Dienstag, 31. März 2020
MÜ & MEHR
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Klingt nach MÜsahl, bietet aber Spielgenuss
Das, was im Spieletitel nach MÜhsal klingt, trifft wahrlich nicht auf den Spielgenuss mit der neuen Kartenspielsammlung von „Doris und Frank“ zu. Der eigenartige Spieletitel kann sich nur auf das etwas mühselige Regelstudium beziehen, für das man aber später mehr als genug entschädigt wird. MÜ UND MEHR von Doris Matthäus, die sich inzwischen als Grafikerin im Spielebereich eine Spitzenposition erarbeitet hat, zum Beispiel zeichnet sie verantwortlich für die eindrucksvolle Grafik des „Spiel des Jahres“ 1996 EL GRANDE und dem Mathematiker Frank Nestel ist nicht nur eine optische Augenweide.
Das Hauptspiel MÜ ist ein Stichspiel für drei bis sechs Spieler, am besten spielt es sich zu viert oder zu fünft. Zieht man Vergleiche zu bekannten Spielen, so besitzt MÜ Ähnlichkeiten mit Doppelkopf und Bridge. Es ist ein Teamspiel, bei dem in einer Auktionsrunde Chef und Vizechef bestimmt werden, die sich Spielpartner aussuchen können und unterschiedliche Trümpfe bestimmen. Zu diesen Posten kommt man durch Auslegen von Karten. Schwächen und Stärken werden damit in der Bietphase offengelegt. Gleichzeitig verändert sich durch die Kartenauslage die jeweilige Siegbedingung. Von insgesamt 60 Siegpunkten müssen der Chef und sein Partner beim Spiel zu fünft 30 Punkte erreichen, wenn der Chef drei Karten ausgelegt hat, bei sechs Karten sind es schon 39 Punkte. Erreicht das Chefteam die Punktevorgabe, gibt es Pluspunkte für die Partner, verliert das Team , erhält nur der Chef Punktabzug, das Vizeteam erhält Pluspunkte. Zu Beginn macht die Berechnung und Bewertung der Spiele durchaus etwas Mühe, eine tabellarische Wertungsübersicht hilft hier aber schnell weiter.
MÜ ist inzwischen schon mehr als ein Geheimtipp innerhalb der Spieleszene, wer sich einmal auf das Spiel eingelassen hat, kommt so schnell nicht davon los. Neben MÜ haben Doris und Frank noch fünf weitere Spiele erfunden, die mit dem MÜ-Kartensatz gespielt werden können, Memoryvarianten und weitere Stichspiele, aber auch ohne diese Zugaben gilt eine unbedingte Kaufempfehlung.
Wieland Herold
Titel: MÜ & MEHR
Verlag: Spiele von Doris und Frank, Obere Büch 24, 91054 Buckenhof; demnächst bei Amigo
Autor: Doris Matthäus und Frank Nestel
Spielerzahl: 3-6
Alter: ab 11 Jahren
Preis: ca. 20.- DM
Die Rezension erschien 1996 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 6/1996 R 28/2020
MÜ & MEHR wurde erstmals 1995 im Eigenverlag Spiele von Doris & Frank herausgegeben. 1997 erschien das Spiel bei Amigo, 2003 wurde es bei Spiele von Doris & Frank neu aufgelegt. 2007 erschien es noch einmal in einer Kartenspielbox bei Amigo mit den besten Stichspielen: 4-IN-1, u.a. mit dem ebenfalls genialen NJET.
Beim Kartenspielpreis À la carte der Fairplay erreichte MÜ & MEHR 1996 den ersten Platz, beim Deutschen Spielepreis reichte es für Platz 5, bei der Jury „Spiel des Jahres“ für einen Platz auf der Auswahlliste.
Auf dem Bild links ist Doris Matthäus bei der ersten Präsentation des Spiels 1995 in Essen zu sehen.
Montag, 30. März 2020
MAD NOOKS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Flügeldomino: MAD NOOKS
Ulf Siebert gehört noch zu den relativ unbekannten Spieleautoren aus den neuen Bundesländern. Vor der Kleinauflage von MAD NOOKS hat er mit MOSAIKO und AMEISEN IM KÜHLSCHRANK zwei Spiele bei Hiku herausbringen können. Genauso verrückt wie der letzte Spieltitel scheint sein Legespiel MAD NOOKS zu sein. Ein Hirnverzwirbler, der sich gut allein, aber auch mit mehreren Mitspielern spielen lässt.
38 flügelartig geformte farbige Puzzleteile mit unterschiedlichen Anteilen der Farben schwarz, blau, rot und grün müssen nach dem Dominoprinzip möglichst punkteträchtig angelegt werden. Für jede Seite, die die MAD NOOKS-Teile beim Anlegen berühren, gibt es je einen Punkt. Das Grundprinzip ist nicht gerade originär zu nennen, das Besondere an MAD NOOKS sind die originell geformten Pappdominoteile. Die winkligen Flügelformen ergeben skurrile Gebilde, die oft überraschende Anlegemöglichkeiten auch über die kurzen Flügelseiten ermöglichen.
Siebert schlägt für sein Spiel mehrere Varianten vor. Da gibt es das MAD NOOKS-Classic, bei dem jeder Spieler vier Teile zur Auswahl besitzt. Derjenige, der nach Legen aller MAD NOOKS-Teile am meisten Anlegepunkte erreicht, gewinnt dieses Spiel. Geachtet werden sollte dabei auf eine gerechte Verteilung der Plättchen. Sieberts Regel gibt dazu leider keine Hinweise.
Reizvoll ist die Variante MAD NOOKS-Poker, bei der jeder Spieler ebenfalls vier Teile auf der Hand besitzt und ein Teil offen vor sich liegen hat. Anlegeplättchen dürfen nachgekauft werden und dann wird darum gepokert, wer am meisten Punkte mit seinen fünf Teilen erreichen wird. Das Anlegen selbst darf nicht ausprobiert werden, muss also geistig vorgedacht sein. In der Solitär-Version sollen die Teile mit möglichst wenigen Freiräumen zusammengepuzzelt werden.
MAD NOOKS merkt man die Eigenproduktion an. Das Spiel aus dem Verlag „Spielarten“ kommt in einer kleinen stabilen Schachtel daher. Die Pappteile sind teilweise nicht sauber geschnitten, auch der Farbdruck sitzt nicht immer exakt. Dass Regelschreiben eine ganz eigene Kunst ist, muss sich Ulf Siebert auch sagen lassen. Trotzdem hinterlässt dieses selbst produzierte Spiel des Autors aus Leipzig einen guten Eindruck, es enthält innovative Elemente aus dem scheinbar abgegrasten Dominobereich, so dass eine Kaufempfehlung ausgesprochen werden kann.
Wieland Herold
Titel: MAD NOOKS
Verlag: Spielarten Ulf Siebert SAUS, Dresdner Str. 59, 04317 Leipzig
Telf. 0341/6883219 ; Homepage : www.ulfsiebert.de
Autor: Ulf Siebert
Spieler: ab 1
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 15 bis 20 Minuten
Preis: ca. 7 Euro
Die Rezension erschien 2002 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 2/2002 R 27/2020
Das Bild oben stammt vom Spieleautorentreffen 1998 in Göttingen, rechts ist ein Prototyp von MAD NOOKS zu sehen.
Bekannt wurde Siebert, der als Ergotherapeut in Leipzig arbeitet, vor allem durch den 2004 erschienenen SCHLOSSGARTEN von Prestel.
Sonntag, 29. März 2020
TIJA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
TIJA – die Mischung macht’s!
Die Oldenburger Klaus Tidow und Oliver Jakopaschke haben mit TIJA nicht nur ihren Spieleerstling in Kleinstauflage herausgebracht, sie haben sich auch mit ihren Spieltitel selbst verewigt. Gehen Sie also gar nicht erst lang auf die Suche nach eventuellen asiatischen Quellen, die beiden Anfangsbuchstaben der Nachnamen der beiden Autoren bieten uns die Lösung für den kryptischen Spieltitel.
Der Spielplan ist auf Leinen gedruckt, wobei er zusammengefaltet gleich die Verpackung des Spiels darstellt und der Aufnahme von 18 beidseitig bedruckten Spielsteinen und einer Spielregel dient. Die Anlage des Spielplans erinnert an den Klassiker BARBACAN. Hier wie dort geht es um die Eroberung eines Zentrums, wobei nicht alle Wege zum Mittelpunkt führen. Tidow und Jakopaschke liefern dazu eine interessante Mischung bekannter Spielmechanismen, ein bisschen DAME, ein bisschen FOCUS, ein bisschen TIJA.
Jeder der beiden Spieler erhält 9 Spielsteine, die jeweils in Dreiergruppen auf die Außenfelder des Spielplans gelegt werden, kein Stein hat dabei direkten Zugang zum Zentrum. Auf diese rot markierten Felder müssen die Steine erst noch gezogen werden. Pro Spielzug darf ein eigener Stein maximal ein Feld weit nach rechts, links oder Richtung Zentrum bewegt werden, nur am Anfang ist ein Zug über zwei Felder Richtung Mittelpunkt erlaubt. Türme dürfen bis zu einer Höhe von maximal 4 Steinen gebildet werden. Die Bewegungsweite ergibt sich aus der Höhe der Türme, wobei diese auch wieder aufgelöst werden können. Bewegen darf der Spieler, dessen Stein oben liegt. Zur Kennzeichnung sind die runden Holzscheiben auf der einen Seiten mit „Ti“, auf der anderen mit „Ja“ gestempelt. Zusätzlicher Pfiff kommt durch die Möglichkeit des Überspringens ins Spiel, dabei werden die übersprungenen Steine nicht aus dem Spiel genommen, sondern gewendet. So wird aus einem „Ti“-Stein schnell ein „Ja“-Stein. Diese Regel gilt auch für Türme, wobei man sich genau merken muss, wie die Besitzverhältnisse beim untersten Stein waren, da der ganze Turm umgedreht wird. Das letzte i-Tüpfelchen bringt die „Revolutionsregel“. Wird nämlich der Zentrumsstapel übersprungen, kehren sich auch dort die Verhältnisse. Es gewinnt der Spieler, der am Ende, wenn ein Spieler keinen Stein mehr bewegen kann, am meisten Steine im Zentrum hat. Für den Springerstein – es kann auch ein Turm sein - ist übrigens die Revolution selbstmörderisch, er wird aus dem Spiel genommen.
Die wenigen Regeln sorgen für einen vielschichtigen, abwechslungsreichen Spielverlauf. Es bringt nichts, schnell auf das Zentrum zuzueilen, das für jeden Einzelstein nach fünf Spielzügen erreicht werden kann. Die „Revolutionsregel“ bestraft solches Vorgehen. Die Anfangsphase spielt sich eher auf den Feldern des zweiten und dritten Kreises von außen ab. Da werden Türme gebildet, da werden Machtverhältnisse durch Überspringen geändert. Wer hier einen Vorteil erreicht, kann sich sicherer zum Zentrum aufmachen. Gegen Ende kann sich eine Partie TIJA hinziehen. Die Spielsteine müssen zwar auf das Zentrum zu bewegt werden, sie dürfen nicht zurückziehen, Bewegung seitwärts sind aber erlaubt. So gibt es oft einen Eiertanz der letzten Steine um revolutionäre Sprünge oder den gewinnbringenden letzten Zug ins Zentrum. Mit einer knappen Stunde Spieldauer müssen Sie schon rechnen.
Ein weiterer Wermutstropfen ist der augenblickliche Preis für das Spiel. Die Erstauflage wird für stolze 25 Euro verkauft. Viel Geld für eine ordentliche Spielidee, deren materialmäßige Umsetzung aber eher einen Preis von maximal 15 Euro zuließe. Klaus Tidow plant eine Neuauflage, bei der der Spielplan auf einem T-Shirt gedruckt sein wird.
Wieland Herold
Titel: TIJA
Autoren: Oliver Jakopaschke und Klaus Tidow
Verlag: TIJA -Spiele Ideen Verlag, Nelkenstr. 39, 26121 Oldenburg; tijaspiele@gmx.net
Spieler: 2
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: ca. 45 bis 60 Minuten
Preis: ca. 25.- Euro
Die Rezension erschien 2002 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 1/2002 R 26/2020
Das Bild stammt von der Spiel in Essen 2001, links ist Klaus Tidow zu sehen.
TIJA blieb das einzige Spiel von Tidow&Jakopaschke. Einen Erfolg konnten beide Autoren noch 2003 vorweisen, da erreichte TIJA als Spiel im Heft eine Vervielfachung der Erstauflage.
