Montag, 20. Mai 2019
BAUERNHOF-BANDE
Monster- oder Tierbanden bevölkern die diesjährige Empfehlungsliste der Kinderspiel-Jury. Als MONSTER- und BAUERNHOF-BANDE sind sie unterwegs, einmal von den Drei Hasen in der Abendsonne in die Spielwelt entlassen, das andere Mal aus dem Stall Haba.
Am Fuße des langen Berges unweit von Bad Rodach lebt Bauer Fridolin in einer idyllischen Talsenke. Die Natur außerhalb seiner umzäunten Wiesen für seine durchweg freilaufenden Tiere grüßt verlockend. Alle fühlen sich zwar pudelwohl bei Fridolin, aber sein aktueller Tiernachwuchs, will immer wieder ausbüxen.
Die Umsetzung dieser Fluchtgeschichten, die Justin Lee uns erzählt, ist Haba sehr schön gelungen. Für das preiswerte kooperative Spiel in der mittelkleinen Schachtel ist ansprechendes Material ausgewählt worden, In der Mitte des Hofes erhebt sich ein kleiner Bauernhof, von dem aus acht Wege für alle tierischen Bewohner des Hofes ausgehen, von der kleinen Maus über den Teichfrosch bis zum Kälbchen und Pony.
Justin Lee hat sich für seine Ausbruchgeschichte einen doppelten Aktionsmechanismus einfallen lassen, der aber nicht zu kompliziert ist, so dass Vierjährige Bauer Fridolin unterstützen können, damit alle Tiere auf seinem Hof bleiben. Die Wege vor den Ställen der Tiere sind durch fünf Farbsegmente in vier Farben gekennzeichnet, eine Farbe wiederholt sich jeweils. Daher reicht ein Würfel aus, um die Tiere voranzubringen. Diesen Farb- und Aktionswürfel nutzen die Kinder am Anfang. Zeigt er eine Farbe, werden alle Tiere nach vorn bewegt, die vor einem entsprechenden Farbfeld stehen. Wenn die Kinder Glück haben, ist es gar kein Tier, es kann aber auch sein, dass Schaf, Schwein, Ente und Katze auf einen Schlag Richtung Freiheit eilen. Besser sieht es für die Kinder aus, wenn sie Fridolin würfeln. Der redet beruhigend auf ein Tier ein und führt es ein Feld näher an seinen Bauernhof heran. Seine Hündin Lilli ist da radikaler, wenn sie gewürfelt wird, treibt sie ein Tier sofort in den Stall zurück.
Damit ist aber noch nicht Schluss mit den Aktionen. Zusätzlich wird eine Karte aufgedeckt, deren Wirkung denen des Würfels ähnelt. Es gibt aber keine Farbkarte, sondern nur das konkret gezeigte Tier, das ein Feld weiterläuft. Zusätzlich tauchen aber noch Leckerli für jedes Tier auf. So folgt das Pony dem Geruch der Möhre und die Katze lässt sich vom Wollknäuel locken. Wie bei Fridolin geht es dann für die Tiere einen Schritt zurück. Der Kartenstapel wirkt sich nicht nur auf das Enteilen und Einfangen der Tiere aus, er regelt auch das Spielende. Ist er aufgebraucht und alle Tiere sind noch innerhalb der Bauernhofwege, haben die Kinder gewonnen. Sollte zwischendurch ein Tier seinen Weg verlassen, endet das Spiel mit einer Niederlage.
Kleine Kinder lassen sich schnell von der Geschichte einfangen und fiebern mit jedem Würfelwurf und jeder aufgedeckten Karte mit. Große Freude kommt dabei stets bei Lilly auf, wobei immer gemeinsam diskutiert wird, zu welchem der enteilten Tiere Lilly geschickt werden sollte. Die allermeisten Runden enden mit dem Sieg der Kinder, manchmal wird es knapp und die Tiere erreichen das vorletzte Feld, bis zum Schlussfeld kommen sie nur ganz selten. Und dann können sie auch nur erfolgreich fliehen, wenn ihre entsprechende Karte aufgedeckt wird. Das passiert aber fast nie. Deshalb bin ich entgegen der Begeisterung, die ich bei der Zielgruppe erlebe, auch nur bereit in der nächsten Woche wieder mitzuspielen. Ich weiß ja, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder gewinnen werden.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: BAUERNHOF-BANDE
Autor: Justin Lee
Grafik/Design: Anna-Lena Kühler
Verlag: Haba
Alter: ab 4 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 15 Min.
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 42/ 2019
MONSTER MATCH
Der amerikanische Verlag North Star Games will für einen glücklichen Planeten sorgen. In der Reihe "The Happy Planets Series" erscheinen unterhaltsame Partyspiele in witzigen Verpackungen. Gestartet ist die Firma mit dem fetzigen LUCKY LACHS von den Autoren Gruhl und Weir, verpackt waren die erforderlichen Kartensets im Fischformat. Die Karten des aktuell erschienenen Spiels MONSTER MATCH stecken in einem kleinen orangenen Monster mit drei Augen und Fledermausohren.
MONSTER MATCH kommt wie die kleine Schwester der MONSTER-BANDE daher, das ich vor einigen Monaten besprochen habe. Die Monster beider Spiele könnten fast ausgetauscht werden, kegelförmige Wesen mit einmal mehr das andere Mal weniger Armen, Beinen und Augen. Der Anspruch der Bandenmonster ist höher, da die Kinder sprachlich die Suchkriterien festlegen, beim Match der Monster bestimmen sie zwei Würfel.
