Freitag, 29. Mai 2015
BIN MAL KURZ TOT
Skurrile Dystopie
Denton Little ist eigentlich ein ganz normaler 17jähriger Jugendlicher, er hat die üblichen Probleme mit Freunden und Freundinnen, mit Alkohol, mit dem ersten Sex. In einer Gesellschaft, die der unseren aufs Haar gleicht, spielt sich sein Leben ab, bis auf einen kleinen Unterschied. Die meisten in dieser Gesellschaft Lebenden wissen exakt, wann sie sterben werden. Kurz nach ihrer Geburt ergeben Blut und Haaruntersuchung den exakten Todestag, allerdings nicht den exakten Todeszeitpunkt.
Betroffene können sich langfristig darauf einstellen. Da wird eine Todeswoche gefeiert und der Sterbende nimmt an seiner eigenen Beerdigungsfeier teil und hält dort sogar einen Rede. Denton zelebriert das alles, wie gewünscht. Freut sich, dass der nahe Tod ihm erste sexuelle Erfahrungen bringt. Wie er sterben wird, weiß er nicht. Nur knapp entgeht er einige Male dem Überfahrenwerden und seltsam ist ein Ausschlag, der seinen ganzen Körper erfasst und mit dem er seine Partnerinnen und seinen Freund wohl auch angesteckt hat.
Seltsam ist auch, dass ein geheimnisvoller Mann in sein Leben tritt, der seine leibliche Mutter zu kennen scheint, die bei seiner Geburt starb. Irgendetwas scheint mit Denton nicht zu stimmen und da er aus der Reihe tanzt, sind plötzlich ganz viele hinter ihm her.
Lance Rubins Gratwanderung zwischen humorvoll abgehandelten tragischem Thema und dystopischen Gesellschaftshintergrund missling. Die Grundidee der Sterbevorbereitung wird locker abgehandelt, was es aber mit dieser Gesellschaft auf sich hat, die ihren Mitgliedern den Todestag voraussagt, bleibt im Unklaren. Entsprechend diffus fällt das showdownmäßig abgehandelte Ende aus.
Resümee: Nett, unterhaltsam, leichte Lektüre, begleitet aber von vielen Klischees, unnötigen Längen und zu wenig Hintergrund.
Wertung: **
Titel: Bin mal kurz Tot
Verlag: Piper
Autor: Lance Rubin
Seiten: 345 Seiten
Preis: 16,99 Euro
Donnerstag, 28. Mai 2015
ABPFIFF
Manottis neuer Roman ABPFIFF ist zwar schon vor siebzehn Jahren in Frankreich erschienen und spielt zu Beginn des letzten Jahrzehnts in der Mitterrand-Phase. Im Angesicht der aktuellen Enthüllungen über die Machenschaften der FIFA könnte Manottis Roman um den Fußballclub FC Lisle-sur-Seine aber auch aus dem Jahr 2015 sein. Aktueller geht es nicht, es ist immer noch so!
Die Historikerin Dominique Manotti, von der bisher viel zu wenige Bücher übersetzt wurden, ist stets parteilich. Die ehemalige Mitterand-Anhängerin, die sich selbst in der Tradition von Rosa Luxemburg sieht, weiß genau, wovon sie schreibt. Das macht ihre Fiktion so authentisch, fast dokumentarisch und damit so erschreckend.
Commissaire Daquin, dessen dritter Ermittlungsfall nun übersetzt vorliegt, geht der Ermordung seines Kollegen Romero nach. Brutal erschossen, wobei der Anschlag womöglich gar nicht ihm galt, sondern einer eher unscheinbaren jungen Frau, die ebenfalls Opfer dieses Anschlags wurde. Die Täter sind schnell gefunden, aber wer ist der Auftraggeber. Die Spur führt zu einem um die französische Meisterschaft kämpfenden Fußballclub. Nadine Speck, die ermordete junge Frau, ist die Schwester des Platzwarts vom FC Lisle-sur-Seine, dessen ehrgeiziger Präsident Reynaud Bürgermeisters und bedeutender Bauunternehmer ist. Sein Aufstieg, parallel zu dem seines Clubs führt über Leichen. Manotti verdichtet die Problematik, sodass Doping, Rauschgifthandel, Sexorgien, Geldwäsche ein Konglomerat von Motiven und Beteiligten ergeben.
Eine atemlose Geschichte, auf kurzen 230 Seiten abgehandelt. Atemlos auch im Stil, Einwortsätze und die stetige protokollarische Notiz, wie viele Stunden inzwischen seit dem Tod des Polizisten Romero vergangen sind. Daquin setzt Druck hinter die Ermittlungen, er braucht keine Woche, sechs Tage nach Romeros Tod endet das Buch mit einem letzten Blick auf die Leiche des Vereinsvorsitzenden. So entlarvend wünschte ich mir jetzt Manotti oder einen Journalisten wie Sam, der Licht in das FIFA-Dickicht bringt und endlich für den Abtritt dieses unsäglichen Sepp Blatter sorgt. (Ergänzung 03.06.: Nun ist ja endlich so weit, nach der Wahlfarce endlich der Rücktritt!)
Wertung: *****
Titel: Abpfiff
Verlag: Argument Verlag
Autor: Dominique Manotti
Seiten: 230 Seiten
Preis: 17,00 Euro
Mittwoch, 27. Mai 2015
MORD AM POLARKREIS
Langezogen wie Polarnächte
Lars Pettersson verbringt jeden Winter im Lande der Samen, in Kautokeino, im Norden Norwegens. Dort spielt auch sein zweiter Roman „Mord am Polarkreis“. Seine Hauptfigur, die Staatsanwältin Anna Magnusson, verkörpert eindrucksvoll die Zerrissenheit der Region. Einerseits ist sie exzellente Juristin, anderseits will sie nicht wie ihre Mutter ihre samischen Wurzeln verleugnen. Einen wichtigen Teil ihrer Zeit opfert sie ihrer samischen Verwandtschaft und der Rentierzucht.
Petterssons Stärke liegt in seinen Schilderungen der Probleme des indigenen Volks der Samen, die unabhängig von den nationalen Grenzen den Norden ganz Skandinaviens bis zu den Küsten der Barentssee besiedeln, die überwiegende Mehrheit allerdings in Norwegen. Wir erleben ihre Hochzeiten, ihre Beerdigungen, ihre Arbeit mit den Rentieren. Der Leser wird aber auch über die Bedrohungen ihres Weidelands informiert, da Bergbaufirmen alte Schürfrechte wieder aufleben lassen wollen. Davon ist auch Annas samische Familie bedroht.
Bis sich aus diesen Umfeldschilderungen ein Kriminalfall entwickelt, dauert es etwas. Das anfängliche Geplänkel, wenn stellvertretende Bürgermeister im Müllcontainer landen, nur weil sie das Geld des Bergbauunternehmens für die Gemeinde haben wollen, ist nur amüsant.
Spannung kommt erst auf, als ein Staatssekretär erschossen in seinem Auto gefunden wird. Der Täter soll ein Scharfschütze gewesen sein und davon gibt es nur zwei in der Region, ein Cousin Annas, der gerade geheiratet hat und dessen Freund, der ihn aus Afghanistan kennt. Langatmig werden die Zuständigkeitsprobleme zwischen Norwegen und Schweden bei der Ermittlung dargelegt, es dauert auch, bis deutlich wird, dass der Staatssekretär nicht nur die Bergbaufirma unterstützen wollte, sondern auch sonst eine Menge Dreck am Stecken hat. Für einen spannenden Krimi ist mir das zu wenig. Der kulturgeschichtliche Einblick in das Leben der Samen entschädigt etwas, aber das reicht auf die Dauer nicht. Irgendwo bleibt das Ganze langezogen wie die Polarnächte in Kautokeino.
Wertung: ***
Titel: Mord am Polarkreis
Verlag: Lübbe
Autor: Lars Pettersson
Seiten: 491 Seiten
Preis: 14,99 Euro
Montag, 25. Mai 2015
Provenzalische Geheimnisse
Da kann der ehemalige Kommissar Pierre Durand und jetzige Chef de Police im provenzalischen Sainte-Valérie noch so oft betonen: „Ich wollte noch nie die Kopie eines anderen sein!“ Er ist die eindeutige Kopie von Martin Walkers Chef de Police Bruno.
Heike Koschyk, 48jährige Hamburger Autorin, schreibt unter dem Pseudonym Bonnet die Durand-Krimis. Sie hat viele Talente, hat als Heilpraktikerin gearbeitet, ein Buch über das Bach-Blüten-System geschrieben und sich mit Hildegard von Bingen beschäftigt. Als Krimi-Autorin ist sie seit 2002 unterwegs, 2008 hat sie den vom Fischer Verlag vergebenen Agatha Christie Krimipreis erhalten.
