Berliner Spiel-o-thek
DORADO
NOMINA
DISPOSITION
KIBO
SATELLIT
Sonntag, 31. Januar 2021
BERLINER SPIEL-O-THEK
DORADO
SAMMELSURIUM
Berliner Spielkarten – SPIEL-O-THEK: DORADO
Der Berliner Spielkarten Verlag ist vor allem durch seine Quartettspiele bekannt. Der Verlag hat sich zwischen 1968 und 2000 zwischendurch immer wieder kleine Abstecher in den Brettspielbereich geleistet. Bekannt ist vor allem die schöne Brettspiel-Serie SPIEL-O-THEK, in der ab 1974 Spiele veröffentlicht wurden. Die quadratischen Schachteln mit samtigem Inlett sollten der CASINO-Serie von Ravensburger und der E-Serie von F.X. Schmid Konkurrenz machen. Der Berliner Spielkarten Verlag, der die Reihe bis 1976 produzierte, brachte es aber nur auf fünf Spiele.
Erfolgreich war der Verlag dann noch einmal in seiner Schlussphase als Reinhard Staupe als Redakteur Spiele wie DAVID UND GOLIATH (1997) und MIT LIST UND TÜCKE (1999) veröffentlichte. 1999 übernahm Ravensburger die Firma Berliner Spielkarten. 2000 wurde die Marke Berliner Spielkarten mit den zusätzlichen Produktfeldern Spiele und Puzzle in die Spielkartenfabrik Altenburg integriert.
Ganz wesentlich für die Serie der SPIEL-O-THEK war die Kooperation mit Rudi Hoffmann, der einige Spiele beisteuerte. Rudi Hoffmann, der Vater von Guido Hoffman, gehörte schon in den 60er und 70er Jahren zu den bekanntesten Autoren Deutschlands. Da er als Werbegrafiker arbeitete, hat er die meisten seiner Spiele mit einem unverkennbaren ironischen Stil selbst gestaltet. Seine Handschrift prägt viele frühe Spiele der Verlage Spear und Berliner Spielkarten. Seinen größten Erfolg hatte er 1989 mit CAFÉ INTERNATIONAL (Mattel), das Spiel des Jahres wurde. Dieser Preis führte vor allem in den 90ern zu vielen Neuauflagen seiner älteren Spiele. HALALI gehörte dazu, ursprünglich hieß das Spiel JAG UND SCHLAG und war 1973 bei Spear erschienen. Das auch solche alten Ideen immer noch erfolgreich sein können, zeigen die weiteren Auflagen, die 2012 und 2015 folgten. Von den Berliner Spielen erlebte ELDORADO mehrere Neuauflagen, so als DORADA (Ravensburger, 1988), ALLES FÜR DIE KATZ? (F.X. Schmid, 1994) und SCHATZ IN SICHT (Haba, 2006). Rudi Hoffmann starb im Juli 2008 mit 83 Jahren.
DORADO
In DORADO taucht Hoffmann gleich im Doppelpack auf mit den beiden Spielen ELDORADO und NUMERI, die ein Jahr zuvor als eigenständige Spiele bei Berliner Spielkarten erschienen waren. Der quadratischen Schachtel angepasst, änderte sich der ursprünglich rechteckige Spielplan in einen quadratischen, was auch grafische Veränderungen notwendig machte, die vor allem bei NUMERI zu erheblichen Abweichungen führte.
Beide Spiele sind relativ einfache Würfel- und Laufspiele, die aber trotzdem den Hoffmanschen Stempel der Originalität tragen.
ELDORADO ist ein risikoreiches Insel-Hopping zu einer blumenbekränzten Trauminsel. Alle starten mit vier Touristen und müssen dabei immer größere Meerengen überwinden. Der Sprung von der Startinsel zur zweiten führt locker über ein Wasserfeld, das steigert sich aber bis zu dramatischen fünf Feldern vor der Zielinsel.
Solange man noch alle vier Spielfiguren zur Verfügung hat, gibt es meist genügend Alternativen für den Einsatz eines Wurfresultats. Wenn dann aber doch eine Spielfigur im Wasser landet, wird sie umgedreht und damit zur kleinen Insel.
Zuerst im Ziel zu landen, das vor den Inselbildungen nur mit einer Sechs erreicht werden kann, bringt besonders viele Punkte. Der erste Tourist bekommt 100 Punkte, die nachfolgenden 75, 50, 25 und jeder weitere zehn Punkte. Am Ende wird addiert, welche Touristengruppe am erfolgreichsten war.
ELDORADO ist ein glücksabhängiges Würfelspiel, das als Familienspiel trotzdem Spielspannung entwickelt. Da gibt es ein Wettrennen um die 100 oder 75 Punkte. Solange man noch alle vier Figuren hat, lassen sich die Wurfergebnisse durchaus taktisch einsetzen. Da können andere Spieler blockiert werden, damit ihr Zugzwang wächst. Da kann man auch länger auf der fünften Insel ausharren, um auf die nötige Sechs zu warten. Gegen Ende wird es sowieso leichter, weil immer mehr kleine Inselbrücken geschaffen werden. ELDORADO macht daher in Vollbesetzung durchaus Spaß, zu zweit hält sich der Reiz in Grenzen.
Der ursprünglich längliche Spielplan der ersten Ausgabe lebte von den kleinen Karikaturzeichnungen Hoffmanns, nur wie eine Skizze wirkend, aber mit dem typischen Augenzwinkern versehen, das diesen Grafiker auszeichnete. Der quadratische Spielplan der SPIEL-O-THEK-Fassung ist bunter gehalten, betont den Südsee-Charakter, besitzt aber nicht ganz so viel Esprit. Die Wendesteine sind in beiden Ausgaben aus Plastik. Regeltechnisch und auf die Laufstrecken bezogen gibt es keine Unterschiede.
Auch NUMERI ist ein Würfel- und Laufspiel, das noch ein bisschen abstrakter als ELDORADO ausfällt. Jeder besitzt einen Satz Holzzylinder mit den Werten von eins bis sechs. Ist man an der Reihe, würfelt man und kann nun die Spielfigur mit dem passenden Wert auf das nächste unbesetzte Feld stellen. Hat man alle Spielfiguren im Spiel, darf man seinen Augenwurf auf mehrere Figuren aufteilen. Mit einer „6“ lassen sich damit gleich drei Figuren bewegen. Wer eine Kettenbildung mit drei eigenen Figuren hinbekommt, ist erneut am Zug, das kann auch mehrfach geschehen.
NUMERI endet, wenn die letzten drei Zielfelder, die mit 50, 30 und 20 Punkten ausgewiesen sind, besetzt werden. Für die Abrechnung werden alle Figuren herangezogen, die auf solchen Zahlenfeldern stehen. Ihre Zahl wird mit dem Wert der Figur multipliziert. Solchen 18 Wertungsfeldern stehen aber auch 24 leere Felder gegenüber, so dass in der Regel nie alle sechs Figuren in die Wertung kommen.
NUMERI wirkt fast wie ein Radrennen, im großen Peloton hält man sich am besten auf, weil da die größten Sprünge möglich sind. Kleine Lücken schließt man. Vor allem die niedrigen Figurenwerte können gut pendeln , da sie durch die Wurfaufteilung häufiger genutzt werden. Daher bekommt man auch kaum eine „5“ oder sogar „6“ auf das 50er Schlussfeld, bestenfalls eine „3“. Wer hinterherhinkt, hat kaum Chancen, dem Hauptfeld zu folgen, auch Ausreißer haben es schwer, da sie ja immer nur ein Feld vorrücken können. Die Dynamik bringt nur die große Gruppe und da sollte man mit seinem Team dabei sein. Die hohen Nummern parkt man am besten auf kleineren Wertungszahlen, damit sie zumindest etwas für die Wertung beitragen können.
Auch NUMERI ist recht glücksabhängig, aber in Ansätzen taktisch spielbar. Altmodisch wie die „6“ bei MENSCH ÄRGERE DICH NICHT wirkt allerdings die Regel, dass erst alle Figuren im Spiel sein müssen, bevor man Zahlen aufteilen darf. Wer ewig auf eine fehlende „3“ warten muss, wird hinterherhinken. Da helfen nur Hausregeln weiter.
Der ursprünglich einfache ovale Laufplan mit bunten Hoffmann-Figuren ist in der DORADO-Fassung zu einer eher grellen lila-orangenen Schleifenfassung geworden, die mich wenig überzeugt. Das Peppen auch die weißen Karikaturen des Autors nicht mehr auf.
Titel: DORADO
Spiel: ELDORADO
Verlag: Berliner Spielkarten
Autor: Rudi Hoffmann
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Spiel: NUMERI
Verlag: Berliner Spielkarten
Autor: Rudi Hoffmann
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 59.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 5 - S5/2021
Samstag, 30. Januar 2021
CLEVER HOCH DREI
Spielefortsetzungen sind nicht mein Ding. Warschs Erweiterungen zu QUEDLINBURG habe ich alle ausgelassen. Eine Ausnahme mache ich mit seiner GANZ SCHÖN CLEVER-Reihe, das gilt nicht nur für das Spiel, sondern auch für die App, die ich stets schnell herunterlade.
Im Jahresrhythmus beschert uns der österreichische Autor Nachschub, bisher hat er sich durch eine Verdoppelung gesteigert, nun ist er bis zur dritten Potenz gekommen, ich freue mich schon auf sein Vordringen ins Raum-Zeit-Kontinuum.
Erst einmal bewegen wir uns auch bei CLEVER HOCH DREI auf bekanntem Terrain. Würfel in unterschiedlichen Farben mit Entwicklungsfeldern für jede einzelne Farbe, der weiße Würfel hat Jokerfunktion und immer noch darf man auf dem Silbertablett Restwürfel servieren. Leichte Variationen gibt es nun bei den Würfelfarben, türkise und braune Töne haben grau und grün gegenüber DOPPELT SO CLEVER ersetzt.
Der Ablauf ist bekannt. In der üblichen Abfolge würfelt man dreimal, legt jeweils einen Würfel heraus und wertet diesen, die übrigen drei bleiben für die anderen Spieler. Neu einstellen müssen wir uns auf alle Wertungsfelder, die in ihrer Verzahnung noch nie so komplex waren, wie in dieser Fassung. Ich gehe jetzt nicht auf die Details ein, auffallend ist aber die häufigere Verknüpfung von Bonifeldern. So erreicht man häufiger über Zweierkombis einen Bonus, im rosafarbenen Bereich darf man sogar für fast jede Setzung einen Bonus einkassieren, wertet dabei aber seinen Wurf nur hälftig. Neu ist dabei der Zahlen-Joker, der gegen eine beliebige Zahl ausgetauscht werden kann. Da die Zwänge insgesamt höher werden, kann das sehr hilfreich sein.
Wahrscheinlich liegt es an der neuen Herausforderung, im Augenblick hat CLEVER HOCH DREI die Nase vorn in dieser Roll ´n Write-Reihe Wolfgang Warschs. Mir fehlt zwar die sehr reizvolle Option der Würfelrückholung, die mir DOPPELT SO CLEVER geboten hat, aber noch nie hat die Boninutzung so viel Spaß bereitet. Bisher habe ich nur Erfahrung alleine und mit zwei und drei Spielern sammeln können. Zu dritt fällt schon auf, dass länger überlegt wird, zumal die Interaktion über die Tablett-Angebote hinausgeht. Der gelbe Bereich kann auf bestimmten Feldern nur für passive Spieler genutzt werden.
Für Anfänger würde ich auf alle Fälle zu dem Einsteigerspiel GANZ SCHÖN CLEVER raten. 2018 hat die Jury Spiel des Jahres den Spielanspruch im Kennerbereich angesiedelt, da gehört auf alle Fälle auch CLEVER HOCH DREI hin. Unverständlich bleibt, weshalb Schmidt die Altersangabe immer noch für Zweitklässler vornimmt. Die waren und sind überfordert.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: CLEVER HOCH DREI
Autor: Wolfgang Warsch
Grafik: Leon Schiffer
Verlag: Schmidt
Alter: ab 10 Jahre
Spieler: 2-4 Spieler
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 3/2021
Freitag, 29. Januar 2021
NOMADI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Mit der Karawane durch die Wüste: Allein schafft es keiner
Was gehört zu einem guten Familienspiel? Spielatmosphäre, gutes Spielmaterial, eine einfache Regel neben taktischen Möglichkeiten, die gehörige Portion Glück, Kommunikationsmöglichkeiten und Spannung bis zum Ende.
Alle Kriterien erfüllt der Göttinger Spieleautor Reinhold Wittig mit seinem neuesten Spiel NOMADI das der Blatz-Verlag aus Berlin in gewohnt edler Ausstattung herausgebracht hat. 1993 und 1994 produzierte der Verlag Spiele von Reinhold Wittig, die jeweils als „Schönste Spiele des Jahres" ausgezeichnet wurden, in dieser Tradition steht NOMADI.
Mühsam kämpft sich eine große Karawane durch den Wüstensand. Zwei bis fünf Spieler müssen darauf achten, dass keines der Kamele aus der Reihe tanzt, die Tiere immer eng zusammenbleiben und sich allmählich auf Wasserlöcher und schließlich die Oase zubewegen.
Sechs Würfel dienen als Bewegungsmotor, wobei nicht immer nur eigene Kamele vorangebracht werden können, jeder darf nämlich jedes Kamel bewegen. Hier liegen die taktischen Möglichkeiten des Spiels, Absprachen sind möglich, ein gemeinsames Nachdenken über die besten Züge, bis schließlich die ersten drei Kamele die Oase erreicht haben.
