt auf CD daher, das Days of Wonder-Programm sogar auf DVD.
Meine Kaufempfehlung am Ende hat nichts mit der Werbung zu tun, auch nichts mit dem Märklin-Ambiente, von mir aus hätten es Heros-Bahnen sein können. Das Spiel selbst überholt seine Vorgänger mindestens um Lokomotivenlänge. Es ist zwar fummeliger im Spielaufbau und auch beim Einsammeln der Punktechips braucht man ruhige Finger, aber deutlich weniger glücksbetont und spannender. Die indirekte Interaktion wächst, da das Mitspielerverhalten stärker im Blick sein muss. Damit ist ZUG UM ZUG MÄRKLIN aber auch anspruchsvoller als das Spiel des Jahres 2004. Ob wirklich achtjährige Kinder mit dieser Version klar kommen, bezweifele ich. Ab zehn Jahren und aufwärts wird Alan Moons Deutschlandreise aber zum Hochgenuss.
Titel: ZUG UM ZUG MÄRKLIN
Verlag : Days of Wonder
Autor : Alan R. Moon
Graphik: Julien Delval
Spieleranzahl : 2-5
Alter : ab 8 Jahren
Dauer : 30-60 Min.
Spiel 28/2007 R195/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Alan Moon war in den 80er Jahren für Avalon Hill journalistisch tätig, arbeitete auch an der Spielentwicklung für diese Firma und für Parker Brothers. Dem deutschen Publikum wurde er Anfang der 90er Jahre durch Spiele wie AIRLINES (Abacus) und Spiele des Verlags White Wind bekannt, den er zusammen mit Peter Gehrmann gründete
In 1000er Auflagen erschienen die meisten Spiele bei White Wind so auch ELFENROADS, das später in der Version von Amigo als ELFENLAND Moons erstes „Spiel des Jahres“ wurde. Zwischen 1998 und 2004 war Moon besonders erfolgreich. Mit UNION PACIFIC (1999) und DAS AMULETT (2001) landete er auf der Nominierungsliste. 2004 gelang ihm sein größter Erfolg mit ZUG UM ZUG, zu dem in der Folgezeit verschiedene Varianten und Erweiterungen erschienen sind und immer noch erscheinen.
In dieser erfolgreichen Phase war Moon erster Vorsitzender der Spieleautorenzunft. Das Bild stammt aus einem Gespräch zweier Preisträger in Göttingen aus dem Jahre 2005. Werner Hodel und Alan Moon diskutieren, ob der Mississippi oder die Schiene der bessere Transportweg in den USA sei.
ZUG UM ZUG MÄRKLIN wird mit einer Wertung von 7,4 auf Platz 55 der Familienspiele auf BGG geführt (Stand 31.10.21). Das Original steht auf Platz 35. Unter Sammlern ist diese Ausgabe sehr beliebt und ist nur um die 100 Euro zu bekommen.
Sonntag, 7. November 2021
POLYP
SAMMELSURIUM
Bütehorn Buchkassetten: POLYP
Die Buchkassetten, die Ravensburger und Pelikan bis Mitte der 70er Jahre herausbrachten, waren wirtschaftlich nur bedingt Erfolge für die Verlage. Als beide Firmen ihre Reihen einstellten und die hannoverschen Pelikane dann bald auch ihre Spielproduktion, füllte die Lücke eine neue Firma aus dem Umfeld von Hannover. Die Bütehorn KG brachte ab 1976 wertige Buchschuber-Spiele unter dem Dach des Buchholz Verlags in Sarstedt bei Hannover heraus, hielt sich allerdings auch nur bis 1982 auf dem Markt.
Markenzeichen der Buchkassetten aus Sarstedt waren Klappdeckel und Druckknopf-Verschluss an einem Leinenanhänger. Heute ist das zwar eine Schwachstelle vieler in die Jahre gekommenen Spiele, damals war das aber eine originelle Idee. Eine Reihe der Ausgaben in den 80ern verzichtete dann schon auf diesen Verschluss und nutzte einen normalen Pappdeckel. Von diesen Ausgaben wurden mit der Insolvenz des Verlags einige von Hexagames übernommen. Der Verlag aus Dreieich nutzte die Spiele, um ein gutes Startprogramm neben dem Wirtschaftsspiel LONG SHORT zu haben.
Das Bütehorn-Programm war geprägt von großen, mittleren und kleinen Buchkassetten-Spielen. Daneben gab es einige Spiele in flachen Schachteln u.a. die damals sehr bekannten Ferienrallys. Prägend für die Programmgestaltung war Erik Grischeit als Produktmanager, er hatte vorher für Parker gearbeitet. Grischeit, der mit dem Schweizer Journalisten Walter Luc Haas befreundet war, holte bekanntere Autoren ins Programm. So kam er an DAMPFROSS, das in der Ausgabe von Schmidt Spiele 1984 Spiel des Jahres wurde. Auf der ersten Liste der Jury Spiel des Jahres 1979 waren gleich zwei Titel des Verlages vertreten. SETI bekam den ersten Sonderpreis für das schöne Spiel. Die Jury wollte damit zugleich auch den Buchholz-Verlag für sein Bemühen um besonders schön und aufwändig gestaltete Spiele würdigen. Neben SETI landete BLOCKADE von Sid Sackson auf der Auswahlliste. RÄUBER UND GENDARM von Rudi Hoffmann kam 1981 auf dem Bronzeplatz in diesem Jahr, hinter SAGALAND und FOCUS. 1982 schaffte es dann GEISTER von Alex Randolph auf die Liste der Jury.
POLYP
Wer ungewöhnliches Spielmaterial in Spielen sucht, wird in POLYP fündig. Die Metallfigur aus Farbzylinder mit angehängten vier kleinen Stülpzylindern aus Metall, die den namensgebenden Polypen ausmachen, ist schon speziell.
Die Idee ist es weniger. Einen Spieleautor weist Bütehorn nicht aus. Erstmalig erschien POLYP in der flachen Schachtel 1977, die mir vorliegende Buchkassettenausgabe stammt aus dem Jahre 1979. Im Grunde genommen spielen wir eine HALMA-Variante mit Störfaktor, angesiedelt in einer Wasserwelt mit Fischen und Polypen.
Jeder hat neun Fische, die er aus einem Eckbereich des 19x19 Felder großen Spielbretts in den diagonal gegenüberliegenden Zielbereich bringen muss. Bewegt werden die Fische wie HALMA-Figuren durch einfaches Ziehen um ein Feld oder die bekannten Kettensprünge. Auf einer mittigen Kreuzschiene mit fünf Feldern stören Polypen mit ihren Fangarmen diese Fischzüge. Im Gegensatz zu den Fischen, die nur ein Feld weit ziehen oder springen, kann sich ein Polyp um maximal sechs Felder weit bewegen, wobei die Bewegungspunkte auf den Hauptkörper und die Fangarme aufgeteilt werden müssen. Der Bewegungssektor der Polypen ist eingeschränkt auf die fünf blauen Bahnen, wobei der Kopf des Polypen die mittlere Bahn nicht verlassen darf. Der Fangvorgang geschieht real, erreicht der Arm eines Polypen einen Fisch, wird der kleine Metallzylinder über den Fisch gestülpt, der fortan mitgeschleppt werden muss. Dieser Arm kann ab sofort keinen Fisch mehr fangen und stellt damit keine Bedrohung für andere Fische mehr dar. Theoretisch kann ein Polyp so maximal fünf Fische fangen. Es sei denn, er kehrt vorher zurück zu seiner Startreihe und entlässt den Fang in ein kleines Aquarium, um dann neu wieder auf Fischjagd zu gehen.