Zu Beginn liegen zehn Monsterkarten aus, dann suchen zwei bis sechs Kinder je nach Würfelvorgabe nach einem Wesen mit keinem Arm, drei Beinen oder fünf Augen. Wer eins findet, tippt mit dem Finger drauf, alle anderen dürfen aber weitersuchen. Wer länger sucht, findet vielleicht nicht nur ein passendes Monster, sondern auch eines, das besonders viele Donuts mag, denn am Ende werden nicht die gewonnenen Monster gezählt, sondern deren Lieblingsspeise. Gewonnene Karten reduzieren erst einmal die Tischauslage, neue Monster kommen noch nicht ins Spiel. Erst wenn die Situation eintritt, dass kein Monster gefunden wird, das den Würfelvorgaben entspricht, muss auf die NIX-Karte geschlagen werden, die einen Kartengewinn vom Nachziehstapel und zehn neue Karten bringt. Wenn diese Karten nicht mehr ausreichen, endet das Match.
MONSTER MATCH ist scheinbar eines der üblichen Beobachtungs- und Reaktionsspiele, von denen jedes Jahr fünf bis zehn neu erscheinen, aber es hebt dieses Genre auf eine andere Ebene. So gibt es in den Würfelrunden meist mehrere Gewinner, was die Kinder deutlich zufriedener zurücklässt, als in den Fällen, in denen nur der Erste gewinnt. Was noch entscheidender ist, ergibt sich aus der doppelten Beobachtungsebene. Für den späteren Sieg ist es nicht wichtig, besonders schnell zu sein, sondern in der Kopplung der Vorgaben die meisten Donuts zu ergattern. Auch der Rhythmus des Kartennachschubs ist genial gelöst, da die immer kleiner werdende Tischauslage irgendwann das Schlagen auf die NIX-Karte erfordert und damit für den Monsternachschub sorgt. Den riesigen Spaß den Erwachsene mit LUCKY LACHS haben, erleben die Kleinen nun mit den Monstern.
MONSTER MATCH ruft eine etwas größere Begeisterung hervor als die MONSTER-BANDE, da manche Kinder die sprachlichen Anforderungen des Spiels der drei Hasen in der Abendsonne scheuen. Florian Bieges Monster gefallen aber allen Kindern genauso gut, wie die der amerikanischen Grafiker Linda DeSantis und Ben Goldman. Die Juroren von der Kinderjury sind übrigens von beiden Ideen und Umsetzungen überzeugt. MONSTER MATCH und die MONSTER-BANDE stehen beide auf der Empfehlungsliste der besten Kinderspiele des Jahres 2019.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: MONSTER MATCH
Autoren: Ken Gruhl, Quentin Weir
Grafik/Design: Linda DeSantis und Ben Goldman
Verlag: Kosmos
Alter: ab 6 Jahren
Spielerzahl: 2 – 6
Spielzeit: ca. 10 Min.
Preis: ca. 14 Euro
Spiel 41/ 2019
Sonntag, 12. Mai 2019
NEWTON
Ein Apfel ziert das Spielecover. Keine Angst, es geht nicht um gesunde Ernährung nach dem Motto „An Apple a day, keeps the Doctor away“, sondern es geht um einen historisch und physikalisch bedeutenden Apfel. 1666 beobachtete der junge Student Isaac Newton das Fallen eines solchen Vertreters der Kernobstgewächse. Aus der Frage, weshalb dieser Apfel nicht seitlich, sondern konstant gerade fiel, ergab sich die Entdeckung der Erdanziehungskraft. Noch heute steht vor dem Trinity College in Cambridge unter dem Zimmer, in dem Newton einst lebte, ein Apfelbaum, bei dem es sich laut Legende um einen Abkömmling des damaligen Baums handelt.
Ausflüge in die Geschichte unternehmen die beiden italienischen Autoren Nestore Mangone und Simone Luciani gerne, bisher aber auf verschiedenen Wegen, mit NEWTON erstmals gemeinsam. Luciani ist u.a. bekannt durch seine Mitwirkung an LORENZO DER PRÄCHTIGE und MARCO POLO. Mangone ist schon eher naturwissenschaftlich unterwegs, so hat es ihm die Mailänder EXPO 1906 angetan und ganz aktuell begibt er sich auf die Spuren Alexander von Humboldts.
In NEWTON führen die beiden Autoren uns in die Epoche der Aufklärung zu den Universitäten des frühen 18. Jahrhunderts. Theoretisch könnten wir auf Reisen durch Europa Newton in Cambridge besuchen, aber die Vorgeschichte bleibt letztlich abstrakt. Im Grunde genommen liefern wir nur Studiennachweise auf Tableaus ab, die wir durch Exkursionen, Aktionskärtchen und mit technologischer Entwicklung voranbringen.
Die Idee, der wir nachspüren, ist letztlich abstrakt, wie für mich immer noch die Physik, die Newton und andere entwickelt haben. Das, was spielerisch dann aber Vergnügen macht, ist die Vernetzung der unterschiedlichen Bereiche durch überschaubare Aktionen und wenige Spielrunden.
Gesteuert wird alles über das Studientableau, auf dem wir mögliche Aktionen verstärken können. So dürfen wir Geld verdienen und uns technologisch fortentwickeln, was wichtige Belohnungen und Siegpunkte am Ende bringt. Das gilt auch für das Reisen von Universität zu Universität. Die beiden letzten Aktionen werden auf zwei verschiedenen Spielplänen ausgeführt. Durch Lehrstunden kommen wir an neue Aktionskarten. Schließlich füllen wir unsere Privatbibliothek mit vielen Büchern, was bei kompletten Reihen und Spalten besonders viele Siegpunkte einbringt.