NOMADI ist ein wunderschönes taktisches Würfelspiel, mit dem auch Kinder ab zehn Jahren schon gut zurechtkommen. Im Grunde genommen verpasst Wittig mit NOMADI seinem Klassiker WABANTI ein neues Gewand. Im Familienspielbereich gibt es in diesem Jahr kaum bessere Spiele, erneut hat der Göttinger Reinhold Wittig bewiesen, dass er neben Klaus Teuber und Wolfgang Kramer zu den besten deutschen Spieleautoren gehört.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: NOMADI
Autor: Reinhold Wittig
Grafik: Hartmut Gärling
Verlag: Blatz
Spielerzahl: 2 – 5
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 50.- DM
Die Rezension erschien 1995 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 22/ 1995 R 25/2021
Zum Spiel und zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
1990 landete er mit DINO, damals noch von Hexagames auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel. NOMADI war sein letztes Spiel bei Blatz. Die Blatz-Gruppe übernahm 1997 Schmidt und fungiert seit dem unter diesem Label. NOMADI war kurz zuvor in einer Fassung der Edition Perlhuhn erschienen (siehe Bild unten)
Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. Das Foto zeigt Wittig auf dem Autorentreffen in Göttingen 2007.
Donnerstag, 28. Januar 2021
ACH DU DICKES EI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Neue Lernspielreihe bei HABA
Gleich mit sechs neuen Spielen eröffnet die für hervorragendes Spielmaterial bekannte Firma HABA eine neue Lernspiel-Reihe. Für Kinder ab vier Jahren haben die HABA-Spielredaktion und einige renommierte Spieleautoren durchweg gute Spiele herausgebracht, die sich für den Einsatz im Familienkreis, aber auch im Kindergarten und in der Vorschule bestens eignen.
Sehr schön ist das Spiel ACH, DU DICKES EI von Heinz Meister. Vier kleine Bastkörbe stehen zum Sammeln von mittelgroßen Holzeiern bereit. An die kommen die Kinder aber erst heran, wenn sie möglichst schnell eine Beobachtungsaufgabe gelöst haben.
In der Tischmitte liegen nämlich fünf beidseitig bedruckte Holztäfelchen mit einem blauen Hasen und einem roten Huhn. Am Rand jeder Tafel sind verschiedene Farbkombinationen mit blauen und roten Punkten zu finden. Ein Kind legt die Holzbilder aus, die anderen versuchen dann so schnell wie möglich, die Farbreihenfolge von Hühnern und Hasen in einer der Randkombination wiederzufinden. Wer es als erster schafft, erhält ein Holzei für sein Körbchen und legt die Holztäfelchen neu aus. Ein Spiel, das Reaktionsvermögen und Konzentration von Vorschulkindern vorzüglich schult.
Haba nutzt wunderschönes Material und witzige Zeichnungen der Grafikerin Doros Matthäus für ein unterhaltsames Kinderspiel.
Spieletelegramm:
Titel: ACH DU DICKES EI
Autor: Heinz Meister
Grafik: Doris Matthäus
Verlag: Haba
Spielerzahl: 2 – 4
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 29.- DM
Die Rezension erschien 1996 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 25/ 1996 R 24/2021
Zum Spiel und zum Autor:
Heinz Meister gehört zu den produktivsten und am längsten aktiven Spieleautoren in Deutschland. Mit Blick auf die Anzahl seiner Veröffentlichungen dürfte ihn nur Reiner Knizia übertreffen.
Besonders erfolgreich war und ist Heinz Meister mit Kinderspielen. Mit SCHWEINSGALOPP gewann er 1992 sowohl den Sonderpreis der Jury Spiel des Jahres als auch den des Deutschen Spielepreises. Auf diesen war er Anfang der 90er Jahre abonniert, er gewann ihn 1993 für VERFLIXT GEMIXT und 1994 für HUSCH, HUSCH, KLEINE HEXE. Ein Jahr später zeichnete ihn die Jury Spiel des Jahres mit dem damaligen Sonderpreis Kinderspiel für KARAMBOLAGE aus. ZAPP ZERAPP war dann fast wieder ein Doppelerfolg, mit Klaus Zoch zusammen gewann er 2001 den Deutschen Kinderspielepreis und eben die Nominierung. ACH DU DICKES EI ist 1996 erschienen, konnte aber keine Auszeichnungen gewinnen.
Das Bild zeigt Heinz Meister mit Synes Ernst bei der Übergabe der Nominierungsurkunde während der Preisverleihung in Berlin 2005 für DADDY COOL, ein weiteres erfolgreiches Meisterstück.
Mittwoch, 27. Januar 2021
SPEED
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Das schnellste Kartenspiel der Welt: SPEED
Fliegende Karten, rote Gesichter, flinke Hände und erleichterte Aufschreie sind bei dem brandaktuellen Kartenspiel SPEED für zwei Spieler von Reinhard Staupe zu beobachten. Ein Ablegespiel, das man in zwanzig Sekunden erklären kann und das inzwischen auch schon sekundenschnell abläuft.
Beginnen wir mit der Kurzerklärung: Je 30 Karten müssen von zwei Spielern so schnell wie möglich und turbulent durcheinander auf zwei Ablagestapeln untergebracht werden. Das Ablageprinzip ist einfach. Die Merkmale jeder Karte ergeben sich aus Bildmotiven, Farben und der Anzahl der Motive. Abgelegt werden darf Motiv auf Motiv, Farbe auf Farbe oder Menge auf Menge. Maximal drei Karten hat jeder zur Auswahl auf der Hand.
Nichts Neues, LIGRETTO lässt grüßen, werden Sie wahrscheinlich erst einmal sagen, aber Vorsicht, SPEED entfaltet ganz eigene Reize. Die Aufmerksamkeit auf drei Merkmale lenken zu müssen, fällt nicht nur anfangs nicht leicht. Die Spielhektik - nichts für nervöse Zeitgenossen -, wenn man den Partner eine Karte nach der anderen ablegen sieht, führt häufig genug zu Denkblockaden. Da sieht man den Wald vor lauter Farben nicht. Beachtet werden müssen immerhin sechs verschiedene Symbole, deren unterschiedliche Anzahl und außerdem noch sechs verschiedene Farben.
Da die Verteilung der drei Merkmale auf 60 Karten je zehnmal Farb- und Symbolidentität und zwölfmal Farbgleichheit zur Folge hat, besteht bei zwei Ablagestapeln fast immer die Möglichkeit, die Karten loszuwerden.
Reinhard Staupe, 27jähriger Student aus Lohfelden in der Nähe von Kassel, zeichnet als Autor verantwortlich für diesen Spiele Hit. Die in der Regel angegebene Spielzeit von drei bis fünf Minuten wurde inzwischen schon deutlich unterboten. Den Spielrekord hält mit 21 Sekunden der Verleger des Spiels, Karsten Adlung, gegen den auch der Autor keine Chance mehr hat.
Nichts steht also im Wege für die Berücksichtigung des Spiels im Guiness-Buch der Rekorde als ,,Schnellstes Kartenspiel der Welt“.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: SPEED
Autor: Reinhard Staupe
Grafik: Jürgen Martens
Verlag: Adlung Spiele
Spielerzahl: 2
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 3 Minuten
Preis: ca. 10.- DM
Die Rezension erschien 1996
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 25/ 1996 R 23/2021
Zum Spiel und zum Autor:
Reinhard Staupe, der mit WIR SIND DIE ROBOTER zu den Nominierten für das Kinderspiel des Jahres 2020 gehörte, begann 1993 als Spieleautor, zählte aber innerhalb kürzester Zeit zu den damals erfolgreichsten. Mit SPEED, COMEBACK, DAVID & GOLIATH und BASARI landete er auf der Auswahlliste der Jury. Neben dem Eigenverlag Staupe Spiele, arbeitete er als verantwortlicher Redakteur für die Berliner Spielkarten. 2001 wechselte er zu Amigo und seit 2012 prägt seine Handschrift den Erfolg von NSV.
SPEED war sein erster großer Erfolg, neben dem Platz auf der Auswahlliste erreichte er mit dem Spiel den 3. Platz beim à la Carte-Preis der Fairplay.
Das Bild zeigt Adlung und Staupe 1995 in Essen.
Dienstag, 26. Januar 2021
DIE MAUS IM NACKEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DIE MAUS IM NACKEN
Manfred Ludwig lässt 16 Elefanten vor einer kleinen Maus in einer Zirkusarena davonlaufen. Jeder der vier Spieler ab 7 Jahren besitzt vier Elefanten, die er bei diesem Wettlauf möglichst in das sichere Wasserbassin bringen möchte. Der Würfelwurf entscheidet, ob der Spieler die Maus bewegen muss oder einen seiner Elefanten. Auf der Rundstrecke zum Ziel können sich die Rüsseltiere auf Sitzmöbeln in Sicherheit bringen, die ihnen aber für die Endabrechnung viel weniger Punkte bringen. In der Reihenfolge des Einlaufes erzielen nämlich die schnellsten Elefanten 13, 12 oder 11 Punkte, auf den Ruhesesseln gibt es nur 3 bis 8 Punkte. Diese Wertungspunkte ergattern aber nur Elefanten, die nicht von der Maus eingeholt werden.
DIE MAUS IM NACKEN ist ein abwechslungsreiches und spannendes Würfelspiel, in dem sich Glücksfaktoren und in Ansätzen strategische Planungsüberlegungen die Waage halten. Die Ausstattung des Spiels mit Pappfiguren ist eher spartanisch, die graphische Umsetzung geht aber in Ordnung. Für Spielunterhaltung für die ganze Familie ist bei dieser Spielidee allemal gesorgt.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: DIE MAUS IM NACKEN
Autor: Manfred Ludwig
Grafik: Gabriela Silveira
Verlag: Goldsieber
Spielerzahl: 2- 4
Alter: ab 6 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 20.- DM
Die Rezension erschien 1996
Wertung Spielreiz damals 7von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 24/ 1996 R 22/2021
Zum Spiel und zum Autor:
Manfred Ludwig, einst Lehrer für Französisch und Sport an einem Gymnasium in Regensburg, gehört zu den erfolgreichsten und produktivsten Autoren Deutschlands. Die erste Spieleveröffentlichung des 84jährigen Autors liegt schon 40 Jahre zurück. Damals kam GEFÄHRLICHGE BRÜCKEN beim Verlag Spear heraus. Für diesen Verlag gewann er 1983 mit FUZZI, HEINZ UND SCHLENDRIAN auch seine erste Auszeichnung. Das Spiel landete auf der AWL der Jury. Es folgten über 70 weitere Spiele und viele Preise, darunter mit DIEGO DRACHENZAHN das Kinderspiel des Jahres 2010.
Montag, 25. Januar 2021
DIE OPER DER SCHWARZEN SPIEGEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spiel & Kunst: DIE OPER DER SCHWARZEN SPIEGEL
In Zeiten, in denen die Schließung von Opernhäusern droht, zumindest die Spielzeiten begrenzt werden, lohnt die eigene Anschaffung eines Opernhauses. Wenn auch noch gleich das Phantom mitgeliefert wird, ein Ambiente mit geheimnisvollen Spiegeln, kapitalen Säulen und einer entführten Primadonna stimmig scheint, alles eingebunden in ein Szenario des 19. Jahrhunderts, gefertigt aus edlen Materialien wie Samt, Messing, Gold und Silber, dann wächst das Interesse.
Diese Opernwelt ist das Produkt eines Spieleautors, der sich gern anregen lässt von literarischen Stoffen, phantastischen Themen, um selbst einzutauchen in diese Welten. Die dort erlebten eigenen Geschichten setzt er um in Rollenspiele und baut um alles ein Gesamtkunstwerk, das in keine herkömmliche Schublade zu packen ist. Er verbindet Kunst und Spiel, indem der Objektcharakter des Spiels durch optische und haptische Reize auf ein Niveau jenseits aller üblichen spielerischen Erfahrungen gehoben wird. Da außerdem das spielerische Vergnügen nicht auf der Strecke bleibt, ein hoher intellektueller und psychologischer Spielreiz vorhanden ist, erliegt man leicht der Verführung der Spielkunstobjekte dieses Autors.
Thomas Fackler heißt der junge Mann, der in der Nähe von Augsburg lebt und sich seit vier Jahren seine spielerischen Träume erfüllt. Als Diplomdesigner hat sich Fackler während seines Studiums schon intensiv der Designkonzeption von Brettspielen gewidmet. In seiner Diplomarbeit beschäftigte er sich mit Brettspiel-Didaktik und deren grafischer Gestaltung. Anstatt danach bei großen deutschen Spieleverlagen anzufragen, ob er nicht etwas frischen Wind in das Produktdesign des Brettspieleinerleis bringen könnte, stürzte sich Fackler gleich nach dem Studium in das Abenteuer der Eigenproduktion. 1991 stellte er auf den Spielertagen in Essen seine spielerische Adaption zu "Der Name der Rose" vor. In Facklers ABTEI DER WANDERNDEN BÜCHER wandeln feinst modellierte Mönche und Novizen aus Ton über einen Grundriss einer Abtei, mit Sieb bedruckt und danach vom Künstler aquarelliert. Sie sind auf der Suche nach einer geheimen Botschaft, die sich in zehn kleinen mit Gold bedruckten Holzfolianten befindet. Ein stimmungsvolles Deduktionsspiel, in dem der Autor keine Kompromisse bei der Materialauswahl eingegangen ist. 820.- DM kostete in Essen das Spiel, die Auflage war auf 200 Exemplare limitiert. Spieleinsider der Messe sahen die Schmerzensgrenze beim Spieleinkauf bei 100.- DM und prognostizierten das schnelle Scheitern des jungen Spieleautors. Das Ende der Messe zeigte, dass Thomas Fackler erfolgreich Neuland beschritten hatte. Der Spielwert seiner "Abtei" wurde allseits gelobt, für etwa 50 Spiele hatte er Aufträge erhalten, die Preisschallmauer im Brettspielsektor war durchbrochen. Das war auch für die Preiskalkulation Facklers notwendig, denn bei der Einzelanfertigung seiner Spiele zahlte er erst einmal kräftig drauf. So ging das erstverdiente Geld fast vollständig an den Buchbinder und Schreiner weiter, die wichtige Zuarbeit geleistet hatten. Davon leben konnte Thomas Fackler nicht. Ohne seine als Heilpädagogin arbeitende Frau, die mit ihm aber seine spielerischen Träume weiterträumt, hätte er 1991 aufgeben müssen. Wirtschaftlich kalkuliert, musste der Preis für dieses edle Spielobjekt deutlich höher liegen. Die wenigen Restexemplare, die heute noch bestellt werden können, kosten inzwischen fast das Vierfache. Für die Käufer der ersten Stunde eine ansehnliche Gewinnsteigerung.