Samstag, 28. März 2020
MUSCAT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Knobelspiel MUSCAT
Die Grundidee von MUSCAT stammt von dem Knobelklassiker „Stein – Schere – Papier“, die Story, welche die Autorin Christiane Knepel sich dazu ausgedacht hat, und ihre mechanischen Überlegungen machen aber ein interessantes taktisches Spiel daraus. Folgen Sie der Autorin in die orientalische Stadt . In den Basaren tummeln sich Schlangenbeschwörer, Feuerschlucker, Flötenspieler und Elefantendompteure. Alle kennen nur ein Ziel, mit ihren Künsten vor dem Sultan von MUSCAT spielen zu können. Der Weg aus der Unterstadt in die oberen Regionen bis zum Palast des Sultans ist beschwerlich, da bedarf es schon eines geschickten Spielers, der seine Akteure taktisch klug einsetzt, dass möglichst viele seiner Crew, den Sultan zu Gesicht bekommen.
Jeder der drei bis fünf Spieler besitzt je vier der Unterhaltungskünstler, die alle die Karriereleiter von der Pike auf beginnen müssen. Reihum setzen die Spieler ihre Künstlerplättchen auf Marktplätze der unteren Ebene, für jeden Markt sind exakt vier Plätze für jeweils einen Künstler vorgesehen. Sobald sich drei Artisten dort befinden, kann ein Spieler einen sogenannten „Kreislauf der Macht“ auslösen. Das Machtverhältnis der Artisten ergibt sich aus ihrer Platzierungsreihenfolge. Die schwächste Figur wird vagabundierend auf die Straße gesetzt, während die beiden Stärkeren ihren Weg nach oben antreten und dort neue Marktplatzfelder besetzen.
Vagabundierende Künstler können jederzeit wieder ins Spiel eingreifen oder für Sonderaktionen genutzt werden. Das gibt MUSCAT die nötige Würze, da immer mit Überraschungen gerechnet werden muss. So können die Straßenkünstler normal erneut eingesetzt werden, sie ermöglichen aber auch einen Ortswechsel eines eigenen Plättchens zu einem anderen Marktplatz, wenn dort eine Wertung erfolgen kann oder gar den Austausch gegen ein fremdes Plättchen, sofern man bereit ist, den Vagabunden zu opfern. Besonders stark ist die Möglichkeit der „Verwandlung“, bei der zwar eine eigene Figur, die sich in einer Dreierkonstellation auf der schwächsten Position befindet, geopfert wird, dafür wandert aber der Straßenkünstler auf die stärkste Position und löst sofort den „Kreislauf der Macht“ aus. Das Spiel endet in der Regel, sobald sechs oder acht Künstler vor dem Sultan ihre Vorstellung geben. Je nach Ebene gibt es für jeden Artisten Punkte, die meisten natürlich oben im Sultanspalast. Die punkteträchtigste Künstleragentur erhält ein Jahresengagement beim Sultan von MUSCAT.
Christiane Knepel, die zusammen mit ihrer Grafikerin Antje Graf ihre Sparbücher geplündert hat, um eine 1000er-Auflage dieses Spiels zu produzieren, äußerte während des Spielautoren-Treffens in Göttingen Mitte Juni mir gegenüber die Befürchtung, „auf der Auflage sitzen zu bleiben“, aber immerhin hätte man dann ja „Weihnachtsgeschenke für das ganze Leben.“ Ich befürchte, die „Sternspieler“ – so nennt sich ihr Verlag – müssen schon 2001 ganz normale Weihnachtsgeschenke für die lieben Verwandten und Freunde kaufen.
Wieland Herold
Titel: Muscat
Verlag: Die Sternspieler
Autorin: Christiane Knepel
Grafikerin: Antje Graf
Spieler: 3- 5
Dauer: ca. 45 Minuten
Alter: ab 8 Jahren
Preis: ca. 45.- DM; Bestellung bei Christiane Knepel, Nordring 61, 24558 Henstedt-Ulzburg.
Die Rezension erschien 2001 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 2/2001 R 25/2020
Das Bild stammt vom Autorentreffen in Göttingen 2001. Auf ihren 1000 Spielen sind Knepel und Graf tatsächlich nicht sitzengeblieben. Im Gegenteil, ihre Idee wurde von Winning Moves übernommen und ihr Spiel erschien 2003 als KURIER DES ZAREN.
Das Original muss das Duo aber nachproduziert haben, denn Christiane Knepel, die inzwischen als Heilpraktikerin arbeitet, verschickt es immer noch ck@christiane-knepel.de, es kostet jetzt 16.90 Euro. Ihr neuestes Hobby sind Krimi-Spaziergänge, unweit von Oldenburg geht sie zusammen mit Raymund Koch der Geschichte einer Gräfin Tabea nach, die nachts im Jahr 1791 in Dötlingen verschwand. Ganz neu ist die Tour rund um die TOTENSCHÄDEL VON WILDESHAUSEN, die wie TABEA THALER im Verlag Stadt-Land-Spiel veröffentlicht wurde.
Freitag, 27. März 2020
DON CARLO
Das Autoren-Pärchen Bernhard Lach und Uwe Rapp tingelt seit 20 Jahren erfolgreich durch die Spieleszene. Die beiden kennen sich aus dem Marbacher Schachverein. 40 Jahre schon spielt der Schlierseeer Germanist Rapp mit dem Juristen Lach das königliche Spiel und das auf professionellem Niveau. Immerhin bis in die 2. Bundesliga haben es die unweit der Schillerstadt in Erdmannhausen lebenden Rapp und Lach mit ihrem S.V. Marbach zeitweilig gebracht.
Abstrakte strategische Spiele liegen nahe, wenn die beiden ans Spieleentwickeln gehen. Das Gegenteil ist aber der Fall, leichte lockere Unterhaltung mit zum Teil hohem Glücksanteil spielen eher eine Rolle. Kinderspiele gehören ebenso zu ihrem Portfolio wie pfiffige Wissensspiele. 2003 landen sie mit ihrem Erstling FROSCHKÖNIG (Zoch) gleich auf der Empfehlungsliste der Jury für den Kinderspielbereich. Ihr nächstes Spiel AUSGERECHNET BUXTEHUDE (HUCH!) wird noch erfolgreicher. Neben der Platzierung auf der Empfehlungsliste 2006 erreichte die geographische Zuordnung deutscher Orte den ersten Platz der À la carte-Wertung der Zeitschrift Fairplay. Das FERNWEH hat die beiden inzwischen nach HONOLULU, UPPSALA, UNKEN, PANKOW, HAMBURG und KÖLN geführt. Danach warteten die Erdmannhäuser erst einmal zehn Jahre auf die nächste Würdigung, bis 2016 für QWINTO (NSV) ein weiterer Platz auf der Empfehlungsliste „Spiel des Jahres“ heraussprang.
Lach & Rapp treten fast ausschließlich im Duo auf. Wenn sie in ihrem Bunde einen Dritten aufnehmen, dann geht das nicht unter Kramer & Knizia. VERDREHTE SPRICHWÖRTER (Ravensburger) waren es 2008 mit Reiner Knizia. Mit Altmeister Kramer haben sie bereits vor zwei Jahren das Kartenspiel FAT FISH (HUCH!) veröffentlicht, aktuell schicken sie DON CARLO (moses.) nach Absurdistan.
DON CARLO & Co. sind 007-Ableger, Spione, die in Absurdistan und seinen Nachbarregionen wie Egoistrien und Schwadronien um Einfluss kämpfen. Dazu besitzt jeder einen Kartensatz mit 25 Agenten in den Werten 0 bis 6. Die niedrigeren Werte sind dabei häufiger im Spiel, die höchste Karte gibt es nur zweimal. Miss Moneypenny sorgt für Aufträge in sieben Ländern, die beim Einsatz der Spione ihre Landesziffer exakt erfüllt haben wollen. Nur Egoistrien (1-3) und Absurdistan (9-12) machen da eine Ausnahme, die addierte Codesumme in den beiden Ländern hat sich in diesen Zahlensektoren zu bewegen. James Bond könnte nur als 07 nach Neu Wahnitz im Protzland geschickt werden, das dem Wert 7 entspricht. Neben ihm tauchen aber der Agent „7“, „115“, „16“ sogar „1114“ usw. auf, keiner jedoch doppelt.
Aus vier Handkarten treffen die Kontrahenten ihre Auswahl und haben dabei mehrere Wertungsaspekte im Hinterkopf. Ein früher Einsatz löst Gleichstände auf, denn am Ende wird jeder Staat gewertet und je nach Länderwert gibt es Siegpunkte, wobei Egoistrien 3 bringt und Schwadronien 9. Oft wichtiger sind die Punkte, die en passant während des Spiels gesammelt werden, sodass ständige Buchhaltung wichtig ist. Je umkämpfter das Land ist, je mehr Agenten sich dort tummeln, umso mehr gibt es zu gewinnen, und zwar für jeden dort befindlichen Spion einen Siegpunkt. Bonuspunkte bringen Zahlenfolgen für die Agenten 012 bis 456, doppelte Punkte sogar die echten Triple-Spione 111 bis 444.
Was simpel klingt, hat durchaus Anspruch. Alle sind zwar abhängig von ihrer jeweiligen Kartenhand, anfangs stehen den Spionen aber viele Länder offen. Trotzdem ist effektiver Karteneinsatz geboten. Das persönliche Spielende tritt dann ein, wenn ein Spieler keinen einsetzbaren Codenamen für einen Agenten aus seinen restlichen Karten bilden kann. Zu viele hohe Werte sollte man deshalb nicht bis zum Ende aufheben, da jenseits der „12“ die Enttarnung droht, ein 5er oder 6er Wert in der Rückhand macht aber durchaus Sinn. Niedrige Karten lassen mehr Kombinationen zu und oft die, die noch nicht ausliegen. Sich solche Hintertürchen offen zu halten, ist wichtig, eine gute Übersicht über die freien Optionen hilfreich. Von langen Einsatzreihen muss man mit partizipieren. Viele Agenten bringen durch die sofortigen Einflusspunkte mit der Zeit mehr als die maximalen neun Punkte aus der Metropole Pala Ver.
DON CARLO ist ein pfiffiges Kartenkombinationsspiel des Autoren-Trios Kramer-Lach-Rapp. In der thematischen Einkleidung war sich das Trio oder der moses.-Verlag wohl nicht ganz sicher, ob wir uns in einer Welt der Spione oder der Mafia bewegen. Da wird von „Familie“ gesprochen, vom „Consigliere“, dessen Aufgaben die Spieler übernehmen. Spielmechanisch geht es aber um 007 & Co..
Mir persönlich gefällt DON CARLO besser als das 6 NIMMT-Derivat FAT FISH, das die drei Autoren vor zwei Jahren veröffentlicht haben. Zu weiteren Auszeichnungen wird es jedoch für Lach&Rapp nicht reichen, dazu ist das Kartenspiel letztlich zu abstrakt.. DON CARLO ist trotzdem ein ordentlicher Absacker, von dem ich mich gerne nächste Woche wieder nach Abstrusien entführen lasse.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: DON CARLO
Autoren : Wolfgang Kramer, Bernhard Lach, Uwe Rapp
Grafik/Design: Oliver Freudenreich
Verlag: moses.
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 24/2020
Donnerstag, 26. März 2020
TURFMASTER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
PFERDERENNEN AUS ESSEN
Zwei neue Kleinverlage machten mit großen, hochwertigen Spielen auf der Essener Spiel `98 auf sich aufmerksam. Am auffallendsten sicherlich das Tauchspiel DIVER von Schleef/Jacobson, gleich dahinter TURFMASTER aus dem Essener Verlag Aza-Spiele.
Albrecht Nolte hat sich zusammen mit seiner Frau Elena auf das Abenteuer Spielproduktion eingelassen und durchaus mutig investiert. Die Begeisterung für ein Spiel, das im Freundeskreis schon seit Jahren der Renner war, trug dieses Objekt bis zur Fertigungsreife.
Das Ergebnis ist vorzeigbar: Acht Zinnpferde, die wehmütige Erinnerungen an JOCKEY-Zeiten wach werden lassen. Das Herausholen des alten Ravensburger Spiels aus der Casino-Serie macht die tolle Qualität der AZA-Pferde besonders deutlich. Daneben acht Kartensätze mit je 32 Karten, 16 Würfel, 6 Plastikhürden (für die hier nicht beschriebene und auch nicht so überzeugende Spielvariante GRAND NATIONAL), ein großer Spielplan und ein für einen Kleinverlag beachtliches Regelwerk von 20 Seiten mit einer ganzen Reihe gut erläuternder Illustrationen.