Auch wenn sie Martin Walker kopiert, sie versteht ihr Geschäft, schreibt bei ihrem zweiten Roman inzwischen sogar spannender als ihr Vorbild, bei dem sich Vieles einfach nur noch wiederholt. Die Tätersuche ganz im Stil Agatha Christies mit vielen Verdächtigen und einer durchgängigen Rätselspannung aufrecht zu erhalten, gelingt ihr im aktuellen Werk „Provenzalische Geheimnisse“ vorzüglich.
In der Nacht vor einer großen Hochzeitsfeier in Sainte-Valérie, für deren kulinarisches Programm Charlotte, die Köchin und Freundin des Polizisten, zuständig ist, wird der Trauzeuge, der Bruder der Braut, wie ein Wildschwein gejagt und mit einer Schrotflinte erlegt. Außer der Braut scheint ihn keiner gemocht zu haben. Mit seinem zukünftigen Schwager lag er ständig im Clinch, sein Vater scheint ihn auch über seinen Tod hinaus zu hassen, als Betreiber eines Holzbetriebs hat er die Umweltaktivisten auf sich aufmerksam gemacht, das gilt auch für die vielen Jagdgegner, die nicht nur die Reifen der Fahrzeuge der Jäger zerstechen. Bruno, pardon Pierre ist verzweifelt. Nicht nur die Tätersuche macht ihm Probleme, da ist auch noch sein altes Bauernhaus, das renoviert werden muss, wobei der bestellte Bauunternehmer andauernd neue Aufträge annimmt und sich nicht um seinen kümmert und dann gibt es das übliche Auf und Ab in der Beziehung zu Charlotte. Im Fall selbst muss er sich mit den unterschiedlichen Zuständigkeiten des französischen Polizeiapparats herumschlagen, auch das kennen wir aus dem Périgord, die kulinarischen Entschädigungen eingeschlossen.
Vergessen wir die Versatzstücke der Kopie, bleibt ein spannender Fall, dessen Aufklärung man gerne verfolgt. Komplizierte Verwicklungen, deren Fäden sich erst allmählich lösen bis zu einer nicht ganz erwarteten Wendung am Ende. Rein kriminalistisch liefert Bonnet solide und unterhaltsame Krimikost.
Wertung: ****
Titel: Provenzalische Geheimnisse
Verlag: Blanvalet
Autor: Sophie Bonnet
Seiten: 352 Seiten
Preis: 14,99 Euro
Donnerstag, 21. Mai 2015
Tod zwischen den Zeilen
Plätschert so dahin ...
wie das Lagunenwasser in Venedig, wenn nicht gerade Hochwasser ist. Der dreiundzwanzigste Fall von Commissario Brunetti wird routiniert abgespult. Donna Leon erzählt unaufgeregt von Bücherdiebstählen. In der alten Biblioteca Merula, die Brunetti noch aus seinen Studienzeiten kennt, fehlen Seiten aus wertvollen Druckwerken von Reisebeschreibungen des frühen 16. und zum Teil auch 15. Jahrhunderts.
Verdächtigt wird ein amerikanischer Wissenschaftler, der untergetaucht scheint. Alteingesessene Adelsfamilien tauchen als Spender auf, Brunetti greift bei seinen Untersuchungen auf sein familiäres Umfeld, auf seine Schwiegereltern zurück. Contessa Morosini-Albani geht dort ein und aus. Ein Teil ihrer wertvollen Bücherspenden ist ebenfalls aus der Biblioteca Merula verschwunden.
Wenn jemand wirklich etwas über das Heraustrennen von Seiten und das Verschwinden der Bücher weiß, dann sicherlich ein ehemaligen Priester, Aldo Franchini, der ständiger Gast in der Bibliothek ist und sich dort intensiv mit den Schriften des Kirchenvaters Tertullian beschäftigt. Erst als seine Leiche entdeckt wird, nimmt Leons neuester Roman etwas Fahrt auf. „Ein Dieb und Erpresser, ein Lügner und Betrüger“ soll er gewesen sein, behauptet sein Bruder. Ein Verführer obendrein und wohl auch einst ein guter Lateinlehrer. Die Lösung des Falls gelingt dann eher en passant, hier schimmert die übliche sozialkritische Ader der Autorin durch.
Nichts Neues aus Venedig. „Tod zwischen den Zeilen“ liest sich flüssig wie immer, durchaus auch unterhaltsam, Spannung kommt aber gar nicht auf, alles zieht sich auf den 288 Seiten eher langatmig dahin. Da freut man sich nur über die bekannten Versatzstücke aus der Questura und der Familie Brunettis.
Wertung: ***
Titel: Tod zwischen den Zeilen
Verlag: Diogenes
Autor: Donna Leon
Seiten: 288 Seiten
Preis: 23,90 Euro
Mittwoch, 20. Mai 2015
Die Blonde mit den schwarzen Augen
Philip Marlowe lebt
Der irische Autor John Banville, der in diesem Jahr 70 wird, schreibt unter seinem Krimi-Pseudonym Benjamin Black einen neuen "Philip-Marlowe-Roman". Chandler, der Erfinder dieses Prototypen eines Privatermittlers, ist seit 56 Jahren tot. Sein Privatschnüffler lebt weiter. Schon 1989 und 1991 kamen mit „Einsame Klasse“ und „Tote träumen nicht“ von den Erben autorisierte, aber nicht so erfolgreiche Romane heraus, die Robert B. Parker verfasst hat. Nun spürt Banville, ebenfalls autorisiert, Chandler nach und kopiert ihn durchaus perfekt. Sogar den Titel hatte Chandler einst im Fokus.
Irgendwie sieht man ständig Humphrey Bogart vor dem inneren Auge: Am Schreibtisch seines Büros, mit dem Ginglas in der Hand, das Zigarettenetui öffnend, im Clinch mit Gangstern und mit schönen Frauen, fast unbestechlich, seinen eigenen Gesetzen folgend. Banville Kopiert Chandlers Marlowe fest perfekt. Das ist vergnüglich zu lesen, dabei ist der Fall aus den frühen 50ern arg konstruiert, nicht allzu spannend und folgt den üblichen Klischees.
Eine schöne Frau, „groß und schlank mit breiten Schultern und üppigen Hüften. Mit anderen Worten:“ genau sein Typ beauftragt Marlowe, nach ihrem scheinbaren Liebhaber zu suchen, der seit einiger Zeit verschwunden ist. Nicht nur verschwunden, tot soll er sein, findet Marlowe wenig später heraus. Clare, die schöne und äußerst wohlhabende Blondine mit den schwarzen Augen, glänzend wie feuchtes Robbenfell, wusste allerdings schon davon. Sie glaubt aber nicht an seinen Tod, da sie meint, ihn noch vor vierzehn Tagen gesehen zu haben. Hinter Nico Petersen, ihrem Freund, scheint nicht nur Marlowe hinterher zu sein, zwei Mexikaner und ein Gangsterboss wollen ebenfalls etwas von ihm und die wahren Motive von Clare bleiben lange unklar.
Showdown am Ende mit einem melancholischen Marlowe, der Blumenlampen vernichtet und für seine Dienste nicht einmal bezahlt wird. Die Handlung gerät zur Nebensache, das muss man schon mögen. Marlowe-Fans werden die Wiederauferstehung ihres Helden feiern. Wer gut konstruierte Krimis mag, wird amüsiert lächeln und, durchaus besser bedient, zu Alan Carters „Prime Cut“ greifen.
Wertung: ****
Titel: Die Blonde mit den schwarzen Augen
Verlag: KiWi
Autor: John Banville
Seiten: 287 Seiten
Preis: 14,99 Euro
Dienstag, 19. Mai 2015
DEUS
Sébastien Dujardin, Gründer der belgischen Firma Pearl Games, ist bisher nur als Co-Autor bei Spielen wie TROYES und TOURNAY aufgetreten. DEUS ist das erste Produkt, das er allein zu verantworten hat.
Sein Götterspiel läuft im Nirgendwo einer antiken Zivilisation ab, um historische und geographische Korrektheit geht es auf dem modularen Spielplan nicht. Daher gibt es beim Aufbau eines Imperiums erwartbare Versatzstücke: Landschaften, die Erträge abwerfen, Barbarendörfer, die Militäreinheiten befrieden und Gebäude, die errichtet werden. Wenn sieben Tempel stehen oder alle Dörfer der Barbaren vernichtet sind, gewinnt der Anführer mit den meisten Siegpunkten. Die Spieler erwirtschaften diese im Laufe des Spiels, erhalten sie für Tempelbau und Mehrheiten bei den Erträgen.
Götter müssen in DEUS natürlich auch eine Rolle spielen. Wer kein Gebäude baut, opfert Neptun, Minerva, Mars und Co. und erhält neue Häuser, Geld oder Siegpunkte. Gesteuert wird das alles durch Gebäudekarten, die analog zur Götterwelt den Bereichen Seefahrt, Wissenschaft und Militär etc. zugeordnet sind. Begrüßenswert ist dabei, dass der Karteneinsatz mehrfach Ertrag bringt. Wird eine rote Militärkarte erneut in die entsprechende Reihe platziert, treten alle Effekte der bisher gelegten Karten noch einmal ein. Wer diese Vervielfachung von Optionen geschickt zu nutzen versteht, wird am Ende die Nase vorn behalten.