Das Spiel endet, wenn ein Spieler alle seine nicht unterwegs abgefangenen Fische ins Zielquadrat gebracht hat und auch mit seinem Polypen wieder auf Startposition steht. Dann zählen alle gefangenen Fische drei Siegpunkte und alle geretteten zwei. Fische, die noch unterwegs sind, bringen keine Punkte. Der Spieler, der das Spiel beendet hat, darf zusätzlich drei weitere Punkte ins seine Schlussbilanz übernehmen.
Wie viele Bütehorn-Spiele ist auch POLYP letztlich ein abstrakter Klassiker-Aufguss, hier wird HALMA variiert, der durch die gierigen Fangarme des Polypen eine Prise Spannung bringt. Die Bewegungsoptionen des Polypen darf man aber nicht überschätzen. Da alle Arme durch kleine Ketten verbunden sind, müssen die Teilbewegungen von sechs Punkten häufig gut verteilt werden, damit der Hauptkörper vorankommt. Im Spiel zu zweit lässt sich der gegnerische Polyp daher oft umgehen. Spannender sind Partien zu dritt und zu viert.
Titel: POLYP
Autor: ohne Angabe
Verlag: Bütehorn
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 30 - 45 Minuten
Preis: ca. 50.- DM
Wertung: Nächsten Monat wieder
Sammelsurium 45 – S45/2021
Samstag, 6. November 2021
AGROPOLIS
Stadtflucht - AGROPOLIS
Stadtflucht ist angesagt: Wer SPRAWLOPOLIS mag wird die ländliche Version AGROPOLIS auch mögen. Der amerikanische Kleinverlag Button Shy Games reduziert seine Spiele im Taschenformat in der Regel auf 18 Karten, die in einer kleinen Klappbrieftasche verpackt sind und daher ganz leicht überall mit hingenommen werden. Unter dem Dutzend Spieleveröffentlichungen pro Jahr sind immer wieder kleine Perlen. 2018 war das das kleine Städtebauspiel SPRAWOPOLIS, indem die Spieler solo oder kooperativ nach Aufgabenvorgaben Stadtviertel, Gewerbegebiete und Parks punkteträchtig zusammenlegten.
Ganz ähnlich geht es nun in der Agrarregion AGROPOLIS zu. Von den 18 Karten werden drei umgedreht und dienen der Aufgabendefinition der aktuellen Runde. Wir bewegen uns nun zwischen Kühen, Hühnern und Schweinen, pflegen unsere Weinhänge, Obstgärten und Getreidefelder, ganz ohne Straßen kommen wir natürlich nicht aus und einige Aufgabenkarten verlangen auch, dass sie mäandern, Hühnergehege einkreisen oder an Kuhherden angrenzen.
Vom Spielgefühl her ändert sich nichts, nur Schnuppern wir Landluft, versuchen aber wie gehabt die drei Aufgaben optimal für die Gruppe zu erfüllen. Mitspielen können bis zu vier Spieler. Wer am Zug ist, spielt eine seiner drei Handkarten aus, die übrigen Karten wandern dann an den nächsten Spieler, der dadurch auch wieder drei Karten hat. Dann zieht man eine Karte vom Deck nach. Die Auswahl verringert sich damit schnell und damit wachsen die Zwänge für die Gruppe bei der Lösung der Aufgabe. Da versucht man Polyomino-Obstgärten möglichst mit Vierergruppen zu bilden. Bei der Karte Noahs Farm braucht man Pärchenbildungen bei den Tieren und die „glücklichen Kühe“ brauchen minimale Straßenanbindung.
Die Karten dürfen nebeneinander, aber auch übereinandergelegt werden, nur Drunterschieben und nur diagonale Anbindungen sind verboten. Am Ende zählen die größten Gebiete, Straßen werden davon abgezogen und bei den Aufgabenkarten wird überprüft, ob die vorgegebene addierte Punktzahl erfüllt ist. AGROPOLIS ist dabei noch etwas komplexer als sein Vorgänger, da manche Karten quasi eine extra Viehwertung verlangen, die zu noch mehr Punkten führt. Nur wer die Punktzahl erreicht, kann das Spiel gewinnen.
AGROPOLIS ist ein interessantes Raumpuzzle, das an SPRAWLOPOLIS perfekt anknüpft und den Anspruch sogar noch steigert. Macht als Solospiel, aber auch in der Teamvariante viel Spaß.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: AGROPOLIS
Autoren: Steven Aramini, Danny Devine, Paul Kluka
Grafik: Danny Devine
Verlag: Button Shy
Spieler: 1-4
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 15-20 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
69/2021
Freitag, 5. November 2021
ZOFF IM HÜHNERHOF
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Körnerwerfen mit Berti: ZOFF IM HÜHNERHOF
Früher mussten fliegende Hütchen als Geschicklichkeitsspiel herhalten, heutzutage wird so etwas viel aufwändiger in ein spielerisches Ambiente und eine Spielgeschichte verpackt. Wenn Verpackung und Inhalt stimmen, dann kommt wie bei Marco Teubners ZOFF IM HÜHNERHOF ein tolles Spiel heraus.
Für die Spielqualität bürgt Haba. Eine große Spieleschachtel ist für ZOFF IM HÜHNERHOF nötig, damit das Spiel in der Schachtel mit Hühnerstall und 34 quadratischen, niedrig eingezäunten Hoffeldern stattfinden kann. Bauer Bertis Hühnerhof ist wahrlich imposant, Blumen blühen auf vielen Feldern, ein Rabe scheint allerdings die Mauser zu haben, denn auf fast jedem zweiten Feld fliegen seine Federn herum, er selbst blickt vom Zaun auf den ihm gegenüberliegenden großen Hühnerstall, auf dem vier Holzhühner auf den Spielstart warten. Bauer Berti steht bereit, um sein Federvieh mit Körnern zu versorgen. Als guter Ökobauer sorgt er natürlich für seine freilaufenden Hühner. Da wird kein Futter in den Stall gepackt, nein, bei ihm fliegt es im hohen Bogen ins Hühnergehege.
Was im klassischen Hütchenspiel die Wurfhand ist, stellt bei ZOFF IM HÜHNERHOF Bauer Berti dar, der eine flexible Futterkelle besitzt, mit der mit dem richtigen Schwung Holzkörnerfutter in die Felder des Hühnerhofs katapultiert werden können. Vor Spielbeginn sollten jedem Spieler erst einmal fünf Probeschüsse zugebilligt werden, damit die Körner auch wirklich bei den Hühnern landen. Jeder startet mit zehn Körnern, weitere fünf werden auf in den Ecken befindliche Wurmfelder gelegt. Die Zielfelder eröffnen Aktionsmöglichkeiten, so gibt die Anzahl der Blumen die Bewegungsweite eines dem Spieler zugeordneten Huhns vor. Die Hühner flattern vom Stall in den Hof und bewegen sich dort vor allem in Richtung der Körner, von denen möglichst viele eingesammelt werden. Treffen die Spieler ein Feld mit einer Rabenfeder, hüpft dieser aufgeregt auf seinem Lattenzaun ein Feld weiter, das macht er so lange, bis schließlich ein Fuchs hinter dem Rabenzaun auftaucht und für erhebliche Unruhe unter den Hühnern sorgt. Ab sofort vergessen die Hühner das Körnerpicken und eilen – hoffentlich gut gesteuert durch Bauer Berti – in den Stall zurück. Wer weite Wege zu gehen hat, benötigt das ein oder andere Korn mehr, das in den Hof geschnipst werden muss. Wer zum Schluss die meisten Körner übrigbehalten hat, gewinnt nach 15 bis 20 Minuten vergnüglichen Katapultierens den ZOFF IM HÜHNERHOF.