Der Spielspaß, den Noltes Freundeskreis an vielen feuchtfröhlichen Abenden erlebt haben muss, lässt sich nach einigen Partien TURFMASTER nachvollziehen. Nolte hat ein rundes Pferderennspiel entwickelt, das eigenständig neben den alten Klassikern wie JOCKEY, WIN, PLACE & SHOW und FAVORITEN besteht. Zwei bis acht Spieler können sich an eine Partie TURFMASTER machen, dabei müssen sie sich auf drei Rennen über jeweils eine Runde einstellen. Mindestens vier Pferde müssen ins Rennen geschickt werden. Die edlen Zinnpferde werden dazu entsprechend aufgeteilt, so dass zum Beispiel im Rennen mit zwei Spielern, jeder zwei, drei oder vier Pferde erhalten kann. Jeder Spieler bekommt zusätzlich zwei Würfel und einen Kartensatz für seine Pferde. Von den 32 Karten mit vier Jokerkarten und Kartenwerten von drei bis zwölf, werden für jedes Rennen zehn Karten benötigt.
Würfel und Karten stehen für sich abwechselnde Spielphasen: Immer im Wechsel werden die Pferde durch den Einsatz der Spielkarten oder durch den Wurf zweier Würfel vorangebracht. Daneben prägt den taktischen Spielablauf die „Handicap“-Regel, die die drei führenden Pferde deutlich benachteiligt. Nach dieser Regel darf das erste Pferd maximal acht Felder ziehen, das zweite neun und das Pferd an dritter Position zehn Felder. Werden Karten über dieser Maximalzahl gespielt, verfallen sie und das Pferd bleibt stehen. Diese Regel gilt auch für die Würfelphase. Der würfelnde Spieler entscheidet, ob das Ergebnis beider Würfel oder der Wert einer der beiden Würfel von allen gesetzt werden darf. Spieltaktisch von Bedeutung ist außerdem noch der Spurwechsel, der bei TURFMASTER nur eingeschränkt möglich ist und kein beliebiges Ausweichen zulässt. Generell ist ein Spurwechsel pro Spielzug erlaubt, nur bei Zügen von mehr als sechs Feldern kann ein zweiter Spurwechsel erfolgen. Bedingung ist allerdings, dass nach dem ersten Spurwechsel fünf Felder in dieser Spur durchritten wurden.
Damit sind die wesentlichsten Regeln beschrieben. Noltes Spiel hält die Waage zwischen Glück und Taktik in einer ausgewogenen Balance. Die Spieler haben stets den Eindruck, dass sie mittels ihrer Karten das Spielgeschehen steuern können. Sollten diese einmal nicht so gut sein, darf man die 31. und 32. Karte zusätzlich aufnehmen, um die Kartenhand zu verbessern.
Vom Rennverlauf her ist TURFMASTER durch die Handicap-Regel eher zögerlich bestimmt. Keiner hat Lust auf die Spitzenpositionen, erst im letzten Drittel der Strecke kommt Spannung auf. Damit spiegelt TURFMASTER sehr realistisch übliche Rennverläufe wider. Wer in dieser Phase geschickt seine Jokerkarten (Werte von 9 bis 12) einsetzt, die ohne Positionsbeschränkung gelegt werden dürfen, und außerdem selbst vielleicht noch über die Würfel entscheiden darf, der landet sicherlich auf einem der begehrten vier Spitzenpositionen, die 50, 30, 20 und 10 Punkte bringen. Spieler, die in der Endphase des Rennens merken, dass sie nicht mehr entscheidend um die vorderen Positionskämpfe eingreifen können, werden gute Karten für das nächste Rennen zurückhalten, denn die neuen zehn Karten für die zweite oder letzte Runde dürfen mit auf der Hand verbliebenen Karten ausgetauscht werden.
TURFMASTER wird am Ende der Spieler, der die höchste Gesamtpunktzahl für seinen Stall erreicht hat. Dann haben alle drei spannende Rennen hinter sich, die trotz Würfeleinsatz erstaunlich ausgewogen verliefen.
Der Autor hat mit seinem Erstling ein ordentliches Händchen für ein gutes Rennspiel bewiesen. In seiner Schublade hätte er noch eine Reihe weiterer Spielideen. Nach diesem ersten Erfolg darf man auf Nachfolgeprodukte gespannt sein.
Wieland Herold
TurfMaster
Autor: Albrecht Nolte
Verlag: Aza-Spiele, Schnutenhausstr. 3, 45136 Essen
2 bis 8 Spieler
ab 8 Jahren (nicht ab 14, wie vom Verlag angegeben)
45 bis 90 Minuten
ca. 90.- DM
Die Rezension erschien 1998 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 3/1998 R 24/2020
Das Bild stammt von der Spiel in Essen aus dem Jahre 1999. Am Tisch sitzen der Autor und seine Gattin Elena und Bernward Thole mit seinem Sohn.
Nolte tingelte ein gutes Jahrzehnt mit TURFMASTER über die Messen. Bis 2013 gab es Turniere. Ein Benno Schotte aus Münster führt das letzte Ranking an.
Von den Schubladen-Spielen hat Nolte 2000 noch MOTORCHAMP und 2003 GOLFPROFI herausgebracht, beide Spiele konnten an den Erfolg seines Pferderennens nicht anknüpfen.
Mittwoch, 25. März 2020
FLOTTER OTTER
Den Niederländer Daan Kreek kennen wir von Spielen wie das WIZARD WÜRFELSPIEL (Amigo) und ABRA PALABRA (HUCH!). Der Amsterdamer Autor hat vor zehn Jahren den Verlag Puzzles & Games gegründet, in dem er Konzepte für andere Verlage entwickelt und seit 2015 selbst Spiele veröffentlicht. Inzwischen wurden 20 seiner Ideen von unterschiedlichen Verlagen auf den Markt gebracht.
Seine neueste Idee ist FLOTTER OTTER (Zoch), das gut in die GEISTES BLITZ-Ecke des bayerischen Verlages passt, wirkt erst einmal wie ein SPEED CUPS-Klon. Bei Haim Shafir müssen nach Vorgabe Plastikbecher in die richtige Reihenfolge gebracht werden, bei Dan Kreek sind es Duplo-Steine. Nun ja, keine echten, sondern Produkte des Herstellers Unico, die aber kompatibel mit den Noppen des dänischen Branchenriesen sind.
Kreeks FLOTTER OTTER kann als Weiterentwicklung der SPEED CUPS angesehen werden. In seinem Stapelspiel werden Frachtbriefe erfüllt, Aufträge von Otterdams Hafenotter Otto Otzeflott, der mal Monitore, Bestecke, Pullover und Uhren ordert. Das Besondere seiner Lieferscheine: Die Waren gibt es nur in den fünf Farben gelb, grün, blau, orange und pink. Exakt diese Bausteine hat jeder vor sich. Die zweite Besonderheit besteht darin, dass alle Waren sich individuell gleich doppelt unterscheiden. So können die Bildschirme fünf verschiedene Sockelhöhen besitzen und haben einmal mehr, das andere Mal weniger Tasten. Den genauen Blick auf die zusammenzustellenden Objekte, ermöglicht eine Lupe, deren Farbzuordnung, korrekt umgesetzt, doppelte Siegpunkte verspricht.
Der Ablauf ist bekannt, eine Frachtkarte wird aufgedeckt, alle suchen nach vergleichbaren Elementen und bauen so schnell wie möglich einen Stapelturm zu einem der beiden Attribute. Wer meint, fertig zu sein, schnappt sich eine Zahlenkarte und verändert nichts mehr an seinem Turm. Am Ende wird überprüft, wer fehlerlos gebaut hat. Da zwei Merkmale vorhanden sind, gibt es meistens zwei Gewinner der Suchrunde. Derjenige, der die Lupenaufgabe korrekt erfüllt, bekommt sogar doppelte Otterpunkte. Fehler werden mit Kartenverlust geahndet, die leistet man sich daher besser nur am Anfang. Sobald ein Spieler fünf Frachtbriefe gewonnen hat, endet FLOTTER OTTER nach etwa 20 Minuten.
Die Schwierigkeit bei SPEED CUPS bestand nur in dem Umschalten von der vertikalen zur horizontalen Anordnung, Kreeks OTTER ist schon anspruchsvoller. Erst einmal müssen vergleichbare Unterschiede herausgefunden werden, dann muss die Lupenfarbe im Blick sein. Wer weiß, dass er nicht so schnell ist, konzentriert sich am besten gar nicht darauf, sondern nimmt die andere Eigenschaft, die ihm meist konkurrenzlos einen Gewinnpunkt bringt. Beim Kampf um das höher bewertete Attribut gibt es fast immer Verlierer. Die vielen Details, die zu beachten sind, führen anfangs oft zu Fehlern, die mit Kartenverlust bestraft werden. So wird bei einer Besteckkarte das zweite Merkmal mit den Gabelzinken gar nicht so schnell erkannt, während die Zahl der Messer augenscheinlich ist. Zusätzlich wird alles erschwert, da die Motive in unterschiedlicher Konstellation erneut auftauchen. Wegen der vielen Details, die zu beachten sind, muss jeder daher einen guten Blich auf die Karte haben.
FLOTTER OTTER ist eine ansprechende Erweiterung der Beobachtungsspiele, die genaues Hinsehen fordert und blitzschnelle Bautätigkeit verlangt. Durchaus noch ein Kinderspiel, bei dem Erwachsene aber gern mitstapeln.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: FLOTTER OTTER
Autor: Daan Kreek
Grafik/Design: Dennis Lohausen
Verlag: Zoch
Alter: ab 8 Jahren (auch ab 6 Jahren möglich)
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Spiel 23/2020
Dienstag, 24. März 2020
LE TOUR
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Die Radrennsaison wird eröffnet
Drei Jahre tingeln sie inzwischen schon durch die Spielelandschaft. Ihr Bekanntheitsgrad entspricht allerdings bei weitem noch nicht der dargebotenen Spielequalität. Erst die professionelle Produktion des in Essen vorgestellten Spiels SEALIFE brachte für die beiden Schweizer Brüder Patrick und Adrian Inauen die schon lang verdiente Aufmerksamkeit, die sich damit hoffentlich auch auf ihre liebevoll produzierten Kleinstauflagen von Sportspielen auswirkt. Eines davon soll an dieser Stelle vorgestellt werden.
Beide Brüder sind Spieleautoren, für die Spielmechanik und passende thematische Umsetzung zusammenpassen müssen. Ihre ersten Veröffentlichungen sind ein guter Beleg dafür. Der 28jährige Patrick Inauen, der 1995 den Verlag „Inauen Spiele“ gründete, hat mit seinem Erstling MAILLOT JAUNE das wohl realistischste Radrennspiel entwickelt, das je auf dem Markt war. Auch UM REIFENBREITE, immerhin „Spiel des Jahres“ 1992, kann mit der Qualität dieses Spiels nicht mithalten. Die handgefertigte Erstauflage ist ausverkauft, das Nachfolgespiel LE TOUR wird ebenfalls in einer Kleinserie in mühevoller Arbeit von Patrick Inauen produziert. Sein Beruf als Dekorationsgestalter bei einer Schweizer Warenhauskette kommt ihm dabei sehr entgegen. Kein Materialrest, der nicht spielerisch verwertet wird.
Die Rennstrecke, quadratische Pappscheiben unterschiedlicher Farben, die für Flach-, Anstieg- und Sprintstücke stehen, außerdem für Steigungen und Abfahrten, wird von Spiel zu Spiel neu zusammengestellt, sodass sehr realitätsnahe Touren nachgebaut werden können. Maximal sechs Mannschaften mit je sechs Fahrern können sich am Radrennen beteiligen. Jeder erhält ein Teamblatt, auf dem die Stärken und Schwächen der einzelnen Fahrer vermerkt sind, wobei auch die Tagesform, die am Anfang ausgewürfelt wird, eine besondere Rolle spielt. Da gibt es spurtstarke Fahrer wie Erik Zabel, aber auch Allrounder wie Jan Ulrich, einige erweisen sich besonders stark in der Arbeit im Hauptfeld, andere prägen durch ihre Kondition Ausreißergruppen, wieder andere sind alleine kaum zu schlagen. Der Spielreiz liegt im taktischen Einsatz aller Fahrer der Mannschaft, die als Wasserträger die eigentlichen Spitzenkräfte in die Führungspositionen vor Sprint- und Bergwertungen und vor dem entscheidenden Schlussspurt am Ziel bringen müssen. Das kann auch im Zusammenspiel und in Absprachen mit den mitfahrenden Mannschaften geschehen. Hier besitzt LE TOUR ein Verhandlungselement, das es in Sportspielen in dieser Form sonst nicht gibt.
