Freitag, 28. Mai 2021
HIPP HOPP HIPPO
Sprünge über Nilpferdrücken: HIPP HOPP HIPPO
Anna Oppolzer und Stefan Kloß mausern sich immer mehr zu Spezialisten für kreative Kinderspiele. WALD DER LICHTER (Drei Magier) und WUNDERKESSEL (Haba) waren schon eindrucksvolle Beispiele, auch wenn es manchmal an der Umsetzung haperte. Mit HIPP HOPP HIPPO (Schmidt) legen sie mit einem waghalsigem Affenrennen über Nilpferd-Rücken nach.
Je nach Gusto tauchen die Hippos mal kurzfristig auf, um gleich wieder unter Wasser zu gründeln. Das brachte das Pärchen Oppolzer&Kloß dazu, sich eine Flussquerung über Nilpferde auszudenken, die eine ganze Affenbande samt Baby plant, um an leckere Bananen zu gelangen.
Mechanisch bewirken die Autoren das ganze oder teilweise Abtauchen durch Einschieben von Nilpferdkärtchen in einen länglichen Flussplan. Die Karten werden anfangs verdeckt geschoben, bis sie in Flussaussparungen auftauchen und dann zeigen, ob die Affen noch auf einem Nilpferd stehen oder ins Wasser fallen. Damit ist der Hüpfweg der Affen über den Fluss ständigen Veränderungen ausgesetzt, wer sich einprägen kann, welche Karten auftauchen werden, hat aber einen großen Vorteil.
Neben der Kartenschiebung spielen Zahlen- und Farbwürfel die entscheidende Rolle. Der Zahlenwürfel reguliert, über wie viele Rückenfelder die Affen hüpfen. Der Farbwürfel legt die Spalte fest, in der sich ein Nilpferd bewegt. Der Zufall spielt dabei in beiden Fällen eine große Rolle. Wer in den Fluss fällt, muss zurück zum Start. Im Zielbereich schnappen sich die Äffchen eine kleine Schatztruhe, garantiert finden sie dort eine Banane, mit viel Glück sind es sogar fünf. Für diese Situation ist ein Bad zwischendurch gar nicht so schlimm, denn dann dürfen die Kinder zum Trost unter Kisten linsen.
Sobald eine Affenbande samt Mutter und Baby, die gleich zwei Kisten bekommen, am anderen Ufer ist, endet der Wettlauf. Oppolzer&Kloß haben das Spiel für Kinder ab fünf ausgewiesen, auch Vierjährige kommen damit klar. Kindergartenkinder lieben die Überraschungen des Ab- und Auftauchens der Nilpferde. Grundschulkinder kalkulieren gezielter ihre Wege. Ab der dritten eingeschobenen Nilpferdkarte, kennen sie teilweise sogar die Ergebnisse der zu sehenden Nilpferdrücken.
Trotz Würfeldominanz, dieses Wettrennen über Nilpferde macht unheimlich Fez, auch Eltern hüpfen gerne über Nilpferdrücken mit. Gegen das Würfelglück setzen die Autoren eine kräftige Portion Memo ein und den Nachteilsausgleich, der den Inhalt von Bananenkisten verrät, was am Ende siegentscheidend ist.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: HIPP HOPP HIPPO
Autoren: Anna Oppolzer, Stefan Kloß
Grafik/Design: o.A.
Verlag: Schmidt
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 43/2021
Donnerstag, 27. Mai 2021
DRAGOMINO
Eiersuche in DRAGOMINO
Wenn sich Bruno Cathala und Marie und Wilfried Fort zusammentun, dann will entweder der eine das TAL DER WINKINGER anspruchsvoller gestalten oder die anderen dem Bruno helfen KINGDOMINO kindgerecht zu portionieren. Die drei Spiel des Jahres-Preisträger widmen sich vorerst der Domäne des Ehepaars Fort, dem Kinderspiel.
„Drachenstarkes Dominospiel“ nennen sie DRAGOMINO, dessen Landschaftskärtchen schon sehr an das Spiel des Jahres 2017 erinnern, dem aber die Gratwanderung nach unten wunderbar gelingt. Zuletzt ist so etwas Marco Teubner mit STONE AGE JUNIOR (KdJ 2016) erfolgreich gelungen, von ihm ist zu hören, dass er sich im Augenblick an PALEO-KIDS versucht.
Die Kinder bauen kein Königreich auf, sondern sind auf der Suche nach Drachenbabys. Wie beim großen Bruder legen sie Landschaftskarten an. Wie bei KINGDOMINO wählen sie dabei aus vier Kärtchen aus. Wüste, Vulkanlandschaft, Wald und Berge müssen nicht zusammenpassen, sollten sie aber, denn immer, wenn identische Landschaftsflächen aneinanderstoßen, werden die Kinder mit einem Drachenei belohnt. Je nach Landschaft sind die Drachen unterschiedlich fruchtbar
Die Regeln sind schnell erklärt. Jedes Kind beginnt seinen Landschaftsbau mit einem Landschaftsplättchen. Dann bedienen sie sich abwechselnd für die Erweiterung aus der Tischmitte. Wer passend anlegt, nimmt sich ein entsprechendes Drachenei. Von den 14 Wüsteneiern zeigt nur die Hälfte Nachwuchs. Die sieben befruchteten Eier bleiben in jeder Landschaft erhalten, aber die Relationen ändern sich, so sind es im Wald nur vier leere Eier und noch fruchtbarer sind die Drachen, die im Vulkangebiet brüten, da gibt es nur zwei Nieten unter den neun Eiern.
Wer ein leeres Ei aufdeckt, bekommt zum Trost die kleine Drachenmama aus Holz, mit ihr darf man in der nächsten Runde das erste Dominoplättchen auswählen. Sind alle Plättchen gelegt, zählt jeder seine Drachenbabys, die alle einen Punkt wert sind. Leere Eierschalen bringen nichts, dafür erhält der letzte Besitzer der Drachenmama noch einen Punkt. Damit die Nachwuchssuche nicht zu sehr vom Glück abhängt, hat sich das Autoren-Trio noch eine Quell-Variante ausgedacht. Wenn auf den Feldverbindungen eine Wasserstelle auftaucht, darf man sich geheim vor der Entscheidung zwei Dracheneier anschauen.
Die Landschaftsentwicklung mit Eiersuche kommt gut bei der Zielgruppe an. Grundschulkinder verstehen durchaus etwas von den Wahrscheinlichkeiten und greifen daher schon lieber zum Vulkangebiet während Wüste links liegen bleibt. Domino-Plättchen und Dracheneier sind aus dicker Pappe und lassen sich gut für Kinderhände greifen. Die Drachemama ist niedlich, hätte aber durchaus etwas größer ausfallen dürfen. Die Beratung des Ehepaar Forts hat gefruchtet, das „große“ Spiel ist kindgerecht, aber wiedererkennbar in eine Dracheninselwelt transportiert worden, die bei Kindern ähnliche Spannung aufkommen lässt, wie große Geschwister und Eltern sie vor vier Jahren erlebten. Der Glücksfaktor ist größer, aber der Trost der Drachenmama kommt gut an, zumal damit auch die Bedeutung der Zugreihenfolge den Kindern nahegebracht wird. Die Chancen, dass eine erwachsene Idee auch für Kinder gewürdigt wird, stehen nicht schlecht, was sowohl für Bruno Cathala als auch für Marie und Wilfried Fort zum zweiten Mal einen großen Holzpöppel bringen könnte.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DRAGOMINO
Autoren: Bruno Cathala, Marie und Wilfried Fort
Grafik/Design: Maëva da Silva, Christine Deschamps
Verlag: Pegasus
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 42/2021
Mittwoch, 26. Mai 2021
KÄPT’N KULLER
Zielen, Treffen, Tauschen: KÄPT'N KULLER
Vor genau zehn Jahren war Kirsten Hiese erstmals mit der SCHÄTZINSEL von Haba auf der Empfehlungsliste für das Kinderspiel des Jahres vertreten. Nun ist es ihr mit KÄPT’N KULLER, das Schmidt Spiele gleich in der Schachtel umgesetzt hat, erneut gelungen.
Das Schiffsdeck, im Oberteil der Schachtel aufgebaut, dient als Kegelbahn, die Kegel sind bunte Edelsteine, die unter Deck kullern müssen, um dort in Golddublonen eingetauscht zu werden. Die Dublonen gibt es nur im Tausch gegen entsprechende Edelsteine.
Gekegelt wird nicht mit den Händen, sondern mit dem längsten Kanonenrohr, das die Piraten an Deck finden konnten. Ausgerichtet auf den Diamantenhaufen rollt die Metallkugel mit möglichst viel Schwung um viele Edelsteine nach unten in den Schachtelboden zu schieben. Wer zuerst vier unterschiedliche Dublonen eintauschen konnte, gewinnt nach 15 bis 20 Minuten das Piratenkegeln.
Die Zielhaltung des Rohrs sollten Kinder erst einmal üben. Flach angestellt, entwickelt die Kugel nicht genügend Kraft und verteilt die Klunker höchstens auf dem Oberdeck. Gezieltes Spielen auf seitliche Edelsteine ist ertragreicher, vor allem wenn man mit Blick auf die vier Tauschvorgaben der Dublonen spezielle Farben rauskegelt. Da macht es Sinn auf die wenigen Goldmünzen zu spielen, für die nur zwei gleiche Steinchen im Vorrat sein müssen, der Aufwand für die Vierer-Münzen ist doppelt so hoch.
Kleine Kinder interessieren solche Überlegungen gar nicht, die halten drauf und freuen sich über jeden gewonnenen Edelstein. Wenn die sich dann auch noch eintauschen lassen, dann ist die Freude noch größer. Grundschüler spielen Hieses Spiel taktischer, geben sich auch mit nur einem Edelstein zufrieden, wenn der gerade den Tausch vollendet. Für diese Altersgruppe bietet die Autorin eine Profi-Variante an, in der Rumfässer als Hindernisse aufgestellt werden. Kippt eines um, kostet das einen Edelstein.
Zielen, Treffen, Tauschen und das alles in einem doppelschachteligen Ambiente mit Schiffsfeeling, das hat was! Mit KÄPT’N KULLER ist Kirsten Hiese ein fetziges Piraten Kegelspiel gelungen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: KÄPT’N KULLER
Autorin: Kirsten Hiese
Grafik/Design: o.A.
Verlag: Schmidt
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 41/2021
Dienstag, 25. Mai 2021
MIA LONDON
Wer war's? MIA LONDON
Antoine Bauza könnte der erste Spieleautor sein, der in jedem Preissegment der Jury punkten konnte. Vor zehn Jahren war er schon einmal der erste. Er gewann mit 7 WONDERS den ersten Titel Kennerspiel des Jahres. 2013 hat er sich in die rote Region vorgearbeitet und für HANABI den Titel für das Spiel des Jahres gewonnen. 2021 ist er bei den Kinderspielen angelangt und hat mit MIA LONDON die Chance auf das Triple. Er muss sich allerdings doppelter französischer Konkurrenz erwehren, gleich zweimal sind die in diesem Bereich sieggewohnten Marie und Wilfried Fort (TAL DER WIKINGER, 2019) die Konkurrenten, allein mit FABELWELTEN und in Partnerschaft mit Bruno Cathalla mit DRAGOMINO und damit mit einem durchaus auch siegerfahrenen Autor, denn dieses Spiel ist der kleine Bruder von KINGDOMINO (SdJ 2017). Selten traf sich so viel geballte Kompetenz auf einer Nominierungsliste der deutschen Jury und das auch noch durchweg aus Frankreich.
Wer kennt sie nicht, die Mix-Max-Klappbücher, die die witzigsten Tierfiguren erstehen lassen. Antoine Bauza und Corentin Lebrat, die zuletzt DRAFTOSAURUS gemeinsam entwickelt haben, arbeiten ermittlungstechnisch mit einer solchen Klapp-Akte, die sich gut eignet ein Phantombild des Täters zu erstellen, weil Kopfbedeckung, Brillengläser, Bart und Fliege recht unverwechselbar aussehen.