Verlag und Autor haben mit ZOFF IM HÜHNERHOF ein hervorragendes Geschicklichkeitsspiel entwickelt, das einen hohen Aufforderungscharakter für Kindergartenkinder ab fünf Jahren besitzt. Für jüngere Kinder stellt die Futterwippe mit Bauer Berti zu hohe Anforderungen. Schnipp-Künstler sind natürlich im Vorteil. Wer es durch Übung schafft, gezielt Felder anzusteuern, kann nur durch andere Übungsmeister geschlagen werden. Erste taktische Überlegungen werden auch schon angestellt, das Einbeziehen des Auftauchens des Fuchses reguliert nach den ersten Spielrunden die Bewegungsweite des eigenen Huhns. Marco Teubner erweist sich einmal mehr als Spieleautor, der ein gutes Händchen für ungewöhnliche Spielideen im Kinderspielbereich besitzt. Mit dem Magnetspiel BRAVO PIEPINO (Selecta, 2005) hatte er schon einen guten Einstieg, den er nun mit ZOFF IM HÜHNERHOF noch erfolgreicher fortsetzt.
Titel: ZOFF IM HÜHNERHOF
Autor: Marco Teubner
Verlag: Haba
Spieler: 2- 4
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 29 €
Spiel 26/2007 R193/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 49jährige Marco Teubner gehört zu den bekanntesten und erfolgreichsten Spieleautoren Deutschlands. 2003 versuchte sich der damals frisch diplomierte Kulturwissenschaftler Marco Teubner auf dem Autorentreffen in Göttingen. Mit BONOBO & CO, einem taktischen Legespiel rund um Zipfelkrötenfrosch und Zilpzalp und WILDSCHWEIN WILLIS WILDEr WÜHLEREI konnte der junge Autor aus Oberbayern die damaligen Juroren des Spieleautoren-Stipendiums überzeugen und als siebter Preisträger seine Praktika antreten.
2005 folgten die ersten Publikationen. WILLI, das WILDSCHWEIN durfte bei Goldsieber wühlen und mit BRAVO PIEPINO erschien sein erstes Spiel bei Selecta. Nach 2005 stellten sich bald weitere Erfolge ein. Schon ein Jahr später landete er mit ZOFF IM HÜHNERHOF (Haba) auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury, 2007 gelang das mit PINO SORTINO (Selecta) gleich noch einmal und ein weiteres Jahr später folgte für CURLI CULLER (Selecta) die erste Nominierung zum Kinderspiel des Jahres. In dieser Zeit kam mit Entwicklungen wie WIR SPIELEN EINKAUFEN (Ravensburger) und einem frühen tiptoi-Engagement zusammen mit Heinrich Glumpler neben den Ehrungen auch finanzieller Erfolg dazu.
2016 kann Teubner auf viele weitere Spiele auf der Empfehlungsliste für das „Kinderspiel des Jahres“ zurückblicken und vor allem zwei weitere Nominierungen, 2012 für DIE KLEINEN DRACHENRITTER (Huch) und 2016 für STONE AGE JUNIOR vorweisen. Wobei die dritte Nominierung den lang verdienten Erfolg mit der Überreichung des blauen Pöppels für STONE AGE JUNIOR brachte.
Inzwischen lässt sich Teubner nicht nur mit Kinderspielen in Verbindung bringen. Bei moses. arbeitet er mit Spielen wie SAFEHOUSE und KILLERCRUISE mit Sebastian Fitzek zusammen, legendär ist auch seine KNEIPENQUIZ-Reihe mit Heinrich Glumpler.
Für DODO – RETTET DAS WACKEL-EI hat er ganz aktuell den Deutschen Kinderspielpreis 2021 in Essen gewonnen.
Das Bild zeigt Teubner als Preisträger des Spieleautoren-Stipendiums der Jury Spiel des Jahres 2003.
Donnerstag, 4. November 2021
ZAMBEZY
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auf den Spuren Livingstones: ZAMBEZY
Seit 2000 begleiten Detlef Keßler Kugelpyramiden bei der Spielentwicklung. Mit GISEH hat er auf sich aufmerksam gemacht und um dieses Spiel herum ein inzwischen beachtliches Verlagsprogramm entwickelt. Neben Spielen von Reinhold Wittig hat er dabei besonders viele Ideen von Martin Samuel herausgebracht. Beide verbindet ein Faible für Variationen klassischer Spielideen. Samuel druckt seine Spiele auf Kunststoffplänen, gespielt wird mit Glassteinen.
Im Verlagsprogramm von Giseh fallen die Produkte von Samuel auf. Sie genügen den spielerischen Ansprüchen, indem einfache Spielprinzipien leicht zugänglich umgesetzt sind, sie genügen aber nicht den Materialansprüchen, die Keßler an seine sonstigen Umsetzungen stellt. Eine Ausnahme stellt ZAMBEZY dar, dass Keßler 2006 nach eigenen Vorstellungen seinem Verlagsprogramm angepasst hat. Martin Samuel liefert eine völlig abstrakte Idee, bei der es für zwei Spieler darum geht, Punkte über quadratische Positionierungen von Setzsteinen zu erreichen. Die Besonderheiten von ZAMBEZY bestehen einmal darin, dass in verschiedenen Ebenen gespielt wird und dass die Spielsteinfarbe wechseln kann, wobei errungene Punktwerte nicht verloren gehen. Samuel hat das Ganze mit einfachen Mühlespielsteinen auf einem funktionalen Spielbrett entworfen.
Keßler, inspiriert von Samuels Spieltitel, begibt sich atmosphärisch auf die Spuren von Livingstone, der vor über 150 Jahren der erste Europäer war, der den Fluss erkundete und die Victoriafälle entdeckte. Sein auf alt getrimmtes Holzspielbrett mit eingebranntem Spielfeld hat die Anmutung einer alten Landkarte. Das Diamantenfieber, das auch am ZAMBEZY ausbrach, setzt Keßler in eigens für das Spiel entworfenen, gekerbten Würfelsteinen um, die stapelbar sind. Auf der einen Seite finden wir den rein spielerischen Anspruch von Samuel, auf der anderen den mit dem spielerischen verknüpften ästhetischen Anspruch Keßlers. Jedes mit einem Brandstempel individuell gefertigte ZAMBEZY-Brett wird in der Giseh-Fassung zum Unikat.
Das Spiel selbst ähnelt dem klassischen VIER GEWINNT!, wobei Gewinnstellungen nicht in der Reihe, sondern im Quadrat erzielt werden. Den Spielern wird am Anfang die rote bzw. blaue Spielfarbe zugeordnet. Die Spielsteine werden wechselnd aus einem Stoffbeutel gezogen. Jeder Stein wird auf das 4x4 Felder große Spielfeld gesetzt, d.h. auch die gegnerische Farbe. Dabei gilt es, Punkte durch eigene Farbquadrate zu erreichen. Da bis in die vierte Etage gebaut werden darf, erreicht man die Gewinnstellung auch dann, wenn von oben gesehen in unterschiedlichen Etagen vier Steine einer Farbe im Quadrat zu sehen sind. Beim Stapeln muss allerdings beachtet werden, dass zwei gleichfarbige Steine nicht aufeinandergesetzt werden dürfen. Zwei Sondersteine, die immer wieder gezogen werden können, dienen der Bewegung und Entfernung von Spielsteinen, ein dritter, nur einmalig nutzbar, wechselt die Spielerfarbe, aber nicht die erreichte Punktzahl. Das Spiel endet, wenn 64 Spielsteine platziert sind.
ZAMBEZY besticht nicht nur durch das außergewöhnliche Spielmaterial. Der Glücksfaktor des Steineziehens ist kalkulierbar, da sowohl konstruktives als destruktives Spiel je nach Steinfarbe möglich ist. Da stets nur die Draufsicht zählt und nicht irgendwelche Diagonalen mit im Blick sein müssen, ist der spielerische Anspruch auch nicht zu hoch. Die vier Zentrumsfelder müssen aber beachtet werden, gegnerische Steine dort zu platzieren, macht deshalb Sinn, weil damit erst einmal sichergestellt ist, dass in der vierten Etage die eigene Farbe landet. Ärgerlich nur, dass die Sondersteine hier zu Veränderungen und sogar zum Farbwechsel führen.