LE TOUR muss man gespielt haben, um sich in den Bann einer außergewöhnlichen Spielatmosphäre ziehen zu lassen. Bei der Qualität des Spiels ist es mehr als verwunderlich, dass noch kein großer Verlag auf dieses Radrennschmankerl aufmerksam geworden ist. Wer ein Faible für Spieleraritäten besitzt und außerdem noch ein hervorragendes Spiel erwerben möchte, kann LE TOUR direkt beim Autor bestellen. Wer sich sputet, erhält sein handgefertigtes Exemplar noch rechtzeitig vor dem Start der „Tour de France“.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: Le Tour
Verlag: Inauen Spiele, Patrick Inauen, Sala 25, Ch-7204 Untervaz
Autor: Patrick Inauen
Spielerzahl: 3 bis 6
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: hängt ab von der Streckenlänge, mindestens 60 Minuten
Preis: 65.- DM
Die Rezension erschien 1998 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 2/1998 R 23/2020
Das Bild oben stammt aus einer Spielrunde in Arne Soltendiecks (3. von links) Göttinger SPIELEBURG, einem der renommiertesten Spielwarenläden Deutschlands.
Die Brüder Inauen waren 1998 in Göttingen auf dem Autorentreffen, daher stammt das zweite Bild. Adrian Inauen hat SEALIFE-Karten in der Hand. Patrick, der Autor von LE TOUR, ist links zu sehen.
In Zeiten von Corona eine Radrennsaison zu eröffnen, wäre heute, 22 Jahre später, unmöglich. Damals saß das deutsche Fernsehvolk vom 11.Juli bis 2. August im Radrennfieber vor der Kiste, weil man ja noch an Jan Ullrich glaubte, der 1998 Zweiter wurde. Auch von Erich Zabel war man begeistert, der das Grüne Trikot gewann.
Montag, 23. März 2020
KIPICOT
Der leider im August letzten Jahres verstorbene Alain Rivollet, dem wir Ideen wie CONCEPT und DEALMAKER zu verdanken haben, ist ebenso an KIPICOT beteiligt wie Jean-Jacques Derghazarian, der schon eine Handvoll Spiele für Djeco veröffentlichen durfte.
KIPICOT ist ein raffiniertes Strategiespiel des französischen Verlages Djeco, das durch die thematische Seeigel-Einkleidung als Kinderspiel daherkommt, aber in Erwachsenenduellen endet. Auf dem beschränkten Raum eines 5x5 Rasters gilt es, möglichst viele der Seeigel-Chips zu gewinnen. 40 sind davon als Holzscheiben im Spiel, je 20 rote und gelbe. Einfache Seeigel bewegen sich nur orthogonal ein Feld weit, doppelte Seeigel wandern beliebig innerhalb der gesamten Spalte oder Reihe.
Wer am Zug ist, zieht nach diesen Regeln freiwillig einen Chip oder kleinen Turm, auf diese erste Phase darf er allerdings verzichten. Danach zieht er das erste oder zweite Mal, alternativ bringt er einen Seeigel vom Vorrat auf den Plan. Abschließend wird die eigene Spielfigur zur Blockade eines Stacheltiers auf dem Spielplan genutzt.
Alle Bemühungen dienen der Bildung von kleinen Quadraten, die spezielle Bedingungen zu erfüllen haben. In den Diagonalen müssen die Chips farbidentisch sein, das klappt damit einfarbig oder versetzt in beiden Farben. Außerdem muss sich auf einem der vier Felder die eigene Spielfigur befinden, die zusätzlich diagonal nicht mit einer gegnerischen Figur benachbart sein darf. Sind alle diese Voraussetzungen erfüllt, gewinnt der Spieler sämtliche dort befindlichen Seeigel samt seiner Figur, die er erst im nächsten Zug wieder zum Einsatz bringt.
KIPICOT endet, wenn im Vorrat nur Chips einer Farbe sind. Damit das passiert, muss nach drei Runden, in denen Seeigel nur bewegt wurden, ein neuer aufs Brett gebracht werden. Wer die meisten stacheligen Wesen angelt, gewinnt nach einer knappen halben Stunde das Spiel.
Die strategische Idee von Rivollet und Derghazarian funktioniert durchaus nur mit einfachen Steinen, der beweglicheren Doppelfiguren bedarf es nicht unbedingt, zumal durch die größeren Bewegungsweiten häufig selbst aufgebaute Türme entführt werden. An dieser Stelle bleibt die Regel unklar. Bei der Schlussbewegung der Figur, ist nicht klar, ob diese stehen bleiben darf, um zum Beispiel einen Turm weiter zu blockieren, oder ob stets ein Zug auf einen neuen Seeigel erforderlich ist, wie wir es gespielt haben.
Stark ist meistens die Rückkehr von Spielfiguren auf den Plan, wenn in der Vorrunde Seeigel gewonnen werden konnten, da man oft an fremden Seeigelkolonien partizipiert. KIPICOT funktioniert ideal zu zweit, sind mehr beteiligt, spielen schwächere Gegner stärkeren in die Hände. Da hängt der Sieg dann oft von den Spielern ab, die vor einem sitzen. Für Erst- und Zweitklässler ist das alles nichts, dazu sind zu viele Sonderregeln zu beachten. Das gilt einmal für die korrekte Erfüllung der einzusammelnden Seeigelquadrate, außerdem für die drei Runden-Regel, die leicht vergessen wird, wobei der Nachschub meistens im eigenen Interesse liegt.
Die Idee der beiden Autoren trägt, besitzt durchaus spannende Momente, lädt aber nicht zu täglichem Seeigelfang ein. Die Umsetzung von Djeco ist solide, für die sonstige Qualität dieses Verlages fast nüchtern, auch wenn das bunte Cover anderes verspricht.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: KIPICOT
Autoren: Alain Rivollet, Jean-Jacques Derghazarian
Grafik/Design: Charlotte Gastaut
Verlag: Djeco
Alter: ab 7 Jahren (eher ab 8 oder besser ab 10 Jahren)
Spielerzahl: 2 – 4, am besten im Duell
Spielzeit: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 22/2020
Sonntag, 22. März 2020
FLASCHENTEUFEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Geistvolles aus der Flasche: FLASCHENTEUFEL
Spielerisch inspiriert wurde Spieleautor Cornett durch die Erzählung "Der Flaschenkobold" von R. L. Stevenson. Der Autor der "Schatzinsel" lässt dem Besitzer eines Flaschengeistes alle Wünsche in Erfüllung gehen, stirbt er aber, bevor er die Flasche weiterverkauft, fährt er zur Hölle. An den Verkauf ist eine Bedingung geknüpft: Den Geist wird man nur los, wenn man ihn günstiger verkauft, als man ihn erworben hat.
An diesem Grundgedanken orientiert sich Cornetts Spielidee. FLASCHENTEUFEL ist ein Kartenstichspiel mit 36 Spielkarten, je 12 Karten in drei Farben mit unterschiedlicher Werteverteilung. Eine Sonderrolle spielt zu Beginn die Karte mit dem Wert 19, sie gibt den aktuellen Preis des Flaschenteufels an.
Es geht wie in jedem Stichspiel darum, möglichst viele Kartenstiche und damit auch Punkte zu sammeln. Es gibt allerdings keine Trumpffarbe, die ersetzt der Wert des Flaschenteufels. Wird zu Beginn zum Beispiel ein gelber Stich gespielt und alle Karten liegen über dem Wert 19, erhält der Spieler mit der höchsten Karte den Stich. Liegen aber eine 13 und eine 18 neben einer 33 mit im roten Stich, erhält derjenige die Karten und einen Flaschenteufel, der am nächsten am alten Preis des Teufels ist. Das wäre zu Beginn der Spieler mit der 18er-Karte, die damit den neuen Wert des Flaschenteufels definiert.
Am Anfang ist nichts gegen den Flaschenteufel einzuwenden, er bringt mit jedem Stich Punkte ein. Sinkt der Wert unter zehn, wird es allerdings kritisch, denn der letzte Besitzer des Flaschenteufels fährt zwar nicht zur Hölle, kassiert aber Minuspunkte, außerdem verfallen seine gesamten Stiche.
Ein zu Beginn gewöhnungsbedürftiges, aber raffiniertes Spiel, das nur grafisch völlig verhunzt ist, trotzdem: Augen zu - und unbedingt kaufen!
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: Flaschenteufel
Autor: Günter Cornett
Verlag: Bambus-Spieleverlag
Spielerzahl: 3-4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: nach Vereinbarung
Preis: 10.- DM
Die Rezension erschien 1995 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 1/1995 R 22/2020
Beim Kartenspielpreis À la carte der Fairplay erreichte der FLASCHENTEUFEL 1996 den vierten Platz. Das Spiel ist im Augenblick als THE BOTTLE IMP bei Lautapelit im Programm, auch Cornett hatte zwischenzeitlich (2003) eine grafisch bessere Fassung herausgebracht. Das Bild oben zeigt Günter Cornett mit dem Spiel auf dem Autorentrennen in Göttingen 1996.
Samstag, 21. März 2020
BUNTES BURANO
Hafenfassaden können durchaus attraktiv sein. Das zeigte DIE SPEICHERSTADT (eggertspiele) in Hamburg und hat uns COPENHAGEN (Queen Games) mit seiner Häuserfront in Nyhavn bewiesen. Das venezianische BURANO mit den überschaubaren Inselmaßen von 670 Metern Länge und einer maximalen Breite von 450 Metern bietet ebenfalls farbenfreudige Hausansichten und lädt zu einem Spaziergang durch die Inselgässchen in BUNTES BURANO ein. Der Legende nach diente die Farbgebung der Häuser der Orientierung ihrer Bewohner, Fischer, die bei Nebel oder durchzechter Nacht ihr Heim an der Farbe ausmachten.
Mit Etagenkarten für Erd-, Ober- und Dachgeschoss lassen sich die typisch kleinen BURANO-Häuser nachbauen, mit der Liebe zum Detail, ausstaffiert mit Markisen, Grünpflanzen und Blumen, Hauslaternen und den auf der Insel beliebten Kätzchen. Das ist so anziehend, dass viele Touristen kommen und sogar die Bewohner ab und zu vor den Inselgebäuden verharren.
Ausgestattet mit zwei Gerüsten, etwas Geld und Bonusmarkern starten bis zu vier Spieler, um einen Straßenzug mit fünf Häusern in BURANO zu renovieren. Aus einer Auslage mit einem Fassadenangebot für die drei Stockwerke, das einen Häusersatz mehr umfasst als Spieler beteiligt sind, holen sich alle ihr Baumaterial. Dort liegen außerdem Gäste und Bewohner aus, die unter bestimmten Bedingungen in die eigene Straße kommen.
Wer am Zug ist, nimmt Karten, legt welche aus und erhält für eine vollständige Hausrenovierung eine Person. Die Kartenaufnahme ist balanciert geregelt. Jeder wählt mindestens eine, maximal drei Karten aus. Wer bescheiden ist, erhält Geld zur Kompensation. Die Spieler nehmen die Etagen-Karten nicht beliebig auf, sondern stets nur aus einer Häuserspalte im offenen Angebot. Am Zugende behalten sie höchstens drei Karten auf der Hand, für die Geldreserven beträgt ihr Limit sechs Münzen.