Der einfache Klappmechanismus in dem Ermittlungsringbuch lässt 625 verschiedene Gauner erstehen und jedes Mal stellt sich die Frage, wer hat diesmal das furchtbare Verbrechen in London begangen?
Bauza&Lebrat verlangen eine ganze Menge von den kleinen Ermittlern, vor allem gute Beobachtungsgabe und ein ganz hervorragendes Gedächtnis. 40 Merkmalskarten dienen der Identifizierung eines Täters. Von jedem Hauptmerkmal gibt es fünf verschiedene Ausführungen. Jedes Merkmal ist zweimal vorhanden, allerdings wird jeweils eine Karte den vier Bereichen entnommen und führt zur Täterbeschreibung, die es herauszubekommen gilt.
Raffiniert geregelt sind die mnemotechnischen Anforderungen, die sich vom Kopf bis zum Hals steigern. So werden beim Hut die übrigen neun Karten nacheinander in Viererreihen auf- und überdeckt, was es recht leicht macht, sich an die fehlende Kopfbedeckung zu erinnern. Das Hutmerkmal, das die Kinder nur einmal sehen, stellen sie dann in ihrer Ermittlungsakte ein. Bei der Brille sind es nur noch drei Stapel, beim Schnurrbart folgt ein Zweier-Rhythmus und schließlich gibt es für die Fliege nur eine einzige Ablage. Diese Steigerung ist fantastisch gemacht und fordert die Kinder.
Am Ende zeigen alle ihre Ermittlungserfolge. Wer die meisten Übereinstimmungen vorweist, gewinnt MIA LONDON nach zügigen fünf Minuten.
Kinder lieben das Mix-Max-Buch und den spannenden Spielablauf. Durch diese Akte werden sie fast echte Detektive. Eine pfiffige Idee, die zurecht nominiert wurde. Ob sie gegenüber der starken Konkurrenz Bestand hat, werden wir im Juni sehen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: MIA LONDON
Autoren: Antoine Bauza, Corentin Lebrat
Grafik/Design: o.A.
Verlag: Le Scorpion Masqué, Vertrieb Asmodee
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: ca. 10 - 15 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 40/2021
Montag, 24. Mai 2021
MEMO FRIENDS
Wer wohnt wo? MEMO FRIENDS
Da steht der Löwe brav neben dem Baumstamm, dort linst ein Vogel vorsichtig aus einem Loch, oben thront ein kleiner Pilz und links von ihm steht Petz, der Bär. Tiere spielen die Hauptrolle in MEMO FRIENDS von Goula.
Das Spiel für die ganz Kleinen habe ich letztes Jahr noch im spielböxchen empfohlen, verbunden mit der Kritik, dass die Kinderjury solche tollen Spiele für Kinder ab drei Jahren nie berücksichtige. Vielleicht hat das die eine oder der andere aus dem Kreis der Juroren gelesen, denn eben diese fantastische Idee taucht auf der 21er-Liste der Jury nun auf.
MEMO FRIENDS passt gut in die Zeit, Kinder können es alleine spielen. Im Grundspiel wird den Kindern eine Abbildung gezeigt, die sie aus der Erinnerung nachbauen. Das Material reicht aber für zwei Spieler, so dass es auch ein Wettlauf um das schnellste Standbild werden kann. Die Idee in dem dreidimensionalen Spiel geht aber weit über das klassische MEMO-Spiel hinaus.
Die Anforderungen der Karten lassen sich steigern, zuerst sind nur zwei Tiere zu sehen, später werden es drei und schließlich sind alle Tiere im Spiel. Darüber lässt sich auch gut reden, wenn man Begriffe wie neben, über und unter erklären möchte. Neben den Präpositionen lassen sich später linke und rechte Orientierung einüben.
Das tolle Material regt zum freien Spiel an, die Kleinen lieben die Figuren und die Spielmöglichkeiten, die übliche MEMO-Spiele nicht in dieser Form bieten. MEMO FRIENDS ist eine hervorragende Idee mit sehr schönem Spielmaterial und Varianten, wenn beispielsweise etwas ältere Kinder ihr Waldbild dem Partner beschreiben.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: MEMO FRIENDS
Autoren: o.A.
Grafik/Design: o.A.
Verlag: Goula, Vertrieb Jumbo
Alter: ab 3 Jahren
Spielerzahl: 1 - 2
Spielzeit: ca. 10 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Spiel 39/2021
Samstag, 22. Mai 2021
BISS 20
BISS 20
Bei der Listenprognose der Juryentscheidung gibt es fast eine hundertprozentige Setzung. Irgendwo ist ein verrücktes Ablegespiel dabei. Abonniert ist auf diese Spielform eigentlich Jacques Zeimet, der mit DIE FIESEN 7 und DODELIDO Klassiker für dieses Genre entwickelt hat. im ersten Spiel hat er uns gezeigt, dass wir uns ziemlich schwer damit tun, bis „7“ zu zählen, weil wir uns zwischendurch räuspern müssen, stumm bleiben oder doppelt zählen. In der aktuellen Saison treiben Lena und Günter Burkhardt die Zählerei auf die Spitze. Dem erfolgreichen Vater-Tochter-Gespann aus Gosbach bei Bad Ditzenbach verdanken wir FUNKELSCHATZ, das Kinderspiel des Jahres 2018, und Spiele wie DIE GÄRTEN VON VERSAILLES und SCHNAPP DIE SCHÄTZE.
BISS 20 nennen sie ihre Idee, die ähnlich wie bei Zeimet, ganz unterschiedliche Reaktionen bei bestimmten Zahlen verlangt. Das Besondere ist diesmal, dass das Grundspiel kooperativ angelegt ist, das heißt alle haben das Interesse, fehlerfrei von 1 bis 20 zu zählen. Neben den 20 Zahlenkarten stecken 40 Aufgabenkarten in der kleinen Drei Magier-Schachtel, außerdem noch einige Klunker, die aus FUNKELSCHATZ stammen könnten, das sind quasi die Lebenspunkte des Teams.
Auf der leichtesten Stufe gilt es sechs Aufgabenkarten zu schaffen und diese in die Zählung mit der richtigen Reaktion unterzubringen. Dazu werden stets eine Zahlenkarte und eine Aufgabe aufgedeckt, so muss die Zahl geflüstert werden oder eine Farbe statt der Zahl wird genannt, körperliche Aktivitäten bleiben ebenfalls nicht aus. Das wäre ja alles nicht so schlimm, wenn nicht neue Zahlen und Aufgaben die alten überdecken würden. Da sind wir wie im klassischen Kofferpacken ständig gefordert und das gleich doppelt, da wir uns sowohl an die belegten Zahlen als auch an deren Aufgabenreaktion erinnern müssen.
Jedes Mal, wenn einer aus der Gruppe einen Fehler macht, muss ein Edelstein abgegeben werden. Entweder schafft die Gruppe, die angepeilte Aufgabenstufe mit sechs, zehn oder gar 18 Aufgabenkarten, oder sie verliert ob der hohen Anforderung.
Obwohl die Idee ganz simpel ist und wahrlich nicht neu, das Trinkspiel 21 prostet kräftig zu, Lena und Günter Burkhardt sorgen für viel Unterhaltung am Spieltisch. Wer es kompetitiv mag, kann das Spiel auch gegeneinander spielen, großzügig in der Regelauslegung wird man dann wohl ehr nicht mehr sein.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: BISS 20
Autoren: Lena und Günter Burkhardt
Grafik/Design: Rolf Vogt
Verlag: Drei Magier Spiele
Alter: ab 7 Jahren
Spielerzahl: 2 - 8
Spielzeit: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 38/2021
Freitag, 21. Mai 2021
MONEY MONSUN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Geldregen: MONEY MONSUN
Der große Skaispielplan erinnert an alte Perlhuhn-Zeiten: Eine schwarz-weiß-Grafik, die man am liebsten einrahmen möchte, gewichtiges Spielmaterial aus Holz - mit den großen Pöppeln hat die Edition Perlhuhn Spielgeschichte geschrieben - und eine überschaubare Regel. Auf einer Seite alles im Blick, das ist und war ein Markenzeichen von Reinhold Wittig.
MONEY MONSUN heißt die interessante Neuheit des Göttinger Spieleautors, der uns ein raffiniertes Versteigerungsspiel für vier bis sechs Spieler ab zehn Jahren anbietet. Zwei Spielfiguren führt jeder Spieler über eine Laufbahn von 25 Feldern. Für das Vorwärtskommen wird reihum der Würfelwurf eines achtseitigen Würfels versteigert. Hier hat sich Wittig einen pfiffigen Mechanismus einfallen lassen, der die Basis für einen Wettlauf ums Geld darstellt. Ausgestattet mit 400 Punkten, viel Holz im übrigen, muss jeder abwägen, was ihm das Vorankommen wert ist. Für den Zieleinlauf gibt es für den ersten Spieler 500 Punkte, der „warme Regen“ am Ende, der dem Spiel zum Titel verhalf, auch der Silber- und Bronzeplatz wird noch mit 300 bzw. 150 Punkten honoriert. Die Zugewinnmöglichkeiten während des Spielverlaufs sind auch nicht zu verachten. So erhält der Versteigerer des Würfelwurfs, wenn er nicht selbst den Zuschlag erhält, das Geld vom Gewinner. Das ist aber nicht die Summe, die er geboten hat, bezahlt wird nur das zweithöchste Gebot. Dafür legen alle Spieler, nachdem das Wurfergebnis feststeht, geheim ihr Gebot schriftlich fest. Der Wert eines Wurfs hängt von vielen Faktoren ab, es geht dabei nicht nur darum, endlich dem „warmen Regen“ ausgesetzt zu sein. Wer mit einem ersteigerten Wurf zu einer anderen Figur ziehen kann, wird dort mit 50 Punkten belohnt. Dafür darf man sogar zurückgehen. Spannend wird es vor allem bei der „verflixten Sieben“. Dieser Wurf darf auf beliebige Einzelschritte beider Spielfiguren verteilt werden. Er ist vor allem in der Anfangsphase eine äußerst lukrative Einnahmequelle, die locker 200 und mehr Punkte einbringen kann. Spannend geht es auch bei der Versteigerung einer gewürfelten 8 zu. Hier kann es sich auszahlen, wenig zu bieten. Denn die Zugweite wird zwischen dem Gewinner und Verlierer der Versteigerung aufgeteilt. Nur in diesem Fall kann der Versteigerer gleichzeitig kassieren und vorwärts gehen.
Die richtige Taktik für MONEY MONSUN ist schwer zu finden. Sie hängt ganz stark davon ab, wie investitionsfreudig die jeweilige Spielrunde ist. Wer nur über Einnahmen bei der Versteigerung sein Glück machen will, wird meist über die „Besuchsregelung“ abkassiert. Eine gesunde Mischung aus Vorpreschen einer Figur, die etwas oder möglichst das Meiste vom „warmen Regen“ am Ende abbekommt, und Verbleiben der anderen Figur im Hauptfeld, die die Drohgebärde des Abkassierens aufrecht erhält, führt oft zum Spielsieg. Entscheidend bleibt dabei aber immer der richtige Riecher bei der geheimen Versteigerung.
Klasse Spiel mit schönen neuen Elementen, tolles Spielmaterial, wobei der Skaiplan auch ruhig an der Wand landen kann, da der Spielplan nur Laufbahnfunktion hat. Mit den Mühlsteinen, die Geldaufgaben übernehmen, lässt sich schnell ein 25er-Kurs als Spielplanersatz auslegen, so dass Sie nicht nur ein tolles Spiel erwerben, sondern gleichzeitig eine eindrucksvolle Grafik von Wolfgang Friedrich. Dafür ist dann der Preis von 35 Euro mehr als angemessen.