Die Unberechenbarkeit macht durchaus den Reiz von ZAMBEZY aus. Etwas unbefriedigend kann das sich hinauszögernde Spielende sein, da es nur zwei Farbsteine mehr als nötig gibt und dadurch immer wieder die beiden Sondersteine gezogen werden. Daher ist es auch denkbar, dass man eine Gewinnpunktzahl, zum Beispiel die auf dem Brett vorgedruckten 40 Punkte, vereinbart und so das Spiel beendet.
Titel: ZAMBEZY
Verlag : Giseh Verlag
Autor : Martin Samuel
Design: Detlef Keßler
Spieleranzahl : 2
Alter : ab 10 Jahren
Dauer : ca. 20 bis 30 Min.
Spiel 26/2007 R193/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
der 72jährige Martin H. Samuel, in Kenia geborener britischer Staatsbürger war über viele Jahre seines Lebens professioneller Schlagzeuger (u.a. für Heatwave und die Bright Eye Band), hat auch als Flugbegleiter der Fluglinie Continental und als Surflehrer gearbeitet und ist seit 1985 Spieleerfinder. Am wohlsten fühlt er sich aber auf dem Wasser und übernimmt auch private Charterfahrten.
Die meisten seiner Ideen hat er unter Games Above Board selbst veröffentlicht. Dort finden sich auch heute noch alle Spiele von ihm (http://www.gamesaboveboard.n.nu)
Sein erstes Spiel war EXCEL– American Airlines, Inc. American Way Magazine 1985/86 - U.S.A. Gewürdigt wurde er u.a. für HIJARA (Spiel Gut 2006), FLIPPIT (Creative Child Magazine Game Of The Year 2007). Recht bekannt ist auch sein RHUMB LINE, ein abstraktes Strategiespiel um punkterzielende Kombinationen aus Radien, Bögen und Spiralen. Mit dieser Idee wurde er mit dem Major Fun Award 2008 in den USA ausgezeichnet.
ZAMEBEZY besitzt eine gute Wertung von 7,3 auf BGG (Stand 31.10.21), allerdings nur auf der Basis von drei Ratings. Der Abdruck seines Fotos erfolgt mit seiner freundlichen Genehmigung.
Mittwoch, 3. November 2021
URMEL AUS DEM EIS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Mit Wawa und Wutz wird Urmel gerettet
Max Kruse, dessen Mutter wir die Käthe Kruse Puppen verdanken, hat für lesende Kinder und vorlesende Eltern die wunderbar vorwitzige Figur eines aufgetauten eiszeitlichen Urmel geschaffen, für Professor Tibatong, der auf der Insel Titiwu Tieren das Sprechen beibringt, das entscheidende Bindeglied in der Entwicklung vom Saurier zum Säugetier. Urmel, das in elf Büchern die Welt und den Weltraum kennen lernt, gehört neben Jim Knopf und Pumuckl zu den Klassikern deutscher Kinderbuchliteratur. Geadelt wurde Urmel durch eine frühe Aufführung der Augsburger Puppenkiste (1969) und seit August 2006 auch durch einen computeranimierten Zeichentrickfilm. Das Spiel zum Film hat kein geringer als der Autor und Verleger Klaus Zoch entwickelt, Huch & Friends hat es für drei bis sechs Urmelfreunde ab fünf Jahren mit den entsprechenden Filmmotiven produziert. Ein Merchandisingprodukt also, aber keins von der Wegwerfsorte.
Im Buch wie im Film jagt König Pumponell von Pumpolonien das Saurier-Findelkind Urmel. Daraus entwickelt Klaus Zoch für URMEL AUS DEM EIS zwei Spielziele: Urmel muss gerettet oder gefangen werden. Ein Spieler übernimmt die Rolle des Großwildjägers Pumponell, der auf dem äußersten Lauffeld einer aus 36 Einzelfeldern flexibel auslegbaren Wegstrecke startet. Vier Felder vor ihm starten die Freunde Urmels, Wawa, der Waran, Seele-Fant, der immer traurige Lieder singt, das reinliche Hausmütterchen Wutz, der Pinguin Ping und Schusch, der Schuhschnabel. Jeder Spieler muss außerdem noch einen der Diener Pumponells übernehmen und bekommt als letzten Notanker eine Bananenschale. Urmel spielt natürlich auch mit, er wird aber keinem einzelnen Spieler zugeordnet, sondern von allen Spielern gezogen. Vorwärts geht es mit einem Würfel. Zuerst würfeln Urmels Freunde, wobei Urmel stets auf das vorderste Feld der Figuren gezogen wird. Dann folgt der König, der die Ausreißer einholen möchte. Erwischt er einen der Freunde, muss Pumponell auf diesem Feld stehen bleiben. Der Gefangene wird aus dem Spiel genommen und durch einen Diener ersetzt. Der Spieler wechselt damit seine Rolle vom Helfer Urmels zum Unterstützer des Königs. Aufhalten können den König nur die Bananenschalen, von denen die Freunde aber nur jeweils eine besitzen. Kommt diese zum Einsatz, muss der König in dieser Runde aussetzen. Der Spieler, der die Bananenschale gespielt hat, darf ein zweites Mal würfeln. So gestärkt und so vorankommend, gäbe es wahrscheinlich immer nur einen Sieger, das Urmel und einen seiner Freunde, der den kleinen Saurier auf das Zielfeld bringt. Damit es spannender wird, appelliert der Autor aber an die Solidarität der Tierfreunde. Vor jeder neuen Runde starten das Urmel und alle noch nicht gefangenen Tiere immer vom Feld des langsamsten Freundes aus. Damit haben auch der König und seine Diener gute Chancen, das Spiel zu gewinnen und Urmel vor dem Erreichen des 36. Feldes zu stellen. Das ist zwar schade und nicht so versöhnlich wie im Buch und Film, aber vielleicht startet Pumponell dann ebenfalls mit dem kleinen Saurier zu einem Hubschrauberrundflug um die Insel.
Die Wegekarten sind groß und stabil, die Spielfiguren aus Pappe wandern leider in nicht ausrottbaren Plastikfüßen über die Wegstrecke. Es wird zwar „nur“ gewürfelt, aber für die Kinder reicht das zur Spielspannung. Atmosphärisch lebt das Spiel URMEL AUS DEM EIS vom Gruppengeist der Verfolgten und Verfolger. Deshalb macht das Spiel in großer Besetzung auch deutlich mehr Spaß als zu dritt. Am Anfang sind die Kinder noch auf der Seite Urmels und blicken gespannt auf den Verfolger zurück und Schwubdiwup müssen sie das Lager wechseln. Auch wenn es nicht leicht fällt, das liebenswerte Urmel zu verlassen, sie können nun trotzdem noch gewinnen, indem nun ihre Jagdinstinkte wach werden.
URMEL AUS DEM EIS ist nicht nur für Freunde des Films ein vergnügliches Laufspiel, für die ist der Wiedererkennungswert groß und für alle anderen vielleicht ein Anlass, Kruses Buch zum Vorlesen oder selbst Lesen hervorzuholen. Freuen Sie sich mit Ihren Kindern über Wawas „Mupfel“ und das „Öff öff“ von Wutz, großes Lesevergnügen ist garantiert, mit dem das Spielvergnügen fast mithalten kann.
Titel: URMEL AUS DEM EIS
Verlag : Huch
Autor : Klaus Zoch
Illustration: Oliver Fischer
Spieleranzahl : 3-6
Alter : ab 5 Jahren
Dauer : ca. 15 Min.