Jede tüftelt zwar auf seinem eigenen Tableau an seiner Wissensoptimierung, die Wege auf den beiden Spielplänen sind aber gepflastert mit Boni, die oft nur der Erste bekommt, sodass ständig kleine Wettläufe stattfinden. Die Pfade zum Sieg sind nur bedingt vielfältig. Es gibt aber ein ständiges Abwägen, was die vernünftigen Aktionswahlen betrifft. Das ist abhängig vom Angebot der Aktionskarten, von Fortschritten der Gegner und von der eigenen Entwicklung der Studientableaus mit den jeweiligen Aktionsverstärkungen. Alles muss effizient geplant sein und möglichst den Ausbau der Bibliothek mit im Blick behalten. Die Schlussbilanz kommt nach 30 Spielzügen. Oft ist dann aber vorher schon klar, wer gewinnen wird oder sich um den Sieg streitet und das sind meistens die Spieler, die ihre Bibliothek am besten ausbauen konnten. Mit Technologieentwicklung dagegen zu halten ist nicht einfach, aber auch nicht unmöglich.
NEWTON besitzt eine hohe Varianz. Keine Partie gleicht der anderen. Das ergibt sich aus der immer wieder verschiedenen Bestückung der Spielpläne, auch aus der zufälligen Zuordnung von sogenannten Meisterkarten, die individuelle Vorteile bringen, aber mühsam zu aktivieren sind. In gewisser Hinsicht entsteht durch jeden neuen Aufbau ein Unique-Game, ein einzigartiges Spielerlebnis.
Das Gesamtkonzept des grafischen Entwurfes von Klemens Franz gefällt mir gut, in Detail finde ich aber nicht alle Symbole intuitiv. Trotzdem beweisen italienische Autoren um Simone Luciani erneut, dass sie auf feldschem Niveau Schwergewichte entwickeln können, die dauernde Spielspannung erzeugen. Das Hintergrundthema bleibt aber blasser Aufhänger. Ein bisschen mehr Geschichte dürfte es schon sein, wie die vom Wurm, der einst in Newtons Apfel saß: „Ich kann fliegen“, sagte er, als er vor Newtons Zehen landete.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: NEWTON
Autoren: Nestore Mangone und Simone Luciani
Grafik/Design: Klemens Franz
Verlag: Cranio Creations Vertrieb: Asmodee
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 1 - 4
Spielzeit: 90 Min.
Preis: ca. 45 Euro
Spiel 40/2019
Samstag, 11. Mai 2019
DETECTIVE
Den Status „Ehemaliger“ besitzen sie alle, die ANTARES-Mitarbeiter, die in einer angeblich modernen Ermittlungsbehörde des FBI arbeiten, die ein Richard Delaware leitet. Da ist das Recherche-Talent Jack Colemann, ehemaliger Polizist, mit ihm arbeiten Mia Roberts, im früheren Leben Psychologin, der keine Schweißperle bei Verhören entgeht, und die investigative Journalistin Julia Jacobson, die nun auch nicht mehr frei, sondern unter Delaware arbeitet. Seine letzten beiden Mitarbeiter sind der Spürhund Chris Stone, einst als Privatdetektiv hinter untreuen Ehemännern hinterher und Ben Harris, der als einziger schon vorher für das Büro als Analyst tätig war.
Pünktlich um 8.00 Uhr trifft sich das Team täglich im ersten Stock der ANTARES-Zentrale, wenn es nicht aus Pietätsgründen eine Beerdigung besucht. Dieses Team begleiten wir über mehrere Wochen bei seiner Arbeit und lösen manchmal mehr, manchmal weniger gut mit ihm fünf Fälle, die teilweise miteinander zu tun haben. Als Beamte einer bundespolizeilichen Ermittlungsbehörde haben wir geregelte Dienstzeiten. Im Grunde genommen können wir den Computer um 16.00 Uhr abschalten, arbeiten wir länger, bringt das sowieso nur Stress, aber welcher Job kommt schon ohne aus?
Die Zielvorgaben von Delaware sind eng kalkuliert, da haben wir beispielsweise nur vier Tage Zeit, um einen Fall zu lösen, sodass Überstunden nicht ausbleiben. Unsere angeblich modernste Ermittlungsbehörde der USA kann bei weitem noch nicht alles, so geht es absolut nicht papierlos in unserem Büro zu. Fürs Mindmapping ist Mia zuständig, die die Zusammenhänge am schnellsten erahnt. Auch die Informationswege sind bei ANTARES nicht so recht beschleunigt. Da können wir zwar eine gute Datenbank mit Polizeiakten, Zeugenaussagen und Verhörprotokollen nutzen, aber oft müssen wir in Polizeireviere, wo der Kaffee viel schlechter ist, oder ins Labor fahren. All das kostet Zeit, ständig stehen wir im Stau und es gießt aus Kübeln.
Effektiv ist diese Ermittlungsarbeit wirklich nicht, dafür schimmert – oft klischeehafte – Realität durch. Das Geschichtenerzählen wird groß geschrieben in DETECTIVE von Ignacy Trzewicek und zwei polnischen Co-Autoren. Dem Sog ihrer Geschichten kann sich kaum einer entziehen, der formal erzeugte Zeitdruck ist nur spielimmanent. Am Tisch tickt keine Uhr. Wir müssen also die vier Tage nicht in einer Zeitstunde absolvieren, sondern können uns ungestraft drei oder vier Stunden Zeit lassen und in Ruhe überlegen. Spuren werden uns elektronisch, in Kartenform und über Zusatzmaterial angeboten. Allen Hinweisen wird man aber nie nachgehen können. Daher ist es Halbwissen und kriminalistisches Gespür, das uns am Ende, unseren Lösungsansatz ins System eingeben lässt, das uns dann mitteilt, wie erfolgreich wir waren.