Titel: MONEY MONSUN
Autor: Reinhold Wittig
Grafik: Wolfgang Friedrich
Verlag: Edition Perlhuhn
Spieler: 4 bis 6
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 35 Euro
Spiel 16/2004 R82/2021
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 84jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
1990 landete er mit DINO, damals noch von Hexagames auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel.
Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit vorletztem Jahr Timo Diegel. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. 2020 wurde Wittig in die Hall of Fame des Origins Award aufgenommen.
Das Foto zeigt Wittig auf dem Autorentreffen in Göttingen 2007.
Donnerstag, 20. Mai 2021
MOGULI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Unterirdisch: MOGULI
Reinhold Wittig hatte schon immer ein Faible für assoziationsreiche Spieltitel. Da will uns die Abacus-Spielregel vorgaukeln, Wittigs innovative Neuheit MOGULI leite sich vom Mogul-Reich ab, Unbedarfte denken vielleicht an ein Schummel-Spiel, dabei führt uns die Grundidee des Abtauchens in die wahren Abgründe zu den Kanalratten in die Welt der Gullys. Das ist thematisch anrüchig, passt kaum zu einem Halbedelstein-Spiel von Clemens Gerhards und zu einer indisch angehauchten Pappfassung von Abacus – und eigentlich auch nicht zu Reinhold Wittig.
Mit MOGULI sprengt der Göttinger Autor herkömmliche Spielvorstellungen, dabei kommt das Zweipersonenspiel ganz klassisch daher. Wie bei HALMA sind Spielsteine von Startfeldern in Zielfelder zu bringen. Bei MOGULI sind es für jeden Spieler fünf Kugeln, die, ausgehend von fünf Startfeldern, über 5x5 Spielplanfelder in den Ausgangsbereich des Gegners gebracht werden müssen. Wittig erleichtert sogar die Siegbedingungen, von den fünf Spielsteinen müssen nur vier in den Zielbereich kommen. In Richtung Ziel bewegen dürfen sich die Kugeln aber nur dann, wenn sie mindestens eine andere – eigene oder fremde – Kugel „unterspringen“. Sie haben richtig gelesen, auch wenn Sie dieses Wort im Duden nicht finden, gemeint ist genau das damit, was Sie auch verstanden haben. Wittigs MOGULI eröffnet ganz neue Spielräume. Einmal bewegen wir uns im bekannten und vertrauten Oberflächenbereich, dann – und das ist das Neue - müssen untergründige Wege mit eingeplant werden - Gullis eben.
Dazu hat der Autor auf den 35 variablen quadratischen Spielplanfeldern ein Wegesystem entwickelt. Jedes Feld besitzt jeweils zwei Wege oben und unten, auf 17 besonders gekennzeichneten Feldern sind diese auf der Ober- und Unterseite identisch, auf den restlichen Feldern verlaufen sie aber in die gegenteilige Richtung. Durch die Kennzeichnung weiß ich, wie die Wege auf den Unterseiten verlaufen. Auch wenn ich es weiß, ist die Umsetzung dieses Wissens in die von mir verlangte räumliche Vorstellung von Bewegungsabläufen ganz schön verzwickt.
Die Bewegungsregel ist simpel, in der edlen Holzfassung heißt es dazu ganz knapp: „Rollen kann – Tauchen unter mindestens einer Kugel muss – Rollen anschließend kann! Kann nicht getaucht werden, darf lediglich ein Klotz gedreht werden.“ Das ist es auch schon, vielleicht ergänzt durch: „Gedreht werden darf!“.
Was heißt das nun konkret? Zu Beginn des Spielzuges darf ich einen Spielstein sichtbar und für alle ohne große Überlegung nachvollziehbar über zusammenhängende Wege bewegen. Voraussetzung dafür ist aber, dass ich danach abtauche und plausibel nachweise, dass ich untergründige Wegeverbindungen so nutzen kann, dass dabei mindestens ein Spielstein unterwandert wird, wenn ich dann wieder auftauche, kann es wie am Anfang oberflächlich weiter voran gehen. Um Wege passend zu machen, darf stets mindestens ein Spielfeld gedreht werden, im Falle des Unterspringens dürfen sogar zwei Felder bewegt werden.
Ein einfaches Spiel also und doch unheimlich vertrackt. Deshalb scheiden sich auch die Geister bei der Spielbewertung. Spieler, die Probleme mit ihrem dreidimensionalen Vorstellungsvermögen haben, geben oft schnell frustriert auf, alle anderen lassen sich mit großer Begeisterung auf das geistige Abtauchen in die unterirdischen Kanalregionen ein. Deshalb machen die MOGULI -Partien auch nur dann Spaß, wenn ein gleichwertiger Gegner auf der anderen Seite sitzt. Für solche Spielpartner lohnen die Regelvarianten, z.B. die „neue Startreihe“. Vor Spielbeginn dürfen die beiden Kontrahenten eine der drei mittleren Reihen vor sich als neue Startreihe aufbauen. Die Ausrichtung der Steine darf dabei allerdings nicht verändert werden. In der „Zylinder-Variante“, die nur in der Abacus-Regel auftaucht, wird das räumliche Vorstellungsvermögen noch stärker gefordert. Das Oben und Unten wird hier nicht begrenzt durch ein rechteckiges Spielfeld, es wächst in der Vorstellung röhrenförmig zusammen, so dass die Außenfelder plötzlich benachbart sind und ganz neue Wegeverbindungen ober- und unterirdisch möglich machen. MOGULI extrem heißt diese Variante bei uns, bei der das Hirn so richtig qualmt.
Wer Spiele wie RUMIS, PUEBLO oder AZTEC mag, wird auch von MOGULI begeistert sein. Welche Ausführung man dann wählt, dürfte letztlich eine Frage des Geldbeutels sein. Die hervorragende Holzfassung mit Halbedelsteinen der Firma Clemens Gerhards ist natürlich die deluxe -Ausgabe von MOGULI. Die Abacusausgabe mit stabilen Pappfeldern, Holzsteinen, die das Drehen der Plättchen erleichtern, und Spielsteinen aus Glas stellt eine solide, grafisch sehr gefällige Umsetzung des Spiels dar, die zudem noch äußerst preiswert ist. Zumindest meine Ausgabe besitzt aber einen Produktionsmangel, die Holzzylinder passen nur mit viel Gewalt in die Ausrundungen der Pappquadrate.
Titel: MOGULI
Autor: Reinhold Wittig
Spieler: 2
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 30 bis 45 Minuten
Verlag: Abacus
Preis: 19 €
Verlag: Clemens Gerhards
Preis: 79 €
Spiel 15/2004 R81/2021
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
1990 landete er mit DINO, damals noch von Hexagames auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel.
Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden.
Das Foto zeigt Wittig auf dem Autorentreffen in Göttingen 2004 mit einer großen Ausgabe des Spiels.
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Unterirdisch: MOGULI
Reinhold Wittig hatte schon immer ein Faible für assoziationsreiche Spieltitel. Da will uns die Abacus-Spielregel vorgaukeln, Wittigs innovative Neuheit MOGULI leite sich vom Mogul-Reich ab, Unbedarfte denken vielleicht an ein Schummel-Spiel, dabei führt uns die Grundidee des Abtauchens in die wahren Abgründe zu den Kanalratten in die Welt der Gullys. Das ist thematisch anrüchig, passt kaum zu einem Halbedelstein-Spiel von Clemens Gerhards und zu einer indisch angehauchten Pappfassung von Abacus – und eigentlich auch nicht zu Reinhold Wittig.
Mit MOGULI sprengt der Göttinger Autor herkömmliche Spielvorstellungen, dabei kommt das Zweipersonenspiel ganz klassisch daher. Wie bei HALMA sind Spielsteine von Startfeldern in Zielfelder zu bringen. Bei MOGULI sind es für jeden Spieler fünf Kugeln, die, ausgehend von fünf Startfeldern, über 5x5 Spielplanfelder in den Ausgangsbereich des Gegners gebracht werden müssen. Wittig erleichtert sogar die Siegbedingungen, von den fünf Spielsteinen müssen nur vier in den Zielbereich kommen. In Richtung Ziel bewegen dürfen sich die Kugeln aber nur dann, wenn sie mindestens eine andere – eigene oder fremde – Kugel „unterspringen“. Sie haben richtig gelesen, auch wenn Sie dieses Wort im Duden nicht finden, gemeint ist genau das damit, was Sie auch verstanden haben. Wittigs MOGULI eröffnet ganz neue Spielräume. Einmal bewegen wir uns im bekannten und vertrauten Oberflächenbereich, dann – und das ist das Neue - müssen untergründige Wege mit eingeplant werden - Gullis eben.
Dazu hat der Autor auf den 35 variablen quadratischen Spielplanfeldern ein Wegesystem entwickelt. Jedes Feld besitzt jeweils zwei Wege oben und unten, auf 17 besonders gekennzeichneten Feldern sind diese auf der Ober- und Unterseite identisch, auf den restlichen Feldern verlaufen sie aber in die gegenteilige Richtung. Durch die Kennzeichnung weiß ich, wie die Wege auf den Unterseiten verlaufen. Auch wenn ich es weiß, ist die Umsetzung dieses Wissens in die von mir verlangte räumliche Vorstellung von Bewegungsabläufen ganz schön verzwickt.
Die Bewegungsregel ist simpel, in der edlen Holzfassung heißt es dazu ganz knapp: „Rollen kann – Tauchen unter mindestens einer Kugel muss – Rollen anschließend kann! Kann nicht getaucht werden, darf lediglich ein Klotz gedreht werden.“ Das ist es auch schon, vielleicht ergänzt durch: „Gedreht werden darf!“.
Was heißt das nun konkret? Zu Beginn des Spielzuges darf ich einen Spielstein sichtbar und für alle ohne große Überlegung nachvollziehbar über zusammenhängende Wege bewegen. Voraussetzung dafür ist aber, dass ich danach abtauche und plausibel nachweise, dass ich untergründige Wegeverbindungen so nutzen kann, dass dabei mindestens ein Spielstein unterwandert wird, wenn ich dann wieder auftauche, kann es wie am Anfang oberflächlich weiter voran gehen. Um Wege passend zu machen, darf stets mindestens ein Spielfeld gedreht werden, im Falle des Unterspringens dürfen sogar zwei Felder bewegt werden.
Ein einfaches Spiel also und doch unheimlich vertrackt. Deshalb scheiden sich auch die Geister bei der Spielbewertung. Spieler, die Probleme mit ihrem dreidimensionalen Vorstellungsvermögen haben, geben oft schnell frustriert auf, alle anderen lassen sich mit großer Begeisterung auf das geistige Abtauchen in die unterirdischen Kanalregionen ein. Deshalb machen die MOGULI -Partien auch nur dann Spaß, wenn ein gleichwertiger Gegner auf der anderen Seite sitzt. Für solche Spielpartner lohnen die Regelvarianten, z.B. die „neue Startreihe“. Vor Spielbeginn dürfen die beiden Kontrahenten eine der drei mittleren Reihen vor sich als neue Startreihe aufbauen. Die Ausrichtung der Steine darf dabei allerdings nicht verändert werden. In der „Zylinder-Variante“, die nur in der Abacus-Regel auftaucht, wird das räumliche Vorstellungsvermögen noch stärker gefordert. Das Oben und Unten wird hier nicht begrenzt durch ein rechteckiges Spielfeld, es wächst in der Vorstellung röhrenförmig zusammen, so dass die Außenfelder plötzlich benachbart sind und ganz neue Wegeverbindungen ober- und unterirdisch möglich machen. MOGULI extrem heißt diese Variante bei uns, bei der das Hirn so richtig qualmt.
Wer Spiele wie RUMIS, PUEBLO oder AZTEC mag, wird auch von MOGULI begeistert sein. Welche Ausführung man dann wählt, dürfte letztlich eine Frage des Geldbeutels sein. Die hervorragende Holzfassung mit Halbedelsteinen der Firma Clemens Gerhards ist natürlich die deluxe -Ausgabe von MOGULI. Die Abacusausgabe mit stabilen Pappfeldern, Holzsteinen, die das Drehen der Plättchen erleichtern, und Spielsteinen aus Glas stellt eine solide, grafisch sehr gefällige Umsetzung des Spiels dar, die zudem noch äußerst preiswert ist. Zumindest meine Ausgabe besitzt aber einen Produktionsmangel, die Holzzylinder passen nur mit viel Gewalt in die Ausrundungen der Pappquadrate.