Anschließend verbauen sie bis zu drei Karten in der eigenen Straße, hier steigen die Kosten, nur die erste Etage kostet ein Geld, alle weiteren zwei Münzen. Renoviert werden dürfen mehrere Häuser gleichzeitig, sofern sie orthogonal aneinandergrenzen, Etagenlücken müssen durch Gerüste gefüllt sein. Zusätzlich gibt es Farbvorschriften der Kommunalbehörde, die sich aber gegen Abgabe von Bonusmarkern umgehen lassen. So erwartet die Verwaltung einfarbige Häuser und Farbunterschiede zu den benachbarten Gebäuden. Wer drei Etagen fertig hat, bekommt dafür eine Personenkarte, einen Gast oder Bewohner, der für die Punktwertung am Ende wichtig ist. Touristen, von denen es vier unterschiedliche gibt, dürfen beliebig oft auftauchen, die dort Sesshaften, die in sieben verschiedenen Funktionen vorkommen, aber maximal zweimal im Spiel sind, dürfen nur einmal genommen werden. Das kleine Mädchen findet beispielsweise Gefallen an jeder Katze am Haus, vor dem sie steht, und vergibt drei Punkte pro Tier, erhält außerdem als Touristin automatisch zwei Siegpunkte. Der Weihnachtsmann freut sich als Bewohner über jeden Schornstein in der Straße und spendet ebenfalls drei Gewinnpunkte. Begehrter sind meist die einheimischen Charaktere, die bei intelligentem Bau bis zu 15 Punkte bringen. So belohnt der Polizist die individuellen Laternen mit jeweils fünf Punkten, wenn sie nicht direkt benachbart sind.
BUNTES BURANO endet, sobald ein Spieler beim Rundenende fünf Häuser renoviert hat. Für die Auswertung liegt ein Abrechnungsblock bei. Punkte gibt es für die Charaktere, die man in die eigene Straße geholt hat, zusätzlich für Ladengeschäfte in Parterre und für nicht genutzte Bonus-Marker. BURANO will eine offene Stadt sein, deshalb werden geschlossene Fensterläden abschließend bestraft, wer die meisten Fenster verriegelt hat, bekommt diese punktemäßig abgezogen.
Der Taiwanese Wei-Min Ling ist gleichzeitig Produzent und Autor für BUNTES BURANO. Als Mitteilhaber von EmperorS4 hat er das Spiel WALKING IN BURANO 2018 veröffentlicht, das Daniel Theuerkaufer 2019 für den deutschen Markt aufbereitet hat. Sein Verlag Board Game Circus hat ein gutes Händchen bei dieser Auswahl bewiesen, denn BUNTES BURANO ist ein wunderschön rundes taktisches Legespiel, dessen detailreiche grafische Umsetzung durch die taiwanesische Künstlerin Maisherly Chan, die auch schon für HANAMIKOJI verantwortlich war, mehr als gelungen ist. Verlag und Grafikerin denken nicht nur an die schöne Gestaltung, Symbole machen die Farbzuordnung eindeutig und das Spiel damit barrierefreier.
Die Spielspannung ergibt sich aus der Balance zwischen Kartenaufnahme, Geldhortung und dem gezielten Bauen an der eigenen Straße. Das läuft nicht konfliktfrei ab, da wird der rosa Eissalon mit seinen drei Wertungspunkten mir direkt vor der Nase weggeschnappt, oder das einzige gelbe Dach verschwindet in der Reservierungshand meines Gegenübers. Wenn dann noch der letzte Polizist in einer fremden Straße platziert wird, obwohl ich gerade die dritte Laterne im grünen Haus rechts gebaut habe, möchte man am liebsten Knallerbsensträuche pflanzen. Von daher macht es Sinn, seine Ziele lange verdeckt zu halten, das Hand- und Geldlimit auszureizen, denn fast niemand merkt sich alle aufgenommenen Karten.
Die Farbeinhaltung spart Bonusmarker, die am Ende drei Punkte bringen. Wichtiger sind meist die hohen Wertungen durch die einheimischen Charaktere. Wer auf Geschäfte unten, viele Schornsteine oben und auf bunte Store achtet, kann durchaus auf diese drei Siegpunkte verzichten. Mit den Markisen handelt man sich jedoch oft geschlossene Fensterläden ein, von denen zu viele ebenfalls nicht gut sind. Es gibt immer viel abzuwägen, freilich in einem Maße, dass alles einfach und familienspieltauglich bleibt.
Die benutzten Mechanismen sind letztlich nicht neu, aber die Mischung stimmt. In der kleinen, preiswerten Schachtel BUNTES BURANO steckt mindestens so viel Bauspaß wie in dem großen COPENHAGEN. Sogar ein Solo-Spaziergang durch BURANO funktioniert tadellos.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: BUNTES BURANO
Autor: Wei-Min Ling
Grafik/Design: Maisherly Chan
Verlag: Board Game Circus
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 1 - 4
Spielzeit: ca. 20 - 40 Minuten
Preis: ca. 16 Euro
Spiel 21/2020
Freitag, 20. März 2020
CARABANDE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auf den Spuren Michael Schumachers
Mit dem richtigem Gefühl im Finger wird das eigene Rennauto, eine kleine Holzscheibe, über eine Pressholz-Rennbahn ins Ziel geschnipst. Bis zu acht Spieler können zur Aufholjagd um die CARABANDE-Trophäe antreten.
Ein tolles Geschicklichkeitsspiel, von der Bewegungstechnik an das indische CARROM angelehnt. Schon der Aufbau der Rennbahn ist ein eigenes Spiel, zehn Kurven und sechs Geraden lassen den Bau immer wieder neuer Rennstrecken zu.
Der Autor Jean du Poël hat das Spiel vor einem dreiviertel Jahr der Spieleöffentlichkeit zuerst auf dem Autorentreffen in Göttingen und dann in Essen auf einem großen Holzbrett präsentiert, dem Verlag Goldsieber ist es zu verdanken, dass das gesamte Material, kompakt verpackt, in eine normale Spieleschachtel hineinpasst und trotz der Materialfülle zu einem äußerst günstigen Preis in die Läden kommt. Im Bereich der Aktionsspiele gewiss der Höhepunkt 1996 und sicherlich allem batteriebetriebenen Schnickschnack vorzuziehen.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: CARABANDE
Verlag: Goldsieber Spiele
Autor: Jean du Poël
Spielerzahl: 2-8
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 69.- DM
Die Rezension erschien 1996 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 6/1996 R 21/2020
Das packende Geschicklichkeits-Rennen für Leute mit Fingerspitzengefühl ist das erfolgreichste Spiel des leider verstorbenen Autors Jean du Poël, der das Spiel ursprünglich im Eigenverlag seiner Historienspiele Galerie als AVUS (siehe Bild) herausgebracht hat. Die Jury vergab für die Goldsieber-Fassung den Sonderpreis „Geschicklichkeitsspiel“, der Autor erreichte damit sogar den dritten Platz beim Deutschen Spielepreis und musste sich nur den Schwergewichten EL GRANDE und ENTDECKER geschlagen geben. Als PITCHCAR hat es FERTI seit 2003 im Programm.
Donnerstag, 19. März 2020
SPICY
In Glonneggers Spielebuch taucht es zwar nicht auf, aber in dem anderen Klassiker von Roland Gööck mit „1000 Spielen für jung und alt“, finden wir es als MOGELN, ein Kartenspielklassiker, der in meiner Jugend ganz simpel SCHUMMELN hieß. Dieses lockere Ablegespiel ist weltweit bekannt, im englischsprachigen Bereich unter BULLSHIT, die Franzosen nennen es LE MENTEUR, in Deutschland existiert zusätzlich der liebevolle Begriff des SCHUMMELLIESCHENs.
An dieser klassischen Spielidee orientiert sich der ungarische Brettspieldesigner Zoltán Gábor Győri, der seit 2012 Spiele entwickelt und mit dem Partyspiel IGEN? 2018 seine erste Veröffentlichung vorweist, außerdem betreibt er einen Brettspielkanal in seiner Heimat. IGEN? erschien bisher nur in Ungarn im Gémklub-Studio, an dem u.a. der in Deutschland schon seit den 90er Jahren bekannte Zoltán Aczél (TOKAMI, MASKENBALL) beteiligt ist. Győris bei HeidelBÄR Games erschienenes SPICY ist SCHUMMELN mit einer Prise Doppelzüngigkeit.
Die Basis stellen Karten dar mit Werten von 1 bis 10 und Farben, die den Gewürzen Pfeffer, Wasabi und Chili zugeordnet sind. Jede Karte ist dreimal im Deck, hinzu kommen Jokerkarten für Würze und Zahlen. Gespielt wird um den Gewinn von drei Trophäenkarten, außerdem sind weitere sechs Spezialkarten für eine „extra-scharfe Herausforderung“ im Spiel.
Vom prinzipiellen Ablauf ähnelt SPICY dem Klassiker SCHUMMELN. Jeder erhält eine bestimmte Zahl von Handkarten, die regelgerecht, aber verdeckt abzuspielen sind. Wer das nicht kann, muss versuchen, schummelnd weiter zu kommen. Die Ablage folgt innerhalb einer Gewürzsorte und beginnt mit einem Zahlenwert zwischen 1 und 3. Der folgende Spieler nennt eine höhere Zahl des angespielten Gewürzes, nach der 10 geht es wieder von unten los. Wer nicht lügen will, passt und zieht eine Karte vom Nachziehstapel. Ausgespielte Karten dürfen nicht nur vom nachfolgenden, sondern von allen Spielern angezweifelt werden. Die Kampfansage enthält die neue Qualität von SPICY. Der Herausforderer entscheidet, ob er die angesagte Zahl oder das geforderte Gewürz anzweifelt. Eben das ist für die Beteiligten ein Rettungsanker, die zwar die Wasabi 10 nicht mehr haben, dafür aber einen niedrigeren Wasabi-Wert. Da der Gegner vermuten könnte, dass man eine andere 10 gespielt hat, wird er das Gewürz anzweifeln, das man dann allerdings vorweist.
Der Gewinner der Herausforderung erhält die bis dahin angehäuften SPICY-Karten als Punktestapel, der Verlierer zieht zwei Handkarten nach. Wer seine letzte Karte spielt und durchbekommt, nimmt eine von drei Trophäenkarten mit 10 Punkten. Diese beenden meist das Spiel. Sobald ein Beteiligter zwei erlangt, ist er automatisch Gesamtsieger. Aufgeteilt unter drei Spielern, addieren alle die zusätzlich gewonnenen Karten dazu und es gewinnt der Spieler mit den meisten Punkten. Diese Schlussregelung gilt auch, wenn im Nachziehstapel eine sogenannte „Verbrannt-Karte“ auftaucht. Pfiffig gelöst, ist das Platzieren dieser Schlusskarte mit Hilfe eines Kartenstandanzeigers.
So wie L.A.M.A. im letzten Jahr als MAU-MAU-Derivat erfolgreich auf die Spieltische kam, wird das SPICY als raffinierte SCHUMMEL-Variation 2020 gelingen. Zum Erfolg tragen daneben die ungewöhnlichen Karten in Glanzgold-Optik bei und die Tiergrafiken Jimin Kims, die zu der abstrusen Hintergrundgeschichte passen, nach der sich drei Raubkatzen dadurch messen, dass sie die meisten scharfen Gewürze verspeisen.
SPICY lebt vom Bluff-Reiz und vom Kartenmanagement. Wer startet, wird die Gewürzsorte nehmen, von der er viele Karten besitzt. Zum Einstieg zu lügen und doppelte Zahlen abzuwerfen, macht Sinn und geht oft ohne Beanstandung durch, danach ist es hilfreich, noch auf eine Wende-Zehn, das Lama in dem Spiel, zurückgreifen zu können. Mit der letzten Karte muss man einfach Glück haben. Wer gut blufft, wird die Runden besser überstehen als Spieler, denen das Schummeln auf die Stirn geschrieben steht. Das sind oft diejenigen, die nicht nach Wiederholungsrunden rufen, denn zu diesen kommt es meistens anschließend an die erste und zweite Partie SPICY.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: SPICY
Autor: Zoltán Győri
Grafik/Design: Jimin Kim
Verlag: HeidelBÄR Games
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 6
Spielzeit: ca. 15 - 20 Minuten
Preis: ca. 15 Euro
Spiel 20/2020
Mittwoch, 18. März 2020
BAMBOLEO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auf der Kippe
Für Verblüffung sorgt das im Oktober ‘96 erschienene Balance-Spiel des Luxemburger Autors Jaques Zeimet BAMBOLEO (Zoch-Verlag). Der übliche Ablauf, dass Spielsteine auf ein Waagefeld gestellt werden, wird hier umgekehrt. Alles Spielmaterial, über 30 große Holzsteine werden zu Beginn des Spiels auf einer runden Holzplatte verteilt. Diese Holzlandschaft, die viele Möglichkeiten der optischen Gestaltung bietet, wird dann vorsichtig auf einem 16cm hohen Holzständer mit einer Korkkugel an der Spitze austariert.