In den folgenden Jahren der Produktion schob Fackler Bugwellen von Spielmechanismen vor sich her und verschwand erneut in literarische Phantasiewelten. Der "Glöckner von Notre Dame" reizte ihn dabei ebenso wie der Fauststoff oder Kafkas "Prozess". Da er das "Phantom der Oper" aber schon stimmig in seiner Diplomarbeit angedacht hatte, stellt er jetzt als zweites Spiel DIE OPER DER SCHWARZEN SPIEGEL vor.
Die Fragmente eines Opernwerkes bietet der Autor als dramatischen Erzählstoff an. Mir ist keine vergleichbare umfangreiche, märchenhafte Einstimmung in ein Spiel bekannt. Durch ein tragisches Unglück verliert Pandaré, Starsänger einer Opernbühne, seine Stimme. Verzweifelt sucht der Sänger sich von einer Brücke zu stürzen, zurückgehalten nur von der Nymphe Lucina, die ihm einen Pakt anbietet. Gegen seine menschliche Seele erhalte er ihre Zauberkräfte und natürlich seine Stimme wieder. Pandaré existiert weiter, aber fortan als Phantom, dessen gesichtsloses Antlitz eine silberne Maske verdeckt. Seine neugewonnene Gewalt macht ihn zum Tyrannen der Oper. Seine Liebe zu Lucina, die als Soubrette ins Ensemble aufgenommen wird, bleibt aber ohne Erwiderung. Als diese sich zu einem Komponisten hingezogen fühlt, verwandelt er sie in eine steinerne Herme und versteckt sie in einer großen Säule des Opernhauses. Die Rettung kann nur innerhalb der nächsten vier Nächte erfolgen. Der Komponist macht sich mit Hilfe des Intendanten, des Direktors des Bühnenensembles und eines Kriminalrats auf die Suche nach Lucina.
Hier beginnt die Rollenverteilung für das Spiel. Auf der einen Seite Pandaré, der Lucina in seiner Macht behalten möchte, kooperativ, gegen ihn spielend, die vier Verfolger. Auf dem Grundriss der Oper verteilt der Spieler des Phantoms beliebig sieben Säulen auf 51 Räume und Bühnenbereiche. Zur Tarnung stecken in sechs Säulen Nachbildungen der Herme Lucinas, die echte ist durch einen blauen Saphir gekennzeichnet. Die Gegenspieler Pandarés, zwei bis vier, die aber immer alle vier Verfolgerfiguren bewegen müssen, versuchen, die richtige Säule zu finden, ohne sich von dem Phantom fangen zu lassen. Ständig laufen sie dabei in Gefahr, in Spiegelfallen des Phantoms zu tappen, so dass sie das Schicksal Lucinas teilen müssen und in eine der Säulen gesperrt werden. In jeder Nacht haben die Spielgegner die Möglichkeit zu vier Spielzügen, so dass spätestens nach 16 Runden das Phantom gewonnen hat oder Lucina befreit wurde.
Der besondere Spielreiz liegt in den verdeckten Spielzügen. Jeder Spieler besitzt ein Rollenbuch, in das die Spielzüge eingetragen werden. Die Verfolger starten im Vestibül der Oper und können von hier aus in jedem Spielzug maximal drei Felder weit gehen. Um vom Startfeld aus in den hinteren Bühnenteil zur Treppe, die zum Schnürboden führt, zu gelangen, sind schon mindestens drei Teilzüge nötig, also brauchen die Verfolger dafür fast eine ganze Nacht. Vom Startfeld aus können 22 Räume der Oper erreicht werden. Sobald die Verfolger ihre Züge geheim notiert haben, hat das Phantom die Möglichkeit bis zu vier Spiegelfallen auszulegen, außerdem taucht es selbst in einem Raum auf. Hat der Spieler des Phantoms die Bewegungen der Mitspieler gut eingeschätzt, konnte er damit vielleicht schon nach dem ersten Spielzug einige Gegner in Säulen verbannen. Diese können zwar von Mitspielern wieder befreit werden, das kostet dann aber in den Folgezügen Zeit, die beim Suchen nach der Säule mit Lucina fehlen kann. Sind am Ende eines Spielzuges alle Verfolger gefangen, kann das Phantom sogar vorzeitig gewinnen.
Am Ende einer Nacht können alle wieder aus den Säulen befreit werden, müssen dann aber erneut im Vestibül mit ihrer Suche beginnen. Das Phantom darf zusätzlich zwei Säulen vertauschen. Hier kann der Spieler des Phantoms kräftig bluffen, manchmal ist dieser Tausch aber auch die letzte Rettungsmöglichkeit vor der großen Aufdeckung.
Für Spieleeinsteiger scheint die Macht des Phantoms groß, ein gut eingespieltes Verfolgerteam und überraschende, nicht ausrechenbare Bewegungszüge, können Pandaré aber in große Bedrängnis bringen und die Chancen, Lucina zu befreien, wachsen, sind sogar größer. Jedes Spiel verläuft daher anders, führt zu einer anderen Rettungsgeschichte.
Die verdeckten Spielzüge, die Suche nach einer großen Unbekannten erinnern an einen Spielklassiker, an SCOTLAND YARD, 1983 bei Ravensburger erschienen. Thomas Fackler hat dieses Spielprinzip benutzt, aber ganz eigenständig weiterentwickelt und atmosphärisch so stimmig umgesetzt, dass seine OPER DER SCHWARZEN SPIEGEL spielerisch allemal das Niveau des "Spiel des Jahres" 1993 hält. Es ist kein komplexes Spiel, mit einer Spieldauer von etwa einer Stunde wird es auch nie zu lang. Kinder ab zehn Jahre kommen mit dem Spielmechanismus schon gut klar und nehmen mit Begeisterung an der Befreiung Lucinas teil, noch lieber wird sie aber von ihnen versteckt.
Einmalig gelungen ist zudem die Spielgestaltung. Alle 342 Einzelteile des Spiels sind Sonderanfertigungen, alles Handarbeit, sie machen jedes Spiel zum Unikat. In Samt verpackt, alles in einer leinengebundenen großen Spieleschachtel, ohne die übliche Verpackungsluft der großen Spielefirmen, liefern drei Schachtelebenen den aquarellierten Spielplan der Oper, das Spielmaterial mit den gedrechselten Hermen, eine mit Saphir, der Phantomfigur mit Silbermaske, den hohlen Stecksäulen mit vergoldetem Sockel, dazu zehn versilberte Spiegel, gedrechselte Verfolgerfiguren um einen Silberkern, jede individuell durch einen anderen Mantelkragen unterschieden. Im letzten Kasten steckt das Erzählwerk, fünf Spielbücher und das Opernfragment. Alles ergibt ein Gesamtwerk, das im Brettspielbereich einmalig ist. DIE OPER DER SCHWARZEN SPIEGEL ist ein gelungenes zweites Kunstwerk Thomas Facklers.
Vom Erfolg dieses Spiels ist der Autor auch fest überzeugt. Optimistisch setzt er deshalb die Limitierung der OPER deutlich höher mit 873 Exemplaren an. Thomas Fackler arbeitet dabei ohne Netz und doppelten Boden, mit hohem persönlichen Risiko. Fragt man den Autor nach einer Erklärung für seinen Optimismus, erzählt er, der so gerne Geschichten erzählt, eine, die unglaublich klingt, aber wahr ist. Im April 1971 ist der 104. Starfighter direkt auf den damals neunjährigen Thomas abgestürzt. Es ist ein Wunder, dass der Junge, der mitten in den Flugzeugtrümmern mit schweren Brandverletzungen aufgefunden wurde, die Explosion überlebt hat. Dieses Erlebnis gibt ihm sein Urvertrauen in die Zukunft und uns die Gewissheit, dass er noch zu vielen weiteren Ausflügen in fantastische spielerische Welten einladen wird.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: DIE OPER DER SCHWARZEN SPIEGEL
Autor: Thomas Fackler
Grafik: Thomas Fackler
Verlag: Thomas Fackler
Spielerzahl: 2-5
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: 2900 DM
Die Rezension erschien 1994
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 10/ 1994 R 21/2021
Zum Autor:
Thomas Fackler ist 1991 durch DIE ABTEI DER WANDERNDEN BÜCHER bekannt geworden. Die individuelle Gestaltung mit hochwertigen Materialien machten jedes Spiel zum Unikat, mit dem er damals an der Preisobergrenze von 1000 DM kratzte. Ein Schnäppchenpreis wie sich bald herausstellte, denn die OPER DER SCHWARZEN SPIEGEL konnte er 1993 locker für das Dreifache verkaufen. Augenblicklich liegt der Verkaufspreis seines ersten Spiels bei 3800 Euro. Wer eines der ersten Spiele für 820 DM erworben hat, dessen Einsatz hat sich fast verfünffacht.
Fackler, der 1998 mit dem „Inno-Spatz“ der Stadt Göttingen ausgezeichnet wurde, arbeitete danach ein knappes Jahrzehnt als Spieleredakteur für Prestel. 2001 bekam er für TROIA – DAS SPIEL den Sonderpreis „Geschichte im Spiel“, den die Jury „Spiel des Jahres“ damals vergab. DIE MAUER wurde ebenfalls 2001 für den Deutschen Designpreis Holzspielzeug nominiert.
Aktuell arbeitet der 58järige Fackler als freier Künstler in Aystetten. Zu Beginn des letzten Jahres wurde er mit dem Kunstpreis der Stadt Donauwörth ausgezeichnet.
Das Bild zeigt Thomas Fackler 1992 in Essen bei der ersten Präsentation von der OPER.
Sonntag, 24. Januar 2021
Pelikan Buchkassetten
Pelikan
AGENT
ARAMADA
ATLANTIS
BACKGAMMON
BINGO ROMANA
DIAMANT
FINISH
GLOBETROTTER
MOULIN ROUGE
MÜHLE & DAME
NAPOLEON
PRÄRIE
QUADRIGA
ROBIN HOOD
SAHARA
TRAMP
TWIN
Traveller
WENDELIN UND WANDA
SCHÜTZENFEST
Kleine Serie
ALI BABA
AGENT
ARAMADA
ATLANTIS
BACKGAMMON
BINGO ROMANA
DIAMANT
FINISH
GLOBETROTTER
MOULIN ROUGE
MÜHLE & DAME
NAPOLEON
PRÄRIE
QUADRIGA
ROBIN HOOD
SAHARA
TRAMP
TWIN
Traveller
WENDELIN UND WANDA
SCHÜTZENFEST
Kleine Serie
ALI BABA
AGENT
SAMMELSURIUM
Pelikan Buchkassetten: AGENT
Die bei Spielesammlern bekanntesten Spiele aus dem Pelikan Verlag sind die Buchkassetten, die zwischen 1974 und 1976 erschienen sind. Die ursprünglich nur für Tinten und Farben bekannte Firma aus Hannover mit dem Wappentier Pelikan, war ab den 30er Jahren die wesentliche Firma in Deutschland für Füllfederhalter. Die Erfolge führten in den 70er Jahren zu einer großen Erweiterung der Produktpalette. Neben Spielen kamen Drucker, Projektoren, sogar Kosmetik ins Sortiment der Firma. TKKG wurde von Pelikan ursprünglich entwickelt. Die Expansion ließ die inzwischen von der GmbH zur AG gewordene Firma straucheln. 1984 wurde sie von der Condorpart AG in der Schweiz übernommen, die die Spieleproduktion nicht fortführte. Inzwischen gehört Pelikan dem malaysischen Unternehmen Goodace, das nunmehr als Pelikan International Corporation Berhad firmiert.
18 Spiele in Buchkassetten sind in den 70er Jahren erschienen. Die Spiele waren kleiner als die der Konkurrenz. Ihr quadratisches Format (19x19 cm) wirkte sich auch auf die Spielfeldgröße aus, das geklappt die vierfache Schachtelgröße ergab, oft aber auch nur aus einem Kunststoffbrett eben der Größe bestand.
Pelikan griff teilweise auf renommierte Autoren zurück wie Alex Randolph und Eric Solomon. Bei firmeneigenen Entwicklungen arbeitete die Redaktion mit Pseudonymen. Das Pferderennspiel FINISH wurde so einem E. Siena zugeschrieben, GLOBETROTTER hat angeblich ein R. F. Pleuna erfunden und DIAMANT ein A. Steyn.
Wie in der E-Serie von F.X. Schmid tritt auch bei Pelikan der Spielekritiker Eugen Oker als Serienbegleiter auf, aber auf eine anregende Weise einstimmend. Einleitende Kurzgeschichten führen zu manchen Spielen, wie der Verlag selbst sagt, meist „frei erfunden, zum Teil wahr“. Eugen Oker „wolle ja nicht bloß Einleitungen schreiben, sondern Vorspiele und Einstimmungen.“ Auch an den Regeln der Pelikanspiele soll Oker beteiligt gewesen sein.
AGENT
Mit dem Spiel AGENT griff Pelikan auf das erste erfolgreiche Spiel des Engländers Eric Solomon zurück. Mit nur 24 Jahren hatte Solomon 1959 im Fach Mathematik promoviert. Er arbeitete zunächst erfolgreich in einem Rechenzentrum, bis er 1965 sein eigenes Unternehmen Engineering Computations gründete.
Sein mathematischer Hintergrund prägte seine Spielentwicklungen ab 1972. Klare und einfache Strukturen, ohne dass sich dadurch langweilige Spiele ergeben würden, waren sein Markenzeichen. Die schönste Belohnung der mühsamen (und zumeist schlecht bezahlten) Arbeit eines Spiele-Autors sah Solomon darin, dass er sicher sein durfte, vielen spielenden Menschen eine Menge Freude bereitet zu haben.
Solomons erstes publiziertes Spiel war SIGMA FILE 1972, das dann in der deutschen Erstausgabe AGENT hieß. Es zählt inzwischen zu den modernen Spiele-Klassikern.
Das Besondere und für die damalige Zeit Ungewöhnliche an Solomons Spiel war, dass die Figurenbewegungen der acht Agenten auf einem abstrakten Spielplan von 5x5 Feldern nicht an bestimmte Spieler gebunden ist, sondern dass jeder jede Figur bewegen darf. In HEIMLICH & CO. hat Wolfgang Kramer dieses Prinzip ebenfalls mit einem Agentenspiel 13 Jahre später bis zum Spiel des Jahres geführt.