Preis: ca. 20 €
Spiel 25/2007 R192/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Klaus Zoch und Albrecht Werstein, die den Zoch Verlag 1987 für den BAUSACK gegründet haben, sind Schulfreunde. Während ihres gemeinsamen Schulbesuches in der Schwarzwaldgemeinde Hornberg hatten sie Mitte der 60er Jahre schon komplexe Spielsysteme entwickelt. Von der Steinzeit bis ins Raumfahrtzeitalter spielte ihr frühes CIVILIZATION, den Spielplan gab ein Diercke-Weltatlas her.
Zoch, gescheiterter Physikstudent, Werstein, Jurist, gingen eine kreative und organisatorische Symbiose ein: Der Handwerker, Designer und häufige Ideengeber Klaus Zoch, der Redakteur, Organisator, Mann für die Vertragswerke, Albrecht Werstein.
1988 landete BAUSACK auf der AWL der Jury. Danach ging es aber nur zögerlich weiter, eine Lizenzvergabe vom BAUSACK an MB hielt sie über Wasser. Die Teamarbeit der beiden als Autoren des Spiels SCHEHERAZADE überzeugte nicht so ganz, auch die gar nicht so schlechte Kartenspiel-Reminiszenz an ihren Geburtsort Hornberg und DAS HORNBERGER SCHIESSEN stieß auf nicht allzu viel Gegenliebe.
Die Wende und der Erfolg kamen mit der Rückwendung zu Holzprodukten und Kinderspielen. AZTEC (Sonderpreis Schönes Spiel, 1997) und BAMBOLEO (1997) überzeugten. Mit ZICKE ZACKE HÜHNERKACKE gewannen sie den Sonderpreis Kinderspiel 1998. Es folgten Siege mit VILLA PALETTI (2002), NIAGARA (2005), DA IST DER WURM DRIN (2011) und SPINDERELLA (2015). 2010 hat Simba Zoch übernommen, als Marke jedoch weitergeführt.
2004 war Klaus Zoch an der Gründung von HUCH & friends beteiligt. Hier erschien 2006 das URMEL-Spiel, das von der Kritik kaum beachtet wurde. Auf BGG gibt es gerade einmal vier Wertungen, die zu einer schlechten 4,0 führen (Stand 30.10.21).
Klaus Zoch ist auf einer Aufnahme in Göttingen von 2008 zu sehen.
Dienstag, 2. November 2021
UM KRONE UND KRAGEN
Gewürfelt wird UM KRONE UND KRAGEN
Haus und Hof haben manche schon verwettet, um Kopf und Kragen sich gespielt, bei Tom Lehmann (MAGELLAN u.a.) würfeln zwei bis fünf Spieler UM KRONE UND KRAGEN. Die Amigo-Spielredaktion hat sich bei der Entwicklung des Spiels in die Karten blicken lassen. Von August 2005 bis Januar 2006 konnten die Leser der Amigo-Homepage die Bearbeitungsschritte einer Spielentwicklung fast live miterleben.
Als ROYAL ADVENCEMENT kam das Spiel des in Kalifornien lebenden Autors in Dietzenbach an. Die Leser konnten sich an der Titelsuche des Spiels beteiligen, immerhin 263 Titelvorschläge gingen dabei ein. Moritz Eggert machte dabei mit seinem alliterativen UM KRONE UND KRAGEN -Vorschlag das Rennen.
Auf dem würfeligen Weg zur Krone und zum Hermelinkragen helfen 20 verschiedene Charaktere, vom Hofnarren über die Dienstmagd bis zum Alchemisten und Bischof. Der Kartenerwerb wird einerseits durch Würfeln gesteuert, beeinflusst andererseits aber auch die Würfelergebnisse. Die Spieler starten stets mit drei Würfeln. Nach jedem Wurf muss mindestens ein Würfel rausgelegt werden, so dass anfangs maximal drei Würfe möglich sind. Das Ergebnis ermöglicht meistens den Erwerb einer Charakterkarte, zum Beispiel bei zwei gleichen Würfeln ein Bauer, der in der nächsten Runde einen zusätzlichen Würfel bringt. Sobald es mit der Zeit ein Spieler schafft, sieben gleiche Würfel abzulegen, erhält dieser das Königspaar. Er hat damit noch nicht gewonnen, läutet aber die entscheidende Abschlussrunde ein, wobei er den Vorteil hat, als Letzter würfeln zu dürfen. Wer in dieser Runde das beste Würfelergebnis erzielt, das heißt, die größte Anzahl gleicher Würfel herauslegt, gewinnt je nach Spielerzahl meist nach einer halben Stunde oder knappen Stunde das Würfelduell UM KRONE UND KRAGEN.
Würfeln, um bestimmte Karten zu erobern, die hilfreich für den Spielsieg sind, kommt Ihnen wahrscheinlich bekannt vor. Michael Schacht hat schon vor sechs Jahren mit KNATSCH ein äußerst vergnügliches interaktives Ritterduell mit Würfeln und Karten erfunden. UM KRONE UND KRAGEN setzt differenzierter bei den vielschichtigen Charakterkarten an, die einerseits neue Würfel bringen, andererseits das Wurfergebnis verbessern helfen. Es dauert schon mehrere Runden, bis die Spieler mit den unterschiedlichen Möglichkeiten der Charaktere umgehen können, das erschwert den Zugang zu dem eigentlich einfachen Spiel. Nachteilig ist auch, dass jeder nur vor sich hin würfelt und seine optimale Ausgangslage für die Finalrunde vorbereitet. Ein Mit- oder Gegeneinander findet maximal im Kampf um die nicht für alle vorhandenen Charakterkarten statt, zum Beispiel um den Feldherren, der zwei zusätzliche Würfel bringt, auf den im Spiel zu viert und zu fünft zwei Spieler verzichten müssen. Letztlich bleibt die Konzentration auf die Abschlussrunde unbefriedigend. Da optimiert jeder über 30 bis 60 Minuten seine Ausgangslage und ist dann doch vom letzten Würfelglück, das nur zum Teil beeinflusst werden kann, abhängig. Bei aller Kritik: KNIFFEL-Freunde kommen auf ihre Kosten; das Spielmaterial ist solide, die grafische Umsetzung hervorragend; wer über die Einstiegshürden hinweg ist, kann Spaß beim Würfeln UM KRONE UND KRAGEN haben.
Titel: UM KRONE UND KRAGEN
Autor: Tom Lehmann
Grafik. Volkan Baga
Verlag: Amigo
Spieler: 2- 5
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Spiel 24/2007 R191/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 63jährige in Kalifornien lebende Thomas („Tom“) Lehmann gehört zu den bekannteren Spieleautoren in den USA. In den 80ern hat er mit einem Master of Science der Stanford University als Programmierer gearbeitet. Erst Anfang der 90er Jahre begann er nebenberuflich Spiele zu entwickeln, teilweise mit seinem Freund James Hlavaty, die im gemeinsamen Kleinverlag Prism Games/ TimJim Games veröffentlicht wurden, so FAST FOOD FRANCHISE (1992) oder 2038 (1995).
In Europa kam der erste große Erfolg mit MAGELLAN (Hans im Glück 2002). Das Spiel landete auf der AWL zum Spiel des Jahres 2002. Seit 2007 ist Lehmann hauptberuflich Spieleentwickler.
Zu seinen Erfolgen darf man auch UM KRONE UND KRAGEN zählen, aber vor allem das Kartenspiel RACE FOR THE GALAXY (Spiele Hit für Experten 2008, 1. Platz beim à la carte 2008). Auf dieser Idee fußt das 2014 erschienene Würfelspiel ROLL FOR THE GALAXY.
Außerdem war Lehmann zusammen mit Matt Leacock an PANDEMIE-Erweiterungen beteiligt.