Der Spielablauf ist schnell beschrieben: Zwei bis sieben Mitspieler können sich laut Regel an dem Spiel beteiligen. Eine Spielrunde zu viert scheint mir die optimale Besetzung. Der Reihe nach nimmt jeder ein Holzelement von der Spielplatte, ohne diese dabei zu berühren. Die Aufnahme eines Steines sollte sehr behutsam erfolgen, da der Holzständer starke Schwingbewegungen zulässt. Ist man an der Reihe, hat man immer nur einen Versuch, um an Steine zu gelangen. Kippt die Platte oder rutschen Holzsteine von der Platte, ist die Runde sofort beendet. Bei der Wertung zählt jeder gesammelte Holzstein einen Punkt; vier Strafpunkte gibt es, wenn das ganze Arrangement ins Rutschen kommt. Gespielt werden sollte auf 30 Siegpunkte, was beim Spiel zu viert etwa sechs bis acht schnelle Spielrunden ausmacht.
Die Spielregeln bieten nichts weltbewegend Neues, die Spielerfahrungen aber schon. Wenn in extremer Schräglage die Platte an der Korkkugel haftet und die Steine nicht ins Rutschen geraten, dann gerät das Spiel zur Zauberei. BAMBOLEO ist ein recht teures Balancespiel, aber ein besonders eindrucksvolles.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: BAMBOLEO
Verlag: Zoch Verlag
Autor: Jaques Zeimet
Spielerzahl: 2-7
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 15 min
Preis: ca. 75.00 DM
Die Rezension erschien 1996 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 5/1996 R 20/2020
Das Bild zeigt Albrecht Werstein (Zoch Verlag, links) und Werner Falkhof (Theta) und zwei Messebesucherinnen auf der Spiel 1996.
Dienstag, 17. März 2020
DRACHENLAND
Vor knapp 20 Jahren herrschte schon einmal Aufregung im DRACHENLAND (Ravensburger). Opulent ausgestattet mit Würfelturm retteten die Spieler damals nach Knizias Regeln Dracheneier und Edelsteine vor ausbrechenden Vulkanen. Aktuell entführt der Bostoner Wirtschaftsprofessor Darren Kisgen wieder ins DRACHENLAND in sein Universum der Drachen. Für Kisgen ist es das zweite Spiel, das er in diesem Umfeld ablaufen lässt. DRAGONWOOD war 2018 schon eine abwechslungsreiche Mischung aus Kartensammlung und Würfelduell.
Etwas komplexer, aber erneut mit Würfeln, verläuft DRACHENLAND. Aus 20 verschiedenen Ortskarten des fantastischen Drachenlandes werden zufällig sieben für die Abenteuer einer Spielrunde gewählt. Karten wie die Schlangengrube, die Troll-Taverne und das Baumhaus der Oger liegen offen aus. Zusätzlich warten drei weitere verdeckte Orte und abschließend ein Drachenkampf am Drachentor, auf der Dracheninsel oder in der Ruine. Ausgestattet mit acht kleinen Helden, fünf Abenteurer- und ein oder zwei Verstärkungskarten starten bis zu vier Spieler ins DRACHENLAND, in dem es Geld zu erwerben gibt, neue Karten warten, zusätzlich gefährliche Kobolde, die ihr unberechenbares Unwesen treiben. Für alle, für die es nicht so gut läuft, steht die Akademie der Abenteurer offen.
Die entscheidenden Siegpunkte bringt der Gewinn der Ortskarten, die für die Mehrheitswertungen zwischen drei bis sechs Felder anzeigen, in die man die kleinen Helden setzt. Die meisten Punkte gibt es für den Gewinner vor Ort, wobei der Zweite ebenfalls nicht leer ausgeht. Das Platzieren der Heldenfiguren hängt ab von Wurfergebnissen, die sich aus dem Ausspiel der Abenteurer-Karten ergeben.
Wer am Zug ist, zieht entweder zwei neue Karten oder versucht, einen Ort zu entdecken. Dazu werden bestimmte Kombinationen von Spielkarten ausgespielt, die sich aus fünf Farben und Kartenwerten von 1 bis 12 zusammensetzen. Wer Kartenfolgen in beliebigen Zahlen ablegt, darf sich an den Ort anschleichen. Ausspionieren ist mit Karten derselben Zahl möglich und das Erstürmen nur mit identischer Farbe. Jede gelegte Karte bringt einen Spezialwürfel, der sich vor allem auf Ergebnisse im Zweier- und Dreierbereich konzentriert und nur jeweils einen schlechteren und besseren Wert besitzt, das kennen wir schon aus DRAGONWOOD. Die zu erreichenden Vorgaben schwanken je nach Ort zwischen 4 und 14 Punkten. Hochwertige Resultate werden meist doppelt belohnt, indem man nicht nur eine, sondern gleich zwei Figuren einsetzt. Im Schnitt erzielen die Spieler ein Ergebnis von 2,5. Aber wann kommt schon der Durchschnittswert? Gefühlsmäßig schwankt das stets zwischen totaler Niete und völliger Überbezahlung. Verstärkungskarten bringen einmalig oder dauernd Vorteile beim Entdecken. Wer ohne Erfolg seine Aktion abschließt, bekommt seine eingesetzten Karten zurück auf die Hand und stellt einen Helden in die Akademie, dort hilft er bei zukünftigen Wurfergebnissen.
Für Chaos sorgen die Koboldkarten, wenn die aufgedeckt werden, streiten die kleinen Unholde um die Schätze mit. Je nach Vorgabe wird dann eine Koboldfigur auf eine Ortskarte gesetzt und bringt die Mehrheitsberechnungen erheblich durcheinander. Die Kobolde gewinnen sogar manchmal Orte. Die Sieger erhalten die Karte und den Schatzwert in Münzen ausbezahlt. Sobald das vierte Abenteuer bewältigt ist, wird der Drachenort aufgedeckt. Ist er komplett besetzt, endet das Spiel. Wer das meiste Geld sammelt, gewinnt nach einer knappen halben Stunde. Hilfreich ist dabei außerdem eine Abschlusswertung sogenannter Drachensteine, die sich auf den Ortskarten und einer Verstärkung befinden, restliche Akademiebesucher gehen ebenfalls in diese Wertung ein.
DRACHENLAND besitzt eine höhere Varianz als DRAGONWOOD, das ergibt sich aus der großen Ortsauswahl und der Unberechenbarkeit der Kobolde. Reines Punktesammeln wird hier zur Gebietskontrolle. Deutlich taktischer spielen sich deren Mehrheitswertungen, sie besitzen zusätzlich aber retardierende Funktion. Sind die Mehrheitsverhältnisse entschieden, zieht es sich oft hin, bis restliche Felder besetzt sind. Da erhofft man sich manchmal sogar die Kobolde. Andererseits erhöht dieses Spielkonzept den Zeitdruck und die Risikobereitschaft. Wer sieht, dass die Mehrheiten bald geklärt sind, wagt womöglich mutig den letzten Angriff mit weniger Würfeln als normalerweise. Das bringt prickelnde Spannung und größeren Spielreiz.
Vom Anspruch her bleibt DRACHENLAND aber ein einfaches Familienspiel mit hohem Glücksanteil beim Nachziehen der Karten und vor allem durch das Würfeln. Die grafische Gestaltung durch Chris Beatrice ist erneut gelungen, das Material mit den ausgefallenen Spielerfiguren und kleinen Kobolden, die sogar als Marsmännchen durchgehen könnten, ist ansprechend.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: DRACHENLAND
Autor: Darren Kisgen
Grafik/Design: Chris Beatrice
Verlag: Game Factory
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: ca. 20 - 30 Minuten
Preis: ca. 22 Euro
Spiel 19/2020
Montag, 16. März 2020
RHEINGOLD
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Hippodice-Sieger wird zu RHEINGOLD
Vom Mäuseturm bei Bingen bis zur Koblenzer Festung Ehrenbreitstein führt die spielerische Reise den Rhein entlang. Kultur satt, könnte man vermuten. Handelt es sich doch hier um die romantischste Strecke des Rheins durch das Rheinische Schiefergebirge mit imposanten Talhängen, malerischen Burgen und gefährlichen Engen. Schlägt man den dreifach geklappten Spielplan des neuen Jumbo-Spieles RHEINGOLD auf, entfaltet sich diese reizvolle Landschaft auf einem ansprechend gestalteten Plan.
Als Handelsweg schon von den Römern benutzt, hatte der Rhein bereits früh große wirtschaftliche Bedeutung. Damit ließ sich Geld verdienen. Im Mittelalter war der Fluss die wichtigste deutsche Verkehrsstraße. Legale und illegale Zollstellen, meist durch Burgen gesichert, verteuerten den Warentransport extrem. Besser wurde es erst, als die rheinischen Kurfürsten mit der Übernahme der Beaufsichtigung des Rheins begannen. Zuvor rangen sie allerdings viele Raubritternester nieder, und darum geht es in RHEINGOLD. Eine RISIKO-Variante am Mittelrhein, eine, die es in sich hat.
Die holländische Spielefirma Jumbo hat nach UM REIFENBREITE, dem „Spiel des Jahres“ 1992, erneut ein nicht nur optisch gelungenes, sondern ein vom Spielreiz überzeugendes Brettspiel herausgebracht, das viele Liebhaber finden wird. RHEINGOLD war 1992 zuvor als BURGEN AM RHEIN Gewinner des Hippodice-Autorenwettbewerbs, dort hat Jumbo-Redakteur Ben Leijten das Spiel kennengelernt.
Der österreichische Spieleautor Reinhard Herbert hat ein Taktikspiel für drei bis sechs Personen entwickelt, in dem es darum geht, möglichst viele von 19 Rhein-Burgen von Raubrittern zu befreien. Da alle Kontrahenten ebenfalls dieses Ziel verfolgen, tritt im Verlauf ein vehementer Konkurrenzkampf ein. Verschiedene Strategien führen dabei zum Sieg. Wer früh viele Burgen besetzt, ist dort zwar schwer zu vertreiben, hat aber andererseits nicht mehr genügend Figuren zur Verfügung, um auf die Spielzüge der Mitspieler zu reagieren. Da der Würfel keine entscheidende Rolle für den Spielablauf spielt, überwiegen die taktischen Elemente.
Für alle Freunde strategischer Spiele ein unbedingtes Muss! Außerdem als Fremdenverkehrswerbung für den Rhein nicht zu verachten, denn der Spielplan verlockt, einen Ausflug zur Loreley, zu Katz und Maus und anderen Burgen für die Sommerferien mit einzuplanen.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: RHEINGOLD
Verlag: Jumbo
Autor: Reinhard Herbert
Spielerzahl: 3-6
Spieldauer: 45-90 min
Preis: ca. 39.00 DM
Die Rezension erschien 1993 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 3/1993 R 19/2020
RHEINGOLD war ein Jahr zuvor als BURGEN AM RHEIN Gewinner des Hippodice Autorenwettbewerbs. Das Bild ist aus der Testphase der Jury vom März 1992. In der Mitte des Bildes ist neben Jochen Corts, der als Mitglied der Jury „Spiel des Jahres“ beteiligt war, Ben Leijten, Redakteur bei Jumbo zusehen, der das Spiel veröffentlicht hat.
Das Bild oben zeigt den Gewinner Reinhard Herbert ein Jahr später mit dem endgültigen Spielplan auf dem Autorentreffen in Göttingen.
RHEINGOLD landete 1993 auf der Auswahlliste der Jury und erreichte den 6. Platz beim deutschen Spielepreis. Aktuell wird Herberts Spiel teurer gehandelt als zu DM-Zeiten, die ebay-Preise liegen um die 50 Euro bis zu 120 Euro.
Sonntag, 15. März 2020
HUNGRY HUGO
HUGO treibt wieder sein Unwesen in einer Spieleschachtel, einst bei Wolfgang Kramer als Schlossgespenst, aktuell ist er als Riesenaffe unterwegs und verwüstet Kleingärten.
HUNGRY HUGO des litauischen Verlages Logis ist eine deutsch-luxemburgische Kooperation der Autoren Jens Merkl und Jean-Claude Pellin. Ähnlich wie in der MITTERNACHTSPARTY wacht der Affen-HUGO auf und treibt sein Unwesen, kann aber wieder schlafen geschickt werden.
Zwei bis vier Spieler ab sechs Jahren werkeln an ihren Vorgärten, bestücken sie mit Mandarinenbäumchen, Topfpflanzen und Gartenzwergen. Sobald einer die fünf leeren Plätze vor seiner Hütte ausgestattet hat, endet HUNGRY HUGO. In Vollbesetzung können aber auch die „schönen Dinge“ ausgehen, so dass derjenige gewinnt, der die meisten Objekte im Vorgarten hat. Das liegt vor allem daran, weil sich der wache HUGO an den Pflanzen und Bäumchen bedient. Wenn er gar nichts vorfindet, beißt er sich sogar im Hüttendach fest.