Die Kartensteuerung des Spiels bedingt die Macht von Fortuna. Wer keine Marskarten hat, wird seine Legionen nicht in Marsch setzen können. Da es aber Möglichkeiten gibt, die Handkarten über fünf hinaus maximal zu verdoppeln, lässt sich das Glück schon beeinflussen. Bei Superoptimierern am Tisch bringen viele Karten allerdings auch lange Grübelphasen mit sich. Da es letztlich aber nur zwei Aktionsentscheidungen gibt, sind die Beteiligten zumindest am Anfang schnell im Spiel. Trotzdem müssen alle mit den vielfältigen Wirkungen der Karten vertraut sein. Deshalb ist DEUS auch kein einfaches Familienspiel, sondern eher ein Kennerspiel mit überschaubarem Regelwerk. Die Regel selbst ist ordentlich, über den Titel lässt sich nicht nur grammatikalisch streiten. Ein Fehler ist dem Autor und Produzenten beim Rohstoff Holz unterlaufen, der braune Rohstoffanzeiger korreliert so gar nicht mit dem grünen Indikator auf den Karten. Das führt zu Irritationen.
Trotz Interaktion beim Militär ist DEUS weitgehend Optimierarbeit jedes einzelnen bei der Gestaltung seiner Zivilisation, beim Wiederaktivieren der persönlichen Kartenauslagen. Aber genau das wollen die meisten, die mit DEUS in Berührung kommen: Neue Optimierungen, Kombinationen und Spezialisierungen ausprobieren, andere Marschrouten beschreiten, die Besiedlung dieses antiken Nirgendwo geschickter vornehmen. Der Wiederspielreiz ist hoch und nächste Woche setze ich mich gern wieder hin, um mit Seefahrt und Zivilisationsaufbau den Militärstrategen ein Schnippchen zu schlagen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: DEUS
Verlag: Pearl Games, Vertrieb: Heidelberger Spieleverlag
Autor: Sébastien Dujardin
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 14 Jahren
Dauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 50 Euro
ARLER ERDE
Spieler sind verrückte Menschen. Sie bewegen sich in allen Zeitaltern von der Frühgeschichte der Menschheit bis in die ferne Zukunft zum Angriff der Zylonen auf Galactica. Sie bewegen sich in mexikanischen Tempeln, auf der chinesischen Mauer, spielen Jule Vernes „Reise um die Welt in 80 Tagen“ nach oder Serien wie „Walking Dead“. Dass sie sich auch in das kleine ostfriesische Örtchen Arle verirren könnten, um mit Begeisterung das mühselige Leben an der Nordseeküste zu Beginn des 19. Jahrhunderts nachzuempfinden, hätte vor AGRICOLA wahrscheinlich niemand geahnt. Am wenigsten die Arler selbst, deren Kirchturm in Spielerkreisen nun genauso bekannt ist wie die Doppeltürme von NOTRE DAME. Als 1163 der Baubeginn der Kathedrale des Erzbistums Paris startete, war die kleine Kirche in Arle urkundlich schon 1106 erstmals erwähnt worden.
Uwe Rosenberg hat der Region, in der er aufwuchs, mit dem Spiel ARLER ERDE ein gewichtiges Denkmal gesetzt. Wenn die Jury „Spiel des Jahres“ noch Sonderpreise wie „Geschichte im Spiel“ verleihen würde, hätte diese Idee durchaus einen Sonderpreis „Regionalgeschichte im Spiel“ verdient. Dem Gesamtprodukt merkt man an, dass es ein Herzblutspiel Rosenbergs ist: Detailverliebt, gespickt mit regionalen Anspielungen und ergänzt durch ein 36seitiges Kompendium, in dem der Autor allen Spielern seine Heimat nahebringt. Es reicht vom Grünkohlessen über die „Bohntjesopp“ und Teezeremonie zur Deichwirtschaft und Moorkolonisation.
Das sind die Spannungsbögen die ARLER ERDE auch im Solo- oder Zweipersonenspiel kennzeichnen. Damit die Spieler im Halbjahrestakt über knapp fünf Jahre hinweg ihre Höfe erfolgreich bewirtschaften, brauchen sie für Gebäude, Ackerflächen, Schaf- und Rinderzucht mehr Land. Das müssen sie dem Meer durch Deichbau abringen und dem Moor durch Trockenlegung.
Rosenberg hat sich dazu 30 verschiedene Aktionsbereiche ausgedacht, die die Spieler hälftig im Winter- und im Sommerhalbjahr nutzen. Vier Familienmitglieder stehen dafür zur Verfügung. 36 Aktivitäten sind das damit über die gesamte 120minütige Spielzeit, die natürlich nach Punkten abgerechnet wird. Wer anfangs von der Vielfalt erschlagen ist, stellt schnell fest, dass ARLER ERDE einfach ausprobiert werden muss. Es gibt eigentlich keine schlechten Aktionen. Für den Winter müssen die Spieler beachten, dass Heizmaterial und Nahrung im Hause ist. Schnell wird auch klar, dass Reisen lohnt, Fuhrwerke in die Umgebung fahren sollten.
Als Oldenburger bin ich allerdings empört, dass Rosenbergs Karren zwar von Arle bis Bremen unterwegs sind, aber das Großherzogtum an der Hunte nicht bereist wird. Trotz der Ungehaltenheit, ARLER ERDE spiele ich zu jeder Zeit wieder. Die Vielschichtigkeit fasziniert, Rosenberg hat wieder einmal ein perfektes Spiel erfunden!
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: ARLER ERDE
Verlag: Feuerland
Autor: Uwe Rosenberg
Spieleranzahl: 1-2
Alter: ab 14 Jahren
Dauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 50 Euro
ORLÉANS
Bei aller ausländischen Konkurrenz liefern deutsche Kleinverlage immer noch die eine oder andere Überraschung ab. 2014 war es CONCORDIA vom PD-Verlag, das auf der Nominierungsliste für das „Kennerspiel des Jahrs“ landete, 2015 folgt ORLÉANS von Reiner Stockhausen diesem Vorbild. Sein dlp-Verlag startete 2009 mit den von ihm entwickelten Produkten LÜBECK und CRAZY KICK. Zwischendurch verlegte er Spiele von Martin Schlegel und Jeffrey D. Allers, die beiden Neuheiten SCHEFFELN und ORLÉANS sind wieder Entwicklung des Kleinverlegers.
ORLÉANS ist ein Schwergewicht, das von den verarbeiteten Spielideen lebt, allerdings kaum thematische Atmosphäre besitzt. In der Regel heißt es, dass die Spieler im mittelalterlichen Frankreich die Vorherrschaft auf verschiedenen Gebieten zu erringen versuchen. „Mittels Warenproduktion, Handel, Entwicklung oder Engagement fürs Gemeinwohl können Waren, Münzen und Punkte errungen werden.“ Ähnlich abstrakt darf man sich das am Spieltisch vorstellen. Die Spieler entwickeln unterschiedliche Bereiche, sammeln durch Herumreisen Waren ein und errichten Kontore. Am Ende kommt alles in einen großen Punktetopf, mathematische Formelberechnung eingeschlossen.
Klingt schrecklich öde, ist es aber überhaupt nicht. Das liegt vor allem daran, dass die Aktionsauslösung an einen frischen Bagbuilding-Mechanismus gebunden ist. Zwei oder drei Figuren aus dem Säckchen sind nötig, um eine Aktion nutzen zu können. Nur vier Akteure hat man anfangs zur Verfügung. Demgegenüber steht eine Vielzahl von Optionen, mit denen weitere Figuren gewonnen werden, die dann zu Lande und zu Wasser reisen, Kontore errichten und wohltätige Werke vollziehen. Zusätzlich verstärken weitere Orte die Optionsvielfalt. Die Qual der Wahl prägt 18 Runden, die, da vieles zeitgleich erledigt wird, aber gar nicht so lange dauern.
Wege zum Sieg gibt es viele und es macht den meisten Spielrunden Spaß, immer wieder neue auszuprobieren. Es bleiben aber Fragen: Müssen es wirklich 18 Runden sein oder könnte ORLÉANS nicht schon nach 12 oder 15 beendet werden? Am Ende zieht das Spiel sich oft hin. Viele Optionen lohnen nicht mehr, Figuren sind überflüssig und nutzen auch nicht mehr für segensreiche Werke. Bei den Ereignissen, die die Runden prägen, wäre eine größere Varianz wünschenswert. Für das parallele Spielen ist eigentlich ein Sichtschirm nötig. Wer mit zwei Personen ein segensreiches Werk beenden kann, aber Letzter in der Zugreihenfolge ist, der kann sich beim offenen Spiel natürlich daran orientieren, ob andere Spieler vor ihm Ähnliches planen. Ärgerlich, wie zuletzt bei DA LUIGI, sind nachgeschobene Regeländerungen. Bei ORLÉANS trifft es das starke Badhaus, der Verlag empfiehlt inzwischen, statt drei nur zwei Plättchen nachzuziehen.