Solomons Ansatz der Zuordnung von Agenten ist komplexer als bei Kramer, der einfach nur eine verdeckt zu ziehende Farbkarte nimmt. Bei Solomon werden die Agenten geheim bestochen, dazu hat jeder einen Kapitalplan mit insgesamt 10.000 Dollar, aufgeteilt in vier Einzelwerte von 1000 $, 500$, 400$, 300$, 200$ und 100$, die beliebig auf die acht Agenten verteilt, aber später nicht mehr umgebucht werden können.
Die acht Agenten sind Männer und Frauen, farblich gehören sie als Paar ziemlich stereotyp einer Nationalität an mit der entsprechenden Hauptstadt in den Eckfeldern. So stammen die grünen Figuren aus Washington, die blauen aus London, rote und gelbe kommen aus Moskau und Peking. Wer am Zug ist, bewegt eine beliebige Figur. Zuerst geht es Richtung Tanger, da sich dort ein Koffer mit Geheiminformationen befindet. Wer nicht ziehen möchte, darf bestechen und sein Kapital nutzen. Schließlich kann man Agenten auch auf die Bahamas schicken, indem man sie mit anderen Figuren schlägt, die mindestens vorher mit 500 oder 1000 $ bestochen sein müssen, denn dieser frevlerische Akt ist teuer, er kostet nämlich genau diese Summe.
Bis auf die Bestechungsaktion, kann bei jeder anderen Aktion interveniert werden. Im Falle des Einspruches, werden Teilsummen der Gelder offenbart, die man zur Bestechung benutzt hat. Wer in diesem Bietverfahren die Mehrheit erringt, darf entweder seinen geplanten Zug durchführen oder sorgt dafür, dass er rückgängig gemacht wird. Die sukzessive Bestechung, bei der man auch lange viel Geld zurückhalten kann, um am Ende aufs richtige Pferd zu setzen, war in den 70ern ungewohnte Kost. Keine Würfel, keine Karten, nur psychologische Einschätzung der Mitspieler und der geschickte Umgang mit Geld. Was sich im Spiel ebenfalls ergibt, sind Teamverhandlungen, Partnerschaften auf Zeit.
Das Spiel endet, wenn ein Agent den Koffer in seine Hauptstadt bringt. Derjenige, der das meiste Geld auf diesen Agenten gesetzt hat, gewinnt das Spiel. Die Emotionen am Tisch gehen natürlich hoch, wenn das nicht der Spieler war, der den Agenten in die Hauptstadt gezogen hat.
Irritierend ist, dass es unterschiedliche Regelausgaben bei Pelikan gab. Die stimmungsvolle erste Auflage mit dem Vorwort Eugen Okers, unterscheidet sich zum Teil deutlich von der eher nüchternen mehrsprachigen zweiten Auflage. So darf in der zweiten Fassung in der Bestechungsphase stets nur Geld auf einen Agenten übertragen werden, dass war vorher nicht eingeschränkt. Auch das Schlagen kostete ursprünglich nur 500 $, später 1000$. Wer sich dann noch in der mehrsprachigen Ausgabe die englische Regel ansieht, wird zusätzlich verwirrt zurück gelassen, denn diese entspricht ziemlich genau der Interpretation Eugen Okers. Persönlich tendiere ich zur ersten Fassung, die die Hürde für rivalisierende Kämpfe nicht allzu hoch hängt und vor allem mehr Optionen bei den Bestechungen zulässt.
Solomons Spielidee war seiner Zeit voraus. Viele liebten das Spiel, es gab aber auch genügend Ablehnung. Die Kritik betraf nicht nur die unklaren Regeln, auch der Spielablauf erwies sich oft als langwierig, vor allem wegen der ständigen Unterbrechungen durch Bietergefechte, die langwierig waren. So richtig beeinflussen konnte man den Verlauf nicht, wer zu viel auf einen Kandidaten geboten hatte, der dann auf die Bahamas geschickt wurde, war raus aus dem Spiel und oft als Königsmacher dann Zünglein an der Waage. Trotzdem gewann Solomon später noch Auszeichnungen für Neuauflagen.
National wurde Solomons Idee noch zweimal aufgelegt. In Deutschland erschien 1990 die erfolgreichste Fassung unter dem Titel CASABLANCA. Diese Bearbeitung von Amigo erhielt einen Platz auf der Auswahlliste zum Spiel des Jahres 1991 und erreichte den 5. Platz beim Deutschen Spielepreis. Zuletzt ist das Spiel als JAGD NACH DEM GRAL 2007 beim argentum verlag erschienen.
Titel: AGENT
Verlag: Pelikan
Autor: Eric Solomon
Spielerzahl: 3 - 4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 4 - S4/2021
Freitag, 22. Januar 2021
ARTISCHOCKEN
ARTISCHOCKEN
Frisch auf den Tisch kommen aus lokalem Anbau Paprika und Zwiebeln und diesmal auch die nicht immer beliebte Artischocke. Einmal werden die Gemüse in Form eines PUNKTESALATs von Bauern aus Friedberg angeboten, das andere Mal liefern Dietzenbacher Ökolandwirte ARTISCHOCKEN knackig vom Feld.
Typisch für beide Produkte ist, dass die Samenlieferungen jeweils aus den USA stammen. Einmal von Molly Johnson, Robert Melvin und Shawn Stankewich, das andere Mal von Emma Larkins. Beachtlich ist der hohe Frauenanteil an der Erfindung beider Spiele.
Bis auf das Thema sind die Ideen mechanisch fast gegenläufig. Sammelt man in dem Friedberger Spiel kräftig Gemüse und Wertungskarten, baut man in Dietzenbach eher die Bestände ab, was im besonderen Maße für die Artischocken gilt.
Was Emma Larkins gegen Artischocken hat, bleibt unklar, für viele ist das Blütengemüse, das Artischockenherz, eine Delikatesse. Larkins liefert uns aber ein „herzloses“ Kartenspiel, in dem alle mit zehn Artischocken starten, von denen fünf auf die Kartenhand kommen, die irgendwann ohne Artischocken mit Brokkoli, Karotten und Kartoffeln gefüllt sein muss.
ARTISCHOCKEN ist ein Kartenmanagementspiel, bei dem Kartennachschub aus einer Gemüsekiste kurz- und mittelfristig das Kartendeck verbessert und zur Reduzierung des Artischockenvorrats führt. Larkins kommt mit 100 Gemüsekarten aus, wobei je nach Spielerzahl 20 bis 40 Artischocken im Spiel sind. Die restlichen Karten verteilen sich auf zehn Gemüsesorten, wobei Amigo mit dem Rhabarber sogar noch sechs Bonus-Karten spendiert. Fünf Karten davon liegen offen in einer Gemüsekiste zur Ergänzung der Kartendecks bereit.
Der Spielablauf ist eingängig, die zehn oder elf Gemüsesorten lassen sich aber erst nach ein, zwei Proberunden gezielt nutzen. Wer an der Reihe ist, bedient sich aus der Gemüsekiste und spielt dann beliebig viele Handkarten aus, nur die Artischocken nicht, die muss man mit Hilfe der Gemüsekarten auf den Kompost entsorgen. Das Besondere bei Larkins Spiel ist, dass danach das Deck nicht wieder auf fünf Karten ergänzt wird, sondern alle nicht genutzten Karten auf eine persönliche Ablage kommen und fünf neue Karten gezogen werden. Das ergibt sich aus der Siegbedingung, denn wenn unter diesen fünf Karten keine Artischocke ist, hat man sofort gewonnen. Zur Beschleunigung trägt auch bei, dass die neu hinzukommende Karte aus der Gemüsekiste nicht erst über den Ablagestapel, sondern sofort über die Hand ins Spiel gelangt. Das sorgt für eine schnellere Dynamik und bringt überhaupt das Spiel in Gang.
Die Siegbedingung hat zur Konsequenz, dass man einerseits schnell Artischocken loswerden möchte, andererseits das Kartendeck durch effektives Gemüse ergänzen will. Das Gute ist, dass die Karten sämtliche Haupt- und Nebenwirkungen der einzelnen Gemüsesorten exakt beschreiben. Da sehnt man sich anfangs nach Karotten, die es ermöglichen, gleich zwei Artischocken zu kompostieren. Die meisten Gemüsesorten lassen unter bestimmten Bedingungen nur den Abwurf einer Artischocke zu, so die Aubergine, Kartoffel oder der Brokkoli. Andere Sorten führen zur Interaktion wie die Rote Beete, der Lauch oder die wandernde Zwiebel.
Einerseits lässt sich damit die Kompoststrategie fahren, bei der man einfach nur voll reduziert und am Ende meist nur noch ganz wenige Karten hat. Man kann aber auch reduzieren und mit bleibendem Gemüse die Hand füllen, sodass auch mit Restbeständen von Artischocken trotzdem das Spielziel erreicht werden kann.
Klingt simpel, ist auch ganz einfach und erstaunlich unterhaltsam. Natürlich sind wir von den Zufälligkeiten der Gemüsekiste abhängig, aber fünf Alternativen bringen schon so etwas wie Auswahl, auch wenn anfangs der Lauch gerne liegen bleibt. Aus diesem Grund macht es Sinn, das zusätzliche Bonusangebot von Amigo mit dem Rhabarber zu nutzen, denn mit ihm lässt sich die Gemüsekiste neu bestücken. Der Nutzen mancher Gemüsesorten hängt auch von den Spielphasen ab, so bringen Brokkoli, Rote Beete, Kartoffeln und Mohrrüben gegen Ende nicht mehr viel, dafür werden Auberginen und Lauch interessanter.
Optisch gefällig von Bonnie Pang umgesetzt, gefällt dieser Deckbauer aus dem Dietzenbacher Anbaugebiet. Er kann gut mit der Gemüsekiste aus Friedberg mithalten.
ARTISCHOCKEN geht wie PUNKTESALAT gut als Vorspeise vor größeren Menüs durch.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: ARTISCHOCKEN
Autor: Emma Larkins
Grafik: Bonnie Pang
Verlag: Amigo
Alter: ab 10 Jahre
Spieler: 2-4 Spieler
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 2/2021
Donnerstag, 21. Januar 2021
IN DUBIO PRO REO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
IN DUBIO PRO REO
Blind wird Justitia, die Göttin der Rechtsprechung, mit ihren verbundenen Augen dargestellt. Steht diese Blindheit im ursprünglichen Sinne für ihre Unbefangenheit und Unbestechlichkeit, so spiegeln leibhaftige Justizerfahrungen andere Blindheiten wieder. Da ist Valentin Hermann mit seiner in Essen vorgestellten Justizsatire, IN DUBIO PRO REO, deutlich näher an der Realität, wobei sein Spiel im Zweifelsfall häufig genug für den Kläger ausgeht.
Abhängig von der Kommunikationsbereitschaft einer Spielrunde kann diese Neuheit des Fanfor Verlages mit Ärgerspielen wie INTRIGE und KOHLE, KIES & KNETE durchaus mithalten. In diese Gruppe der kommunikativen Ärgerspiel muss IN DUBIO PRO REO eingeordnet werden. Am meisten Spaß machen die juristischen Streitereien, wenn mindestens sechs oder sogar acht Spieler beteiligt sind.
Jeder erhält eine Personenkarte, aus deren Beschreibung sich mögliche Anklagepunkte ergeben, diese Karte liegt offen aus. Da gibt es zum Beispiel den leidenschaftlichen Magic-Spieler, der gerne jammert und eine Mütze trägt. Daneben gibt es noch einen Stapel mit sieben Richterkarten, u.a. gehört zum Hohen Gericht die gute Richterin Haar, die eine Abneigungen gegen Kopfbedeckungen hat. Außerdem sind noch rund 150 weitere Spielkarten im Spiel, von denen jeder zu Beginn sechs erhält. Der große Kartenstapel enthält Vorwurfskarten, Argumentekarten im Wert von eins bis fünf, Bestechungskarten und weitere Sonderkarten.
Der Spielablauf ist einfach: Eine Vorwurfskarte wird gegen einen bestimmten Mitspieler ausgespielt. Es geht dabei immer um einen Streitwert, der Minuspunkte bringt. So könnte dem Magic-Spieler der Vorwurf gemacht werden, dass er eine Black-Lotus-Karte zerrissen habe. Schon in der Anfangsphase können sich die Kontrahenten einigen, in dem man eine Aufteilung der negativen Punkte vereinbart. Erfolgt keine Einigung kommt es zur Güteverhandlung. Jetzt muss jeder eine Karte verdeckt ausspielen und dann aufdecken, da liegen dann z.B. Karten mit zwei oder fünf Argumenten. Wieder kann verhandelt werden, ob man sich der größeren Zahl der Argumente (Karte) beugt, oder man vertraut auf die Hauptverhandlung. In dieser dürfen beliebig viele Karten eingesetzt werden, die Kartenwerte aus der Güteverhandlung zählen dabei in der Endabrechnung mit. Der Mandant mit den meisten Argumenten gewinnt meist den Streit, wenn nicht der am Ende gezogene Richter mit jeweils speziellen Abneigungen gerade gegen den Sieger des Rechtsstreits etwas hatte. Der Gewinner erhält drei Pluspunkte, der Verlierer den Streitwert in Minuspunkten angerechnet. Das Spiel endet, sobald ein Spieler 20 Minuspunkte erreicht hat.