Titel: MOGULI
Autor: Reinhold Wittig
Spieler: 2
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 30 bis 45 Minuten
Verlag: Abacus
Preis: 19 €
Verlag: Clemens Gerhards
Preis: 79 €
Spiel 15/2004 R81/2021
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
1990 landete er mit DINO, damals noch von Hexagames auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel.
Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden.
Das Foto zeigt Wittig auf dem Autorentreffen in Göttingen 2004 mit einer großen Ausgabe des Spiels.
Mittwoch, 19. Mai 2021
RÄTSELTURM
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
RÄTSELTURM
Wer knackt den Farbcode? Die simplen Ideen sind oft die besten. Heinz Meister ist so ein Arrangeur einfacher Spielideen, besonders für Kinderspiele. Den Preis für das beste Kinderspiel des Jahres hat er vor wenigen Wochen für SCHWEINSGALOPP (Ravensburger) verliehen bekommen.
Sein RÄTSELTURM (F.X. Schmid) ist wahrscheinlich zu denklastig für solche hohen Würdigungen, trotzdem eignet sich seine Idee fantastisch für Grundschüler, ich nutze es sogar in Vertretungsstunden im Gymnasium.
Sieben bunte Holzscheiben sind 22 Buchstaben zugeordnet, so stehen die grünen Scheiben für „ABC“, die gelben für „DEF“ usw. Jeder bekommt eine Decoder-Karte mit diesen Buchstabenkombinationen und alle einigen sich vorher auf eine Wortlänge. Gelesen wird Chinesisch von oben nach unten. Der Startspieler verschlüsselt ein Wort, die Mitspieler raten. Wer es als erster findet, gewinnt einen Punkt. Kommt keiner drauf, bekommt der Verschlüssler den Punkt. Sobald ein Spieler fünf Punkte hat, endet das Spiel.
Heinz Meister bietet zusätzlich interessante Spielvarianten an. Am spannendsten ist sicherlich die Version, die er "Lass Dich nicht erwischen!" nennt. Hier wird ins Blaue hinein mit ständigen Scheibenerweiterungen geplant. Jeder muss sich dabei ein Wort vorstellen können, wenn ein Spieler an kein geeignetes längeres Wort denken kann, hat er zwei Möglichkeiten. Er legt einfach eine weitere Scheibe unter den Turm, hoffend, dass der nächste Spieler auf den Bluff hereinfällt. Oder er zweifelt den bisherigen Stand an. Wenn der vorangehende Spieler kein passendes Wort nennen kann, erhält er einen Minuspunkt. Im anderen Fall bekommt den der Herausforderer. Gespielt wird auf zehn Runden.
Das Deduktionskonzept ist nicht nur etwas für Kinder, auch Erwachsene beißen sich die Zähne an langen Worten gerne aus. Wie oben schon erwähnt, lässt sich der RÄTSELTURM auch mit großen Gruppen spielen, da müssen alle nur ihre Lösungen aufschreiben. Schön sind die Steigerungen, wenn man mit Grundschulkindern mit drei bis fünf Scheiben spielt und dann den Turm immer weiter wachsen lässt. Besonders gut gefällt mir allerdings die oben beschriebene Variante.
Titel: RÄTSELTURM
Autor: Heinz Meister
Grafik: J.G & Partner
Verlag: F.X. Schmid
Spielerzahl: 2-8
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 15.- DM
Spiel 8/1992 R80/2021
Die Rezension erschien 1992
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Heinz Meister gehört zu den produktivsten und am längsten aktiven Spieleautoren in Deutschland. Mit Blick auf die Anzahl seiner Veröffentlichungen dürfte ihn nur Reiner Knizia übertreffen.
Besonders erfolgreich war und ist Heinz Meister mit Kinderspielen. Mit SCHWEINSGALOPP gewann er 1992 sowohl den Sonderpreis der Jury Spiel des Jahres als auch den des Deutschen Spielepreises. Auf diesen war er Anfang der 90er Jahre abonniert, er gewann ihn 1993 für VERFLIXT GEMIXT und 1994 für HUSCH, HUSCH, KLEINE HEXE. Ein Jahr später zeichnete ihn die Jury Spiel des Jahres mit dem damaligen Sonderpreis Kinderspiel für KARAMBOLAGE aus. ZAPP ZERAPP war dann fast wieder ein Doppelerfolg, mit Klaus Zoch zusammen gewann er 2001 den Deutschen Kinderspielepreis und eine Nominierung zum Spiel des Jahres.
RÄTSELTURM wurde zuerst unter dem Titel RATETURM ebenfalls bei F.X. Schmid 1988 veröffentlicht. Damit gehört es zu den allerersten Spielen Heinz Meisters, der davor nur DENK MAL (1987) bei Ravensburger herausgebracht hat. Amigo hat dann 2005 noch einmal eine Version des Spiels veröffentlicht.
Das Bild zeigt Heinz Meister mit Synes Ernst bei der Übergabe der Nominierungsurkunde während der Preisverleihung in Berlin 2005 für DADDY COOL, ein weiteres erfolgreiches Meisterstück.
Dienstag, 18. Mai 2021
KONTOR
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
KONTOR
Michael Schacht ist kein ganz unbekannter Spieleautor mehr. Seit Anfang der 90er Jahre reicht er seine Ideen schon beim Hippodice Autorenwettbewerb ein, erste Erfolge kann er dadurch vorweisen, er befindet sich nun auf dem Sprung in die CHARTS (Piatnik, 1996) und so richtig echt ist er ihm mit dem Siegertitel des letzten Jahres, KONTOR, gelungen. Goldsieber sicherte sich die Rechte und hat Schachts Idee nur ein Jahr später veröffentlicht und dem jungen Autor aus Frankfurt damit gleich seine erste Platzierung auf der Empfehlungsliste für das Spiel des Jahres eingebracht.
Was hat den Juroren, beim Hippodice-Wettbewerb sind es Redakteure aller renommierten Spieleverlage, bei der Jury Spiel des Jahres Spielejournalisten, so an dem Spiel gefallen, dass sie es jeweils würdigten?
KONTOR ist ein raffiniertes taktisches Legespiel, eingebunden in ein Wirtschaftsthema. Zwei holländische Kaufleute ringen im 17. Jahrhundert um die Monopole des Tee-, Gewürz- und Weinhandels. Schacht verzichtet auf einen Spielplan, er entsteht erst allmählich durch Anlegen von Hafenkarten, von denen die beiden Kontrahenten jeweils 22 besitzen, drei davon stehen stets auf der Hand zur Verfügung. Das Grundraster wird durch ein Wasserkartenkreuz gebildet, das ebenfalls erweitert werden kann. Dafür bekommt jeder zwei weitere Wasserkarten. Mit etwas Geld und fünf Lagerverwaltern starten die Spieler in die Auseinandersetzung.
Verdeckt spielt jeder eine seiner fünf Handkarten aus. Die Höhe der Kartenzahl bestimmt den Startspieler, der seine Karte in das Raster anlegt. Das Ausgangsraster ergibt ein 5x5 Kreuz, am Ende wird das Spielfeld aber 6x6 Felder umfassen. Wird eine Hafenkarte gelegt, kommen auf die dort sichtbaren Waren entsprechende Lagerhäuser. Die Zuordnung ergibt sich aus der Zahlenfarbe. Wird das Gebiet durch Anlegen erweitert, kommen weitere Lagerhäuser in dieses Zentrallager. Dadurch lassen sich Mehrheitsverhältnisse immer ganz leicht ablesen. Sobald ein Gebiet abgeschlossen ist und nicht mehr erweitert werden kann, wird es gewertet. Das Gebiet gewinnt der Spieler, der den größten Warenvorteil besitzt, das heißt den größten Abstand von Waren einer Sorte zum Gegner. Der Gewinner platziert dann dort einen seiner Lagerverwalter. Oft sind die Spieler in einem Gebiet gleich stark, dann gewinnt der, der in mehr Sorten vorne liegt. Gibt es hier ebenfalls einen Gleichstand, entscheidet der Warenwert, Wein ist dabei wertvoller als Gewürze und Tee.
Sobald 36 Karten gelegt sind, endet das Spiel, der Spieler mit den meisten Lagerverwaltern auf dem Plan gewinnt. Neben dem Grundspiel gibt es eine Erweiterung für ein 7x7- Raster. Die Gebietswertung verläuft wie im Grundspiel, allerdings zählen am Ende nur die fünf größten Gebiete , so dass man mit leicht zu bildenden Einer-Gebieten nicht wirklich punkten kann. Mit einem Kontrollschiff der Amsterdamer Behörden, lassen sich nun Hafenkarten entfernen, dazu muss man eine Karte mit Schiffssymbol spielen. Angegriffen werden dürfen aber nur direkt zum Wasser benachbarte Karten, die ebenfalls ein Schiffssymbol besitzen. Schon abgerechnete Gebiete sind natürlich tabu. Regeln zu viert lassen auch ein Teamspiel zu, vom Kern her bleibt KONTOR aber ein Duell.
KONTOR ist ein spannendes Legespiel, dem Michael Schacht mehr als ein Dutzend Erweiterungsszenarien spendiert. Mir gefällt es am besten als Duell gegen einen gleichwertigen Gegner. Goldsieber hat das Spiel ansprechend umgesetzt, grafisch hat es Franz Vohwinkel gestaltet. Michael Schachts Spiel ist zurecht auf der Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres gelandet.
Titel: KONTOR
Autor: Michael Schacht
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: Goldsieber
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 30-60 Minuten
Preis: ca. 23.- DM
Spiel 22/1999 R79/2021
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO. Auch KONTOR spendierte Schacht in seinem Verlag einige Erweiterungen, so die Ereigniskarten und Aktionstafeln, zusätzlich eine spezielle Erweiterung für drei und vier Einzelspieler.
Das Bild zeigt den Autor 1998 beim Hippodice Wettbewerb.
Montag, 17. Mai 2021
PALEO
Zurück in die Steinzeit: PALEO
Historische Atmosphäre, die zudem noch authentisch rüberkommt, haben für mich zuletzt Inka und Markus Brand in VILLAGE eingefangen. Gelang ihnen ein Spiegelbild mittelalterlichen dörflichen Lebens über mehrere Generationen hinweg, schafft es aktuell Peter Rustemeyer mit PALEO, der uns vorführt, dass man nur gemeinsam das Leben in der Steinzeit bewältigen konnte.
Beide Spiele waren und sind Garanten für Kopfkino, PALEO lässt es vielleicht sogar noch ein bisschen konkreter ablaufen, wenn wir unbedarft uns den steinzeitlichen Wirren aussetzen und merken, dass wir schon vor einem Wildschwein Reißaus nehmen. Was soll uns dann erst bei Mammuts geschehen?
Welchen Verlag kann ein Autor ein solches Spiel anbieten? Na klar, Rustemeyer hat an STONE AGE, ein Flaggschiff des Hans im Glück-Verlags gedacht, das Bernd Brunnhofer 2008 viel Lorbeeren brachte und dessen Kinderversion 2016 als STONE AGE JUNIOR sogar den Titel für das Kinderspiel des Jahres gewann. Für kooperative Spielideen hat sich der Münchner Verlag bisher aber kaum interessiert, trotzdem waren Moritz Brunnhofer und sein Team so angetan von Rustemeyers Idee, dass sie sich der Umsetzung annahmen.