Trotz der Kritik, ORLÉANS ist ein außerordentlich gutes Spiel. Der Bagbuilding-Mechanismus trägt. Trotz Vielfalt der Aktionen bleibt das Grundgerüst einfach. Unerfahrene Spieler sind schnell beteiligt und müssen die unterschiedlichen Möglichkeiten des Spiels einfach ausloten. Das Ausprobieren lohnt! Das meint auch die Jury: „Ein toller Mechanismus, der hervorragend Glück mit kluger Weitsicht kombiniert. Die vielseitigen Planungsmöglichkeiten und schnelle Züge machen ORLÉANS zu einem faszinierenden Spiel für Strategen.“
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: ORLÉANS
Verlag: dlp games
Autor: Reiner Stockhausen
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 50 Euro
ELYSIUM
Die Space Cowboys scheinen alles richtig zu machen. Bisher hat der französische Verlag erst drei Spiele veröffentlicht, zwei davon hat die Jury „Spiel des Jahres“ nominiert. Im letzten Jahr war SPLENDOR erfolgreich im Rennen um den Hauptpreis. 2015 ist ELYSIUM zum „Kennerspiel des Jahres“ nominiert.
Seit 2013 existiert der Verlag, hinter dem die Gründer von Asmodee stecken: Marc Nunes, Philippe Mouret und Croc. Für die Mitarbeit konnten sie Cyril Demaegd und Sébastien Pauchon gewinnen, die Macher von Ystari und Gameworks. Dieses Team entwickelt ein Gespür nicht nur für die richtigen Spielideen, sondern auch für die bis ins Inlet der Schachtel hinein perfekte Umsetzung. Pauchon hält hier alle Standards, die er schon bei Gameworks eingeführt hat. Für ELYSIUM konnten die Space Cowboys das noch einmal toppen, indem sie acht Grafiker für die Gestaltung von Götterwelten engagiert haben. Unabhängig vom Spielwert ist das Gesamtprodukt ein kleines Kunstwerk, unverständlich daher, dass es nicht auf der Auswahlliste für „Graf Ludo“ gelandet ist. Keines der nominierten Spiele kann mit der grafischen Umsetzung von ELYSIUM mithalten.
Zum Spielwert: Neben DEUS ist ELYSIUM das zweite Spiel aus der antiken Götterwelt auf der Liste der Jury. Die Macht der Götter wird hier aber konkreter. Sind die Spieler doch selbst Halbgötter, die ihren Platz auf dem Olymp sichern wollen. Je mehr Mythen die Halbgötter erschaffen, umso erfolgreicher buhlen sie fünf Epochen lang um den Spielsieg mit. Um Legenden zu schaffen, müssen Anhänger von Götterfamilien auf die „Insel der Seligen“ gebracht werden.
Die beiden Autoren Gilbert und Dunstan nutzen dazu einen raffinierten Erwerb von Spielkarten, die Nutzung der Effekte der Karten und ihr Abwandern zum Punktesammeln ins Elysium, was ans klassische ROMMÉ-Spiel erinnert. Die Karten stammen aus acht Götterwelten, jeweils 21 sind pro Familie im Spiel. Allerdings beschränkt sich jede Spielrunde auf die Nutzung von fünf Kartensets. Einführungspartien sollten mit den Karten für Athene, Hades, Hephaistos, Poseidon und Zeus gespielt werden. Wer es schwieriger und aggressiver mag, kann zum Beispiel die Kombination mit Apollo, Ares, Hades, Hermes und Poseidon ausprobieren.
Bei der Kartenauswahl stehen den Akteuren pro Runde das Dreifache der Spieleranzahl plus eine zusätzliche Karte zur Verfügung. Der Zugriff wird elegant mit Hilfe farbiger Tempelsäulen geregelt. Wer eine Karte erwirbt, braucht eine Säule der entsprechenden Farbe und muss danach eine beliebige von den anfangs vier Säulen abgeben. Im Blick zu behalten ist, dass die Spieler auch im Tempel eine Aufgabe übernehmen müssen, für die ebenfalls eine der Farbsäulen gebraucht wird. Die Tempelaufgabe regelt die Spielreihenfolge, liefert Geldnachschub und sorgt dafür, dass gesammelte Karten ins Elysium wandern dürfen. Das wollen die Spieler gar nicht schnell machen, da die Effekte jeder Karte nur in der aktiven Sphäre und nicht in der Unterwelt zählen. Von daher stehen alle ständig vor Konflikten: Welche Säule nehmen? Welche Karte passt zu den vorhandenen? Gehe ich aggressiver gegen die Mitspieler vor? Wann sammle ich meine Karten im Elysium? Die Varianz ist durch die unterschiedlichen Kartensätze sehr groß? Kein Spiel gleicht dem anderen. Immer wieder lässt sich die Macht der Götter neu ausprobieren, ohne dass der Reiz verlorengeht. Die Spielerkritik, die ich bisher zu hören bekam, hängt vor allem mit der Vielfalt der Karten und der damit einhergehenden langen Überlegungszeit zusammen. Einige Spieler brauchen viel Zeit, bis sie sich für eine Karte entschieden haben. Auch in der letzten Runde ist das Ganze eine Optimierungsausgabe, die Grübler am Tisch herausfordern kann.
Das Gesamtprodukt überzeugt aber. Das Regelwerk ist vorzüglich, jede einzelne Karte ist ausführlich erläutert. Hier liefern die Space Cowboys vorbildhafte Arbeit ab. Von daher bin ich gespannt, ob das Niveau auch beim vierten Spiel des Verlags, TIME STORIES, das im Herbst 2015 erscheinen wird, gehalten werden kann.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: ELYSIUM
Verlag: Space Cowboys, Vertrieb: Asmodee
Autoren: Brett J.Gilbert, Matthew Dunstan
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 50 Euro
BROOM SERVICE
Was ist BROOM SERVICE? Wer es wörtlich mag: eine Art Besenservice, ein Roomservice in der Welt der Hexen, Druiden und Magier. Ausgeliefert werden die herrlichsten Zaubertränke, ruck zuck, auf dem Besen geht es ja schnell. Trotzdem geordnet, da werden fremde Ländereien nicht einfach überflogen, da wird maximal im Land und im nahen Ausland angeliefert.
Alle klar? Nun ja, bequemer hätte ich auch schreiben können: BROOM SERVICE von Alea ist ein Stichspiel mit Spielbrett, ein schwergewichtiges UGO. Oder noch einfacher: BROOM SERVICE ist die Weiterentwicklung von WIE VERHEXT, das 2008 für den Hauptpreis »Spiel des Jahres« nominiert war.
Vom Spielgefühl her hat sich wenig geändert. "Mutig oder feige?" ist immer noch die entscheidende Frage beim Ausspielen der Rollenkarten. Das Feige sein bringt nur wenig ein, aber die mutige Entscheidung kann ins Nirwana führen, wenn es andere furchtlose Hexen in der Runde gibt. Der interaktive Charakter trägt das Spiel über sieben Spielrunden und hält die Spannung hoch. Mit den Sammlern holen wir uns Kräuter für die Zaubertränke. Hexen und Druiden liefern sie gewinnbringend aus, wobei weite Wege lukrativ sein können. Die Wetterfee bekämpft störende Wolken und bringt Blitze für Siegpunkte in der Endabrechnung mit nach Hause. Alle Rollen sind wichtig, aber nur vier kommen in jeder Runde zum Einsatz. Wer den Spielplan zu lesen und die ausliegenden Ressourcen zu interpretieren versteht, wird Vermutungen über die Aktionen der Mitspieler anstellen können. Aber Hexen sind launisch und machen oft nicht das, was von ihnen erwartet wird.
Die Jury nominiert die Idee von Andreas Pelikan, der diesmal Alexander Pfister als Co-Autor dazu gewonnen hat, erneut, allerdings für das „Kennerspiel des Jahres“. In der Begründung heißt es: „Wahrlich magische Momente erlebt, wer die taktischen Vorhaben der Gegner entzaubert. Besonders schön: Zusätzliche Profi-Varianten gestalten das Spiel noch abwechslungsreicher.“ Zugegeben, das Spiel übt eine magische Faszination aus. Wer aber ein paar Mal hintereinander seinen Zauberstab zu mutig geschwungen hat, hinkt mit seinen Lieferungen schnell hinterher. Die lukrativen Türme sind beliefert, sodass nur nicht so spendable Lieferplätze bleiben. Da kann auch Frust aufkommen, im Spiel zu fünft gar Langeweile. In der Kritik ist zu Recht auch der sehr bunte Spielplan mit nicht immer eindeutigen Liefertürmen, da tauchen in Anfängerrunden stets Fragen auf. Das Spiel ist gut, keine Frage, das Spiel macht Spaß, hat Spannung, aber auch leichte Mängel.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: BROOM SERVICE
Verlag: alea/Ravensburger , Vertrieb: Heidelberger
Autoren: Andreas Pelikan, Alexander Pfister
Spieleranzahl: 2-5
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 75 Minuten
Preis: ca. 40 Euro
VOLLMONDNACHT
VOLLMONDNACHT von Ted Alspach und Akihisa Okui hat einen Untertitel: WERWÖLFE – und schon weiß jeder, worum es geht: Der düstere Wald lässt grüßen, hautnah, mit ähnlichem Grusel, nur deutlich abgekürzt.