Spielerisch bewegen wir uns rudimentär auf einer Papptafel, thematisch steigen wir aber voll in die Fallaufklärung ein. Das Plättchen-Handling mit bestimmten Zusatzfertigkeiten der Charaktere, die oft tiefere Recherche ermöglichen, empfanden wir als umständlich. Das trübt aber nicht den positiven Gesamteindruck. Da alle fünf Fälle zusammenhängen, sollte eine Gruppe wie bei Legacy-Spielen am Ball bleiben und das möglichst dicht hintereinander. Wichtig sind wirklich viele Notizen und das Mindmapping, nur so lassen sich die Fragen am Ende einigermaßen ordentlich beantworten. Das Besondere an DETECTIVE ist das dichte Spielerlebnis, das an echte Detektivarbeit erinnert.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DETECTIVE
Autor: Ignacy Trzewiczek, Przemysław Rymer, Jakub Łapot
Grafik/Design: Aga Jakimiec, Ewa Kostorz, Rafał Szyma
Verlag: Portal, Pegasus Spiele
Alter: ab 16 Jahren
Spielerzahl: 2 - 5
Spielzeit: 180 - 240 Min.
Preis: ca. 40 Euro
Spiel 39/2019
Freitag, 10. Mai 2019
DIE TAVERNEN IM TIEFEN THAL
Der Berliner Redaktionschef von Schmidt Spiele ist großzügig, gleich fünf Module spendiert er mit der Grundpackung von Wolfgang Warschs TAVERNEN IM TIEFEN THAL. Weiß er doch, dass dieser Autor, der dem Verlag 2018 gleich zwei Nominierungen und einen Hauptpreis der Jury eingefahren hat, Garant für gute Spielideen ist.
Beim aktuellen Spieltitel hätte der Verlag durchaus in Quedlinburg-Manier einer deutschen Ortschaft ein Denkmal setzen können. Die Gemeinden Tiefenthal existieren gleich zweimal in Rheinland-Pfalz, einmal im Landkreis Bad Dürkheim in der Pfalz, dann an der Nahe in der Nähe von Bad Kreuznach in Rheinhessen. Aber die Kneipen, deren Wirte wir spielen dürfen, liegen nur im TIEFEN THAL und das gleich vierfach. Irgendwie wäre es ja auch unpassend gewesen, den Gerstensaft dem Wein vorzuziehen, der wohl eher in den rheinpfälzischen Tiefenthälern anzutreffen ist.
Durch HEAVEN & ALE in die Braukunst eingeführt, kümmern wir uns diesmal eher um den Getränkeabsatz. Spieltechnisch kehrt der Bagbuilder Warsch zum Deckbuilder zurück, dafür bringt er einen neuen Drafting-Aspekt ins Spiel ein. Angeregt wahrscheinlich durch die vielfache Würfelnutzung in seinen „cleveren“ Würfelspielen steckt die Neuigkeitsprise im Dice-Drafting.
Jeder startet mit einer noch rudimentär ausgestatteten Taverne und einem Handkartenreservoir von sieben Stammgästen mit einer Kellnerin, einem zusätzlichen Tisch und einem Bierlieferanten. In den folgenden acht Runden gilt es, die Taverne aufzuwerten und vor allem für lukrativere Gäste zu sorgen.
Mit Öffnung der Taverne kommen die ersten Gäste, dazu decken alle zeitgleich ihre Karten auf. Jeder Gast beansprucht einen eigenen Tisch, von denen es zu Beginn nur drei gibt. Wer also drei Gäste hintereinander aufdeckt, hat ruckzuck diese Phase beendet. Wer mehr Glück hat, deckt vorher einen vierten Tisch auf, ergänzt eventuell durch Kellnerin und Bierlieferant. In diesem Fall werden gleich sieben der zehn Anfangskarten genutzt.
Nach dieser Phase draften die Wirte vier Würfel. Bin ich vorher an die Kellnerin gekommen, steht mir ein weiterer Würfel zur Verfügung, den ich nicht weitergeben muss. Alle Aktionsbereiche in der Taverne verlangen bestimmte Würfelzahlen. Dort aktiviert, spülen die Gäste Geld in meine Kasse, außerdem fließt der Biernachschub. Zusätzlich kann ich mich in einem Klosterbereich fortbewegen, um Boni einzuheimsen.
Daraus ergeben sich zwei Währungen für das Folgespiel. Mit Bier kann ich neue Gäste in mein Deck holen, die mir mehr Geld und Siegpunkte bringen. Lukrativ sind dabei besonders die Adligen, die zwar viel Gerstensaft kosten, dafür aber zehn Siegpunkte für die Endabrechnung bedeuten. Mit Geld komme ich an neue Tavernenkarten wie weitere Tische und Kellnerinnen, außerdem kann ich Geld für den Ausbau der Taverne investieren. Das wertet nicht nur meine Taverne auf, zum Beispiel durch fest angestellte Mitarbeiter, sondern bringt mir zusätzlich wertvolle Adlige an den Kneipentisch. Das Gute beim Adel ist nämlich, dass er zusammenglucken will und stets nur einen Tisch benötigt.
Nach acht Runden wird abgerechnet, wobei ganz einfach alle Siegpunkte auf den Karten addiert werden. Nur bei Gleichstand werden restliches Geld und Bierreserven zur Entscheidung herangezogen.
In den Folgemodulen wird Schnaps an der Theke serviert, Gaukler und Barden ziehen in die Taverne ein. Der Ruf der Tavernen wird miteinander auf einer speziellen Leiste verglichen und bringt Schnapsvorteile und Adlige. In dieser Variante ergänzen die Wirte die Siegpunkte durch die Wertigkeit ihres Rufes. Das vierte Modul, „Aller Anfang ist schwer“, sorgt für unterschiedliche Startvoraussetzungen. Im letzten Modul spielen Gästebücher eine Rolle. Jeder Gast trägt sich ins Gästebuch ein, was meist mit unterschiedlichen Boni verbunden ist. Originell ist die Idee, dass Originalunterschriften in diese Bücher kommen. Da verewigen sich nicht nur Redakteure, Grafiker und Autor, sondern ganz viele Testgruppen, die Rückmeldungen zu dem Prototyp gegeben haben. Neben Gimmler, Warsch und Lohausen findet man dort beispielsweise Andreas Buhlmann und Wolfgang Ditt wieder.