Wir finden uns am besten zu dritt in einem Stamm von Steinzeitmenschen wieder. Jeder startet mit zwei Stammesmitgliedern mit spezifischen Fähigkeiten, das können Jäger und Jägerinnen sein, Handwerker und Erfinderinnen. Erstaunlich gendergerecht geht es in Rustemeyers Paläolithikum zu. Mit festen Zeiten, sprich Runden, können wir nicht planen, dazu sind wir in dieser Epoche viel zu vielen Unwägbarkeiten ausgesetzt. Die Chance, zu verlieren, ist durchaus realistisch. Wir müssen Tag- und Nachtphasen überstehen. Tagsüber gilt es, Nahrung zu beschaffen und sich fortzuentwickeln, nachts schieben wir möglichst keinen Hunger. Kulturelles Schaffen führt uns zum Sieg, eine Höhlenmalerei aus fünf Teilen müssen wir gestalten, bevor auf eben diesem Nachttableau fünf Totenköpfe liegen.
Für den Spielablauf nutzt der Autor viele Spielkarten, die sich aus Basis- und ausgewählten Modul-Karten zusammensetzen. Alle werden gleichmäßig unter den Akteuren verteilt. Das Besondere an den Karten ist, dass die Rückseiten andeuten, was wir erwarten können. Wir erkunden Flüsse, Berge und Wälder, finden Ressourcen, stoßen auf Tiere oder deren Kadaver, Träume und Ideen führen uns weiter, aber auch Gefahren drohen, bei denen es sich oft trotzdem lohnt, sich ihnen zu stellen.
Jeder sieht sich in der Tagphase drei Rückseiten seiner Karten an und entscheidet sich dann für eine. Eine gute Abstimmung mit den anderen macht schon hier Sinn. Wenn alle gewählt haben, werden die Karten aufgedeckt und gemeinsam besprochen, in welcher Reihenfolge sie abzuhandeln sind. Die Tagphase endet individuell. Stammesmitglieder können durchaus noch weiterschaffen. Die offizielle Nachtphase setzt erst ein, wenn alle ihre Karten genutzt haben. Dann müssen alle Gruppenmitglieder mit Nahrung versorgt werden. Jeder nicht ernährte Mensch bringt einen Totenkopf in die Nachthöhle. Das passiert auch, wenn Auftragskarten nicht erfüllt werden. Dann geht es in den Folgetag, bis die Wandmalerei fertig ist oder genügend Totenschädel in der Höhle liegen.
Der Vorbereitungsaufwand ist beträchtlich, da müssen Karten sortiert, Werkzeuge geordnet und Ressourcen und Schadensplättchen bereitgelegt werden. Ein bis zwei Einführungsspiele braucht es, bis man die Nutzung und Abstimmung der Karten im Griff hat, dann kann man sich zu schwereren Modulergänzungen vorwagen. PALEO nimmt die Kooperation ernst, da es auf die Erfahrung jedes einzelnen ankommt, um die nicht einfachen Aufgaben zu bewältigen. Selten habe ich ein Spiel mit solch hohem Interaktionsanteil erlebt. Die aufbauende Entwicklung, die letztlich zum Bestehen der Kampagne führt, gefällt mir gut. Stringent ist es auch, dass erlegte Tiere aus dem Kartenstapel verschwinden und die Ernährungssituation immer schwieriger wird. Leider gilt das für die Gefahrenkarten nur bedingt.
Den Zugang zum Spiel hat der Verlag nicht gerade leicht gestaltet, die Regel überzeugt nicht, soll aber verbessert erscheinen, eine Fassung 1.2 kann man auf der Seite des Verlags schon runterladen. Die Werkbank für Entwicklungsfortschritte und Werkzeuge steht wacklig im Wege und passt nicht einmal wieder in die Schachtel. All das wirft aber nur einen kleinen Schatten auf das großartige Spielerlebnis, das dieser Ausflug in die Steinzeit bietet. Brunnhofers STONEAGE hat einen würdigen Nachfolger gefunden.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PALEO
Autoren: Peter Rustemeyer
Grafik/Design: Dominik Meyer
Verlag: Hans im Glück
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 1 - 4
Spielzeit: ca. 45-60 Minuten
Preis: ca. 40 Euro
Spiel 37/2021
Samstag, 15. Mai 2021
DAS PERFEKTE WORT
DAS PERFEKTE WORT
Moritz Dressler geht fremd. Wer meinte, er sei ähnlich wie Steffen Benndorf nur auf NSV geeicht, wer meinte Roll&Write in Aufreißtüten sei sein Genre, den belehrt der Erfurter Autor eines Besseren. Wortspiele haben es ihm auch angetan, das hat er mit geisternden SPUKSTABEN schon bei NSV bewiesen und noch perfekter nun bei moses. Mit DAS PERFEKTE WORT hat er seine bisher perfekteste Spielentwicklung abgeliefert und das bei der Konkurrenz.
Perfekt formuliert waren die beiden Sätze oben nun nicht gerade, dazu habe ich Dresslers Adjektiv zweimal zu oft benutzt, da hätte ich durchaus elegantere Umschiffungen des Problems finden können. Dressler bewegt sich scheinbar klassisch im Genre. Wie wir es aus alten Spielen von Hausser oder Spear in RATE-FIX oder DENK-FIX kennen, spielt erst einmal der Anfangsbuchstabe eines Wortes eine Rolle. Dressler beschränkt sich aber nicht darauf, er gibt zusätzlich noch eine ideale Wortlänge vor und in einer dritten Setzung widmet er sich den Vokalen, die in unterschiedlicher Verteilung zwei bis fünf Punkte wert sein können. „Saalwette“, ein Wort mit „S“ und neun Buchstaben, bei einer Vokalwertung von fünf Punkten für das „A“ und vier Punkten für das „E“, macht natürlich mehr Sinn als „Souffleur“, das aber bei einer hohen Wertung für das „U“ angebracht wäre.
Die Aufgabenblätter geben neun Eintragungen vor, das Auf- und Umdecken von Karten regelt die Frage des Anfangsbuchstabens und der Wortlänge. Schließlich sorgt eine einminütige Sanduhr für den nötigen Zeitdruck. Neben den oben erwähnten Setzungen, können noch vorgedruckte graue Buchstaben Beachtung finden, außerdem gibt es Bonuspunkte für Buchstabenkombinationen wie „NG“, Umlaute und einige Buchstaben im hinteren Alphabet. Nur wer hier zuerst zuschlägt, bekommt die fünf Zusatzpunkte. Sonst ist die Auswertung aber simpel. Fünf Punkte gibt es für ein gültiges Wort, fünf weitere, wenn die vorgegebene Länge exakt erreicht wird, tauchen auch noch die vorgegebenen Buchstaben auf, kann man jeweils weitere fünf Punkte erzielen. Außerdem werden am Ende alle Vokalpunkte und Bonuspunkte bilanziert. Die „Saalwette“ hätte so 33 Punkte gebracht, wenn das „W“ erstmalig benutzt worden wäre. Diskussionen über die Wortgültigkeit regelt der Duden, ausgeschlossen sind Eigennamen, geographische Bezeichnungen, Ausrufe und Abkürzungen. Sogar mit Rechtschreibfehlern geht Dressler großzügig um, sie dürfen korrigiert werden und bleiben, solange sie nicht die gültige Wortlänge überschreiten, in der Wertung.
Nach der neunten Runde ist Schluss, das Gesamtergebnis ergibt sich aus Wort-, Vokal- und Bonuspunkten. Sogar eine Profivariante sieht Dressler vor, die auf der Rückseite der Bögen gespielt werden kann, daher nach erster Nutzung nicht wegwerfen! Pfeile sind in der Variante zusätzliche Punktelieferanten. Schreibt man in diese Felder identische Buchstaben wie auf dem vom Pfeil ausgehenden Feld, bekommt man fünf Punkte. Außerdem spendiert Dressler uns speziell für diese besonderen Zeiten noch eine Solo-Variante.
Wer Wortspiele mag, kommt an Dresslers Spiel nicht vorbei. Der Autor geht vom Kern der klassischen Wortspiele aus, dem Anfangsbuchstaben, ergänzt diesen aber durch Buchstabenvorgaben, Wortlänge, Vokal- und Bonuswertungen. Das Ganze dann noch unter dem Druck eines Sanduhrrieselns. Das fordert, besitzt genügend Varianz, obwohl sich Dressler nur auf zwölf Anfangskonsonanten beschränkt. DAS PERFEKTE WORT ist Dresslers bisher bestes Spiel, das süchtig machen kann. Es würde mich nicht wundern, wenn es am nächsten Montag auf der Empfehlungsliste der Jury auftaucht.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DAS PERFEKTE WORT
Autor: Moritz Dressler
Grafik/Design: Kreativbunker
Verlag: moses.
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 1 - 6
Spielzeit: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 36/2021
Dienstag, 11. Mai 2021
DIE VERLORENEN RUINEN VON ARNAK
DIE VERLORENEN RUINEN VON ARNAK
Schon allein das Cover verführt in eine Abenteuerwelt. Indiana Jones lässt grüßen, wenn wir durch mäanderndes Wurzelwerk über einen leicht nebligen Fluss auf fast mystische Ruinenreste blicken. Wir bewegen uns in der Welt von ARNAK, die Min und Elwen für uns erfunden hat. Michaela (Min) und ihr Gatte Michael (Elwen) sind ein junges tschechisches Designer-Duo, die schon einige Jahre bei CGE mitarbeiten, das ist natürlich auch der Verlag, der ihr erstes Spiel publiziert hat.
Ihre VERLORENEN RUINEN VON ARNAK wollen entdeckt werden. Dafür besitzt jeder ein Kartendeck und zwei Archäologen, außerdem sind Forschungsmarker im Einsatz. Im Anfangsdeck stecken Furcht-, Finanzierung- und Erkundungskarten. Diese können doppelt genutzt werden, einerseits zur Fortbewegung auf der Insel, andererseits können die Effekte gespielt werden, die Erträge bringen und helfen, neue Orte zu entdecken. Dabei müssen magische Kreaturen besiegt werden, die dem Eindringling Respekt zollen und ihm einen besonderen Vorzug gewähren. Mit neuen Karten und durch die neuen Orte wachsen die Optionen, werden die Möglichkeiten immer vielfältiger, wobei es aber grundsätzlich bei einem Handkartenlimit von fünf Karten pro Runde bleibt. Wenn man dann noch bedenkt, dass Min & Elwen gerade einmal fünf Runden eingeplant haben, wird schnell klar, dass die richtige Verknüpfung von Kartennutzungen der Schlüssel zum Sieg ist. Ressourcenvielfalt dient außerdem dem Vorankommen auf einer Forschungsleiste und diese sollte keiner in dem Spiel vernachlässigen. Das Voranschreiten bringt Punkte, Boni und Gehilfen, die immer hilfreich sind und das besonders dann ,wenn sie den goldenen Status erreicht haben.
Wer nach der fünften Runde die meisten Siegpunkte über seine Forschungsleiste, Totemplättchen, Karten und besiegte Monster erhalten hat, gewinnt das Abenteuer in Arnak und wird wahrscheinlich sofort gleich zu einem zweiten aufbrechen wollen, denn nach etwa 90 Minuten, die wirklich wie im Fluge vergehen, ist schon Schluss.
Min&Elwen nutzen ganz bekannte Mechanismen, aber alles ziemlich reduziert. Da haben wir das klassische Worker Placement mit nur zwei Archäologen, gesteuert werden ihre Aktionen durch ein überschaubares Deckbausystem mit fünf Handkarten. Eben diesen Karten spendiert das Autoren Pärchen Doppeleffekte. Doppelt bewegen wir uns auch, mit den Archäologen im unbekannten Terrain und mit unseren Forschungsmarkern, Notizblock und Lupe, in einer Art Wettlauf auf der Forschungsleiste. Der Optionen sind viele und damit auch der Wege, die zum Sieg führen, da gilt es eine Menge auszuprobieren.
Obwohl die Autoren bekannte Mechanikkost bieten, obwohl die thematische Einbindung in die Indiana Jones-Welt nur bedingt zündet, das Spiel zündet selbst. Es übt eine Faszination aus, die zu Wiederholungen führt, zum Besserbestehen des spannenden kleinen Abenteuers am Spieltisch.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DIE VERLORENEN RUINEN VON ARNAK
Autoren: Min und Elwen
Grafik/Design: Flip Murmark u.a.