Das kommunikative Bluff- und Partyspiel von Bézier Games folgt fast exakt dem klassischen Vorbild. Werwölfe fallen in ein Dorf ein und die Dorfbewohner versuchen sie, mit ihren unterschiedlichen Möglichkeiten zu entlarven. Viele Charaktere sind bekannt, das Chaos ist aber größer als im Originalspiel. Da stets mehr Charaktere im Spiel sind als Mitspieler, haben die Autoren eine Tauschkomponente eingebaut. Am Morgen nach einer VOLLMONDNACHT ist die Ausgangslage daher oft anders ist als am Abend zuvor. Abhängig von der Runde läuft danach eine Abstimmungsdiskussion lebendig oder mühsam ab. Wer sich auf das Spiel einlässt, wird Spaß daran finden. Zumal schon nach einer Abstimmung alles vorbei ist. Dann ist klar, dass die Werwölfe gewonnen haben, wenn es bei der Abstimmung keinen von ihnen trifft oder die Dorfbewohner, wenn sie einen Werwolf entlarven. Es sei denn, ein Gerber ist im Spiel, der sich die ganze Zeit als Werwolf gab, nur weil er getroffen werden wollte.
VOLLMONDNACHT braucht keinen Moderator, das erledigt alles routiniert eine APP, mit der die Runde auch die Länge der Diskussion festlegt. Alspachs Variante der WERWÖLFE kommt in den meisten Runden gut an. Der Einsatz der APP ist hier wirklich sinnvoll, alle können mitspielen und die App führt auch Erstspieler gut ins Spiel ein.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: VOLLMONDNACHT
Verlag: Ravensburger / Bézier Games
Autor: Ted Alspach, Akihisa Okui
Spieleranzahl: 3-10
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: ca. 10 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
UGO!
Endlich einmal thematisches Leben in der Stichspielstube! Nicht die 111. Farbbedien- oder Nichtbedien-Variante, da können wir doch gleich bei SKAT und DOPPELKOPF bleiben! Nein, UGO!, aus dem Hause Kosmos, liefert eine Geschichte und die passt sogar zur Spielmechanik.
Das Autorentrio Hoekstra, Jansen und Zuidhof hat UGO! schon 2013 im holländischen Kleinverlag Playthisone veröffentlicht. Patrick Zuidhof gehört zu den Verlagsgründern und war 2012 mit BLOQS am ersten Spiel des Verlags beteiligt. Kosmos hat gut daran getan, sich mit UGO! die zweite Veröffentlichung zu sichern, denn das Kartenstichspiel ist etwas Besonderes in der Kartenspiellandschaft. UGO’s Landschaft ist majestätisch. Jeder besitzt ein Königreich mit fünf Ländereien. Damit diese Ertrag abwerfen, müssen Bauern sie bewirtschaften. Fehlen die, wird es nichts mit der Krönung am Ende.
Das reine Kartenspiel folgt den üblichen Gesetzen. Es gibt Spielkarten in fünf Farben und Werten von 0-8. Jeder bekommt zehn Handkarten, auch im Spiel zu viert sind nie alle Karten im Spiel. Die Autoren arbeiten mit Bedienpflicht, es gibt aber keine Stichfarbe. Wer nicht bedienen kann, darf eine beliebige Karte abwerfen, am Ende gewinnt stets die höchste Zahl. Der Stich wird nach Farben sortiert den Ländereien zugeordnet. Auf den ersten beiden Feldern stehen Bauern für die Wertung parat, für die weiteren müssen die Spieler erst zwei bis vier Bauern gewinnen. Jedes bewirtschaftete Land bringt die Punkte der obersten Karte.
Daraus ergibt sich der Reiz des Spiels. Mit bestimmten Karten lassen sich Bauern erwirtschaften, die unbedingt gebraucht werden. Andererseits ist man bemüht, die Farbzahl beschränkt zu halten und möglichst hohe Werte im Lande zu haben. Da versuchen die Mitspieler allerdings ein Wörtchen mitzureden. Zu den größten Vergnügen gehört, in einem Stich eine »1« unterzubringen, mit der eine »8« entwertet wird. Bei UGO! ergibt sich ein ständiges Auf und Ab der Gefühle, das den besonderen Wiederspielreiz ausmacht. Die Jury „Spiel des Jahres“ hat dieses intelligente Stichspiel zu Recht auf ihre Empfehlungsliste für 2015 genommen.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: UGO!
Verlag: Kosmos
Autoren: Ronald Hoekstra, Thomas Jansen und Patrick Zuidhof
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
SIMSALA ... BUMM?
Ich kenne meine Karten nicht und soll doch irgendetwas spielen, da stellt bei jedem sofort ein Déjà-vu-Gefühl ein, der erstmalig mit SIMSALA … BUMM? in Berührung kommt. Irgendwie erinnert alles an HANABI! Nur hat man gleich die Deluxe-Version an der Hand: Keine Karten, sondern Spielsteine, fünf an der Zahl, mit denen nicht nur ein Feuerwerk entzündet, sondern Drachen herbeigezaubert, Geisterwesen beschworen und Schneestürme ausgelöst werden können. Das Schöne dabei ist, die Spieler bekämpfen nicht gemeinsam den großen Unbekannten, sondern dürfen sich richtig gegenseitig fetzen.
SIMSALA … BUMM? ist ein knallharter Kampf in der Magierarena mit Zaubersprüchen, die in unterschiedlicher Häufigkeit im Spiel sind. Ganz rar ist der Drache, den gibt es nur einmal, das Feuerwerk in SIMSALA … BUMM?, ein gleißender Feuerball, ist siebenmal vorhanden.
Die Spieler sprechen mindestens einen Zauber aus. Hinweise auf erfolgreiche Zaubersprüche liefern die gegnerischen Steine. Ausgespielte Zauber werden auf einen Spielplan gelegt, sodass mit der Zeit das deduktive Verfahren immer höhere Trefferquoten beschert. Keine hundertprozentigen allerdings, da anfangs vier Steine verdeckt gezogen werden, die der Runde nicht zur Verfügung stehen. Wer einen Eulenzauber aktiviert, kann sich aber Informationen über einen solchen Stein verschaffen. Einmal falsch gezaubert, kostet einen von sechs Lebenspunkten. Wer erfolgreich zaubert, schadet meist den anderen oder gewinnt Lebenspunkte zurück.
Der Spieler, der es schafft, alle seine Zauber zu aktivieren, gewinnt sofort eine Spielrunde. Meist endet diese aber mit dem Ausscheiden eines Magiers, der keine Lebenspunkte mehr hat. Dafür gibt es unterschiedliche Gewinnpunkte. Wer nach drei bis fünf Runden acht sammeln konnte, gewinnt das Magierduell.
Das Zauberspiel ist glückslastig. Wer keinen Zauber für Heiltränke hat, wird kaum überleben. Wer links von sich Massen an Feuerbällen sieht, wird auch kaum Chancen haben. Solide sind die Spielsteine, die standfest den Einblick von hinten verhindern. Die Ziffern der einzelnen Zauber sind allerdings zu verschnörkelt und nicht gut lesbar. In voller Besetzung mit fünf Magiern ist es etwas mühsam sich den Gesamtüberblick zu verschaffen, ohne den nicht sinnvoll gezaubert werden kann. SIMSALA … BUMM? macht trotzdem Spaß, kein Zweifel, in Runden mit Kindern sogar mehr Spaß als das „Spiel des Jahres“ 2013.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: SIMSALA … BUMM?
Verlag: Pegasus Spiele
Autor: Gary Kim
Spieleranzahl: 2 - 5
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
PATCHWORK
Uwe Rosenberg, 45jähriger Autor aus Ostfriesland, ist für seine hochkomplexe AGRICOLA-Welt vielfach ausgezeichnet worden, dabei hat er auch ein gutes Händchen für einfache Ideen. Seine Bandbreite zeigen die beiden Empfehlungen der Jury „Spiel des Jahres“ 2015. Da ist sein ostfriesisches Epos ARLER ERDE, aber auch das pfiffige Legespiel PATCHWORK.
Man stelle sich Rosenbergs Großmutter vor, die nach dem Zweiten Weltkrieg regelmäßig nach Wilhelmshaven fuhr, um Stoffe für ihre Kundschaft einzukaufen. Verwertet wurde alles, sogar der kleinste Rest ließ sich noch verarbeiten. Diesem Recyceln von Stoffresten setzt Rosenberg mit PATCHWORK ein spielerisches Denkmal.