UM KRONE UND KRAGEN wird zur Zeit mit 6,4 auf BGG bewertet (Stand 30.10.21). Bei den Familienspielen rangiert es auf Platz 584.
In Österreich wurde das Spiel 2006 mit dem Spiele Hit mit Freunden ausgezeichnet. 2007 war es beim Golden Geek nominiert zum besten Familien- und Partyspiel.
Abdruck des Fotos mit freundlicher Genehmigung von Tom Lehmann.
Sonntag, 31. Oktober 2021
PFERDEÄPPEL
SAMMELSURIUM
Bütehorn Buchkassetten: PFERDEÄPPEL
Die Buchkassetten, die Ravensburger und Pelikan bis Mitte der 70er Jahre herausbrachten, waren wirtschaftlich nur bedingt Erfolge für die Verlage. Als beide Firmen ihre Reihen einstellten und die hannoverschen Pelikane dann bald auch ihre Spielproduktion, füllte die Lücke eine neue Firma aus dem Umfeld von Hannover. Die Bütehorn KG brachte ab 1976 wertige Buchschuber-Spiele unter dem Dach des Buchholz Verlags in Sarstedt bei Hannover heraus, hielt sich allerdings auch nur bis 1982 auf dem Markt.
Markenzeichen der Buchkassetten aus Sarstedt waren Klappdeckel und Druckknopf-Verschluss an einem Leinenanhänger. Heute ist das zwar eine Schwachstelle vieler in die Jahre gekommenen Spiele, damals war das aber eine originelle Idee. Eine Reihe der Ausgaben in den 80ern verzichtete dann schon auf diesen Verschluss und nutzte einen normalen Pappdeckel. Von diesen Ausgaben wurden mit der Insolvenz des Verlags einige von Hexagames übernommen. Der Verlag aus Dreieich nutzte die Spiele, um ein gutes Startprogramm neben dem Wirtschaftsspiel LONG SHORT zu haben.
Das Bütehorn-Programm war geprägt von großen, mittleren und kleinen Buchkassetten-Spielen. Daneben gab es einige Spiele in flachen Schachteln u.a. die damals sehr bekannten Ferienrallys. Prägend für die Programmgestaltung war Erik Grischeit als Produktmanager, er hatte vorher für Parker gearbeitet. Grischeit, der mit dem Schweizer Journalisten Walter Luc Haas befreundet war, holte bekanntere Autoren ins Programm. So kam er an DAMPFROSS, das in der Ausgabe von Schmidt Spiele 1984 Spiel des Jahres wurde. Auf der ersten Liste der Jury Spiel des Jahres 1979 waren gleich zwei Titel des Verlages vertreten. SETI bekam den ersten Sonderpreis für das schöne Spiel. Die Jury wollte damit zugleich auch den Buchholz-Verlag für sein Bemühen um besonders schön und aufwändig gestaltete Spiele würdigen. Neben SETI landete BLOCKADE von Sid Sackson auf der Auswahlliste. RÄUBER UND GENDARM von Rudi Hoffmann kam 1981 auf dem Bronzeplatz in diesem Jahr, hinter SAGALAND und FOCUS. 1982 schaffte es dann GEISTER von Alex Randolph auf die Liste der Jury.
PFERDEÄPPEL
Randolphs PFERDEÄPPEL ist erst 1981 erschienen, obwohl die Idee schon viele Jahre auf dem Markt war. Zuerst veröffentlichte sie 1969 Sid Sacksons in genialer Ideensammlung A GAMUT OF GAMES, die 1969 in den USA herauskam und in einer deutschen Ausgabe von Hugendubel 1981 erschien.
PFERDEÄPPEL hieß ursprünglich KNIGHT CHASE oder PFERDEJAGD und konnte mit einem weißen und schwarzen Pferd aus einem SCHACHspiel und 30 beliebigen Markierungszeichen gespielt werden.
Spezielle Pferdefiguren mit Loch im Kopf hat Randolph extra für das Bütehornspiel entwickelt, die das Markieren leichter machen. In dieser Fassung versucht Braun die weiße Figur zu fangen, Weiß versucht sich nicht in die Ecke treiben zu lassen. Gezogen wird nach Pferdesprungmanier. Jedes verlassene Feld wird mit einem braunen Köttel markiert. Darüber hinaus darf ein weiteres belegt werden.
Im Gegensatz zur PFERDEJAGD sind diesmal sogar 40 Köttel im Spiel, davon 12 goldene. Solange die 28 braunen gespielt werden und das weiße Pferd gefangen wird, hat Braun gewonnen. Kommen die goldenen PFERDEÄPPEL zum Einsatz, hat Weiß gewonnen. Jeder goldene Pferdeapfel bringt ihm ab sofort einen Gewinnpunkt.
Im Gegensatz zur Buchfassung lässt die Bütehornregel eine gewisse Beliebigkeit beim Setzen eines zweiten Blockadesteins zu. Randolph hatte das ursprünglich viel enger definiert und auf die erste Zugphase beschränkt.
Wer sich mit dem Rösselsprung auskennt, wird dieses Köttel-Duell lieben, zumal die randolphschen Pferdefiguren ein Hingucker sind. Vereinbart werden sollten gleich mehrere Partien, die Abrechnungsmodalitäten lassen dann auch einen eindeutigen Gewinner zu.
Titel: PFERDEÄPPEL
Autor: Alex Randolph
Verlag: Bütehorn
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 10 - 20 Minuten
Preis: ca. 29.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 44 – S44/2021
Samstag, 30. Oktober 2021
ART ROBBERY
Streit um Raubkunst: ART ROBBERY
Reiner Knizia gehört, wie so oft schon, zu den fleißigsten Spieleautoren der Messe in Essen. Mit WITCHSTONE (HUCH!) ist er ganz vorn mit dabei (zweiter Platz der Fairplay Scoutaktion). Mit MILLE FIORI (Schmidt) und HIGH SCORE (Kosmos) mischt er ebenfalls gut mit und auch mit ART ROBBERY (Helvetiq) muss er sich nicht verstecken. BGG verzeichnet noch knapp 20 weitere Spieleveröffentlichungen.
Viel Mühe mit der Spielgeschichte geben sich Verlag und Autor nicht. Da wird einfach nur von Verteilungsproblemen unter Räubern nach einem Einbruch gesprochen. Dass es dabei um Kunstraub geht, wird grafisch nur durch eine Karte angedeutet, auf der ein Dieb zu sehen ist, der mit einem Gemälde unterm Arm die Biege macht. Ein bisschen mehr Atmosphäre hätte man der Spielidee schon gegönnt. So begegnen wir dem typischen Kampfzahlenspiel, von denen Reiner Knizia so einige entwickelt hat.
Wir streiten uns um Zahlenchips mit den Werten 0 bis 5 mit Hilfe von Spielkarten mit eben diesen Werten und einigen wenigen Sonderkarten, die beispielsweise einen Wachhund ins Spiel bringen.
Vier Überfälle sind abzuwickeln, in denen jeweils neun dieser Zahlenchips ausliegen. Besonders ist dabei der Boss-Chip, der eine Bossin zeigt. Ergeht nur in die Wertung, wenn der Erwerb mit dem zusätzlichen Besitz eines weiteren 5er oder 4er Markers verbunden ist. Um an einen Chip heranzukommen, wird eine von fünf Handkarten ausgespielt, das sind meistens Ziffernkarten, die Bosskarte, ein Wachhund und ein gieriger Dieb, der einen beliebigen Chip stibitzen darf.
Eine Runde endet, wenn die Beute verteilt ist. Davor wechseln die Punktechips aber noch häufig den Besitzer, den liegt die 4 nicht mehr in der Mitte, klaue ich sie natürlich vom aktuellen Besitzer, der nur geschützt ist, wenn er den Wachhund besitzt, den er dann aber an mich abtreten muss.