Verlag: CGE
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 1 - 4
Spielzeit: ca. 60-120 Minuten
Preis: ca. 60 Euro
Spiel 32/2021
Sonntag, 9. Mai 2021
SLEUTH
SAMMELSURIUM
3M GAMETTE: SLEUTH
In den 60er und 70er Jahren hat die Firma 3M (Minnesota Mining & Manufacturing Company) Maßstäbe in der Spielentwicklung gesetzt, die sich auch auf den deutschen Markt auswirkten. Spiele landeten im Buchschuber und damit plötzlich im Bücherregal nicht nur von 3M, sondern als Casino-Spiel von Ravensburger oder in der E-Serie von F.X. Schmid und im kleineren Schuber von Pelikan. Neben den großen Buchschubern gab es „Kleine Spiele“ die „Gamette“. In der Reihe wurden in Deutschland die Spiele MONAD, OCTRIX, SLEUTH, SUM-UP, TRYCE und VENTURE veröffentlicht. Am bekanntesten und am häufigsten wiederveröffentlicht ist davon SLEUTH von Sid Sackson.
SLEUTH
Eugen Oker hat wie für Pelikan und FX Schmid auch teilweise die Regeln für die 3M Spiele aufbereitet, so auch für SLEUTH. Hier schreibt er zwar keine Vorgeschichten, liefert aber Worterklärungen bis hin zu Aussprachehinweisen („sluuth“).
Sacksons SLEUTH ist ein klassisches Deduktionsspiel, ein Krimispiel, in dem drei bis sieben Ermittler auf die Suche nach einer entwendeten Edelstein-Kollektion gehen. Gespielt wird das Spiel in der kleinen Schachtel mit zwei Kartenpaketen. Da sind einmal 36 Edelsteinkarten, sie sich in Art, Menge und Farbe unterscheiden. Da gibt es Diamanten, Perlen und Opale in Solo-, doppelter und dreifacher Fassung in den Farben rot, blau, grün und gelb. Eine dieser Karten wird entfernt und es gilt, durch Fragen herauszubekommen, welche das ist. Dazu lassen 54 kleinere Karten einfache oder doppelte Fragen nach einem oder zwei Merkmalen zu.
Ein Ermittlungsformular hilft bei der Buchführung. Die Edelsteinkarten werden gleichmäßig verteilt. Bei fünf und sieben Teilnehmern bleibt kein Rest, sonst werden übrige Karten offen ausgelegt. Von den Fragekarten bekommt jeder zu Beginn vier. Wer an der Reihe ist, nutzt eine seiner Frageoptionen. Ist es eine einfache Frage nach zum Beispiel der Zahl der Perlen, beantwortet sie der Befragte laut, sodass alle davon profitieren können. Bei der Doppelfrage nach beispielsweise Zweier Opalen werden die betroffenen Karten an den Fragenden weitergeschoben, alle anderen erfahren nur die Anzahl. Jokerfragen ermöglichen zusätzlich freie Wahlkombinationen. Da gegen Ende des Spiels manche Fragekarten wertlos werden, weil man die notwendigen Informationen schon besitzt, darf man statt zu fragen auch Karten austauschen.
Wer meint, die gestohlene Karte zu kennen, darf jederzeit das Spiel unterbrechen und seine Vermutung äußern. Er macht das geheim, indem er auf dem Ermittlungsformular die entsprechende Karte markiert und dann die Vermutung überprüft. Liegt er falsch, scheidet er aus dem Spiel aus. Im anderen Fall gewinnt er die Partie.
In Varianten wird vorgeschlagen, dass im Spiel zu dritt oder zu viert nach zwei oder drei Edelsteinkarten gesucht wird. Auch Doppelbefragungen werden alternativ erlaubt. Wer es ganz besonders schwer haben möchte, spielt SUPER-SLEUTH, da werden überhaupt keine Karten gezeigt, sondern die Fragen immer nur mit der Anzahl beantwortet.
Logisches Denken und gute Buchführung helfen bei der Lösung des Falles. SLEUTH gilt neben CLUEDO inzwischen als der Klassiker der Deduktionsspiele. Das Spiel hat viele Neuauflagen erfahren 1981 bei Avalon Hill, 1991 als DIAMANTENJAGD bei Schmidt Spiele und ganz aktuell 2021 durch eine neue Fassung bei Skellig Games, die sich an der von Eagle Gryphon Games orientiert. Die neueste Fassung entspricht exakt der alten von 3M, auch an der Regel ist fast nichts verändert. Sogar die Varianten sind übernommen, nur gibt es hier die Option auch noch die weiteren Plätze auszuspielen. Am Ende der Regel ist Sackson, der 2002 gestorben ist, vor seiner riesigen Sammlung in seinem Haus in Brooklyn zu sehen.
Titel: SLEUTH
Autor: Sid Sackson
Grafik: Paul Herbert
Verlag: 3 M
Spielerzahl: 3 - 7
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 15 DM
Titel: SLEUTH
Autor: Sid Sackson
Grafik: Shannon Crutchfield
Verlag: Skellig Games
Spielerzahl: 3 - 7
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 33 Euro
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 19 - S19/2021
Samstag, 8. Mai 2021
MY FARM SHOP
MY FARM SHOP
Rüdiger Dorn macht wieder einmal viel richtig. In Zeiten, in denen nur rote Lüftchen wehen, sich dafür aber anthrazite Gewitterwolken gegenseitig verjagen, ist ein solides Familienspiel, das bekannte Mechanismen verwendet und zudem noch mit Bioprodukten handelt, nicht das schlechteste Angebot.
Als Partner von Pegasus, redaktionell betreut von André Bronswijk (Thgra Spiele) und Stefan Stadler, hat Dorn Garanten für perfekte Spielumsetzungen an seiner Seite, die mit ihm um ein gutes Endprodukt gefeilt haben. Herausgekommen ist MY FARM SHOP mit Grundspiel und gleich drei Erweiterungsmodulen.
Jeder besitzt einen kleinen Bio-Bauernhof und einen Hofladen, in dem die Produkte verkauft werden. Es gilt ganz simpel darum, am Ende das meiste Geld in der Kasse zu haben. Die Höfe sind eine Art Aktionstableau mit zehn Feldern, denen Würfelwerte von 2 bis 12 zugeordnet sind, wobei der höchste und niedrigste Wert ein Feld abdeckt. Die Aktionen dort können über ein Markttableau ständig aufgewertet werden.
Dorn steuert sein Spiel über drei Würfel. Mit dem zuerst gewählten bekommt man eine neue Karte vom Markt, die beliebig auf den zehn Hoffeldern platziert wird. Bei der Hofaktion addiert man die beiden restlichen Würfel und nutzt die sich ergebende Aktion. Meist bringt sie Waren, später aber auch immer mehr Verkaufsoptionen für den Hofladen. Sonnenblumen auf dem Hof verstärken die Wirkung beim Ertrag und beim Verkauf, Kräutertee lässt leichte Würfelveränderungen zu. Die zweite Aktion nutzen alle Spieler, auch sie dürfen das Ergebnis verändern.
Sobald die Karten für den Markt ausgehen und dieser mit seinen sechs Feldern nicht mehr voll zur Verfügung steht, endet das Spiel. Jeder hat nun nur noch eine beliebige Feldaktion zur Verfügung. Wer dann auf der Geldleiste die Nase vorn hat, gewinnt MY FARM SHOP nach einer dreiviertel Stunde.
Die Module bringen einerseits Varianz in den Startaufbau, außerdem kann ein Bauer mit unterschiedlichen Fertigkeiten ins Spiel kommen oder mit Zielvarianz gespielt werden.
Würfel, Kartenaktivierung und vor allem Optimierung begegnen uns nicht zum ersten Mal in einer Spieleschachtel. MACHI KORO & Co. lassen grüßen. Trotzdem ergibt Dorns runtergebrochenes Prinzip der individuellen Optimierung und gemeinsamen Nutzung der jeweiligen Bauernhöfe ein dynamisches und familiengerechtes Spiel, das durch die Auswahl unter drei Würfeln und Unterstützung durch die Tee-Manipulation den Glücksfaktor deutlich begrenzt.
MY FARM SHOP ist ein insgesamt rundes Spiel, leicht zugänglich, ansprechend gestaltet und auch eine gewisse taktische Spieltiefe vorweisend, eigentlich das ideale Spiel für anstehende Nominierungen. Auch wenn die rote Luft dünn ist, an der Spitze wird es dann doch eng. Da wird es gegen eine kriminelle City und den Abenteuern im Sherwood keine echte Chance für einen Bio-Hofladen auf ganz große Lorbeeren geben, wie sie Dorn und Pegasus einst für ISTANBUL eingefahren haben.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: MY FARM SHOP
Autor: Rüdiger Dorn
Grafik/Design: Fiore GmbH
Verlag: Pegasus
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 30/2021
Dienstag, 4. Mai 2021
KLUNKER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wieder auf dem Markt: KLUNKER
Die Ursprünge des Spiels liegen schon 11 Jahre zurück. Uwe Rosenberg war ein noch recht unbekannter Autor. Mit MARLOWE und TIMES, beide bei Salagames erschienen, konnte er die ersten beiden Veröffentlichungen vorweisen, mit Bohnen wurde er noch nicht in Verbindung gebracht. 1995 erfand Rosenberg das Spiel KLUNKER, immerhin zwei Jahre vor der Veröffentlichung seines Longsellers BOHNANZA. Zur Bewertung des Spiels sollte man das wissen, da es sehr oft als BOHNANZA-Derivat abgetan wird. Die Wurzeln beider Spiele sind identisch, insbesondere die Doppelfunktion von Spiel- und Geldkarten. Die Zeit für solche anspruchsvollen Kartenspiele war 1995 noch nicht reif, möglicher Weise hat der dann beginnende Siedler-Boom auch für komplexere Kartenspiele den Boden bereitet. 1997 erschien Rosenbergs BOHNANZA und zwei Jahre später erstmalig KLUNKER im Verlag Hans im Glück. Zwischen EL GRANDE (1997) und CARCASSONNE ging das Rosenberg-Spiel 1999 in Verlags-Flops wie WILLI, DOLCE VITA und T-REX unter. Dabei hat KLUNKER wirkliche Qualitäten und sollte zu den Kartenspielen gehören, die nicht vom Markt verschwinden.
Rosenberg hat mit seinem Verlag Lookout Games nun selbst dafür gesorgt, dass es diese Spielidee von ihm wieder gibt, ein berechtigter Anlass also, sich nach 7 Jahren wieder einmal mit dem Spiel zu beschäftigen.
Pretiosen in viel Geld zu verwandeln, darum geht es in dem Spiel Klunker an dem drei bis sechs Spieler teilnehmen können. Dafür gibt es für jeden eine Geldkarte als Startkapital, bei fünf oder sechs Spielern sogar drei bzw. fünf Karten, außerdem erhält jeder sechs von den 97 Klunker-Karten auf die Hand, die jetzt aber nicht als Geldkarten fungieren, sondern ihre Aufgabe als Edelsteine erfüllen. Insgesamt gibt es sieben Sorten in unterschiedlicher Verteilung zwischen 12 und 15 Karten. Neben den ausgelegten Geldkarten hat jeder Spieler eine Schaufensterkarte liegen, für dessen Auslage er in der ersten Spielphase verantwortlich ist. Mit mindestens einem Edelstein muss das Schaufenster bestückt werden, es dürfen aber auch mehr sein. Nach dieser Dekorationsphase werden Edelstein in einem fiktiven Tresor neben dem Schaufenster gebunkert. Das geschieht streng limitiert immer der Reihe nach mit jeweils einem Edelstein. Dabei gilt: Spieler dürfen Edelsteine in den Tresor liegen, müssen dies aber nicht tun. Sobald ein Spieler in dieser Phase aussteigt, erhält er die erste Kaufkarte, die ihm das erste Zugriffsrecht in der dritten, der so genannten Kaufphase gibt. Bei der Ablage in den Tresor, ist zu beachten, dass man sich auf möglichst wenige Edelsteinsorten beschränkt, denn die Klunker werden immer dann zu Geld, wenn vier Karten einer Sorte gesammelt sind. Der Geldwert hängt davon ab, wie viele Edelsteinsorten noch im Tresor liegen. Ist es keine weitere Sorte, wandelt der Spieler alle vier Edelsteinkarten in Geldkarten um, jede weitere ausliegende Sorte verringert die Geldkartenzahl um eins. Eine Geldkarte erhält man aber immer.