Dazu nutzen zwei Spieler 33 unterschiedliche Stoffreste, die aus zwei bis acht zusammenhängenden Quadraten bestehen. Mit denen und fünf Bonusteilen können sie maximal 81 Felder auf der quadratischen Patchworkdecke belegen. Ein Stoff-Puzzle mit Pappteilen, Knopfgeld und viel Zeit, die für Handarbeit nun einmal nötig ist. 53 Zeiteinheiten stehen auf einer spiraligen Zeitleiste zur Verfügung, in Spielzeit umgerechnet sind das etwa 30 Sekunden pro Einheit. Umrahmt ist die Zeituhr von den 33 Stoffteilen, die ein Einkäufer, den beide Spieler bewegen, gegen Zahlung von Knöpfen und Zeit erwerben kann. Jeweils drei Teile sind erreichbar, die aus der Porto-, pardon Knopfkasse bezahlt werden, die anfangs mit nur fünf Knöpfen bestückt ist. Gleichzeitig kostet das Einnähen Zeit, sodass der eigene Zeitstein voran wandert. Wer hinten liegt, darf sich immer weiter bedienen, auch mehrmals hintereinander. Spieler, die auf der Zeitleiste ein Knopffeld überspringen, bekommen für jeden schon verarbeiteten Flicken mit Knöpfen Nachschub für die Kasse. Außerdem gelten die Knöpfe als Siegpunkte. Fünf kleine Flickenfelder erhalten als Belohnung nur die Führenden. Das gilt auch für ein nicht unwichtiges Zwischenziel: Wer als erster ein Quadrat mit 49 Feldern schließen kann, erhält sieben Knopfpunkte für die Endwertung. Spieler, denen die Zeit ausgegangen ist, rechnen Knopfeinnahmen gegen nicht belegte Felder gegeneinander auf.
PATCHWORK ist nicht einfach ein belangloses 08/15 Legespiel. Die pfiffige Mischung aus Zeit- und Knopffaktoren, die die alternierende Reihenfolge aufhebt, sorgt für ein spannendes Flicken-Duell. Auch das Endergebnis ist ansehnlich, es genügt auch hohen ästhetischen Ansprüchen. Klemens Franz, der Grafiker, hat gut Arbeit abgeliefert. Die Jury konnte an diesem Kunstwerk aus Ostfriesland nicht vorbeigehen und hat es zu Recht auf die Empfehlungsliste der besten Spiele des Jahres 2015 gesetzt.
Wertung: Jederzeit wieder
Titel: PATCHWORK
Verlag: Lookout Spiele
Autor: Uwe Rosenberg
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
CACAO
Im Vorfeld der Nominierungsdiskussion 2015 ist in unterschiedlichen Foren CACAO von Phil Walker-Harding in der Bearbeitung von Abacusspiele als heißer Titelaspirant genannt worden. Im spielbox-Toto stand CACAO hinter COLT EXPRESS und vor MACHI KORO an zweiter Stelle, beim „Pfefferkuchel“ 2015 landete CACAO hinter MARCO POLO und ORLÈANS auf dem dritten Platz.
Auch wenn es am Ende „nur“ für die Empfehlungsliste für das „Spiel des Jahres“ gereicht hat: CACAO ist ein gutes taktisches Legespiel, das zu den besten Familienspielen des Jahrgangs gehört.
Zwei bis vier Spieler bewirtschaften in einer Dschungellandschaft Kakao-Plantagen. Dafür besitzen sie elf Arbeiterplättchen, die an Plantagen oder Märkte gelegt, Ertrag oder Einkommen bringen. Urwaldplättchen kommen als Lückenfüller automatisch dazu, das können auch Goldgruben, Kultstätten und Sonnentempel sein. Umlagert sind dabei besonders rare Wasserstellen, die auf einem Dorftableau einen Wasserträger in Gang setzen, der, wenn er gar nicht läuft, zehn Minuspunkte bringt. Wenn er allerdings so richtig in Gang kommt, können das auch 16 Siegpunkte sein.
CACAO ist ein schönes, schnelles, manchmal auch gemeines Legespiel, bei dem eine wunderbare Urwaldlandschaft entsteht und bei dem die Spieler am Spielende hoffentlich Sonnensteine in der Hand haben, um noch einmal lukrativ Landschaften überbauen zu können. Irgendwie ist die Umsetzung aber sehr glatt, da fehlt die Kreativität, da fehlt die Überraschung. Überraschend ist nur, dass man nicht mit Kakao am meisten Kohle macht, sondern der einfache Wasserträger für den Spielsieg unverzichtbar ist.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: CACAO
Verlag: Abacusspiele
Autor: Phil Walker-Harding
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
THE GAME
Eigentlich hat der Nürnberger Spielkarten Verlag so ziemlich alles falsch gemacht, was ein Verlag falsch machen kann. Da hat er einmal wieder von Steffen Benndorf eine wahnsinnig gute Spielidee angeboten bekommen und sich dazu nichts Dümmeres einfallen lassen, als dieses Spiel DAS SPIEL zu nennen. Auf dem deutschen Markt ist der Titel durch Reinhold Wittigs geniale Würfelpyramide besetzt, also läuft das Ganze unter dem englischen Titel THE GAME. Die Nutzer von BoardGameGeek beschweren sich schon, dass der Suchbegriff 55 Titel ergibt, erst mit dem Untertitel „Spiel … so lange du kannst!“ kommt es zur Punktlandung. Der Titel mag noch einfallslos sein, der Blick aufs Cover führt in tote Augenhöhlen. Ein Totenkopf grinst dem Betrachter außen und auf den 102 Spielkarten entgegen. Passender geht es nicht für ein rundes Familienspiel.
Dabei ist doch alles so harmonisch. Da gibt es kein Gegeneinander, nein, kooperativ arbeiten zwei bis fünf Spieler daran, 98 Karten loszuwerden. THE GAME ist eine simple Patience, bei der Karten auf zwei Stapeln aufsteigend und auf zwei weiteren absteigend gelegt werden. Mit den Werten 1 und 100 geht es doppelt los. Anfangs muss immer jeder mindestens zwei Karten möglichst mit geringen Differenzen ablegen. Sechs haben die Beteiligten auf der Hand, sobald ihr Nachzugstapel leer ist, müssen sie nur noch eine Karte legen. Neben den Ablegeregeln sind nur noch die für die Kommunikation der Gruppe wichtig. Verständigung ist notwendig, allerdings sind exakte Zahlenwerte tabu. Trotzdem gilt auch hier die alte HANABI-Regel „Was raus muss, muss raus!“
Da werden zwar keine Zahlenwerte genannt, aber dass man nah dran ist, darf man schon sagen. Ganze Reihen werden gesperrt, denn die schönste Spielregel erlaubt Zehnersprünge zurück. Da ist es dann gar nicht schlimm, wenn jemand von der 88 auf die 76 springt, weil er ja noch die 86 ausspielen kann. Solche Kettensprünge liefern die Würze in dem pfiffigen Ablegespiel. Das Spiel selbst zu besiegen, ist nicht einfach. Das hängt wie bei jeder Patience von der Kartenreihenfolge ab, allerdings ist gute Kommunikation schon hilfreich, zumindest ein respektables Ergebnis unter zehn Restkarten zu erreichen.
Die Jury „Spiel des Jahres“ hat THE GAME trotz widriger Außenumstände für den Hauptpreis nominiert. Der „Minimalismus“ begeistere, sagen die Juroren und betonen zu Recht die vielen Emotionen, die Benndorfs Spielidee erzeuge.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: THE GAME
Verlag: Nürnberger Spielkarten Verlag
Autor: Steffen Benndorf
Spieleranzahl: 1-5
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 8 Euro
MACHI KORO
Unter dem schneebedeckten Fuji, seit 2013 Weltkulturerbe, entwickeln sich blühende Landschaften. Da entstehen sehr früh ein Bahnhof und ein Einkaufszentrum, mit dem Freizeitpark dauert es länger und wenn der Fernsehturm steht, ist das Spiel auch schon zu Ende.
Masao Suganuma lässt mit vielen Spielkarten kleine Metropolen in den Auslagen der zwei bis vier Städtebauer wachsen. Anfangs reifen nur Weizenfelder, deren Korn in einer Bäckerei verarbeitet wird. Bald kommen ein Bauernhof, ein Café und ein Mini-Market dazu. Steht der Bahnhof, ist kein Halten mehr, ein Stadion und Bürohaus, Möbelfabrik und Plantagen entstehen, die anfangs genannten Großprojekte natürlich auch.
Jeder Bau bringt Einnahmen, manchmal nur im eigenen Zug, manchmal aber auch, wenn andere an der Reihe sind. Gesteuert wird das Ganze über Würfel und Würfelzahlen, die den Karten zugeordnet sind. Letztlich geht es um Geld, das aus der Bank oder von den Mitspielern bezahlt wird. Die Gewinne sind die Basis für neue Investitionen, Freizeitpark und Funkturm kosten nämlich richtig Kohle.