Das Ambiente ist stimmungsvoll, der Ablauf reizvoll, wobei aber das Kribbeln, das den Zaubertrank bei den Quacksalbern prägte, ausbleibt. Die Tavernen funktionieren, werden auch durch das Regelwerk vorzüglich vorbereitet, laufen sogar ähnlich ab wie beim Kennnerspiel des Jahres 2018. Dort wollte ich mir möglichste viele Bewegungen aus dem Säckchen ermöglichen, hier viele Karten in die Kneipe bringen. Trotz der vergleichbaren Abhängigkeit vom Zufall sind die Zwänge bei den Tavernen stärker. Bei den Quacksalbern war ich selbst Herr über das Aufhören, hier zwingt mich das Spiel zum Rundenende, wenn alle Tische besetzt sind. Das Dice-Drafting ist Augenwischerei, es beschert mir nur zum Teil bessere Würfel. Wenn die Gesamtauslage nichts hergibt, werde ich bestimmte Kneipenbereiche nicht aktivieren können. In gewisser Hinsicht ähnelt das Spiel VEJEN aus dem Verlag Spielefaible, bei dem es um dänische Kronen und deutsche Taler geht, was mit der Bier- und Geldwährung im Tiefen Thal vergleichbar ist. Beide Spiele kommen nur langsam in Gang und explodieren fast am Ende.
DIE TAVERNEN IM TIEFEN THAL gefallen mir gut, ich bin fast immer bereit mitzuspielen, aber die großen Emotionen, die in Quedlinburg spürbar waren, bleiben aus. Insofern bin ich schon verwundert über den ersten Platz dieses Spiels beim Pfefferkuchel in „Oberhof“. Auf alle Fälle spiele ich morgen gerne wieder mit, am besten mit vielen Modulen. Nachts wecken lassen würde ich mich aber nicht für dieses Spiel.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: DIE TAVERNEN IM TIEFEN THAL
Autor: Wolfgang Warsch
Grafik/Design: Dennis Lohausen
Verlag: Schmidt
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: 60 Min.
Preis: ca. 35 Euro
Spiel 38/2019
ARCHITEKTEN DES WESTFRANKENREICHS
Endlich einmal ein Spiel, in dem man nicht nur eine Person ins Gefängnis schickt und das sogar schon vor über 1000 Jahren. Der Neuseeländer Shem Phillips bewegt sich gern auf historischem Terrain, sein eigenes Land wurde erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts entdeckt, deshalb agieren bei ihm RÄUBER DER NORDSEE oder ARCHITEKTEN DES WESTFRANKENREICHS.
Typisch für Phillips sind stets neue Varianten, die er dem Workerplacement-Spiel abgewinnen kann. Bei den RÄUBERn war es ein interessantes Wechselspiel von Einsetzen und wieder Wegnehmen der Wikinger. Bei den ARCHITEKTEN offeriert er eine Arbeiterflut, die suggeriert, sie ginge nie aus. 100 Arbeiter warten auf ihren Einsatz, 20 für jeden Architekten. Im Vordergrund steht die klassische Ressourcengewinnung. Zum Häuserbau und für die Kathedrale werden Holz, Lehm, Stein und Marmor benötigt, aber auch Geld und Gold. Ohne Gehilfen laufen die Bauaktionen nicht so gut, diese Lehrlinge gibt es in Kartenform genauso wie die Häuser.
Das Besondere an der Arbeiterflut ist, dass sie nicht für gegenseitige Blockade sorgt, sondern dass Arbeiter bis auf wenige Ausnahmen mehrfach auf den Einsatzorten stehen dürfen. Dadurch tritt ein kumulierender Effekt ein, der für manche Felder sogar nötig ist, um an höherwertige Produkte zu kommen. So gibt es im Bergwerk eigentlich nur Lehm, aber zwei Arbeiter finden dort auch Gold. Das simple Einsetzen ergibt eine hohe Spielfrequenz, führt aber recht schnell zu einer Arbeiterknappheit. Vier Figuren im Bergwerk, um an zwei Goldklumpen zu gelangen, reduzieren die Arbeiteranzahl schon um 20 Prozent. Genial ist die Rückführung, die sich Phillips und sein Partner Macdonald ausgedacht haben. Über den Marktplatz und gegen Bezahlung dürfen eigene und auch fremde Arbeitergruppen dem Spiel entnommen werden. Die fremden Arbeiter können außerdem noch inhaftiert werden. Im Gefängnis erhält man seine Investitionen sogar verzinst, denn der König zahlt für jeden eingelieferten Delinquenten einen Silberling.
Für den Sieg am Ende wichtig sind Punkte für unterschiedliche Gebäude, die die Architekten errichten, eventuell auch ihre Beteiligung an der Errichtung der Kathedrale. Dazu müssen Baukarten erworben werden, aber auch passende Lehrlingskarten. Daneben haben die beiden Autoren ein subtiles Einflusssystem entworfen, das sich auf der linken Spielplanhälfte abspielt. Das jeweilige Handeln wird positiv oder negativ auf einer Tugendleiste bilanziert. So bringt der Bau der Kathedrale Tugendgewinn, Steuerbetrug, zu viele Inhaftierte und Schwarzmarkt-Deals sorgen für Tugendverlust. Wer auf der Leiste absteigt, darf irgendwann nicht mehr an der Kathedrale mit bauen. Umgekehrt dürfen die tugendhaften Spieler in oberen Regionen nicht mehr auf den Schwarzmarkt gehen.