In der Kaufphase muss in der Regel ein Edelsteinkauf bei den Mitspielern oder aus der eigenen Auslage erfolgen. Die eigenen Pretiosen kosten nichts, die anderen nur eine Geldkarte. Das Problem dabei ist, dass auch diese Karten sofort in den Tresor gepackt werden müssen, wo sie evtl. gleich in Geld verwandelt werden können oder auch nur die Sorten ergänzen. Nach dieser Phase müssen im Spiel zu fünft und zu sechst Luxussteuern bezahlt werden (ein bzw. zwei Karten), alle nicht in Geld umgewandelten Karten und die Steuern werden in den Zugstapel gemischt und jeder Spieler erhält erneut sechs Handkarten. Wenn diese Bedingung nicht mehr erfüllt werden kann, endet das Spiel und der Spieler mit dem meisten Geld gewinnt.
Rosenberg gelingt mit KLUNKER eine raffinierte Verzahnung der unterschiedlichen Phasen. Das geht mit der Auslage los: Wie wertvoll oder auch wertlos darf sie sein? Sollte es eine Vorlage für den eigenen Tresor werden? In der Tresorphase gilt es im Blick zu behalten, was man, wenn man lange auslegt, möglicher Weise aufnehmen muss. Hier gilt es vorzubauen oder dann doch lieber einen vorzeitigen Ausstieg zu wählen, denn die Reihenfolge in der Kaufphase ist oft spielentscheidend. Klunker ist eine spielerische Herausforderung, bietet Spielspannung und Spielspaß. Was für mich als Kritik bleibt, ist die grafische Umsetzung des Spiels. Der Hans im Glück-Fassung warf man damals Blässe vor, die Geschmeide gingen in den blassen Grafiken fast unter. Clarissa Schindler, die die grafische Verantwortung für die Lookout-Fassung trägt, kann man eine blasse Gestaltung wahrlich nicht zum Vorwurf machen. Das Ganze hat aber leider auch nichts mehr Geschmeidiges, sondern weckt fotografische Erinnerungen an Kieselsteine im Flussbett. Ein optischer Anreiz, um solche groben Klunker feilschen zu wollen, kann so nicht von dem Spiel ausgehen. Schade, es bleibt ein tolles Spiel, das nun hoffentlich nicht mehr in der Versenkung verschwindet, für das ich mir aber eine adäquatere grafische Umsetzung wünschte.
Titel: KLUNKER
Autor: Uwe Rosenberg
Grafik: Clarissa Schindler
Verlag: Lookout Games
Spieler: 3-6
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 8 €
Für Besitzer der Hans im Glück-Fassung die Unterschiede:
Die Kartenverteilung ist leicht verändert worden. Von den 94 Karten des ersten Spiels hatten sechs Edelsteine je 14 Karten, vom Löwenhalsband gab es 10 Karten. Die Sonderregel, dass die Löwenhalsbandkarten immer alle gewertet werden, sofern es vier waren, entfällt. Wer diese Regel auf die Neufassung (97 Karten) übertragen möchte, sollte die Bernstein-Karten dazu nehmen, davon gibt es 12.
Im Spiel zu dritt und zu viert gibt es grundsätzlich keine echten Regeländerungen, wenn man von unterschiedlichen Kartenauslagen absieht. An der überarbeiteten Fassung können aber 6 statt 5 Spieler teilnehmen, deshalb hat der Autor auch die Luxussteuer-Regel eingeführt, da das Spiel sonst zu schnell zu Ende ginge.
Spiel 13/2005 R75/2021
Die Rezension erschien 2005 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seinen ersten Erfolg fuhr Rosenberg als junger Autor mit dem zweiten Platz für MILLENIUM 1991 im Hippodice Wettbewerb ein. Das Spiel erschien unter der Ägide von Peter Gehrmann 1992 als TIMES bei Salagames. Dort veröffentlichte der Redaktionsleiter außerdem noch die Idee MARLOWE von Uwe Rosenberg. Danach ergab sich die ertragreiche Kooperation mit Amigo.
BOHNANZA (1997) war dann sein erster ganz großer Erfolg, das Spiel landete nicht nur auf der Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres. Es gewann den À la Carte-Preis der Fairplay 1997 und erreichte den fünften Platz beim Deutschen Spielepreis.
Der auch internationale Siegeszug setzte sich aber erst danach in Gang. Seit 23 Jahren schon liefert Amigo Gartenbohnen, Saubohnen und auch die ein oder andere Blaue Bohne in unendlich vielen gelben Schachteln aus. Keiner hat mehr so den rechten Überblick, was da alles in rosenbergscher Gartenerde inzwischen herangezüchtet wurde. Das klassische Saatgut wurde vielfach gemendelt und gegendert, musste sich gegen die Bohnenmafia wehren, trat Seereisen an, gelangte in den Wilden Westen und kämpfte sich in BOHNRÖSCHEN durch Rankenwerke.
Nach seinem Studium der Statistik gründete Uwe Rosenberg 2000 zusammen mit Hanno Girke und Marcel-André Casasola Merke den Lookout Spieleverlag. Er behielt aber im Gegensatz zu Klaus Teuber, der sich an Kosmos band, seine Unabhängigkeit und veröffentlichte weiter Spiele bei vielen Verlagen, so das Zweipersonenspiel BABEL 2001 bei Kosmos oder 2004 YELLOWSTONE PARK bei Amigo.
Die großen Erfolge mit komplexen Aufbauspielen wie in AGRICOLA gönnte er aber Lookout Games.
Auch in der Folgezeit unterstützte er Neugründungen von Verlagen, so Feuerland und die Edition Spielwiese. Ganz aktuell hat er auch die Wyrmgold GmbH mit angeschoben und dem jungen Verlag ROBIN VON LOCKSLEY spendiert.
Für die Ausgabe von KLUNKER bei Hans im Glück reichte immerhin zum 8. Platz beim à la Carte der Fairplay.
Auf dem Bild ist der 29jährige Uwe Rosenberg 1999 in Essen mit seinem damaligen Gesamtprogramm zu sehen. In der Mitte vorn liegt die erste Fassung von KLUNKER.
Sonntag, 2. Mai 2021
RACKO
SAMMELSURIUM
Ravensburger Traveller-Serie: RACKO
Neben der Casino-Serie war die Traveller-Reihe in den 70er Jahren besonders beliebt. Sie erschien in zwei Schachtelformaten, zuerst als flache Ausgabe (202x202x28 mm; 1972 und 1973) und als etwas kleinere dickere Schachtel (190x190x36 mm; 1973-1978). Diese Schachtelform setzte sich durch und diente auch der Veröffentlichung weiterer Titel. Zur Serie gezählt werden aber nur Titel mit dem Logo „traveller serie“. Die Spiele in der Reihe waren fast durchweg Spiele für zwei Personen, meist taktische Spiele mit geringem Glücksanteil.
In der Reihe veröffentlichte Alex Randolph die meisten Spiele, zum Teil wie auch in der Casino-Serie unter dem Pseudonym L.W. Bones (PEGGINO). Daneben erschienen Klassikerausgaben wie REVERSI, GO und GOBANG, TANGRAM, SOGO und 3x16, das alte NÜMMERCHEN.
Herausragend sind für mich die Randolph-Spiele WÖRTERKLAUER, BANDA und HEPTA. Immer wieder gut ist RACKO, das es aber auch in vielen anderen Ausgaben von Ravensburger gibt.
RACKO
Erstmals erschien RACKO 1956 bei Milton Bradley. Anfang der 60er Jahre nahm Ravensburger das Spiel unter der Produktnummer 16.509 ins Programm. Unter dieser Nummer erschien eine Ausgabe mit rotkariertem Cover und eine andere mit spielender Familie. Der Inhalt beider Spiele war identisch. 1976 erschien die Ausgabe in der Traveller-Serie mit kleineren Karten, Kartenhaltern und erweiterter Regel.
Was ist besonders an dem autorenlosen Spiel, dass es seit den 50er Jahren immer wieder neu aufgelegt wurde, zuletzt in einer Fassung von Winning Moves 2013? Der Zugang ist ganz leicht, da es letztlich nur darum geht, zehn zugeteilte Karten in einem Kartenhalter von der niedrigsten zur höchsten Zahl anzuordnen. Der Austausch erinnert bewusst an ROMMÉ, entweder man zieht eine verdeckte Karte vom Nachziehstapel oder nimmt sich die letzte vom Ablagestapel. Ein Kartenaustausch ist nur auf diesem Wege möglich, innerhalb des Kartenhalters darf nicht getauscht werden.
Sobald ein Spieler alle zehn Karten in aufsteigender Reihenfolge geordnet hat, ruft er „RACKO!“ und beendet das Spiel. Der Sieger bekommt 75 Punkte gutgeschrieben, fünf für jede der zehn Karten und 25 für die Beendigung des Spiels. Alle anderen bekommen für jede richtige Kartenfolge von unten pro Karte ebenfalls fünf Punkte. Die Wertung lässt sich auf den Kartenhaltern ablesen. Gespielt wird auf 500 Punkte oder eine andere Zielzahl, auf die die Gruppe sich vorher einigt.
Erweiterte Regeln werden fürs Duell, Partnerspiel, für ein „Bonus-RACKO“ und ein „Blitz-RACKO“ angeboten. Im Bonusspiel gibt es Punkte , wenn man zusätzlich noch mindestens drei Karten in seiner Reihe hat, die direkt aufeinanderfolgen. Die Blitz-Variante besitzt ebenfalls Reiz, weil jeder die anfangs verteilten Karten schon in beliebige Schlitze des Kartenhalters stecken darf. Die letzte Variante und das Partnerspiel tauchten erstmalig in der Fassung von 1976 auf, die anderen gab es schon vorher.
Auf BGG wird das Spiel nur mit einer 5,8 bewertet. Für meinen Geschmack besteht RACKO aber auch 2021 im Bereich der einfachen Familienspiele gegenüber vielen anderen Neuerscheinungen. Die Planungsspannung beim Schaffen notwendiger Lücken, die Freude über passende Karten und das Kribbeln, wenn es dem Ende zugeht, machen aus RACKO auch heute noch ein gutes Spiel. Für die alten Ausgaben muss man aber mehr als für ein neues Spiel investieren. Unter 30 Euro ist ein RACKO in der Traveller-Fassung nicht zu bekommen.
1986 kam die letzte Fassung von Ravensburger zu dem Spiel heraus. Sie brachte die deutlichsten Veränderungen, aber vielleicht auch die unnötigsten. Die Kartenzahl wurde erhöht, auch die Zahl der Steckplätze, da nun zwölf Karten in eine Reihe zu bringen waren. Ereignis- und Jokerkarten zerstörten das RACKO-Feeling.
Alan Moon und Aaron Weissblum haben sich fast 20 Jahre später mit EUROPA TOUR (Schmidt, 2003) und 10 TAGE DEUTSCHLAND (Ravensburger, 2013) sehr an der RACKO-Vorlage orientiert.
Titel: RACKO
Autor: o.A.
Grafik: o.A.