MACHI KORO ist ein ideales Familienspiel. Die einfache Mischung von Aufbau- und Würfelspiel ist stimmig. Alle sind involviert, Ärgerfaktoren mit eingebaut. Auf Dauer wird das Grundspiel allerdings eintönig, wenn immer alle Gebäudearten zur Verfügung stehen. Viel spannender ist die „Komme, was wolle“-Variante, die die Auslage der unterschiedlichen Gebäude um fünf auf zehn reduziert. In der für Herbst 2015 angekündigten „Großstadterweiterung“ wird es nur noch diese Variante geben.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: MACHI KORO
Verlag: Kosmos
Autor: Masao Suganuma
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
COLT EXPRESS
Beeindruckend, was sich Christophe Raimbault und die Macher von Ludonaute für ihren COLT EXPRESS ausgedacht haben. Da darf ein echter Zug mit vielen Waggons und einer spektakulären Westernlokomotive überfallen werden. Filmreif, was die maximal sechs Kontrahenten in einer Spielrunde inszenieren. Sie überfallen Fahrgäste und schalten sich gegenseitig aus, um an den wertvollen Koffer des Marshalls zu kommen.
Sein persönliches Drehbuch gestaltet dabei jeder selbst. Die fünf Akte des Dramas sind aber vorgegeben. Jeder Charakter hat zehn identische Aktionskarte und einen geladenen Trommelrevolver mit sechs Patronen. Mit den Karten können sich die Gangster im Zug bewegen, auf dessen Dach klettern, Fahrgäste bestehlen, zum Faustkampf antreten und ihre Schusswaffe nutzen. Die einzelnen Szenarien geben vor, wie viele der Karten sie offen oder verdeckt ausspielen dürfen. Jeder stellt seine Vermutungen an, was andere planen, häufig wird einfach nur auf Aktionen der Mitspieler reagiert, sofern die passende Kartenoption zur Verfügung steht. Die Auswahl ist beschränkt und wird durch Treffer der Gegner sogar noch vermüllt. Wenn alle Karten gespielt sind, heißt es „Film ab!“ und die Akteure spielen die Konsequenzen ihrer eingesetzten Karten im 3D-Zug nach. Da wird Beute gesammelt, da prügeln sich die Gangster und landen den einen oder anderen Treffer. Für Überraschungen sorgt immer wieder der Marshall, der auf seinem Weg durch die Waggons allerdings seinen Koffer vergisst. Dieser wird dann über das Dach zur leichten Beute cleverer Banditen.
Oft genug läuft nicht alles, wie geplant. Der nächste Filmdreh steht aber schon an, bis am Ende Bilanz gezogen wird, wer die wertvollste Beute einsacken konnte. Zum Spielsieg ist in der Regel ein 1000er-Einkommen nötig, ohne den Titel „Revolverheld“ oder den Geldkoffer des Marschalls geht gar nichts.
COLT EXPRESS ist ein wirklich filmreifes Abenteuer am Spieltisch, das nach 45 Minuten abgedreht ist. Dem Abenteuersog dieses Wildwestzuges kann sich keiner entziehen, der einmal auf dessen Dächern herumgeturnt ist. „Diese Mischung aus Planung und Chaos hat Charme und viel Witz. Lok und Waggons als dreidimensionaler Spielplan machen COLT EXPRESS zudem zu einem echten Hingucker.“ Die Jury „Spiel des Jahres“ zeigt sich begeistert und nominiert diese „Western-Parodie“ für das „Spiel des Jahres“ 2015. Die Zeit ist reif, dass auch nicht ganz korrekte Spiele einmal ganz oben auf dem Treppchen stehen dürfen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: COLT EXPRESS
Verlag: Ludonaute, Vertrieb: Asmodee
Autor: Christophe Raimbault
Spieleranzahl: 2-6
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 40 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
JOE’S ZOO
Wolfgang Dirscherl ist 2015 der am meisten gewürdigte Autor auf den Listen der Jury „Spiel des Jahres“. Mit PUSH A MONSTER ist er nominiert, JOE’S ZOO ist auf der Empfehlungsliste und für CHEF ALFREDO hat er die Redaktionsarbeit geleistet. Da kann auch Uwe Rosenberg nicht mithalten, der es in diesem Jahr aber immerhin zu zwei Empfehlungen gebracht hat (ARLER ERDE, PATCHWORK). Erfolgreich war Dirscherl vor allem für Queen Kids unterwegs, allerdings arbeitet er als freier Autor noch für andere Verlage. So sind 2014/15 Spiele von ihm bei Haba, Schmidt, Ravensburger und Piatnik erschienen.
Die MEMOvariante JOE’S ZOO (1) stammt aus dem letzten Jahr. Der Autor variiert hierbei die alte WENDELIN UND WANDA-Idee Rudi Hoffmanns (Pelikan, 1975) mit Tierbildern. Tierpfleger Joe hat viel zu tun. Ameisenbär, Flamingo, Krokodil, Tiger und Zebra sind nicht in den Gehegen, in denen sie sein sollen. Zehn Tierkarten liegen aus und das Einzige, was die Kinder wissen, ist, dass garantiert unter der Zebrakarte sich kein Zebra versteckt. Bis zu fünf Spieler versuchen Joe zu helfen, der sich durch Würfelsteuerung über die kreisrund ausliegenden Karten bewegt. Wer richtig tippt, bekommt einen grünen Futterstein. Ärgerlich nur, dass die Karten immer wieder umgedreht werden, so bleibt es ganz schön verwirrend, was in JOE’S ZOO passiert.
Nach etwa 15 Minuten hat ein Kind die Zielvorgabe mit sechs Futterchips erreicht. Im Gegensatz zu Hoffmanns Idee hat Dirscherls Umsetzung den Vorteil, dass stets alle Kinder beteiligt sind und gleichzeitig die Futtersteine gewinnen können. Das Verwirrspiel reizt auch vierzig Jahre nach seiner ursprünglichen Erfindung und gibt dem MEMOgedanken einen ganz besonderen Pfiff.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: JOE’S ZOO
Verlag: Piatnik
Autor: Wolfgang Dirscherl
Spieleranzahl: 2-5
Alter: ab 4 Jahren
Dauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 11 Euro
(1) Vgl. meine spielbox-Rezension in Ausgabe 5/2014, S. 57
HONIGBIENCHEN
Von den sieben empfohlenen Spielen auf der Liste der Kinderjuroren „Spiel des Jahres“ fußt 2015 mehr als die Hälfte auf dem MEMO-Prinzip. Auch HONIGBIENCHEN von Reiner Knizia arbeitet mit einer Hütchen-Variante des klassischen Gedächtnisspiels. Amigo hat sich für Knizias Idee tolles Material einfallen lassen: sechs Bienenkörbchen und sechs verschiedenfarbige Bienen als kleine Wackelfiguren.
Anfangs stülpen die Kinder die Körbe über die Bienen und beginnen dann mit der Suche. Dazu decken sie Karten auf, meist müssen sie danach die Biene der entsprechenden Farbe suchen. Wer sie findet, stellt den Bienenkorb vor sich ab. Da er nicht nur aus der Mitte, sondern auch von Mitspielern weggenommen wird, ist ein Ärgerfaktor im Spiel, der ganz kleinen Mitspielern Probleme bereitet. Sobald ein Kind vier von den Körbchen vor sich stehen hat, endet das Spiel. Das geht zu zweit und zu dritt schnell, kann sich aber in Besetzungen mit vier oder fünf Spielern hinziehen. Die Körbe wechseln am laufenden Band ihre Positionen und beim Kartenziehen zittern die Kinder, dass sie nicht das Schleckermaul, den Bären, aufdecken, denn dann sind sie sofort einen ihrer Bienenkörbe los.
Obwohl es nur sechs Körbe sind, über die die Kinder die Übersicht behalten müssen, bringt das Durcheinander und Hin- und Hergeschiebe auch gewiefte MEMO-Spieler ins Schwitzen. Knizias HONIGBIENCHEN erfindet das MEMO- oder HÜTCHENSPIEL nicht neu, trotzdem trägt die Idee und das vor allem wegen der gelungenen Umsetzung des Verlages.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: HONIGBIENCHEN
Verlag: Amigo
Autor: Reiner Knizia
Spieleranzahl: 2-5
Alter: ab 4 Jahren
Dauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 16 Euro
FRÖSCHLEIN AUFGEPASST!
Mit FRÖSCHLEIN AUFGEPASST! knüpft Manfred Ludwig an die Frühzeit seiner Autorentätigkeit an. Irgendwie scheint das Spiel aus der Zeit gefallen zu sein. Ein HALMA-Plan und Störche, die Frösche fangen, das hätte auch ein Spiel in den 70ern sein können.