Wer weiß, dass Ehre für ihn nicht in Betracht kommt, unterstützt sein frevelhaftes Tun durch den Erwerb bestimmter Lehrlingskarten. Mit dem Illusionisten entfällt der Tugendverlust bei Schwarzmarktaktionen und mit dem Scharlatan lassen sich sogar noch zusätzliche Ressourcen verdienen, wenn man den Schwarzmarkt nutzt.
Jede Bauaktion, jeder Bauabschnitt bei der Kathedrale bringt Arbeiter ins Zunfthaus. Sobald dort der letzte Platz, abhängig von der Spielerzahl, belegt ist, wird das Spielende eingeleitet. Siegpunkte bringen der Gebäude- und Kathedralenbau, zusätzliche Punkte gibt es für Ressourcen. Schuldscheine, Arbeiter im Gefängnis und eventuell ein tiefer Stand auf der Tugendleiste führen zu Minuspunkten.
Der Spieltitel passt, Architektenarbeit steht im Vordergrund. Die Siegpunkte am Ende gibt es primär für Bautätigkeiten. Jeder entwickelt dafür eine schlanke Optimierungsmaschine, die sich an vorhandenen Baukarten und deren Ressorcenanforderungen orientiert. Strategisch ist es oft vorteilhaft, dies mit dem Verlassen des Tugendweges zu koppeln. Der Kathedralenbau ist mühsam und in den hohen Regionen nicht für alle möglich. Da bringen die dunklen Wege oft mehr Gebäude und damit mehr Siegpunkte.
Der besondere Reiz der ARCHITEKTEN DES WESTFRANKENREICHS ergibt sich aus der hohen Interaktivität. Für das Spiel spricht weiterhin die leichte Zugänglichkeit. Zu dritt und zu viert, für mich die idealen Rundengrößen, dauert die Architektenrunde nicht länger als eine Stunde. Die Überlegungszeiten sind kurz, höchstens die Auswahl bei Lehrlings- und Gebäudekarten dauert mal etwas länger. Kartengrafik und Material sind hochwertig, auch die Regel ist gut strukturiert. Da nie alle Karten ins Spiel kommen, ergibt sich eine gewisse Varianz, so dass der Verzicht auf tugendhaftes Spielen nicht automatisch unterstützt wird. Grafisch gefällt mir die Umsetzung durch Mihajlo Dimitrievski gut. Seine Ikonographie ist anfangs zwar nicht immer automatisch eingängig, aber man gewöhnt sich daran.
Rundum ein gelungenes Spiel? Fast, der nicht tugendhafte Weg ist ziemlich stark, bleibt aber packend und austariert, wenn mehrere ihn gehen. Außerdem verpufft mit der Zeit die Wirkung der anfangs reizvollen Gefangennahme. Trotzdem eine beachtliche Ergänzungen der historischen Rückblicke des Autors ins 9. Jahrhundert.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: ARCHITEKTEN DES WESTFRANKENREICHS
Autoren: Shem Phillips und Sam McDonald
Grafik/Design: Mihajlo Dimitrievski
Verlag: Schwerkraft
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 1 - 5
Spielzeit: 60 - 80 Min.
Preis: ca. 50 Euro
Spiel 37/2019
Mittwoch, 8. Mai 2019
MAGIC MAZE KIDS
Erfolgreiche Spiele aus dem Familien- und Erwachsenensektor finden wir immer wieder in abgespeckten Versionen im Kinderspielbereich vor. Besonders gelungen ist das Marco Teubner mit STONE AGE JUNIOR, den die Überarbeitung von Bernd Brunnhofers genialem Spiel bis zum „Kinderspiel des Jahres“ führte. Es klappt nicht immer, das zeigt Teubners erster Versuch mit den Kindern von CARCASSONNE.
MAGIC MAZE, das 2017 gute Chancen besaß, „Spiel des Jahres“ zu werden, liegt nun auch in einer Kinderfassung vor. In diesem Fall zeichnet Kasper Lapp, der Autor des Originals, ebenfalls verantwortlich für das Kinderspiel MAGIC MAZE KIDS.
Kasper Lapp überträgt die Vielfalt und die Herausforderungen des Originals thematisch und strategisch geschickt auf die Anforderungsebene für Kinder ab fünf Jahren. Kein Kaufhausraub mehr, sondern ein Froschkönig, der sich wieder selbst auf seinen Thron setzen möchte. Die kleinen Prinzen und Prinzessinnen sammeln dafür auf verwinkelten Spielplänen Zutaten für einen Zaubertrank, um den Frosch zu verwandeln.
Bei der Bewegung erkennen wir das Original wieder. Jedes Kind besitzt im Spiel zu viert eine Zugmöglichkeit nach rechts oder links, nach oben oder unten, und diese Option gilt für jede Figur. Kleine Lernspiele führen in die Bewegung ein. In dem eigentlichen Spiel müssen dann Aufgabenkarten gelöst werden. Am Anfang geht das gemütlich in ruhiger Absprache ohne Zeitdruck, aber mit wachsender Anforderung. Sobald die Sanduhr eingeführt wird, geht es auf dem vierten Spielplan hektischer zu. Auch das Schweigegebot darf eingeführt sowie die maximalen Drehungen der Sanduhr beschränkt werden.
Lapp gelingt hier etwas, was bisher nur Marco Teubner mit STONE AGE JUNIOR geschafft hat. Die Kinderspielfassung fasziniert die Kleinen wie das Originalspiel die Großen.
Der Zugang ist von Anfang an leichter, da Lapp das Reden über gemeinsame Zugplanungen zulässt und vor allem in den ersten drei großen Szenarien auf Zeitdruck verzichtet. Die einführenden Vorübungen führen die Kinder sehr gut zum Hauptspiel hin. Das ist ein Tutorial, das vor allem die Bewegungszüge verinnerlicht, mit denen doch manche Fünfjährige anfangs Probleme haben.