Wird IN DUBIO PRO REO nur trocken als Kartenspiel - wer hat die höheren Werte? - gespielt, ist es reichlich flau. Spielerische Atmosphäre kommt aber auf, wenn die Spielgruppe Spaß und Freude daran hat, sich auf die Alltagsstreitereien auch rhetorisch einzulassen. Selbst wenn letztlich doch die Karten entscheiden, gehört das Klappern davor zum juristischen Handwerk. Wenn dann noch Bestechungskarten richtig eingesetzt werden (damit verlieren die Argumente ihren Wert), mit einem Urlaubsekel Urlaubskarten zunichte gemacht werden, ein Schlichter geschickt eingesetzt wird, mit dem man dann selbst die Minuspunkte verteilen darf, dann wird IN DUBIO PRO REO zu einem besonderen spielerischen Leckerbissen.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: IN DUBIO PRO REO
Autor: Valentin Herman
Grafik:
Verlag: FanFor verlag
Spielerzahl: 4-8
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 19.- DM
Die Rezension erschien 1995
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 21/ 1995 R 19/2021
Zum Autor:
Gut zehn Jahre unterhielt Valentin Herman seine Fan-Gemeinde mit seichten, teilweise abgedrehten Karten- und komplexen Wirtschaftsspielen und war von 1990 bis 2002 mit seinem FanFor-Verlag regelmäßiger Gast auf der Spiel in Essen.
Er startete 1990 mit NACHT DER DIEBE, bekannt war auch seine jährliche ABI-Reihe, die er 1994 startete. Mit X-PASCH konnte er 1996 immerhin den 8. Platz des À la carte-Preises der Fairplay erreichen.
Auf dem Bild ist Herman 1995 in Essen zu sehen, als das Spiel erschien.
DINO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Die Dinos sind los!
Vor gut einem Jahr gab es nur zwei nennenswerte Saurierspiele auf dem Brettspielmarkt. Das schon 1987 entstandene IRIDIUM von Reinhold Wittig und das bei Haba erschienene hübsche Kinderspiel PRONTO BRONTO.
Die vielen Saurierausstellungen, der "Jurassic-Park"-Rummel haben inzwischen dafür gesorgt, dass kein Spieleverlag das Thema mehr auslässt. Auch sonst holen uns an allen Ecken und Enden die Saurier wieder ein. Kennen Sie noch einen Laden, in dem Sie nicht irgendwo von einem Saurierprodukt angemacht werden?
Falls Sie der Sauriermanie verfallen sind, eine Spielempfehlung:
Der Firma Salagames verdanken wir 1993 das einzig anspruchsvolle Saurierspiel. Sie haben Reinhold Wittigs IRIDIUM als DINO wieder neu auf den Markt gebracht. Wittig hatte seine Idee schon 1989 bei Hexagames unterbringen können, diese Ausgabe war 1990 auf der Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres. Nach der Insolvenz von Hexagames 1992 übernahm die Berliner Firma Salagames einige der Spiele ins Programm, darunter DINO.
Der Geologe Wittig folgt der Theorie, dass ein Meteoriteneinschlag zum Aussterben der Saurier führte. Zwei bis sechs Wissenschaftlerteams schickt er aus, vor dem großen Einschlag möglichst viele Sauriereier zu sammeln.
Geschicktes Vorgehen, strategische Planung sind nötig in diesem reizvollen taktischen Brettspiel, um rechtzeitig mit den meisten Eiern die Zeitmaschine ins 20. Jahrhundert zu erreichen. Mit Abstand das beste Spiel zum Saurierthema, das auch nach der Dino-Welle nicht im Regal verstauben wird. Es ist zudem zurzeit äußerst preisgünstig zu erwerben.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: DINO
Autor: Reinhold Wittig
Grafik: Andreas Steiner
Verlag: Salagames Vertrieb. Fun Conncetion
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 25.- DM
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 22/ 1993 R 18/2021
Zum Spiel und zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
1990 landete er mit DINO, damals noch von Hexagames auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel. Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. Das Foto zeigt Wittig auf dem Autorentreffen in Göttingen 2007.
Mittwoch, 20. Januar 2021
DAS WAREN ZEITEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Zeitreisen in die Vergangenheit
Seit Mitte der 80er-Jahre die Quizwelle über Deutschland geschwappt ist, bleibt kein Spielejahr ohne Ergänzungskästen. Im Hause Parker, das mit der Quizspielreihe mit dem so schön auszusprechenden Namen TRIVIAL PURSUIT die Ratebewegung in Gang gesetzt hat, gibt es allein 1993 drei neue Trivial-Ausgaben. Für Fernsehfreunde erscheint die TV-Ausgabe mit 4800 Fragen von Bonanza bis zur Schwarzwaldklinik. Die Holiday Edition enthält 2400 Fragen rund ums Thema Reisen. Schließlich veröffentlicht Parker noch eine Exklusivausgabe im Buchformat, das Quizspiel für den Bücherschrank. Unterschiede bei den vielen auf dem Markt befindlichen Quizspielen gibt es nur in der Originalität der Fragen, die Spielmechanismen ähneln sich alle. Otto Normalverbraucher wird so seine Probleme haben mit den vielen Spezialistenkästen, die nur etwas für eingefleischte Fans sind.
Ganz neue Wege werden nun mit historischen Rätselspielen beschritten, bei denen man auch ohne Detailkenntnisse Erfolgserlebnisse haben darf. Die Firma MB lässt in DAS WAREN ZEITEN! auf die letzten 40 Jahre zurückblicken. "Kannst Du Dich erinnern? Wann war das doch noch, als ... Karl-Heinz Rummenigge verkündete, er wechsle für zehn Millionen Mark zu Inter Mailand?" So ungefähr ahnt man, wann das war, ganz genau wissen es nur wenige. Diese Situation wird spieltechnisch ausgenutzt, man muss hier nicht immer genau das richtige Datum wissen, sondern darf Zeiträume angeben. Dazu besitzt jeder Spieler oder jede Spielgruppe, denn das Spiel eignet sich sehr gut für eine Teamauseinandersetzung, sieben Zeitrahmen, die Zeiträume von einem Jahr bis zu sieben Jahren abdecken. Wer als erster seine Zeitrahmen los wird, hat gewonnen. Da die Zeitspanne mit 40 Jahren überschaubar ist, zudem viele Ereignisse uns gut in Erinnerung sind, ist die Eingrenzungsidee eine pfiffige Quizvariante, in der jeder seine Chance hat. Mit 2500 Fragen in den Bereichen Schlagzeilen, Kino, Fernsehen, Musik, dies&das ist für langen Rategenuss gesorgt.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: Das waren Zeiten
Verlag: MB
Spielerzahl: 2 oder Teams
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 80.00 DM
Spiel 21/1993 R17/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Dienstag, 19. Januar 2021
RAINBOWS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Seifenblasen bei White Wind
Der Erfolg von Phantoms Of The ICE weckte scheinbar Hoffnungen: So stellt White Wind in diesem Jahr in der kleinen Reihe gleich zwei neue Spiele vor und macht sich dabei mit RAINBOWS auf die Suche nach dem bekannten Goldtopf am Ende eines Regenbogens. Alan Moon und Peter Gehrmann ist es bei all ihren Bemühungen der letzten Jahre zu wünschen, dass sie sich mit ihren Spielen eine goldene Nase verdienen, aber ihnen wie uns Spielern machen es die Luckychauns schwer, an den Goldschatz heranzukommen. Wir Spieler können wenigstens spielerisch versuchen, Luckychauns einzufangen, um den Weg zum Regenbogen zu legen, für Moon und Gehrmann wird es viel profaner um Spielqualität gehen, die sich in bare Münze umsetzen lässt. Zumindest für RAINBOWS darf das Gelingen bezweifelt werden. Spielurteile vorweg: Ganz nett - das typische Spiel für zwischendurch - ja,ja muss aber nicht wieder auf den Tisch kommen - zweimal reicht! - Nicht schlecht, aber auch nicht mehr, so der eindeutige Tenor in meinen Spielkreisen, zumal es inhaltliche Kritikpunkte gibt und thematische und Abrechnungsfragen, die offenbleiben.
Drei bis fünf Spieler versuchen eine knappe halbe Stunde lang, möglichst lange Regenbogen zu legen oder Kartenreihen zu sammeln. Dazu erhält jeder zehn Marker einer Farbe und Goldkarten im Wert von 15. Das Objekt der spielerischen Begierde sind 60 Luckychaun-Karten (Sechs Farben mit Werten von 1 bis 10). Ins untere Drittel dieser Karten wird eine Kleeblattkarte gemischt, die eine Möglichkeit für das Spielende vorgibt, eine zweite Kleeblattkarte kennzeichnet den jeweiligen Startspieler einer Runde. In der Tischmitte liegt ein kleiner Spielplan mit sechs Farbreihen und jeweils von der Spielerzahl abhängigen Farbfeldern. Außerdem sind hier die für die Endabrechnung erreichbaren Wertungspunkte gut sichtbar aufgeführt.
Der Startspieler deckt in jeder Spielrunde eine Luckychaun-Karte mehr, als Mitspieler vorhanden sind, auf. Da er die erste Karte nehmen darf, erhält er also auch die letzte. Für den Karteneinsatz gibt es zwei Alternativen: Kaufen oder Sammeln. Kartenkauf berechtigt zur Ablage eines Markers in der Farbspalte der erworbenen Kartenfarbe, der Kartenwert spiegelt dabei nur den Kaufpreis wider. Für das Sammeln erhält man den Wert der Karte ausgezahlt und legt die Karte vor sich ab. Obwohl das Geld am Ende nichts zählt, sollte man am Anfang, um genügend Geldreserven zu haben, kleine Werte einkaufen und große sammeln. Auf dem Spielplan versucht man möglichst lange Markerreihen zu erreichen, nur waagrecht oder diagonal angrenzende Marker bilden dabei einen Regenbogen, wobei zwei Marker schon erste Punktwerte ergeben (20 Punkte), der längste Regenbogen mit sechs Markern bringt 100 Punkte. Isolierte Marker, z.B. nur senkrecht benachbarte oder einzelne ohne Kontakt, führen zu Punktabzügen ( minus 10 Punkte pro Marker). Bei der Kartenauslage muss auf Folgewerte geachtet werden, ab drei Karten in Folge (z.B. 7,8,9) gibt es Punkte (5 Punkte bis maximal 50 Punkte). Eine einmal gelegte Zahl darf nicht noch einmal gesammelt werden, so dass man manchmal gezwungen wird, Karten zu kaufen, die man gar nicht haben will. Das Spiel ist beendet, wenn alle Spielplanfelder belegt sind oder die Kleekarte aufgedeckt wird.
Die drastischen Wertungsunterschiede zwischen Spielplanablage und Kartenauslage führen zu einer eindeutigen Bevorzugung der Marker auf dem Spielplan. Dort wird das Spiel entschieden. Die Karten dienen meist nur als Geldreservoir, eher zufällig kassiert man noch einige Punkte in der Endabrechnung über die Karten mit ein.
Nicht nur das Wertungsmissverhältnis finde ich störend, auch thematisch ist die Kartenablage nicht stringent umgesetzt. Die Kartenfolgen haben nichts mehr mit einem Regenbogen zu tun, obwohl davon in der Spielregel ausdrücklich die Rede ist. So ist eine einfarbige Kartenablage möglich. Die Einhaltung eines Farbwechsels mit höheren Punktwerten (etwa doppelte Werte) wäre hier stimmungsvoller und für die Spieltaktik spannender gewesen.
Die taktischen Möglichkeiten sind begrenzt, da erst einmal für alle das Aufbauziel besteht, mindestens eine 6er-Kette zu erreichen; dabei spielen Abblockungsstrategien meist weniger eine Rolle. Interessanter wird das Spiel, wenn man es zu viert als Partnerspiel versucht, da hierbei konstruktives und destruktives Spiel abgesprochen und besser genutzt werden können.
So ein bisschen wirkt RAINBOWS wie eine schillernde Seifenblase, die beim ersten Hinsehen gleich zerplatzt. Mehr Entwicklungszeit hätte der Spielidee sicher gut getan.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: RAINBOWS
Autor: Alan R. Moon
Verlag: White Wind
Spielerzahl: 3-5
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 19.- DM
Die Rezension erschien 1995
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 20/ 1995 R 15/2021
Zum Autor:
Alan Moon war in den 80er Jahren für Avalon Hill journalistisch tätig, arbeitete auch an der Spielentwicklung für diese Firma und für Parker Brothers. Dem deutschen Publikum wurde er Anfang der 90er Jahre durch den Verlag White Wind bekannt, den er zusammen mit Peter Gehrmann gründete. In dieser Reihe erschien RAINBOWS 1995.
In 1000er Auflagen erschienen die meisten Spiele wie auch ELFENROADS, das später in der Version von Amigo als ELFENLAND Moons erstes „Spiel des Jahres“ wurde. Zwischen 1998 und 2004 war Moon besonders erfolgreich. ADROMEDA erschien 1999. Mit UNION PACIFIC (1999) und DAS AMULETT (2001) landete er auf der Nominierungsliste. 2004 gelang ihm sein größter Erfolg mit ZUG UM ZUG, zu dem in der Folgezeit verschiedene Varianten und Erweiterungen erschienen sind und immer noch erscheinen.
In dieser erfolgreichen Phase war Moon erster Vorsitzender der Spieleautorenzunft.
Das Bild stammt aus dem Veröffentlichungsjahr von RAINBOWS. Alan Moon am Stand vom White Wind erklärt das zweite Spiel des Verlags, ELFENWIZARDS.
Montag, 18. Januar 2021
SPIEL DER TÜRME
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Bestseller-Edition: SPIEL DER TÜRME
Der Blick in die wöchentliche Bestsellerliste des Spiegels ist für viele eine Kaufhilfe. Auch Spieleverlage fangen an, sich an Bestseller-Spieleautoren zu orientieren.
Ganz neue Maßstäbe setzt dabei ein Spieleautor unter den Produktmanagern der großen Verlage, Roland Siegers nämlich, der bei Schmidt Spiel und Freizeit eine ganz neue Autoren-Edition startet, der man nur viel Erfolg wünschen kann.