Unscheinbare weiße Punkte, die mit wachsender Anzahl auf den vier Überfällen auftauchen, spielen für die Schlusswertung eine entscheidende Rolle. Typisch knizianisch kommt nicht jeder in die Endwertung. Addiert ergeben die weißen Punkte so etwas wie eine weiße Weste, sie stellen die Alibis dar. Wer die wenigsten hat, fliegt raus, auch wenn er die meisten Punkte sammeln konnte. In unserer Erstpartie zu dritt, sind wir sogar alle rausgeflogen, da jeder fünf weiße Punkte besaß, wofür die Regel nur eine unbefriedigende Klärung bot. Im Duell ist die weiße Weste besonders wichtig, denn der Unterlegene verliert Tokens im Wert von zehn Punkten.
Die kleine Helvetiq-Schachtel ist wie gewohnt randvoll mit Karten und Chips, sogar ein kleiner Holzhund übernimmt die Rolle des Bewachers. Wie schon gesagt, ein bisschen mehr Atmosphäre hätte die Grafikerin Petra Eriksson Tokens und Karten schon spendieren können. Die einzelnen Raubzüge unterscheiden sich durch die Farbe der Pappchips. Da wegen der sich steigernden Alibi-Punkte die Abfolge von Bedeutung ist, hätte man dies auf der Rückseite der Chips durchaus vermerken können. So muss man jedes Mal wieder in der Regel nachschauen, damit wir mit dem gelben Überfall starten und der rote zuletzt kommt.
ART ROBBERY ist ein wirklich fetziges Kartenspiel, das man aber nicht zu ernst nehmen darf. Letztlich entscheiden die Kartenhände und das, was man nachzieht, über Gewinn und Verlust, über das Hin und Her der Tokens. Ganz nett sind die unterschiedlichen Konstellationen der Beutetokens, so tauchen im dritten Überfall gleich zwei Boss-Marker auf. Insgesamt solide Knizia-Kost in kleiner Schweizer Verpackung.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: ART ROBBERY
Autor: Reiner Knizia
Grafik: Petra Eriksson
Verlag: Helvetiq
Spieler: 2-5
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 68/2021
Freitag, 29. Oktober 2021
TRAPPER
TRAPPER … auf Bärenjagd
Beim Spielaufbau von TRAPPER, dem neuesten Clementoni Spiel, fühle ich mich in die frühen 80er Jahre versetzt. Da gab es einst ein Spiel mit ganz vielen Waldkärtchen und ein Bär spielte die zentrale Rolle, gemeint ist Hajo Bückens BÄRENSPIEL, das erste gut funktionierende kooperative Kinderspiel beim Herder Verlag. Eine ähnliche, nicht ganz so große Waldlandschaft lassen uns Wolfgang Kramer und Michael Kiesling für die TRAPPER aufbauen. Ausgerichtet an vier Pappwinkeln wird ein 8 x 8 Felder großer Wald ausgelegt. Unbesehen werden dann die vier mittleren Kärtchen entfernt und an deren Stelle kleine Holztrapper aufgestellt. Alle orthogonal an die Figuren angrenzenden Karten werden aufgedeckt, sie zeigen eine mögliche Beute oder Boote der Fallensteller. Ihre Ausrichtung orientiert sich an einem Schmetterlingssymbol. Das ist deshalb wichtig, weil alle Kärtchen eine Wasserseite haben, über die die TRAPPER sie nicht erreichen können.
Jeder Spieler erhält sechs Spielkarten, über deren Farbzuordnung die Trapperfiguren bewegt werden. Die zwei bis vier spielenden Jäger besitzen daher auch keine bestimmte Spielfigur, sondern jeder darf jeden Trapper bewegen. Bei einem Spielzug dürfen beliebig viele Karten einer Farbe ausgespielt werden, beziehungsweise zwei Karten einer anderen Farbe, die Jokerfunktion übernehmen. Der Trapper bewegt sich auf eine offene Beutekarte, die der Spieler an sich nimmt, danach werden wieder die an den Trapper angrenzenden verdeckten Karten aufgedeckt und die Figur kann, wenn entsprechende Farbkarten noch vorhanden sind, weiter bewegt werden. Ist sie isoliert, was durchaus ganz bewusst herbeigeführt werden kann, darf die Figur auf ein beliebiges Beuteplättchen springen. Am Ende des Spielzugs gibt es unabhängig von der gelegten Kartenzahl zwei neue Spielkarten.
Unter den Kärtchen befinden sich 18 Kanus, mit denen bestimmte Tiersorten in unterschiedlicher Anzahl transportiert werden können, dazu passend gibt es sechs Wildtiere, die jeweils sechsmal mit Werten zwischen 1 bis 4 im Spiel sind und fünf Kräuter und Pilzkarten in den Werten 1 bis 5. Gesammelte Beutekarten müssen sofort ausgelegt werden, die Boote an die passenden Tiere, Pilze und Kräuter dürfen an beliebige Kanus gelegt werden. Sobald die Zielvorgabe des Kanus erreicht ist, zum Beispiel die Füllung mit zwei Bären, fährt das Boot ab und darf auch nicht mehr durch eine wertvolle Pilzlieferung aufgehalten werden. Abfahren bedeutet im Spiel werten. Die Zahlenwerte der transportierten Kärtchen werden addiert, der Wert wird dann verdoppelt und in Goldmünzen aus der Bank ausgezahlt.
Das abgerechnete Kanu bleibt beim Spieler, da es bei Wertungen von 16 und mehr Punkten noch zusätzlich Bonuschips gibt, die aber nicht beliebig zur Verfügung stehen. Zusätzlich gibt es eine Wertung verschiedener Tierarten. Am Ende, wenn keine sinnvollen Aktionen mehr durchgeführt werden können, erhalten die Spieler für den jeweils höchsten Bonuschip 12 Goldmünzen, wobei auch der Fünftplatzierte noch mit drei Münzen belohnt wird. Noch ausliegende Kanus werden einfach gewertet, isolierte Einzelkärtchen bringen Minuspunkte. Der Trapper mit dem meisten Geld gewinnt nach meist zügigen dreißig bis fünfundvierzig Minuten.
Die ausführliche Regel sieht noch eine einfache Variante für jüngere Spieler vor, in der die Bonusplättchen wegfallen und der Zugang über die Wasserseite erlaubt wird. Hochkarätiger ist die taktische Variante, in der um das Zugrecht mit den Farbkarten gesteigert wird. Bei dieser Variante, in der jeder Einzelzug zur Versteigerung kommt, muss deutlich mehr Zeit mitgebracht werden.
Die Beutekarten sind stabil, auch das Geld und die Bonusplättchen sind aus solider Pappe. Bei Kunstlicht sind die Tiere nicht alle immer eindeutig zu unterscheiden, zumindest bei den ersten Partien sollte man sich auf Verwechslungen von Luchsen und Wölfen einstellen. Unverständlich bleiben die Verlagsüberlegungen für den Schachteleinsatz, der zwar das unausgestanzte Pappmaterial sinnvoll aufnehmen konnte, mit dem man aber mit allen 64 Beuteplättchen nichts mehr anfangen kann. Sofortige Entsorgung ist hier zu empfehlen.