Das Logis-Spiel läuft weitgehend kartengesteuert ab, der Würfel, Hauptmotor in Kramers Idee, spielt nur eine untergeordnete Rolle. Jeder startet mit einem fertigen Gartenhaus und drei Aktionskarten. Der große Holz-HUGO wird vor die Hütte des ältesten Spielers gestellt. Wer am Zug ist, spielt eine Karte aus, mit der er entweder seinen Garten verschönert, HUGO schlafend bewegt oder aufweckt. Die vierte Sorte der Karten betrifft Bananen, die den Affen jederzeit beruhigen.
Wer HUGO weckt, macht dies im Regelfall, wenn er vor einer fremden Hütte steht, es sei denn, er hat nur drei Weck-Karten auf der Hand. Ausschließlich diese Aktion ist mit einem Würfelwurf verknüpft, der HUGO sehr wahrscheinlich zu einer Heißhunger-Attacke verführt, die die Betroffenen nur mit Bananen kontern können. Sind keine Paradiesfeigen im Angebot, holt sich der große Affe einen Gartenschmuck oder ein Hausteil. Das Würfeln birgt freilich ein gewisses Risiko. Auf einer Würfelseite wendet sich HUGO gegen den Würfelnden und greift ihn an.
Aus diesen schlichten Ingredienzien ergibt sich ein munteres Gegeneinander, dessen Mechanismus dazu führt, dass nivellierend stets in Führung liegende Spieler attackiert werden. Letztlich hängt aber alles von den Kartenoptionen ab, die nur bedingt eine Spielsteuerung zulassen. Kindern macht dieses Hin und Her Freude, sie haben zusätzlich Gefallen an dem dreidimensionalen Aufbau des Spiels. Zu Stimmungsausbrüchen und erwartungsvollen „HUGO kommt!“- Rufen wie einst bei Wolfgang Kramer reicht es aber bei HUNGRY HUGO nicht.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: HUNGRY HUGO
Autoren: Jens Merkl und Jean-Claude Pellin
Grafik/Design: Gediminas Akelaitis
Verlag: Logis
Alter: ab 6 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 18 Euro
Spiel 18/2020
Samstag, 14. März 2020
MINOTAURUS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Sohres Beitrag zum Kulturgut Spiel
Dem Kulturgut Spiel sieht sich Michael Sohre mit seiner Spielproduktion verpflichtet. Er durchbricht das Einerlei von Pappspielbrett, Würfeln und Plastikpöppeln.
Sein erstes Theta-Spiel befindet sich in einem außergewöhnlichen Spielekasten. Eine bedruckte Holzkassette, deren Ober- und Unterseite mit Lederriemen und Holzdübeln versehen ist, umschließt eine Sammlung von 50 Keramiksteinen, einen Wurfring aus Leder, eine Stierhornskulptur aus gebranntem Ton und natürlich eine Spielregel. Allein der haptische Reiz, ausgehend von dem Holz und Tonmaterial, ergänzt durch eine optisch ansprechende Deckelgestaltung, die zum Spielthema führt, macht MINOTAURUS zu einem Botschafter des Kulturguts Spiel.
Die Rückseite des Spielkastens führt zum Spielthema hin. Der griechischen Mythologie entnommen, geht es um die alte Minotaurus-Sage. Zu den Aufgaben des Herakles gehörte es, den Stiermenschen Minotaurus in seinem Labyrinth auf Kreta zu besiegen. Ein altes kretisches Kampfspiel fußt wahrscheinlich auf diesem mythologischen Hintergrund. Danach sollen junge Kreter einen anstürmenden Stier bei den Hörnern gepackt haben und nach einem Salto waghalsig auf seinem Rücken gelandet sein. Zurechtfinden in dem Labyrinth des Minotaurus und Geschicklichkeit sind die beiden spielerischen Elemente, die Michael Sohre aus der historisch-mythologischen Vorlage übernommen hat.
Dringen wir weiter in das Spiel vor: Die Deckelplatten zeigen auf ihren Rückseiten das Labyrinth des Minotaurus und die Phasen des Sprungs über den Stier. Den spielerischen Ariadnefaden für das Labyrinth hat der Autor in einer amüsanten Memoryvariante gefunden. Die 50 Spielsteine zeigen Stierhörner in fünf Farben. In jeder Farbe gibt es 5 linke und rechte Hörner mit Punktwerten von 1 bis 5. Spielziel ist, möglichst viele Hornpaare gleicher Farbe und Wertigkeit zu erhalten. Findet man durch Aufdecken á la Memo ein linkes und rechtes Horn einer Farbe, dürfen diese beiden Steine aus dem Labyrinthfeld herausgenommen werden. Haben die beiden Steine unterschiedliche Punktwerte, hat man sie aber noch nicht sicher. Hier kommt der Geschicklichkeitsaspekt mit ins Spiel. Ergibt sich im Spielverlauf, dass ein Mitspieler eine vergleichbare Farbkombination mit mindestens einem identischen Wertstein erhält, dann kann zum Geschicklichkeitswurf herausgefordert werden. Mit einem Lederring versuchen die beiden Kontrahenten eines der Hörner der Stierhornskulptur zu treffen, was gar nicht so einfach ist. Der Sieger erhält den gewünschten Stein. Erreicht er damit ein feste Punktkombination, ist ihm dieses Paar sicher. Je nach Geschicklichkeit kann man durch das "Ringduell" risikobereit auf höhere Kombinationen spielen oder sich sichere Punktwerte sichern.
Insgesamt besteht MINOTAURUS aus einer gelungene Mischung zwischen Memory- und Geschicklichkeitselementen, wobei die Memoryvariante den spielerisch reizvolleren Teil darstellt. Insbesondere die Konzentration auf linke und rechte Hörner einer Farbe fällt anfangs gar nicht so einfach. Spielen Kinder mit, sollte man das nicht so einfache "Ringduell" über unterschiedliche Wurfentfernungen entschärfen. Insgesamt ist MINOTAURUS als Familienspiel gut geeignet.
Strategen und ausgeprägte Gerechtigkeitsfanatiker, die auf gleiche Gewinnchancen für alle Mitspieler aus sind, werden mit MINOTAURUS unzufrieden sein. Wer neben der ästhetischen Freude an einem fantastischen Spielobjekt Spielspaß an einfachen Spielmechanismen findet, die funktionieren und zu einem durchaus spannenden Spiel führen, in dem das Würfelglück durch individuelle Stärken und Schwächen ersetzt wird, der sollte sich diesen Luxus gönnen und das Spiel direkt beim Autor bestellen.
Titel: Minotaurus
Autor: Michael Sohre
Verlag: Theta-Promotion, Johannistisch 20, 14532 Kleinmachnow
Spielerzahl: 3-5
Spieldauer: etwa 45 min
Preis: ca. 150.00 DM
(Wieland Herold)
Die Rezension erschien 1993 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 2/1993 R 18/2020
Samstag, 7. März 2020
RHEINLÄNDER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Siedler und die Folgen: RHEINLÄNDER
Zumindest für den deutschen Markt erkennt der amerikanische Marktführer Hasbro inzwischen an, dass sich möglicherweise nicht nur mit Derivaten von MONOPOLY u. Co. Geld verdienen lässt. Der SIEDLER-Boom wirkt sich auch hier aus. Gleich zwei Spiele renommierter Autoren prägen das diesjährige Programm von Hasbro/Parker. DON PEPE, von Dominique Ehrhardt, ein lukullisches Mafiagemetzel, Parkers Angebot für die Kleinen ab acht (!) Jahren. Das Flaggschiff segelt auf dem Rhein, verantwortlich zeichnet der bekannte Spieleautor Reiner Knizia.
Sein Spiel RHEINLÄNDER beruht auf schnell zugänglichen Spielprinzipien. In einer fiktiven mäandernden Rheinlandschaft können 26 Gebietsfelder bei jedem Spiel immer wieder neu mit Städten, Burgen oder Kirchen belegt werden. Jeder der drei bis fünf Spieler wird ausgestattet mit sechs Herzogfiguren und je nach Spielerzahl 17 bis 25 Ritterplättchen, außerdem besitzt jeder noch drei Basteien. Der Rhein ist in 55 Flusssegmente aufgeteilt, denen Landgebiete auf beiden Seiten des Stromes zugeordnet sind. Für jedes Flussteil gibt es eine Zahlenkarte. Zu Spielbeginn erhält jeder Spieler 5 Karten. Pro Spielzug muss eine solche Karte ausgespielt werden. Mit ihr wird ein Ritterplättchen auf eines der angrenzenden Gebiete ins Spiel gebracht. Zwei oder mehr aneinandergrenzende Gebiete bilden ein Herzogtum. Zur Kennzeichnung wird eine der Herzogfiguren hinter den Rittern aufgestellt. Der Wert eines Herzogtums (1 Punkt) wächst durch Städte (2 bis 4 Punkte), Burgen und Kirchen ( je 1 Punkt), die in ihm liegen. Im Konfliktfall, der sich beim Zusammentreffen zweier Herzogtümer ergibt, ist für den Sieg letztlich die Anzahl der Ritter entscheidend, die sich in dem neuen großen Herzogtum befinden. Der Spieler mit der größten Ritterzahl stellt den Herzog, der unterlegene erhält den Wert seines alten Herzogtums ausbezahlt. Für die Mehrheitsbildung erweisen sich Burgen als besonders wichtig. Die Inbesitznahme eines Gebietes mit einer Burg beschert dem Spieler eine zusätzliche Ritterkarte als Burgbesatzung.
Um lukrative Herzogtümer zu schützen, können die Spieler zusätzlich zu ihrem Kartenzug dreimal während des Spiels wehrhafte Basteien bauen, die nicht durch Ritter überwunden werden können.
Das Spiel endet sofort, wenn der erste Ritter seine letzte Ritterkarte gelegt hat. In einer abschließenden Wertung zählen alle Herzöge fünf Punkte, alle anderen Werte entsprechen den Auszahlungsregelungen beim Zusammenschluss von Herzogtümern. Der Spieler mit der höchsten Punktzahl ist nach einer knappen Dreiviertelstunde Spielsieger.
Für mich arbeiten die Spielautoren immer am überzeugendsten, die aus einem überschaubaren Grundregelwerk ein vielschichtiges Spielabenteuer entwickeln können, das ist Reiner Knizia mit dem Spiel RHEINLÄNDER gelungen. Die Besiedlung der Rheinlande, die Parker der anspruchsvollen Spielgemeinde in Deutschland anbietet, ist optisch stimmig umgesetzt, das Preis-Leistungsverhältnis erscheint angemessen. RHEINLÄNDER kann durchaus mit den großen 99er-Neuheiten anderer Verlage mithalten.
Wieland Herold
Die Rezension erschien 1999 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Titel: RHEINLÄNDER
Autor: Reiner Knizia
Grafik/Design: Franz Vohwinkel
Verlag: Hasbro /Parker
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 3 - 5
Spielzeit: ca. 40 Minuten
Preis: ca. 49 DM
Spiel 2/1999 R 17/2020
RHEINLÄNDER bot ein vielschichtiges Spielabenteuer, das viele auf der Empfehlungsliste der Jury erwartet hatten, Auszeichnungen blieben aber aus.
Freitag, 6. März 2020
QWIXX ON BOARD
Seit Herbst 2012 wird geqwixxt. Steffen Benndorf war zwar vorher schon mit Würfeln unterwegs und machte mit dem WÜRFEL EXPRESS (2009) und vor allem mit FIESE 15 (2011) auf sich aufmerksam. Speziell das letzte Spiel ist inzwischen eine gesuchte Rarität und nicht unter dem doppelten Verkaufspreis von 2011 zu bekommen. So richtig entfaltete Benndorf seine Qualitäten aber erst durch die Kooperation mit Reinhard Staupe und den vielen Veröffentlichungen bei NSV. Für den Fürther Verlag ist er nicht nur der wichtigste Autor, sondern betreut sogar redaktionell Produkte, so aktuell die MINNYS von Moritz Dressler.