Nicht kleckern, klotzen scheint Siegers Devise zu sein, der nicht erst vorsichtig den Markt abtastet, sondern gleich in die Vollen mit sechs großformatigen Spielen einsteigt. Das Risiko ist berechenbar: Die Planer bei Schmidt haben sechs Autoren ausfindig gemacht, die in den letzten Jahren allein 40 Prozent der Auszeichnungen aus der Auswahlliste "Spiel des Jahres" unter sich ausgemacht haben. Diese Ehrengarde der Spieleautoren hat insgesamt über 18 Millionen Spiele verkauft. Schmidt hat in der ersten Runde die renommierten Autoren Alex Randolph (1x Spiel des Jahres, 9x Bestenliste), Sid Sackson (1x Spiel des Jahres, 8x Bestenliste), Wolfgang Kramer (2x Spiel des Jahres, 4x Bestenliste), Reinhold Wittig (3x Sonderpreis für "Das schöne Spiel", 5x Bestenliste), Rudi Hoffmann (1x Spiel des Jahres, 4x Bestenliste) und Roland Siegers (6x Bestenliste) in den spielerischen Olymp mit aufgenommen und hat zum Teil bewährte alte Spiele in neuer Bearbeitung (ACQUIRE, von dem amerikanischen Autor Sid Sackson entwickelt und ABILENE, von eben diesen Roland Siegers, der die Reihe gestartet hat), sonst aber echte Neuheiten dieser Autoren herausgebracht. Es fehlen eigentlich nur Klaus Teuber und Reiner Knizia, die neuen Stars am Autorenhimmel, in dieser Bestseller-Edition. Sie dürften wohl 1994 vertreten sein.
Von den Brettspielneuheiten ragt mit Abstand Rudi Hoffmanns SPIEL DER TÜRME, ein knallhartes Strategiespiel, das sofort auf der Bestenliste '93 gelandet ist, heraus.
Beim SPIEL DER TÜRME greift Siegers auf eine Neuentwicklung Hoffmans zurück. Wir werden in eine recht abstrakte mittelalterliche Stadt versetzt, in der vier Adelsfamilien mit großen Türmen die Stadtviertel dominieren wollen. Vorerst liegen 80 Holzsteine in den Straßen der Stadt, acht zentrale Stadtviertel warten auf ihre Füllung. Jeder Spieler hat 20 Steine einer Farbe mit vier unterschiedlichen Wappensymbolen. Gezogen wird orthogonal so weit, wie andere Steine dies zulassen. Identische Symbole dürfen überbaut werden, sodass Türme bis zu einer Höhe von fünf Steinen entstehen. Wandert ein Turm in ein Stadtviertel, darf er nicht mehr bewegt werden. Solange er noch nicht die Maximalhöhe hat, kann er seinen Besitzer aber noch wechseln. SPIEL DER TÜRME endet, wenn ein Zentrum vollständig besetzt ist. Der Spieler mit den meisten Eroberungen in den Zentren gewinnt.
Anfangs wirkt die Steinflut mit den vier Symbolen in vier Farben verwirrend, auch das Türmchenbilden ist gar nicht so einfach, da sie ja nur aus identischen Symbolen entstehen. Vorausschauende Planung ist alles in diesem Spiel, vor allem die Sicherung von Vierertürmen, die Gegner ja noch übernehmen können. Kein einfaches Spiel, aber nach zwei Proberunden immer wieder eine spannende Herausforderung vor allem in voller Besetzung.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: SPIEL DER TÜRME
Autor: Rudi Hoffmann
Grafik:
Verlag: Schmidt
Spielerzahl: 2-4
Spieldauer: etwa 45 min
Preis: ca. 49.00 DM
Spiel 20/1993 R14/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Rudi Hoffmann, der Vater von Guido Hoffman, gehörte schon in den 60er und 70er Jahren zu den bekanntesten Autoren Deutschlands. Da er als Werbegrafiker arbeitete, hat er die meisten seiner Spiele mit einem unverkennbaren ironischen Stil selbst gestaltet. Seine Handschrift prägt viele frühe Spiele der Verlage Spear und Berliner Spielkarten.
Seinen größten Erfolg hatte er 1989 mit CAFÉ INTERNATIONAL (Mattel), das Spiel des Jahres wurde. Dieser Preis führte vor allem in den 90ern zu vielen Neuauflagen seiner älteren Spiele. HALALI gehörte dazu, ursprünglich hieß das Spiel JAG UND SCHLAG und war 1973 bei Spear erschienen. Das auch solche alten Ideen immer noch erfolgreich sein können, zeigen die weiteren Auflagen, die 2012 und 2015 folgten. SPIEL DER TÜRME war wie das Mattel-Spiel eine Neuentwicklung für die Bestseller-Reihe von Schmidt. Es reichte immerhin für die Auswahlliste zum Spiel des Jahres 1993, außerdem landete Hoffmann mit dem Spiel auf dem siebten Platz beim deutschen Spielepreis. 2006 erschien eine Neuausgabe des Spiels bei Pro Ludo.
Rudi Hoffmann starb im Juli 2008 mit 83 Jahren.
Das Foto zeigt Rudi Hoffmann 1989 in Essen während der legendären CAFÉ INTERNATIONAL-Runde mit Randolph, Sackson und Kramer.
Sonntag, 17. Januar 2021
LASKA
SAMMELSURIUM
E-Serie von F.X. Schmid
Die bei Spielesammlern bekanntesten Spiele aus dem F.X. Schmid Verlag sind die Spiele der E-Reihe. Das „E“ steht für Erwachsenenspiele, die Serie erschien in den Jahren 1973/74. Die E-Serie war die Antwort aus Prien auf die Casino-Reihe von Ravensburger und die 3M-Serie. Die Spieleschachteln ähnelten aber nur den Buchschubern von 3M. Im Grunde genommen waren es einfache Stülpschachteln mit durchaus edler Innenverkleidung.
Die am meisten gesuchten Spiele dieser Serie sind: TRADE, SAMURAI, PAGODE und SNIFF. Mit LASKA hatte der Verlag einen Klassiker im Programm, der von einem ehemaligen Schachweltmeister stammte.
Die Firma war älter als Ravensburger. Franz Xaver Schmidt gründete den Verlag 1860 in München. Anfangs wurden nur Spielwaren und Karten produziert, nach dem Zweiten Weltkrieg, das Unternehmen war inzwischen in Prien am Chiemsee ansässig, kamen auch Brettspiele und Puzzles dazu. 1997 übernahm Ravensburger die Firma, labelte bis 2000 noch Produkte unter FX, stellte dann aber die Spiele ein.
LASKA
Der 1868 in Berlinchen geborene Emanuel Lasker ist bis jetzt der am längsten amtierende Schachweltmeister. Sein Vorgänger, der Österreicher Wilhelm Steinitz, war der erste Weltmeister im Schachspiel von 1886 bis 1894. Lasker behielt dann den Titel von 1894 bis 1921 über einen Zeitraum von 27 Jahren.
Lasker studierte in Berlin und Göttingen Mathematik. Seine frühen Erfolge im Schachspiel führten aber dazu, dass er, was damals schon möglich war, Profispieler wurde. Zuerst in London, später in New York, wo er in 19 Spielen 1894 erstmalig die Weltmeisterschaft gegen Steinitz gewann. Trotz der Erfolge brachte er sein Studium zu Ende und promovierte 1901 in Erlangen. Zu einer akademischen Anstellung reichte das aber nicht, sodass er weiter Schach spielte und die Redaktion der Deutschen Schachzeitung übernahm. Außerdem wandte er sich der Philosophie zu, und veröffentlichte mehrere Bücher, so sein frühes Werk über die „Wissenschaft des Kampfes“, dabei übertrug er Schachprinzipien auf andere Lebensbereiche.
Lasker beschäftigte sich auch mit anderen Spieleklassikern wie MÜHLE und DAME. Für das MÜHLE-Spiel schlug er vor, dass jeder Spieler zehn statt neun Steine erhielt. Am Anfang ließ er ihnen die Wahl, entweder einen neuen Stein einzusetzen oder einen bereits gesetzten zu ziehen.
Seine Variation des DAME-Spiels wurde 1911 als LASKA von der Hans Joseph GmbH in Berlin-Schöneberg veröffentlicht. Lasker selbst sagte, es sei vom englischen CHECKERS und dem russischen BASHNI beeinflusst.
LASKA wird nur auf 25 Feldern in sieben Reihen gespielt, wobei die Reihen abwechselnd drei oder vier Felder besitzen, es gelten zunächst einmal die DAME-Grundregeln. Beide Spieler starten mit elf Steinen, die grundsätzlich diagonal und vorwärts gezogen werden. Wird die gegnerische Grundlinie erreicht, befördert man den Stein zum Offizier, der nun auch rückwärts ziehen kann. Im Gegensatz zur klassischen Doppeldame, die beliebig weit ziehen darf, bewegt sich Laskers Offizier nur ein Feld in alle Richtungen. Die eigentlich neue Qualität von LASKA besteht aber darin, dass geschlagene Steine nicht aus dem Spiel sind, sondern gefangen genommen werden, was zu Turmbildungen führt. Dieses Element hat Lasker vom russischen BASHNI abgekupfert. Werden Türme übersprungen, wandert nur der oberste Stein in Gefangenschaft, der darunter bestimmt neu die Handlungsfähigkeit des Turms oder Steins. Ziel des Spieles ist es, dem Gegner alle Steine zu nehmen oder ihn bewegungsunfähig zu machen.
Dieser neuen Variante fehlt zwar die Dynamik, die die flexibleren DAME-Steine im Endspiel bringen, dafür ergeben sich ganz neue Denkprozesse durch die Gefangennahme gegnerischer Steine und der Möglichkeit der Wiederbefreiung. Entscheidend bleibt das Stellen von Fallen, die sich aus dem Sprungzwang ergeben. Ganz neu ist auch das Taktieren mit den unterschiedlichen Türmen. Wer viele gegnerische Steine in einem Turm hat, wird diesen gut vor Angriffen abschirmen. Wer es schafft den Gegner zu Kettensprüngen zu zwingen, bei denen am Ende der große Turm selbst abgefangen wird, erlebt den besonderen Reiz dieses Spiels.
In einer LASKA-Partie bleibt die Zahl der auf dem Brett befindlichen Spielsteine zwar konstant, trotzdem verringern sich die Spielsteine auf dem Brett und werden zu immer größeren Türmen. Dieses Wachsen in die Vertikale macht einen besonderen Reiz des Spiels aus. Die Anlage des Spielbretts ohne Doppelecken wie bei DAME verhindert meist ein Remis. Trotzdem kann es zu ständigen Zugwiederholungen kommen, die wie beim Dauerschach das Unentschieden bringen.
Für viele Spiele der E-Serie hat der Begründer der Spielekritik in Deutschland, Eugen Oker, die Regeln aufbereitet. So haben wir ihm nicht nur eine sehr übersichtliche und bebilderte Regel zu verdanken, sondern zusätzlich auch noch taktische Hinweise.
Titel: LASKA
Verlag: F.X. Schmid E-Serie
Autor: Emanuel Lasker
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 3 - S3/2021
Freitag, 15. Januar 2021
VERFLIXT GEMIXT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
VERFLIXT GEMIXT
Blickfang im Spieleladen sind die großen Schachteln, meist mit aufwendigem Cover, mit vielzuviel verpackter Luft. An den kleinen Mitbringspielen gehen die meisten vorbei, nur für Kindergeburtstage halten sie her.
Eines dieser wohlfeilen Kinder- und Familienspiele sollten Sie sich in diesem Jahr selbst gönnen. Es ist eine ganz raffinierte MEMO-Variante des bekannten Kinderspieleautors Heinz Meister. VERFLIXT GEMIXT hat er das kleine Ravensburger Spiel für zwei bis fünf Menschen ab vier Jahre genannt.
Auch dieses Spiel enthält noch einige Luft in der kleinen Schachtel, dafür wird aber eine pfiffige Spielidee mitgeliefert. 16 Tierkärtchen, 20 Chips und ein Würfelstab stellen das ganze Zubehör dar. Von der Grundidee her handelt es sich um ein einfaches Merkspiel. Die Memoryleistung wird bei VERFLIXT GEMIXT aber gleich doppelt abverlangt. Statt eines Pärchens gilt es, vier mit einem Würfelstab erdrehte Tierbilder zu finden. Ganz einfach bei nur 16 Tierbildern, denkt man. Versuchen Sie's mal. Den Esel, die Maus und den Fuchs finden Sie noch, aber verflixt, wo war denn nur das Krokodil? Gegen Spielende geht es natürlich erheblich schneller.
Wer als erster fünfmal die immer neu gemixten Tierbilder gefunden hat, ist Spielsieger. Wie bei allen MEMO-Varianten zeigt sich, dass die mitspielenden Kinder meist die Nase vorn haben. Gönnen Sie auch Ihrem Kind ein Erfolgserlebnis bei der Suche nach Ente, Nilpferd, Bär und Löwe.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: VERFLIXT GEMIXT
Verlag: Ravensburger
Autor: Heinz Meister
Grafik: Detlef Kersten
Spielerzahl: 2-5
Spieldauer: etwa 15 min
Preis: ca. 12.00 DM
Spiel 19/1993 R13/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Heinz Meister gehört zu den produktivsten und am längsten aktiven Spieleautoren in Deutschland. Mit Blick auf die Anzahl seiner Veröffentlichungen dürfte ihn nur Reiner Knizia übertreffen.
Besonders erfolgreich war und ist Heinz Meister mit Kinderspielen. Mit SCHWEINSGALOPP gewann er 1992 sowohl den Sonderpreis der Jury Spiel des Jahres als auch den des Deutschen Spielepreises. Auf diesen war er Anfang der 90er Jahre abonniert, er gewann ihn 1993 für VERFLIXT GEMIXT und 1994 für HUSCH, HUSCH, KLEINE HEXE. Ein Jahr später zeichnete ihn die Jury Spiel des Jahres mit dem damaligen Sonderpreis Kinderspiel für KARAMBOLAGE aus. ZAPP ZERAPP war dann fast wieder ein Doppelerfolg, mit Klaus Zoch zusammen gewann er 2001 den Deutschen Kinderspielepreis und eben die Nominierung. EIERLEI ist in dieser Phase erschienen, konnte aber keine Auszeichnungen gewinnen.
Das Bild zeigt Heinz Meister mit Synes Ernst bei der Übergabe der Nominierungsurkunde während der Preisverleihung in Berlin 2005 für DADDY COOL, ein weiteres erfolgreiches Meisterstück.
COLLECTOR
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
COLLECTOR - Spiele am Postschalter
Briefmarken soll es demnächst an den Tankstellen und im Tante-Emma-Laden um die Ecke zu kaufen geben, heute macht die Post aber schon den Spieleläden Konkurrenz. Seit ein paar Monaten gibt es an jedem Postschalter ein Gesellschaftsspiel zu kaufen, das durchaus das Hinsehen lohnt.