Zugegeben, toll produziert! Die neue Noris-Linie, die Johann Rüttinger grafisch betreut, knüpft ebenfalls an alte Zeiten an, als Rüttinger vor über 30 Jahren schon einmal die Noris-Spiele prägte. Für Noris bedeutet diese Rückkehr nichts Nostalgisches, sie wirkt belebend. Letztlich bleibt nur Ludwigs Spielidee altbacken.
Vier hungrige Adebare bewegen sich auf dem HALMA-Plan, um Frösche zu fangen. Immer einer der Quaker hockt im Teich auf einem der sieben Seerosenblätter. Natürlich wird gewürfelt und entsprechend der eigene Storch gezogen oder der Frosch bewegt. Das einzige pfiffige Element ist das mögliche Spiel mit dem Risiko, mit Unterstützung von Aktionskärtchen. Wer eine schwarze Eins würfelt, darf, statt zu ziehen, die Kärtchen nutzen. Die ermöglichen Bewegungen bis zu vier Feldern, beinhalten aber auch das fast fünfzigprozentige Risiko, zurück zum Start zu müssen. Ludwig hat sich dazu immerhin etwas Neues einfallen lassen, da die Kinder die Karten nicht von oben nach unten abarbeiten, sondern ihr Glück in der Hand haben, in dem sie abheben müssen. Dem Spiel tut das aber nicht wirklich gut. Die Kinder merken schnell, dass die Gefahr, einen Storch aufzudecken, sehr hoch ist, sodass jüngere Kinder auf diese Risikomöglichkeit ganz verzichten. Hilfreicher wäre hierbei eine eher konventionelle Entscheidung gewesen, die Erinnerung zu nutzen und die Reihenfolge der wenigen Karten nicht zu verändern.
Wer drei Frösche hat, gewinnt nach einer Viertelstunde die Froschjagd. Die Altersangabe ab vier Jahren ist mit Blick auf die taktischen Möglichkeiten viel zu tief gegriffen. Wer etwas von dem durchaus vorhandenen Spielreiz erahnen möchte, sollte mindestens Vorschüler sein. Nichts Neues im Spieleteich, aber wunderschön produziert!
Wertung: Vielleicht nächsten Monat noch einmal
Titel: FRÖSCHLEIN AUFGEPASST!
Verlag: Noris
Autor: Manfred Ludwig
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 4 Jahren
Dauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
FLIEGENSCHMAUS
Da wartet ein für Fliegen herrlich duftender „Sch…maushaufen“ am Ende der Flugbahn, die über sieben Duftfelder führt. Da warten eine Kuh, eine Toilette, Pizzareste und der Mülleimer, lauter Ekelkplättchen als Landeplätze für viele Fliegen. Olfaktorisch neutral, aber die Geruchsnerven springen an.
Vier Fliegen besitzt jedes der bis zu vier Kinder. Fast echt wirkende und für Haba eher untypische Plastikgebilde, die mit Hilfe von Fliegenaktionen und dem eigentlichen Flug Richtung „Sch…maushaufen“ starten. Die Kinder platzieren Aktionskärtchen meist auf den Landefeldern. Mit Flug-Karten der richtigen Farbe, gibt es gleich einen Anschlussflug, was zu Kettenzügen führen kann, gäbe es da nicht Klatsch- und Fegekarten, die einen Neustart oder weitere Wege zur Folge haben. Wer trotz aller Widrigkeiten und Gemeinheiten der lieben Mitspieler seine vier Fliegen als Erster zum Zielhaufen bringt, gewinnt nach schnellen 15 Minuten das aktionsreiche Spiel.
FLIEGENSCHMAUS ist ein olfaktorisches Ärgerspiel, für das die Beteiligten aber schon mindestens sechs Jahre sein sollten, denn diesen Ärger muss man abkönnen. Ansonsten gilt: witzige, freche Idee, gut umgesetzt, vorzügliche Regel, zu Recht auf der Empfehlungsliste für das „Kinderspiel des Jahres“ 2015 gelandet und die ist wahrlich kein "Sch...maushaufen"!
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: FLIEGENSCHMAUS
Verlag: Haba
Autor: Dietmar Keusch
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
DER VERDREHTE SPRACH-ZOO
Ganz schön anspruchsvoll, was Klaus Kreowski und Ravensburger bis zu vier Kindern ab vier Jahren abverlangt. 22 Bildmotive, die die Kinder im Laufe des Spiels über ein Zahnradsystem zu Pärchen verbinden, müssen am Ende memoriert werden. Wenn es da nicht eine Geschichte gäbe, die die Kinder zu den Bildern erzählen, kämen auch MEMOfreaks ins Schlingern.
Ein kleiner Affe ist aus seinem Gehege ausgebrochen und hat im Zoo alles durcheinander gebracht. Die Kinder sollen den Affen zurück in das Gehege und auf seinen Baum bringen. Jeweils zwei Bilder werden dafür aufgedeckt, zu denen ein Kind eine kleine Geschichte erzählt. Da wird ein Tier stets mit einem Gegenstand verbunden. So kann ein Nashorn auf einen Luftballon treffen. Die Geschichten sollten schon verrückt sein. Das hilft am Ende, wenn alle Bilder auf den Zahnrädern liegen. Dann müssen sich die Kinder an das passende Motiv zum jeweiligen Tier erinnern. War die Erzählung gut, fällt der Groschen schnell, wenn das Nashorn aufgedeckt wird. Der kleine Affe wandert dafür zur Belohnung in Richtung seines Geheges. Wird allerdings nicht der Ballon, sondern die Eiswaffel beim Nashorn-Bild genannt, bleibt der Affe stehen. Acht von elf Kombinationen müssen die Kinder lösen, damit sie gewinnen.
Das ist nicht leicht. Vierjährige, die oft nur einfache Begriffe nennen, sind überfordert. Jungen tun sich besonders schwer. Vorschüler und Grundschüler kommen aber gut klar, sie finden Freude an der Kombination von Geschichtenerzählen und Memorieren.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: DER VERDREHTE SPRACH-ZOO
Verlag: Ravensburger
Autor: Klaus Kreowski
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 4 Jahren
Dauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 14 Euro
CHEF ALFREDO
Kindgerechter hätte das Spiel vielleicht TOPFGUCKER heißen können, wenn nicht Reinhold Wittig ein solches Kochspiel Anfang der 90er Jahre bei Haba veröffentlicht hätte. Mit dem Titel CHEF ALFREDO können wohl eher Erwachsene etwas anfangen als Kinder. Dafür spielen die aber begeistert mit, denn Michael Schacht setzt in seinem kreativen Küchenchaos auf das klassische MEMO-Prinzip, in dem bekanntlich die Kleinen fast immer die Nase vorn haben.
Vier Suppentöpfe stehen auf dem Herd, richtige kleine Holztöpfe mit gut verschließbaren Deckeln. Dort köchelt Alfredo seine Suppen. Besonders variantenreich ist der Koch nicht. Er hat Tomaten-, Möhren- und Bohnensuppen im Angebot, wer es ganz speziell mag, greift zu seiner Knoblauchsuppe. Jeder Topf ist für eine Suppe vorgesehen. Das Problem ist allerdings, dass diese Töpfe häufig Tänzchen auf den Kochplatten machen und gern ihre Positionen tauschen. Bei diesem Ringelreihen der Töpfe die Übersicht zu behalten, ist ganz schön schwer.
Bis zu vier kleine Köche ab fünf Jahren ergänzen nach Würfelwurf die Grundzutaten. Bei einem Alfredo-Wurf tauschen sie zwei Töpfe miteinander aus. Würfeln sie eine der vier Zutaten, suchen sie den passenden Suppentopf. Ist es der falsche, müssen sie nur überzeugend genug den Würfel weiter reichen. Glaubt der folgende Spieler, dass alles seine Ordnung habe, gibt es ein Kochplättchen zur Belohnung. Glaubt er es nicht und sein Zweifel ist berechtigt, erhält er das Plättchen. Wenn die 36 Plättchen verteilt sind, endet CHEF ALFREDO nach 15 Minuten und das erfolgreichste Kind wird Küchengehilfe bei Alfredo.
Da das Bild des Kochs mit einer Drittel-Chance gewürfelt wird, ergibt das ein ganz schönes Hin- und Hergeschiebe auf den Kochplatten. Wer mehrmals hintereinander Alfredo würfelt, hat keine Chance, neue Zutaten in die Töpfe zu stecken. Das kann durchaus frustrierend sein. Das Durcheinander, das dabei entsteht, reizt Kinder aber sehr. Schachts Idee, das Ganze mit Bluffelementen zu verknüpfen, führt zusätzlich über das reine MEMO-Spiel hinaus. Das ist die Suppenwürze an den etwas langweiligen Eintöpfen. Der Redakteur Wolfgang Dirscherl hat für eine perfekte Umsetzung der Spielidee gesorgt. Da stimmt alles: Das Material ist fantastisch und die Regel hervorragend.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: Chef Alfredo
Verlag: Queen Kids
Autor: Michael Schacht
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 5 Jahren
Dauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 35 Euro
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