Verlag: Ravensburger
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 15 DM
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 18 - S18/2021
Ravensburger Traveller-Serie: RACKO
Neben der Casino-Serie war die Traveller-Reihe in den 70er Jahren besonders beliebt. Sie erschien in zwei Schachtelformaten, zuerst als flache Ausgabe (202x202x28 mm; 1972 und 1973) und als etwas kleinere dickere Schachtel (190x190x36 mm; 1973-1978). Diese Schachtelform setzte sich durch und diente auch der Veröffentlichung weiterer Titel. Zur Serie gezählt werden aber nur Titel mit dem Logo „traveller serie“. Die Spiele in der Reihe waren fast durchweg Spiele für zwei Personen, meist taktische Spiele mit geringem Glücksanteil.
In der Reihe veröffentlichte Alex Randolph die meisten Spiele, zum Teil wie auch in der Casino-Serie unter dem Pseudonym L.W. Bones (PEGGINO). Daneben erschienen Klassikerausgaben wie REVERSI, GO und GOBANG, TANGRAM, SOGO und 3x16, das alte NÜMMERCHEN.
Herausragend sind für mich die Randolph-Spiele WÖRTERKLAUER, BANDA und HEPTA. Immer wieder gut ist RACKO, das es aber auch in vielen anderen Ausgaben von Ravensburger gibt.
RACKO
Erstmals erschien RACKO 1956 bei Milton Bradley. Anfang der 60er Jahre nahm Ravensburger das Spiel unter der Produktnummer 16.509 ins Programm. Unter dieser Nummer erschien eine Ausgabe mit rotkariertem Cover und eine andere mit spielender Familie. Der Inhalt beider Spiele war identisch. 1976 erschien die Ausgabe in der Traveller-Serie mit kleineren Karten, Kartenhaltern und erweiterter Regel.
Was ist besonders an dem autorenlosen Spiel, dass es seit den 50er Jahren immer wieder neu aufgelegt wurde, zuletzt in einer Fassung von Winning Moves 2013? Der Zugang ist ganz leicht, da es letztlich nur darum geht, zehn zugeteilte Karten in einem Kartenhalter von der niedrigsten zur höchsten Zahl anzuordnen. Der Austausch erinnert bewusst an ROMMÉ, entweder man zieht eine verdeckte Karte vom Nachziehstapel oder nimmt sich die letzte vom Ablagestapel. Ein Kartenaustausch ist nur auf diesem Wege möglich, innerhalb des Kartenhalters darf nicht getauscht werden.
Sobald ein Spieler alle zehn Karten in aufsteigender Reihenfolge geordnet hat, ruft er „RACKO!“ und beendet das Spiel. Der Sieger bekommt 75 Punkte gutgeschrieben, fünf für jede der zehn Karten und 25 für die Beendigung des Spiels. Alle anderen bekommen für jede richtige Kartenfolge von unten pro Karte ebenfalls fünf Punkte. Die Wertung lässt sich auf den Kartenhaltern ablesen. Gespielt wird auf 500 Punkte oder eine andere Zielzahl, auf die die Gruppe sich vorher einigt.
Erweiterte Regeln werden fürs Duell, Partnerspiel, für ein „Bonus-RACKO“ und ein „Blitz-RACKO“ angeboten. Im Bonusspiel gibt es Punkte , wenn man zusätzlich noch mindestens drei Karten in seiner Reihe hat, die direkt aufeinanderfolgen. Die Blitz-Variante besitzt ebenfalls Reiz, weil jeder die anfangs verteilten Karten schon in beliebige Schlitze des Kartenhalters stecken darf. Die letzte Variante und das Partnerspiel tauchten erstmalig in der Fassung von 1976 auf, die anderen gab es schon vorher.
Auf BGG wird das Spiel nur mit einer 5,8 bewertet. Für meinen Geschmack besteht RACKO aber auch 2021 im Bereich der einfachen Familienspiele gegenüber vielen anderen Neuerscheinungen. Die Planungsspannung beim Schaffen notwendiger Lücken, die Freude über passende Karten und das Kribbeln, wenn es dem Ende zugeht, machen aus RACKO auch heute noch ein gutes Spiel. Für die alten Ausgaben muss man aber mehr als für ein neues Spiel investieren. Unter 30 Euro ist ein RACKO in der Traveller-Fassung nicht zu bekommen.
1986 kam die letzte Fassung von Ravensburger zu dem Spiel heraus. Sie brachte die deutlichsten Veränderungen, aber vielleicht auch die unnötigsten. Die Kartenzahl wurde erhöht, auch die Zahl der Steckplätze, da nun zwölf Karten in eine Reihe zu bringen waren. Ereignis- und Jokerkarten zerstörten das RACKO-Feeling.
Alan Moon und Aaron Weissblum haben sich fast 20 Jahre später mit EUROPA TOUR (Schmidt, 2003) und 10 TAGE DEUTSCHLAND (Ravensburger, 2013) sehr an der RACKO-Vorlage orientiert.
Titel: RACKO
Autor: o.A.
Grafik: o.A.
Verlag: Ravensburger
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 15 DM
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 18 - S18/2021
Samstag, 1. Mai 2021
RIFTFORCE
Neuer Verlag aus Wien mit RIFTFORCE
Das Duell über Grenzen hinweg, scheint der aktuelle Trend 2021 bei Spielen für zwei Spieler zu werden. Da wird Knizias SCHOTTEN TOTTEN mit seiner Grenzmauer neu belebt und ein ganz neuer Verlag aus Wien verspricht Spannung an einer lavadurchflossenen Erdspalte, ein Rift, das die Welt verändert.
Vielleicht gilt das auch für dieses Spiel von den Wiener Verlagsgründern Julian Steindorfer und Roman Rybiczka. Die beiden Redakteure kennen sich schon seit ihrer Schulzeit, als sie in der Mittagsbetreuung ihres Gymnasiums Magic spielten. In Berlin haben beide sich dann in der Edition Spielwiese wieder getroffen und gemeinsam an Spielen wie INDIAN SUMMER, NORIA und FARBEN gearbeitet, sowohl redaktionell als auch im Lektorat. Mit Spielentwicklung hat sich Roman schon vorher bei der Wiener Agentur WHITE CASTLE Games von Anita Landgraf beschäftigt. 2019 haben sich beide dann mit dem eigenen Verlag 1 More Time Games selbstständig gemacht.
Ihr erstes Spiel RIFTFORCE siedeln sie in einer eher magischen Welt mit Auserwählten und mystischen Gildenvölkern an, die mit den Elementen jonglieren. Lässt man einmal dieses Brimborium beiseite, bieten uns Rybiczka und Steindorfer ein intelligentes Kartenduell, das auf einfachen Legeregeln basiert, wobei das Zusammenspiel der Macht der Gilden ein ganz besonderes Wirkungsflair entfacht. Die beiden Redakteure beweisen sich dabei als gute Arrangeure, die für Variabilität und Spannung im Spielablauf sorgen.
An fünf Riftorten, den Erdklüften in RIFTFORCE, werden Kartenduelle ausgetragen. Von zehn verschiedenen Gilden sind immer nur acht in Aktion. Das zufällige Herauslosen einer Gilde am Anfang und das zufällige Ziehen einer Startgilde sorgen dafür, dass feste Routinen gar nicht eingeplant werden können. Die restlichen Gilden werden in einer Art offenem Drafting verteilt. Am Ende besitzt jeder vier Gilden mit 36 Karten und vier nur erklärungstechnisch relevanten Beschwörern, die die Funktionsweise der Gildenkarten beschreiben. Die Gildenkarten haben nur Werte zwischen den Zahlen fünf und sieben, das sind gleichzeitig die Lebenspunkte jeder Karte. Mit steigendem Wert verringert sich die Anzahl der Karten, so gibt es die Elementare mit höchstem Wert nur zweimal. Dieses wiederum korreliert mit den Bedingungen für den Spielablauf.
Nach Mischen der 36 Karten zieht jeder sieben Handkarten, von denen er in jedem Zug bis zu drei ausspielen darf. Das sind bis zu drei Mitglieder einer Gilde sein oder drei mit gleicher Zahl. Gespielt werden die Karten an ein Rift oder angrenzende Orte. Streuung macht dabei Sinn, da schon nach dem ersten Zug, wenn man zum zweiten Mal an der Reihe ist, als eigenständige Aktion nachgezogen werden kann. Dabei wird stets überprüft, ob man Orte alleine kontrolliert. Wenn also der Gegner eine gestreute Dreiereröffnung nicht pariert, bekommt man sofort einen Siegpunkt für jeden Ort, an dem man alleine steht. Da zwölf Punkte zum Sieg ausreichen, sollte man stets für Gegenwehr sorgen. Raffiniert gelöst ist auch die Aktivierung der Macht der Gilden. Da muss eine Handkarte geopfert werden, deren Zahl oder Gildenfarbe bestimmt, welche Elementare zur Tat schreiten. Erneut gilt, dass es wie bei der Auslage nur drei sein dürfen, die Lage ist in diesem Fall aber gleichgültig.
Hauptfunktion der Gilden ist es, an der Zerstörung meist gegenüberliegender Karten zu arbeiten. Da gibt es die superstarke Kristallgilde, die für den ersten Feind an diesem Ort vier Schadenpunkte bringt. Da die Kartenzahl die Lebenspunkte eines Elementars bestimmt, ist jeder Gegner damit schon fast besiegt. Auch die Feuergilde ist mächtig, sie bringt drei Schäden auf den vordersten Feind. Ein gestaffelter doppelter Angriff mit diesen beiden Gilden lässt ruckzuck eine starke 7er Gilde in der Lava verschwinden und bringt einen Siegpunkt. Solch starke Gilden haben alle aber einen Pferdefuß. Werden Elementare der Kristallgilde besiegt, gibt es gleich doppelte Gewinnpunkte für den Gegner. Der Feuer-Elementar entwickelt solche Hitze, dass er sogar eigene Karten, die hinter ihm stehen, versengt und mit einem Schaden belastet. Die meisten anderen Gilden bringen zwei Schadenpunkte, teilweise aber mit Streufaktor und Bewegungsoptionen, die sich für gekoppelte Angriffe eignen.
Ein Gefühl für die Macht der Gilden auch in ihrer Abstimmung bekommt man erst mit der Zeit, da merkt man dann auch, dass scheinbar mächtige Kristallkarten nicht zwingend ins eigene Deck müssen. Bewegungsgilden wie die der Luft, des Wassers und des Schattens sind durch ihre dynamische Wirkung meistens viel wichtiger. Da lassen sich Lücken in die Verteidigungsreihe schlagen, die der Gegner oft gar nicht mehr schließen kann, so dass locker Punkte en passant über das Nachziehen bilanziert werden.
Die Macher haben das alles fein austariert und sorgen für hohen Wiederspielreiz, weil es noch soviel auszuprobieren gibt. Ganz simple Grundregeln ergeben trotzdem ein vielschichtiges Spiel, in dem es ständig etwas abzuwägen gilt, in dem die Rolle des Agierenden und Reagierenden ganz oft wechselt.
Über 1000 Unterstützer haben 2020 bei Kickstarter zu einer Finanzspritze für RIFTFORCE gesorgt. Für die zweite ist sicherlich Asmodee verantwortlich, da der Verlag das Spiel in den Vertrieb aufnahm.
Den Autor ihres ersten Spiels kennen Rybiczka und Steindorfer übrigens noch aus Berlin, da sie für ihn dessen erstes Spiel MEMOARR in der Edition Spielwiese umgesetzt haben. Carlo Bortolini und die beiden Verlagschefs hoffen nun natürlich, dass ihr erstes und Bortolinis zweites Spiel ähnlichen Erfolg haben wird. Dafür haben alle drei und ihr Grafiker Miguel Coimbra sich richtig angestrengt und einen Erstling auf höchstem Niveau abgeliefert und alles getan, um mit RIFTFORCE mindestens ebenfalls auf der Empfehlungsliste der Jury zu landen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: RIFTFORCE
Autor: Carlo Bortolini
Grafik/Design: Miguel Coimbra
Verlag: 1 More Time Games
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2
Spielzeit: ca. 20 - 30 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 29/2021
(Seite 1 von 1, insgesamt 18 Einträge)