COLLECTOR, so heißt das neue Spiel, ist primär Werbeträger für das Briefmarkensammeln. Hinter dieser Werbeidee steht aber ein pfiffiger Quizspielmechanismus. Für knapp 40.-DM erhalten Sie eine prall gefüllte Spieleschachtel in hervorragender Ravensburger Spielequalität. Der Branchenführer aus Süddeutschland hat das Spiel im Auftrag der Bundespost produziert. Vergleichbare Quizspiele mit diesem Niveau kosten sonst meist das doppelte, das Preis-/Leistungsverhältnis ist hervorragend.
Sicherlich auf Ravensburger Vermittlung hin hat die Bundespost einen einschlägigen Spieleautor für die Spielentwicklung gewinnen können. Bertram Kaes, vor allem bekannt durch Spiele wie NOBODY IS PERFECT und NILPFERD IN DER ACHTERBAHN, hat ein pfiffiges Quizspiel rund ums Briefmarkensammeln entwickelt. Auf einer Sammeltafel versucht jeder Spieler vier Briefmarken in einer waagrechten, senkrechten oder diagonalen Reihe anzuordnen. Briefmarken erhält man meist nach der Beantwortung von Quizfragen aus den Wissensgebieten Natur, Umwelt, Soziales, Geschichte und Politik, Kunst und Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft, Wissenschaft und Technik und Sport und Spiel. Hilfestellung geben dabei die Kartenrückseiten: authentische Briefmarkenabbildungen verweisen auf den Inhalt möglicher Fragen. Heinrich Schliemann (Deutsche Post, 1990) signalisiert trojanische Bezüge. Entsprechend gefragt wird auch auf einer der drei Fragen auf der Rückseite. Dass die Goldschätze aus Troja in Berlin zu bewundern sind, wird man wahrscheinlich noch wissen. Ob der Altertumsforscher außerdem noch in Mykene, Orchomenos oder Luxor Ausgrabungen unternommen hat, wird man dann eventuell raten müssen. Für die richtige Antwort (Luxor) gibt es eine Briefmarke, die die eigene Sammlung wachsen und dem Spielziel näherkommen lässt. Mit Hilfe von Sonderfeldern kann man schon fast fertige Sammlungen der Mitspieler reduzieren. Die Stunde der Wahrheit schlägt auf den sogenannten "Wahr-Feldern". Behauptungen sind auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Hier werden Sie mit Behauptungen von folgender Art konfrontiert: "Stracciatella ist neben der Eissorte auch ein italienischer Volkstanz". Wahr oder unwahr?
Insgesamt ein Spielmechanismus, der erheblich mehr Abwechslung bringt als geläufige Quizspiele. Die Markenbildchen der Bundespost wird man in Zukunft sicherlich auch genauer betrachten, wahrscheinlich gewinnt die Post sogar den ein oder anderen Sammler hinzu. 100 000 Spiele sind schon in den Verkauf gegangen, eine außerordentlich hohe Auflage für ein Brettspiel. Vom Erfolg überzeugt, plant die Post schon die zweite Auflage.
Eine Sammlungseröffnung lohnt!
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: COLLECTOR
Verlag: Deutsche Bundespost - Postdienst
Autor: Bertram Kaes
Spielerzahl: 3-18
Spieldauer: 60-90 Min.
Preis: 39.50 DM
Spiel 18/1993 R12/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Woche wieder
Zum Autor:
Bertram Kaes ist so etwas wie der Hausautor des Ravensburger Spieleverlags. Ursprünglich hat er eine kaufmännische Ausbildung im Verlag absolviert, dann aber erfolgreich Spiele wie DAS NILPFERD IN DER ACHTERBAHN entwickelt. 1989 hat er sich mit der Firma Funtasy Factory selbstständig gemacht und rund 50 Spiele veröffentlicht, häufig auch Werbespiele für Mercedes, BMW und Ikea und eben das COLLECTOR für die Post.
Bekannt sind vor allem noch NOBODY IS PERFECT und die MAULWURF COMPANY, die 1995 immerhin auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres landete.
Donnerstag, 14. Januar 2021
AUF KURS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
AUF KURS - BLATZ Spiele aus Berlin
Den richtigen Kurs hat die neue Firma BLATZ aus Berlin eingeschlagen mit ihrer guten Auswahl bekannter Wittig-Spiele. Sieht man einmal von dem recht simplen DOW JONES ab, das die Erwartungen an ein Wirtschaftsspiel nicht recht einlösen kann - die ursprüngliche Geistervariante NICHT GEHEUER IM GEMÄUER war thematisch passender für diesen einfachen Spielmechanismus , dann bleiben immer noch drei hochwertige Spiele übrig, von denen KULA KULA ein wunderschönes Spiel für die ganze Familie ist, HANS DAMPF erweist sich als der Renner für große Spielkreise und mit AUF KURS werden alle Freunde taktischer Spiele zufrieden gestellt.
Der eine oder die andere werden dieses Segelspiel auf den Markierstrahlen von Leuchttürmen noch als das 1987 prämiierte MARITIM in Erinnerung haben. Inzwischen hat Franckh Kosmos zum Glück für Blatz das Spiel leider aus dem Programm genommen. Etwas aufgepeppt dürfen seit kurzem aber zwei bis sechs Segelschiffe wieder auf Törn gehen.
Sie umrunden auf einer immer wieder veränderbaren Wasserlandschaft eine Boje, orientieren sich dabei an den Leuchtstrahlen von sechs Leuchttürmen und versuchen, als erste wieder ins Ziel zu gelangen. Das ist schon die ganze Spielbeschreibung. Dahinter verbirgt sich aber ein hochkarätiges Taktikspiel. Neun Zugpunkte hat jeder zur Verfügung, um sein Schiff voranzubringen und Leuchttürme in die richtige Position zu stellen. Die taktischen Manöver sind vielfältig, besonders die Wende muss gut geplant werden, sonst nehmen einen die Mitspieler den Wind aus den Segeln.
Eine neue Brise bläst auch im Regelblätterwerk der Blatz-Spielemacher. Im kompakten DIN A6 Format präsentieren sich die Regeln, locker und gut verständlich geschrieben mit ungewöhnlichen Extras. Die Regel von AUF KURS fordert nicht nur großspurig zum Regatta-Wettkampf der "Weltbesten" auf, sie liefert auch das kulinarische Ambiente. Mit einem Labskaus-Rezept können Sie Ihr Segelspiel beginnen oder auch beenden. Für alle Landratten gibt's noch einen Kurzkurs Segellatein gratis. Hier stimmt alles. Blatz sei Dank, dass Segeltouren á la Reinhold Wittig wieder möglich sind.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: Auf Kurs
Verlag: Blatz-Spiele
Autor: Reinhold Wittig
Spielerzahl: 2-6
Spieldauer: etwa 45 bis 60 min
Preis: ca. 59.00 DM
Spiel 5/1992 R11/2021
Die Rezension erschien 1992
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. AUF KURS war eines der ersten Spiele für Blatz. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel. Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. Das Foto zeigt Wittig auf dem Autorentreffen in Göttingen 2007.
Dienstag, 12. Januar 2021
IN TEUFELS KÜCHE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Höllischer Spaß : IN TEUFELS KÜCHE
Einen "höllischen Spaß für die ganze Familie" verspricht der Untertitel dieses neuen Spiels und hier hält die Werbung einmal, was sie verspricht.
Der Spaß beginnt schon, bevor man mit dem eigentlichen Spiel anfängt, denn das wichtigste Spielgerät, ein Höllenofen, ist nach Öffnen der Schachtel sofort Objekt der Spielbegierde aller Mitspieler. Hier hat sich die Firma F.X. Schmid etwas ganz Pfiffiges einfallen lassen: Der Boss der Hölle verbirgt sich in diesem schwarzen Ofen. Klingelt man ihn mit Hilfe eines roten Druckknopfes heraus, kommt er - oder er kommt auch nicht. Ein Zufallsmechanismus sorgt dafür, dass man nie genau weiß, wann denn nun der Oberteufel geruht herauszuspringen. Hier werden ab und zu Rekorde aufgestellt, über 30 Mal muss man sich manchmal bemühen, um den Teufel hinter dem Ofen hervorzulocken.
Dieser Plastik-Gimmick steht im Zentrum des höllischen Spieles, in dem sich bis zu vier Spieler um die Erstellung der Leibspeisen des Oberteufels bemühen. Mindestens zehn sollte man schon zusammenbrutzeln, von den lebenden Spaghetti bis zu den grünen Dracheneiern darf alles dabei sein. Hüten sollten sich die Spieler aber davor, dem Oberteufel Milch zu servieren. Soweit die Spielgeschichte.
Im Spiel selbst hat jeder Spieler drei Teufelsköche zur Verfügung, die in der Höllenküche Töpfe einsammeln, um sie dem Oberteufel zu servieren. Den Topfinhalt der eigenen Töpfe kennt man, zum Spielgewinn muss man aber mindestens einen fremden Topf stibitzen, der natürlich nicht mit Milch gefüllt sein darf.
IN TEUFELS KÜCHE geht es heiß her! Die Teufelchen gönnen sich nichts, jagen sich ständig ihre Kochtöpfe mit möglichst feinen Speisen ab und liefern sich dabei höllische Duelle. Wenn zwei Teufel aufeinandertreffen kommt es zu einem solchen Zweikampf, in dem der Höllenofen die entscheidende Rolle spielt. Wer den Teufel aus dem Ofen lockt, gewinnt das Duell. Für den Verlierer gibt's einen über die Mütze, eine kräftige Beule trägt er fortan mit sich herum.
Bluffelemente, der reizvolle Duellmechanismus, eine überschaubare Spieldauer und das hervorragende Spielmaterial - alles stimmt in diesem gelungenen Brettspiel des bekannten Spieleerfinders aus Venedig, Alex Randolph. Er ist Garant für wirklich höllischen Spielspaß von mindestens einer halben Stunde Spieldauer. Meist wird es sicherlich nicht bei nur einer Menüwahl in der Hölle bleiben. IN TEUFELS KÜCHE gehört zu den herausragenden raren Neuheiten im Famlienspielsektor in diesem Jahr.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: In Teufels Küche
Verlag: F.X. Schmid
Autor: Alex Randolph
Grafik: F. Visintin
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 55.00 DM
Spiel 17/1993 R10/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Alex Randolph war der Kosmopolit unter den Spieleautoren. 1922 in Böhmen geboren. Seine Mutter stammte aus Colorado, sein Vater war Russe. Schon als Kind lebte er mehrere Jahre in Venedig, bevor er als Zehnjähriger in ein Schweizer Internat geschickt wurde. Ein Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg ging die Familie zurück in die USA. Während des Krieges arbeitete er am Entschlüsseln feindlicher Codes.
Nach dem Krieg lebte er als Werbetexter und Romancier in Boston, bevor er 1961 mit Pentomino-Steinen sein erstes Spiel veröffentlichte. Randolph siedelte dann nach Wien um, spielte dort im Café Hawelka TWIXT mit Herbert Feuerstein, das bald als 3M-Spiel in einer edlen Buchschuberausgabe erschien und ihm einen mehrjährigen Aufenthalt in Japan finanzierte. Mitte der 70er Jahre fand der Spieleautor nach Venedig zurück, wo er 2004 starb.
Anfangs entwickelte er, inspiriert durch die Japanreise, hauptsächlich taktische Spiele für zwei, wie EVADE, BUFFALO und GEISTER. In den 80er Jahren erfand er erfolgreich viele Familienspiele wie SAGALAND, „Spiel des Jahres“ 1981, das er zusammen mit seinem engen Freund Michael Matschoss entwickelte, der sich inzwischen um sein spielerisches Erbe kümmert. Es blieb zwar sein einziges „Spiel des Jahres“, für GUTE FREUNDE (1989) gewann er den ersten Sonderpreis „Kinderspiel“, was er mit LEINEN LOS! 1997 noch einmal wiederholte. INKOGNITO (1988) und VENICE CONNECTION (1996) bescherten ihm den Sonderpreis „Schönes Spiel“.
In den 90er Jahren arbeitete Randolph eng mit Johann Rüttinger zusammen, der auch XE CIAO CIAO … in sein Programm nahm. Posthum veröffentlichten Rüttinger und Kathi Kappler 2012 das lesenswerte Buch Randolphs „Die Sonnenseite. Fragmente aus dem Leben eines Spieleerfinders“.
In seinem 68. Lebensjahr wird der Philosoph unter den Spieleautoren mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet, außerdem erhält er 1992 einen Sonderpreis für sein Lebenswerk beim Deutschen Spielepreis. Randolph gilt neben Sid Sackson als einer der ersten Spieleautoren, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Er hat schon in den 70er Jahren dafür gesorgt, dass Autorennamen auf den Schachteln auftauchten.
Das Bild zeigt Alex Randolph 1990 bei seiner SPATZ-Verleihung mit Rita Süßmuth.
Montag, 11. Januar 2021
BLUFF
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
BLUFF: Pokerface und Würfelglück
Vergessen Sie CHICAGO, KNIFFEL, YATZEE und andere fetzige Würfelspiele - BLUFF ist ab diesem Jahr angesagt und wird alle Würfelfans begeistern.
F.X. Schmid ist es zu verdanken, dass dieses amerikanische Spiel nun auch in Deutschland zu erwerben ist. Etwas Vergleichbares gab es bisher in deutschen Würfellanden noch nicht. Alle, die MÄXCHEN, auch unter dem Namen „21“ bekannt, kennen, werden den Bluffreiz in dem neuen Würfelspiel aus Eching gut umgesetzt finden. Denn Pokerface und Würfelglück sind in diesem raffinierten Würfelspiel angesagt.
Der Spielablauf ist schnell erklärt. Jeder Spieler erhält fünf Würfel, dazu einen Würfelbecker mit erotischen Dimensionen. Die Würfel weisen die üblichen Punktzahlen von 1 bis 5 auf, statt der „6“ einen Stern, der Jokerfunktion besitzt.