Der Autor schafft es nicht nur, den Kindern die Bewegungen beim Ausführen von Aufgaben beizubringen, er hält sie auch im erzählerischen Kontext und führt seine Froschgeschichte zu Ende. Ganz real sammeln die Kinder Zutaten nämlich in einem Zauberkessel, dessen Inhalt sie zum Rundenende über den Frosch auskippen, damit er sich verwandeln kann. Mit Kindern ab fünf Jahren habe ich durchweg gute Erfahrungen mit dem Spiel gemacht. MAGIC MAZE KIDS ist eine großartige Version eines großen Vorbilds.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: MAGIC MAZE KIDS
Autor: Kasper Lapp
Grafik: Gyom
Verlag: Sit down!, Vertrieb: Pegasus
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 15 - 25 Minuten
Preis: ca. 35 €
Spiel 36/2019
Dienstag, 7. Mai 2019
REEF
Korallenwachstum auf Plastikbasis. Perverser geht es überhaupt nicht. Beim „Spiel des Jahres“ 2018 haben alle – ich auch – die Haptik der Plastiksteine gelobt, klebrige Steine bei der Erstauflage vom AZUL-Nachfolger REEF ließen eher Ekelgefühle hochkommen. Das Problem sei jetzt behoben, betont der Verlag
Emerson Matsuuchi widmet sich in REEF „einer der schönsten und exotischsten Strukturen der Natur“, dem Wachstum eines Korallenriffs. Herausgekommen ist ein dreidimensionales taktisches Legespiel, dass durchaus ähnlichen Spielreiz entwickelt wie Kieslings Idee. Die 112 Plastikkorallen in vier Formen benötigen nichts anderes als Spielkarten zur Anregung ihres Wachstums, das sich auf einer 4x4 Felder großen Spielablage entwickelt. Jeder startet mit zwei Handkarten, deren Ausspielen das Riff um zwei Korallen wachsen lässt und gleichzeitig zu Musterwertungen führt. Da wird in Draufsicht nach Mustern von bestimmten Korallen gesucht oder es muss eine bestimmte Höhe bis zur vierten Etage einer Korallenfarbe erreicht sein. Je nach Schwierigkeit des Musters werden Siegpunkte sofort ausgezahlt.
Der besondere Reiz von REEF besteht in der Diskrepanz zwischen Wertungsteil der Karte und der Riffergänzung durch neue Steine. Das Riffwachstum dient nie der aktuellen Wertung. Daher legt jeder seine Steine vorausschauend mit Blick auf später zu spielende Wertungskarten ab. Dabei muss jeder seinen Rhythmus entwickeln, der Wertungen möglich macht und gleichzeitig einher geht mit der Riffergänzung für die nächsten Wertungen.
Das Spielende kommt, wenn der Vorrat einer Korallenfarbe erschöpft ist, seltener, wenn der Nachzugstapel leer ist. Nach gut einer halben Stunde steht der Gewinner mit den meisten Punkten fest. Letztlich fühlt sich REEF ziemlich solitär an. Das individuelle Korallenwachstum führt zu ganz speziellen Wertungsinteressen, da schnappt man sich höchstens eine für zwei Spieler interessante Karte vor der Nase weg. Kartenglück spielt eine nicht unwichtige Rolle. Gerade die Aufgabenkarten mit fünf Siegpunkten lassen sich recht leicht mehrfach in die Wertung bringen, da sie oft mit Zweierkombinationen in der zweiten Ebene verbunden sind. Wer mehr davon abbekommt, hat Vorteile.
Die punkteträchtige Plastikplanung vor dem Hintergrund der Handkartenauswahl macht aber trotzdem Spaß. Die Planungsanforderungen sind reizvoll, die damit verbundenen räumlichen Herausforderungen immer wieder spannend, zumal sie stets verbunden sind mit einem gedanklichen Drohnenflug über die Rifflandschaft. Als abstrakte Herausforderung ist REEF ein gutes Spiel, das aber mit dem sehr guten AZUL aus dem letzten Jahr nicht mithalten kann.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: REEF
Autor: Emerson Matsuuchi
Grafik: Chris Quilliams
Verlag: Next Move Games Vertrieb Pegasus
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 30 - 45 Minuten
Preis: ca. 39 €
Spiel 35/2019
Samstag, 4. Mai 2019
OCTOPUS
Angelspiele gibt es seit ewigen Zeiten. Sie gehören zum Standardangebot der Spielverlage mit Pappaquarium und bunten Papierfischen mit Ringen im Maul. An den Grundelementen des Geschicklichkeitsspiels für Kinder hat sich seit 150 Jahren fast nichts geändert.
Das gilt im Grunde genommen auch für Djecos OCTOPUS. Der französische Verlag verzichtet allerdings auf das hohe Aquarium, gespielt wird ganz einfach in den beiden Hälften der Spieleschachtel. In einer davon thront indes ein riesiger Oktopus, um ihm herum tummeln sich zwölf bunte Holzfische.
Die Schwierigkeit, die sich Grégory Kirszbaum für zwei bis vier Kinder, die nach Verlagsangabe mindestens drei Jahre alt sein sollten, ausgedacht hat, besteht nicht im einfachen Angeln, das nur durch Krakenarme behindert wird, sondern in einer gemeinsamen Rettungsaktion der Fische, die unbedingt aus dem tintigen Wasser fliehen möchten. Jeweils zwei Kinder müssen sie in die sichere andere Schachtel bringen, die eine deutlich sauberere Umgebung verspricht.