TRAPPER ist mit seinem Sammelelement ein grundsolides Familienspiel. In gewisser Hinsicht lässt sich die Jagdbeute steuern, das gilt vor allem beim Spiel zu zweit, deutlich weniger allerdings in voller Spielrunde. In beiden Fällen sind die Spieler aber letztlich von ihrer Kartenhand abhängig. Interaktion spielt keine allzu große Rolle in dem Spiel. Die Spieler versuchen sich natürlich, die notwendigen Kanus und die hochwertigen Tiere wegzunehmen. Nicht zu unterschätzen sind die Zuladungen durch Pilze oder Kräuter, mit denen man hochwertige Bonusplättchen ergattern kann. Wie bei Hajo Bückens Aufdeckspiel aus dem Jahre 1983 macht es auch den Trappern Spaß, in den Wald vorzudringen und die Freude ist groß, wenn der Bär gefunden wird. Bei Kramer und Kiesling natürlich nur der Bär mit vier Punkten, kommt danach noch ein 5er Pilz, herrscht eitel Sonnenschein. Wer sich nicht an den Zufälligkeiten stört, erlebt ein recht unterhaltsames Jagdabenteuer.
Titel: TRAPPER
Verlag: Clementoni
Autoren: Michael Kiesling, Wolfgang Kramer
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 30 - 60 Min.
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 22/2007 R189/2021 Rezension erschien 2007 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Der 78jährige Wolfgang Kramer ist neben Reinhold Wittig der dienstälteste Spieleautor in Deutschland und der erste, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Der gelernte Betriebswirt und Informatiker hängte 1989, nach zwei Spiel des Jahres-Auszeichnungen seinen Beruf an den Nagel und lebte fortan vom Spielerfinden.
Sein erstes Spiel TEMPO erschien 1974 bei ASS, HEIMLICH & CO. war sein erstes Spiel des Jahres (1986), es folgte gleich danach AUF ACHSE. In vielen seinen späteren Erfolgen war er mindestens im Team unterwegs. Bei EL GRANDE (SDJ 1996) begleitete ihn Richard Ulrich und bei TIKAL und TORRES Michael Kiesling.
Mit MOGELEI UND ZÜNDSTOFF war Michael Kiesling einmalig auf der Spiel in Essen mit seinem 1x1-Verlag 1995 präsent. Zwei Jahre später begann die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Wolfgang Kramer, zuerst mit HASTE WORTE (F.X. Schmidt) später folgten die Spiele des Jahres TIKAL und TORRES. Aktuell ist Kiesling mit AZUL (Spiel des Jahres 2018) und den Folgespielen erfolgreich unterwegs.
Beide Autoren arbeiten aber auch eng mit dem neuen Verlag Deep Print zusammen, wo sie RENATURE und SAVANNAH PARK veröffentlicht haben.
Das Bild zeigt beide Autoren 1999 bei der Preisverleihung beim Deutschen Spielepreis für TIKAL.
Das Spiel besitzt eine Wertung von 6,1 auf BGG (Stand 19.10.) und ist auf Rang 1724 bei den Familienspielen.
Donnerstag, 28. Oktober 2021
TIME'S UP!
TIME’S UP! toppt Tabu
Wer bisher bei Partyspielen auf die sichere Bank von TABU oder ACITIVITY gesetzt hat, sollte TIME’S UP! ab sofort mit in den Blick nehmen. Auf den ersten Blick werden Sie zwar sagen, simples Prominenten-Raten, was ist da schon dran? Sobald Sie aber in die zweite und dritte Runde von TIME’S UP! eingestiegen sind, werden Sie es nicht mehr missen wollen.
Vordergründig ähnelt Peter Sarretts Spiel den klassischen Vorbildern, da wird beschrieben, da wird begrifflich reduziert und nonverbal agiert. Bis zu vier Teams können gegeneinander antreten, die Regel schlägt maximal 12 Mitspieler vor, ich habe aber auch schon Runden mit mehr Spielern erlebt. Von den 418 Personenkarten werden 40 verteilt, zusätzlich erhält jeder Spieler zwei weitere Karten. Erst einmal müssen die Spieler entscheiden, ob sie eine Runde mit Namen auf der gelben oder blauen Hälfte der Karten spielen wollen. Danach darf jeder zwei seiner Karten aussortieren. Die restlichen 40 Karten, von denen die Beteiligten durch das Vorspiel schon einige kennen, bilden die Ausgangsbasis für drei spannende Raterunden.
Die Teams versuchen unter dem Zeitdruck einer schnell rieselnden Sanduhr so viele Prominente wie möglich zu erraten. Einer erklärt, die anderen raten. In der ersten Runde darf noch fleißig umschrieben werden, da helfen Stichworte wie „Die flambierte Frau“ bei Gudrun Landgrebe oder Kanzler und pfälzischer Saumagen bei Helmut Kohl. Die Karten müssen der Reihe nach abgearbeitet werden. Gespielt wird, bis alle 40 Persönlichkeiten erraten sind. Jedes Team erhält am Ende der Runde für jede erratene Karte Pluspunkte, zur Rekapitulation werden dabei alle Personenkarten noch einmal vorgelesen. Das erleichtert den Start in die zweite Runde, die sich auf eine Einwort-Beschreibung reduziert. Flambieren und Saumagen müssen nun ausreichen, um auf Landgrebe und Kohl zu kommen. Erneut treibt die Sanduhr an und die Mitstreiter stehen unter dem Druck, nur noch eine Lösung nennen zu dürfen. Der Stapel wird wieder ganz durchgespielt. Nach Verteilung der Punkte werden letztmalig die 40 Personen vorgelesen, um für die letzte fast nonverbale Runde gewappnet zu sein. Nun sind die pantomimischen Fähigkeiten der Präsentatoren gefragt, die lautmalerisch begleitet werden dürfen. Das Flammenspiel der Finger mag hier vielleicht Gedächtnisstütze für das Flambieren sein. Die Andeutung eines gewissen Körpervolumens führt eventuell zu dem Altbundeskanzler, vielleicht reicht auch ein Magendrücken. Nach dieser letzten Runde wird Bilanz gezogen und das Team mit den meisten Punkten gewinnt TIME’S UP!
Wer meint, dieser dreimalige Durchgang könnte langweilig werden, irrt gewaltig. Wer meint, dass bei vier Teams drei stets arbeitslos wären, irrt ebenso. Ohne Memoeffekt funktioniert das Spiel nicht. Deshalb sollte man schon aufpassen, welche Personen geraten und wie sie beschrieben wurden, denn die Erklärungen lassen sich oft gut für die Folgerunden verwenden. Dann reichen „Laterne“ für Zarah Leander und „Liebling“ für Manfred Krug.
Die Vorbehalte, die viele Spieler mit diesem Spielegenre haben, da die eigene Persönlichkeit, die eigene Kreativität stark gefordert wird, tendieren bei TIME’S UP! gegen null. Wer sich nicht so gut auskennt in der Welt der Stars und Sternchen, der Politiker und Sportler lernt von Runde zu Runde dazu. Zur Erstinformation gibt es auch (allerdings nicht ganz fehlerfreie) Kurzbiographien. In der zweiten und dritten Runde dürfen Personen übersprungen werden, so dass auch der pantomimische Teil leistbar wird, zumal 30 Sekunden schnell vorüber sind. Selten habe ich ein Spiel erlebt, dass Spielbegeisterte und Spielmuffel gleichermaßen schnell in seinen Bann zieht. TIME’S UP! ist für mich die No. 1 im Bereich der Partyspiele.
Titel: TIME’S UP!
Verlag: Pro Ludo
Autor: Peter Sarrett
Spieleranzahl: 4-12
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: ca. 60 Min.
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 35/2006 R188/2021 Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Peter Sarrett ist ein Spielerfinder aus dem Bundesstaat Washington. Bekannt wurde er vor allem mit vielen TIME’S UP Varianten. Die erste Ausgabe erschien 1999 bei R&R Games.
Das Spiel gewann viele Preise, war 2000 Mensa Select Winner und gewann den As d’Or 2006.
2013 erschien in Deutschland eine Repos-Ausgabe unter dem Titel SAG’S MIR.
Im BGG-Ranking liegt es mit einer Wertung von 7,3 auf Platz 24 bei den Partyspielen (Stand 19.10.).
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