Jeder würfelt und sieht sich verdeckt seinen Wurf an. Dann beginnt das eigentliche Spiel. Auf einer Setztafel schätzt der erste Spieler ein mögliches Würfelergebnis. Er wettet, dass sich zum Beispiel sechsmal die „3" unter allen Bechern verbirgt. Der Stern nimmt dabei den Wert der Zahl an, auf die gewettet wird. Wie im Pokerspiel muss nun erhöht werden, sechsmal die „4" oder siebenmal die „1" wären Mindestgebote. Wird die Wette angezweifelt, werden die Becher gelüftet. Der Differenzbetrag muss mit Würfeln bezahlt werden. Hat man zum Beispiel auf neunmal die „5" gewettet, diese befindet sich aber nur siebenmal auf den Würfeln, muss der Wetter zwei Würfel abgeben. Ein Spieler ohne Würfel scheidet aus. Der letzte Spieler mit mindestens einem Würfel hat am besten gewettet und gewinnt das Spiel.
BLUFF macht besonders viel Spaß in großen Spielrunden, maximal sechs Personen können sich an dem Würfelspaß beteiligen. Spielt man nur zu zweit oder zu dritt, sollte man die Würfelzahl erhöhen.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: BLUFF
Verlag: F.X. Schmid
Autor: Richard Borg
Grafik: o.A.
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: etwa 15 Minuten
Preis: ca. 35.00 DM
Spiel 16/1993 R9/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Das Hauptbetätigungsfeld des 72jährigen Richard Borg sind eigentlich Konfliktsimulationen. Sehr erfolgreich sind seine historischen Spiele wie MEMOIR `44 und das Fantasy-Spiel BATTLELORE.
BLUFF erschien als LIARS DICE ursprünglich im Eigenverlag in den USA, bis es MB 1988 übernahm. In Deutschland wurde dieses Bluffspiel 1993 Spiel des Jahres und kam auf den 4. Platz beim Deutschen Spielepreis.
Mit Spielen wie BLITZ UND DONNER (Kosmos 2000) und WYATT EARP (Alea 2001) war er ebenfalls noch recht erfolgreich.
Das Bild zeigt Richard Borg auf der Spiel in Essen 1993.
KULA KULA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Traumhaft schön: KULA KULA
An hervorragend gestaltetes Holzspielmaterial ist man inzwischen bei guten Spielen gewohnt, erwartet es auch geradezu. Echte Buccinum- und Kauri-Schnecken in einem Spiel gab es bisher allerdings nur in den in geringer Auflagenzahl produzierten Spielen der Edition Perlhuhn. Das Perlhuhnniveau hat der Berliner Blatz-Verlag mit Reinhold Wittigs Spiel KULA KULA gehalten, wenn nicht gar übertroffen. Die Jury Spiel des Jahres hat dies inzwischen auch entsprechend gewürdigt. KULA KULA ist nicht nur auf die Auswahlliste gekommen, sondern hat zurecht den Titel für das schönste Spiel des Jahres erhalten.
Das spielerische Wunderwerk entführt in die Südsee. Das auch real stattfindende Kula-Ritual der Bewohner der Salomon-Inseln stellt den Spielhintergrund dar. Spielatmosphärisch wird man durch den großen Spielplan und das prächtige Holzmaterial (nur die Boote hätten farblich besser unterschieden werden müssen) inklusive der Originalschnecken in den Bann der Spielgeschichte gezogen. Besser kann man nicht eingestimmt werden.
Worum geht es? Die Südseeinsulaner tauschen sehr gerne und beschenken ihre Besucher. Auf der Fahrt durch die Südsee von Insel zu Insel sammeln die Spieler Buccinum-Schnecken ein, die sie auf den Inseln gegen wertvolle Kauri-Schnecken eintauschen können. Als Zahlungsmittel war diese glänzende porzellanartige Schnecke bis ins 19. Jahrhundert hinein in Südostasien zum Teil auch in West und Zentralafrika verwendet worden. Von diesen wertvollen Schnecken muss man sich in diesem Spiel möglichst viele einhandeln. Für drei Buccinum-Schnecken gibt es eine Porzellanschnecke.
Damit man an möglichst viele von solchen Hornschnecken herankommt, darf man ein Karten-Orakel befragen, das die Zugweite der Boote regelt. Zieht der Spieler eine Kanukarte, darf er ein Feld weiterfahren, bei einer Fischkarte sogar zwei Felder. Es dürfen beliebig viele Karten gezogen, entsprechend auch viele Schnecken unterwegs eingesammelt werden. Mit dem Risiko allerdings, dass beim Aufdecken einer Karte mit einem Götzenbild alle vorher gezogenen Karten verfallen und das Kanu damit nicht fahren kann. Die eingesammelten Schnecken sind natürlich auch verloren. In diesem CAN`T STOP-Mechanismus liegt der eigentliche Reiz dieses Brettspiels - geht man das Risiko, eine weitere Karte noch aufzudecken noch ein, oder gibt man sich mit den gesammelten Schnecken zufrieden? Sehr hübsch ist der Delphinkreisel, der stets bei Kartenaufnahme eingesetzt wird und festlegt, auf welche Streckenstation eine neue Schnecke gelegt wird. Zusätzlich besteht ein Anreiz, Mitspieler einzuholen, da diese als freundliche Insulaner stets ein Geschenk in Form einer Buccinum-Schnecke parat haben.
Je nach Spielerzahl endet das Spiel mit dem Besitz von vier bis sechs ertauschten Kauri-Schnecken. Ein wunderschönes Spiel, dass für eingefleischte Spieltaktiker allerdings wenig Reiz bietet. Als Familienspiel mit Kindern ab sechs Jahren ist es aber gut geeignet. Der Südseeausflug wird in dieser Zielgruppe nicht nur zu einem optischen Genuss.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: Kula Kula
Verlag: Blatz-Spiele
Autor: Reinhold Wittig
Grafik: Hartmut Gärling
Spielerzahl: 3-5
Alter: ab 10 Jahre (auch schon ab 6 Jahre)
Spieldauer: etwa 30 min
Preis: ca. 59.00 DM
Spiel 15/1993 R8/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel. Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. Das Foto zeigt Wittig auf dem Autorentreffen in Göttingen mit dem Blatzspiel KULA KULA. Außerdem ist der Prototyp von 1991 mit abgebildet.
Sonntag, 10. Januar 2021
SAMMELSURIUM
SAMMELSURIUM
In den 60er und 70er Jahren hat die Firma 3M (Minnesota Mining & Manufacturing Company) Maßstäbe in der Spielentwicklung gesetzt, die sich auch auf den deutschen Markt auswirkten. Spiele landeten im Buchschuber und damit plötzlich im Bücherregal nicht nur von 3M, sondern als Casino-Spiel von Ravensburger oder in der E-Serie von F.X. Schmid und im kleineren Schuber von Pelikan.
3M Buchkassetten
3M Kleine Spiele
3M Sportspiele
Bütehorn
Berliner Spiel-o-thek
DVA
F.X. Schmidt E-Serie
Pelikan
PRO LIGNO
Ravensburger Casino-Serie
Ravensburger Traveller
Schmidt Spiele Bar
Steidl Spiele
In den 60er und 70er Jahren hat die Firma 3M (Minnesota Mining & Manufacturing Company) Maßstäbe in der Spielentwicklung gesetzt, die sich auch auf den deutschen Markt auswirkten. Spiele landeten im Buchschuber und damit plötzlich im Bücherregal nicht nur von 3M, sondern als Casino-Spiel von Ravensburger oder in der E-Serie von F.X. Schmid und im kleineren Schuber von Pelikan.
3M Buchkassetten
3M Kleine Spiele
3M Sportspiele
Bütehorn
Berliner Spiel-o-thek
DVA
F.X. Schmidt E-Serie
Pelikan
PRO LIGNO
Ravensburger Casino-Serie
Ravensburger Traveller
Schmidt Spiele Bar
Steidl Spiele
TWIXT
SAMMELSURIUM
3M Buchkassetten
In den 60er und 70er Jahren hat die Firma 3M (Minnesota Mining & Manufacturing Company) Maßstäbe in der Spielentwicklung gesetzt, die sich auch auf den deutschen Markt auswirkten. Spiele landeten im Buchschuber und damit plötzlich im Bücherregal nicht nur von 3M, sondern als Casino-Spiel von Ravensburger oder in der E-Serie von F.X. Schmid und im kleineren Schuber von Pelikan.
TWIXT
Zu den bekanntesten 3M Spielen gehört neben ACQUIRE von Sid Sackson, TWIXT von Alex Randolph. In Die Sonnenseite – Fragmente aus dem Leben eines Spieleerfinders, das die Drei Hasen in der Abendsonne 2012 zu Randolphs 90. Geburtstag herausgebracht haben, beschreibt der Autor die Erfindung von TWIXT. „Die Idee kam mir auf einen Schlag. Warum nicht mal ein ‚Border-to-Border-Spiel‘ mit Rösselsprüngen? Das war in Wien, in den 50er-Jahren.“ Er probierte es noch am gleichen Abend im Café Hawelka in der Wiener Dorotheengasse aus, sein Spielpartner war kein geringerer als der im Oktober verstorbene Herbert Feuerstein. Die ersten Partien fanden als Papier- und Bleistiftspiele statt.
Als Spiel wurde TWIXT 1962 als eines der ersten 3M-Spiele veröffentlicht. Gespielt wird auf einem 24x24 Felder großen Steckplan. Die beiden Kontrahenten besitzen je 40 Pfeiler und Brückenglieder, wobei eine durchgehende Brückenverbindung entweder von oben nach unten oder von rechts nach links erreicht werden muss. Der gedankliche und reale Brückenschlag über die Pfeiler findet im Rösselsprung-Rhythmus statt. Diese SCHACH-Entfernung muss man die ganze Zeit über im Blick behalten und taktisch nutzen. Sobald ein Spieler eine Verbindung zwischen seinen zwei Seiten hinbekommt, ist die Partie beendet.
Da die deutsche Regelübersetzung Fragen offenließ, beispielsweise durfte das Wegnehmen von Verbindungen nur als Extrazug vorgenommen werden, hat Randolph in den 80ern in der Pöppel-Revue die Regeln noch einmal auf den Punkt gebracht.
„Was nicht verboten ist, ist erlaubt Die Original-TWIXT-Regel bestand aus nur vier kurzen Sätzen. Diese würde ich so übersetzen:
1. Spiel-Ziel ist, gegenüberliegende Ränder zu verbinden: Rot die zwei roten, Schwarz die zwei schwarzen.
2. Abwechselnd wird ein Stecker in ein beliebiges Loch des Spielfeldes gesetzt nur nicht hinter den Grenzlinien des Gegners.
3. Wenn, nachdem man einen Stecker gesetzt hat, zwei oder mehr eigene Stecker im "Rösselsprung" - Abstand stehen, kann man sie verbinden.
4. Gelingt es einem der beiden, eine ununterbrochene Verbindungskette zwischen seinen zwei Rändern aufzubauen, hat er gewonnen; gelingt es keinem der beiden, ist das Spiel unentschieden.“
Randolph geht dann noch auf die Kuchenregel (s.u.) und auf die Räumungsregel ein, die dazu dient, verdrängte Endspiel-Situationen aufzulockern. „Vor jedem Zug kann man nach Belieben eigene schon gesetzte Verbindungen wieder vom Brett entfernen.“
TWIXT entwickelt trotz ganz simpler Regeln eine erstaunliche Spieltiefe, die der Autor selbst recht gut im Griff hatte. In den 90ern durfte ich seine Spielstärke bewundern und scheiterte grandios gegen ihn, während einer Partie auf dem Autorentreffen in Göttingen. Während der Mind Sports Olympiade fanden ab 1997 TWIXT-Meisterschaften statt. Der erste der sich als Champion in die Siegerliste eintragen durfte, war Alex Randolph, sein Nachfolger kam aus Deutschland und war bis 2002 Klaus Hussmanns. Aktuell steht als letzter Gewinner der Italiener Cosimo Cadellicchio in der Liste. Randolph betreute auch in den ersten Ausgaben der spielbox Anfang der 80er- Jahre in der Denkrubrik TWIXT-Aufgaben.
Schon von Anfang an, hat der Autor den Startvorteil als Problem erkannt. Wenn der erste Zug ins Zentrum gespielt wird, ergibt sich daraus ein extremer Vorteil. Deshalb hat er die „Kuchenregel“ eingeführt. Der eine macht den ersten Zug, der andere wählt die Farbe und damit eventuell die Position des Pfeilers, den der erste gesetzt hat. Es geht also zu, wie beim gerechten Teilen des Kuchens. Einer schneidet, der andere wählt sein Kuchenteil aus.
Die 3M-Fassung hat im Buchschuber das klappbare Spielbrett und eine Schachtel mit den Brückenbauelementen. Im Prinzip haben sich alle Nachfolgeausgaben an diesem Material orientiert. Die deutsche Ausgabe von Schmidt war übrigens 1979 ein Konkurrent von HASE UND IGEL um das erste Spiel des Jahres, es landete aber knapp geschlagen auf dem zweiten Platz. Als MINI-TWIXT erschien noch eine quasi Café Hawelka Fassung 1979 bei Schmidt.
Danach folgten Ausgaben von Klee Spiele (1990) und eine sehr gelungene von Kosmos 1998. Schon in den 60er Jahren plagiierte die Firma Rhön-Plastik mit dem Spiel IMURI Randolphs Idee, als Autor war ein Klaus Munro ausgewiesen. 2018 wollte der Amerikaner Wayne Dolezal mit seiner Firma Lil' Cerebral Games eine Neuauflage von TWIXT über Kickstarter finanzieren, ohne einen Lizenzvertrag mit Randolphs Neffen und Erben Michael Katz geschlossen zu haben. Die Kampagne wurde noch rechtzeitig gestoppt. Die Ausgabe von Kosmos ist die letzte deutsche Veröffentlichung von TWIXT, zur Jahrtausendwende erschien noch eine ganz kleine Auflage der Felsberger Spiel&Art AG in der Schweiz in einer wunderschönen Holzfassung.
Titel: TWIXT
Verlag: 3M
Autor: Alex Randolph
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Gerne morgen wieder
Sammelsurium 2 - S2/2021
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