Das Besondere an den schönen Holzfischen von Djeco sind zwei Metallnieten und ein Gewicht, das einen Angelnden den Fisch nicht tragen lässt. Zwei mit Angeln ausgestattete Kinder sprechen sich daher über den zu rettenden Fisch ab und koordinieren ihre Angelversuche. Das ist gar nicht so einfach und die Kinder sollten am Anfang einige Male üben. Kommt der Fisch, der aus den Tentakeln der Krake fliehen möchte, in eine zu große Schräglage, rutscht er ab und stürzt zurück ins Tintenwasser. Geduld hilft, damit die Fische zur sauberen Lagune kommen. Alles wäre mit der Übung unkompliziert, gäbe es da nicht eine Sanduhr, die die Fischretter unter Druck setzt. Fünf Minuten Zeit haben die Kinder, das bedeutet, ihnen steht nur eine knappe halbe Minute pro Rettungsaktion zur Verfügung, was die Aufgabe anspruchsvoll macht.
Djeco und Kirszbaum gelingt es, durch tolles Material und eine gute kooperative Spielidee das alte Angelspiel erstaunlich aufzupeppen. Die kleinen Angler fiebern miteinander und geben Tipps, wenn sie nicht am Zug sind. Das Wechselspiel muss eingeübt sein, da ist es hilfreich, wenn Erwachsene die Kinder den wechselnden Angelkonstellationen zuweisen. Dreijährige sind mit der motorischen Koordination oft überfordert, aber ab vier Jahren ist dieser Kampf gegen das Sanduhrrieseln eine spannende Herausforderung.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: OCTOPUS
Autor: Grégory Kirszbaum
Grafik/Design: Alex Sanders
Verlag: Djeco
Alter: ab 3 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: 5 Min.
Preis: ca. 29 Euro
Spiel 34/2019
Mittwoch, 1. Mai 2019
FABULANTICA
Meine erste Besprechung von FABULANTICA von dem litauischen Verlag Logis stammt noch aus dem Jahr 2017 und erschien in Heft 7 der spielbox. Damals war ich begeistert und beklagte mich nur über unförmige Eimertürme. Der Idee von Marco Teubner hatte ich im letzten Jahr mindestens einen Platz auf der Empfehlungsliste der Kinderjury zugetraut und dann kam gar nichts. Das Spiel schien in der Versenkung verschwunden. Das Problem der Litauer ist seit Jahren, einen ordentlichen deutschen Vertrieb zu finden. 2016/17 war noch Amigo zuständig, dann erfolgte aber ein Wechsel zu Pegasus. Ducrh dieses Hin und Her war Teubners Spiel auf dem Markt nicht mehr verfügbar.
2019 sieht das anders aus. Pegasus ist nun offizieller Partner von Logis und hat sogar die Lizenz für FABULANTICA übernommen, um sie von Claudia Geigenmüller überarbeiten zu lassen. Das Spiel liegt seit wenigen Wochen in der quadratischen Kinderschachtel vor. Die rote Farbe signalisiert, dass es ein Spiel für Kinder ab sechs Jahren ist, das auch „Mama & Papa Spaß“ macht. Auf etwas kleinerem Spielplan, mit besserem Material und klarerer Regel können zwei bis fünf Kinder dem gestiefelten Kater, dem Froschkönig oder einem Flaschengeist begegnen.
Die Bewohner FABULANTICAs lieben das gegenseitige Versteckspiel. Zwölf Märchenfiguren stecken an unterschiedlichen Plätzen der Märchenwelt nun nicht mehr unter Plastikeimern, sondern wertigen Burgtürmen. Drei allgemeine Auftragskarten geben vor, wer wen gerade sucht. Das kann der Flaschengeist sein, der sich mit dem gestiefelten Kater treffen möchte, oder der Prinz, der den Drachen sucht. Zuerst muss einer der Suchenden unter den Türmen gefunden werden, damit der offene Auftrag zum persönlichen wird. Das Kind, das als erster drei dieser Auftragskarten erfüllt, gewinnt nach einer knappen halben Stunde die abenteuerliche Suche.
Das Reisen im Märchenreich von FABULANTICA geschieht durch Bewegungskarten, die passend für diverse Landschaftsformen zur Verfügung stehen. Pferd und Kamel fürs Grasland und die Wüste, im Gebirge muss es schon ein Esel sein und auf den Flüssen ein Boot. Für die ganz großen Sprünge hilft der fliegende Teppich weiter. Mit fünf Reisekarten starten die Kinder. Nach jedem Zug bekommen sie zwei neue oder dürfen sie tauschen, wenn sie das Handlimit von zehn Karten erreichen. Wer zu einem Turm kommt, offenbart allen dessen Geheimnis. Das hilft zwar, leicht wird FABULANTICA damit allerdings nicht, denn der Turm tritt sofort eine Wanderung zu einem freien Märchenplatz an. Da war der Drache eben am Leuchtturm und ist nun am Steinkreis gelandet. Dieses ständige Verwirrspiel fordert Kinder ganz schön heraus und überfordert meist die Eltern.
Alle sind sogar in Vollbesetzung mit Begeisterung dabei, da kann es durchaus länger als eine halbe Stunde dauern. Die Wegeplanung fordert sie, der Flug mit dem Teppich erlöst oft aus der Bredouille. Den Kindern ist es egal, dass Erwachsene denken, das kennen wir doch alles. Teubners Anleihen bei ELFEN – und SAGALAND sind offensichtlich, ergeben aber in der neuen Mischung eine Herausforderung, die die Zielgruppe reizt. FABULANTICA zeigt, dass alte Ideen heute noch zünden.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: FABULANTICA
Autor: Marco Teubner
Grafik/Design: Anne Pätzke
Verlag: Pegasus, Lizenz von Logis
Alter: ab 6 Jahren
Spielerzahl: 2 - 5
Spielzeit: 30 Min.
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 33/2019
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