Die Nominierung zum „Spiel des Jahres“ für QWIXX 2012 war völlig berechtigt, Benndorf und Staupe hatten nur das Pech, dass sie gegen das geniale HANABI antreten mussten. AUGUSTUS, das dritte nominierte Spiel, hätten sie locker an die Wand gedrückt. Die Erfolgsgeschichte von QWIXX lässt sich an den vielen Varianten ablesen. Inzwischen ist die Familie schon auf zehn Mitglieder angewachsen, darunter Derivate wie XL- und DELUXE-Fassungen, aber auch gute Variationen wie DAS DUELL und die BIG POINTS.
QWIXX ON BOARD stellt für mich im Augenblick als zehntes Spiel so etwas wie einen krönenden Abschluss dar, der sich auf klassischem Boden abspielt, aber mit der Einbindung eines Spielbretts eine Wendung parat hält, die eine neue Dimension des Punktesammelns eröffnet.
Alles spielt sich wie immer, zwei weiße und vier Farbwürfel prägen den Spielablauf. Das Ergebnis der beiden weißen Würfel dürfen stets alle Spieler nutzen, zusätzlich kombiniert der aktive einen weißen und farbigen Würfel für seine Einträge, die er in vier Farbreihen mit den Werten 2 bis 12 oder 12 bis 2 vornimmt. Ein einmal gesetztes Kreuz, lässt keine weiteren links davon zu. Je mehr Markierungen in einer Farbreihe auftauchen, umso mehr Punkte erhalten die Spieler. Wenn zwei Farben abgeschlossen wurden oder ein Beteiligter vier Fehlwürfe verursacht, endet die Runde.
Die neue Dimension durch das Spielbrett lässt zusätzlich eine dritte Aktion für den aktiven Spieler zu. Die spiralförmige Laufbahn über 40 Felder besitzt in willkürlicher Verteilung alle Zahlenwerte bis auf die grüne und blaue 2 und die gelbe und rote 12. Vorder- und Rückseite des Plans lassen dabei unterschiedliche Abläufe zu. Wer die dritte Option nutzt, bewegt seinen Pöppel maximal fünf Schritte, muss das erreichte Feld im aktuellen Zug aber auf seinem Papierplan ankreuzen oder dies schon vorher erledigt haben. Je zwei Felder bringen einen Siegpunkt, so dass mit einer gelben 11 oder blauen 4 am Ende 20 Punkte winken. Mit der zusätzlichen Option dürfen die Akteure damit bis zu drei Kreuze in einem Zug setzen, was das Spiel trotz neuer Ebene sogar etwas beschleunigt.
QWIXX ON BOARD dynamisiert das alte Spiel, da man für das dritte Kreuz manchmal größere Sprünge bei der Blockeintragung zulässt. Geübte QWIXX-Boarder schielen schon darauf, was in der nächsten Fünfer-Entfernung für Optionen lauern. Dabei bringt das Spielbrett sogar verstärkte Interaktion, denn gute Zahlen können „geklaut“ werden. Besetzte Felder sind tabu, zählen aber bei den fünf Schritten nicht mit und werden übersprungen. Alle haben auf ihrem Planungszettel stehen, dass je nach Spielplanseite Zahlenwerte in bestimmten Farben zwischen 4 und 6 und 9 und 11 angekreuzt sind und noch offenbleiben, um möglichst hochwertig am Ende zu punkten.
Wer kein QWIXX besitzt, sollte gleich zu dieser neuen Ausgabe greifen. Die Erweiterung lässt zu, den Klassiker pur zu spielen, wenn man es möchte, denn der Spielplan ist ein zusätzliches Utensil, das man bei Bedarf weglassen kann. Das würde ich aber nicht empfehlen, QWIXX gewinnt durch diese neue Fassung deutlich hinzu. Was mir nicht gefällt, ist der 60er Jahre Retrolook des Spielbretts, ein bisschen moderner darf es schon sein.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: QWIXX ON BOARD
Autor: Steffen Benndorf, Reinhard Staupe
Grafik/Design: Oliver Freudenreich
Verlag: NSV
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: 20 Minuten
Preis: ca. 12 Euro
Spiel 17/2020
Donnerstag, 5. März 2020
KARDINAL & KÖNIG
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Das 529 von Benedikt von Nursia gegründete Kloster in Monte Cassino war das erste Kloster in Europa. Von hier aus breitete sich das Mönchtum im gesamten Abendland aus. 600 Jahre später gründeten die Mönche der Benediktiner, Zisterzienser, Franziskaner und Dominikaner in allen wesentlichen Regionen Europas Klöster und mischten sich teilweise auch in die Politik mit ein. Hier befinden wir uns schon mitten in Michael Schachts Spiel KARDINAL & KÖNIG, in dem drei bis fünf Spieler in neun Regionen mit Hilfe von Aktionskarten Klöster gründen oder einflussreiche Räte an die Königshöfe der damaligen Zeit bringen.
Das bei Goldsieber erschienene KARDINAL & KÖNIG besitzt zwar den eben skizzierten historischen Hintergrund, letztlich ist es aber ein abstraktes taktisches Spiel, das bei einem zügigen Spielablauf erstaunlich viel Spielspannung besitzt. Letztlich geht es einerseits um Mehrheiten von Klostergründungen in einzelnen Regionen und um Dominanzen an jeweils benachbarten Königshöfen, zusätzlich bringen Kettenbildungen bei den Klöstern Punkte. Gesteuert wird das Brettspiel über 55 Spielkarten, von denen jeder Spieler stets drei zur Verfügung hat. Die Karten geben vor, in welcher Region Klöster gebaut oder Räte eingesetzt werden dürfen. Sobald der Kartenstapel zum ersten Mal aufgebraucht ist, folgt eine erste Wertung, die sich ausschließlich auf die Klöster bezieht. Der Spieler mit den meisten Klöstern in einem Land, erhält für jedes Kloster in dem Land einen Punkt. Jeder folgende Spieler, bekommt die Anzahl der Klöster des nächstbesseren gutgeschrieben. Vor der abschließenden Wertung wird der Kartenstapel ein zweites Mal durchgespielt. Danach gibt es neben der bekannten Klosterwertung eine sogenannte "Rätewertung", bei der 15 mögliche Bündnisse zwischen den Ländern überprüft werden. Hat ein Spieler in beiden beteiligten Ländern die Mehrheit der Räte, erhält er auch bei dieser Wertung Punkte. Zum Schluss erhalten alle Spieler zusätzliche Punkte, die Klosterketten mit mindestens vier Klöstern aufbauen konnten. Wer am Ende aller Wertungen auf der Wertungsskala am weitesten vorrücken konnte, ist Spielsieger.
Der Spielablauf ist schnell begriffen, das Spielmaterial ist stimmig, die Spielregel lässt keine Fragen offen. Meist schon nach 30 bis 45 Minuten ist eine Partie beendet, so dass genügend Zeit für Revancherunden bleiben. Die taktischen Möglichkeiten sind vielfältig, langfristig sollte man die lukrativere zweite Wertung im Blick haben, da oft die Punkte aus der Rätewertung die entscheidenden Siegpunkte bringen. Der Autor Michael Schacht hat nach KONTOR, seinem Auswahllistenerfolg 1999, erneut ein hervorragendes taktisches Spiel entwickelt, das sich vorzüglich als Familienspiel eignet.
Wieland Herold
Die Rezension erschien 2000 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Titel: KARDINAL & KÖNIG
Autor: Michael Schacht
Grafik/Design: Franz Vohwinkel
Verlag: Goldsieber Spiele
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 3 - 5
Spielzeit: 30 - 45 Minuten
Preis: ca. 35 DM
Spiel 1/2000 R 16/2020
Das Bild zeigt Michael Schacht mit einem Entwurf des Spiels, Aufnahme von 2012, Autorentreffen in Göttingen.
KARDINAL & KÖNIG gehörte im Jahr 2000 zu den besten Spielen, landete auf der Auswahlliste der Jury und unter den Top 10 des Deutschen Spielpreises.
Mittwoch, 4. März 2020
PUSH
Immer häufiger erleben wir beim Branchenführer aus Ravensburg, dass er nicht nur in die ganze Welt exportiert, sondern dass Produkte aus der Entwicklungsabteilung in den USA nun ebenso zurück nach Europa kommen. Bisher waren es eher große Spiele wie DISNEY VILLAINOUS und JAWS, inzwischen sind es dazu die kleinen, feinen Ideen, wie wir es bei PUSH erleben.
Die Niederlassung von Ravensburger hat ihren Firmensitz in Seattle, dort arbeiten außerdem die Projektentwickler von Prospero Hall. Das recht große Team ist ein Designstudio, das seit 2017 über 50 Spiele für unterschiedliche Firmen entwickelte, wobei Ravensburger rund ein Drittel der Produkte übernommen hat, darunter die oben erwähnten drei Spielideen.
PUSH steht für „Push your Luck“ und damit in der Tradition der CAN’T STOP-Spiele. Das Entwickler-Studio nutzt simple Ingredienzien für ein schnelles Kartenspiel. 120 Karten und ein Farbwürfel stecken in der kleinen Spieleschachtel. In Deutschland ist es noch ein klassischer Karton, während in den USA PUSH als Blisterpackung in den Läden hängt. 90 Karten in fünf Farben mit den Zahlenwerten 1 bis 6 dominieren den Kartenstapel, zusätzlich gibt es Würfel- und Richtungswechsel-Karten.
Die höchstens sechs Spieler versuchen, möglichst hohe Kartenwerte einzusammeln und diese nicht wieder zu verlieren. Dafür deckt der aktive Spieler Karten auf, die er maximal in drei Kartenreihen anordnet. Wichtigste Regel, die dabei zu beachten ist, dass sich gleiche Farbe und identischer Zahlenwert innerhalb einer Reihe nicht wiederholen. Das gilt außerdem für Würfelkarten, die ebenfalls in den Reihen abgelegt werden. Karten zum Richtungswechsel werden nur für die Auswertung des Zuges am Rande gesammelt. Wer eine Karte aufdeckt, die er nicht mehr unterbringt, geht in dieser Runde nicht nur leer aus, er muss zusätzlich den Würfel werfen, dessen Farbwurf ihm den Verlust von Karten der entsprechenden Farbe beschert, die er offen in seiner Auslage hat. Es macht daher Sinn, rechtzeitig auszusteigen, um dann möglichst eine hochwertige Reihe ohne Würfelkarte aufzunehmen. Die übrigen Reihen gehen je nach Richtungspfeil an die beiden Nachbarn rechts oder links vom aktiven Spieler. Haben sie darunter Würfelkarten, müssen sie ebenfalls ihr Glück versuchen, der schwarze Stern beschert ihnen allerdings Glück im Unglück.
Wer viele hohe Werte einer Farbe sammelt, sollte diese sichern. Er verzichtet dabei auf seinen Zug und deckt die Karten um. Sobald der Kartenstapel leer ist, endet PUSH in einer Additionsorgie, denn alle Kartenwerte müssen zusammengezählt werden. Ein schönes Rechenspiel für Zweitklässler und drüber nach aufregenden 15 bis 20 Minuten Kartenaufdecken.
PUSH ist ein exzellentes Push your Luck-Spiel, dessen Regeln sofort verstanden sind und das das typische Kribbeln beim Kartenaufdecken und Würfeln beinhaltet. Spannend ist daneben die Sicherungsfrage. Gibt man sich mit mageren acht Punkten zufrieden, die umgedeckt werden, oder müssen es mindestens zehn oder zwölf sein? Am Ende zählen zwar alle Karten, aber das Risiko, über 15 Punkte durch den Würfel zu verlieren, mag niemand eingehen. Zumal dann garantiert ein Würfel in der aufzunehmenden Reihe landet, dafür sorgen schon die lieben Mitspieler. Wer mehrmals das Glück zu seinen Ungunsten herausgefordert hat, wird kaum Aufholchancen besitzen, deshalb empfiehlt sich moderates Vorgehen. PUSH ist vor allem etwas für zwei bis maximal fünf Beteiligte. Sitzen sechs am Tisch, ist die aktuelle Runde für einen stets uninteressant, da er drei Plätze vom aktiven Spieler entfernt sitzt und nie etwas abbekommen wird. Kein großer Nachteil, aber man muss zusätzlich länger warten, bis man selbst wieder die Karten in der Hand hat.
Alle Liebhaber einfacher Kartenspiele werden PUSH lieben. Die Idee besitzt ausreichend interaktive Komponenten und ist weitgehend ordentlich umgesetzt. Störend ist nur, dass die „gelbe“ Würfelseite eher eine orangene ist und dass die Variation nicht überzeugt. Aus der in Ansätzen vorhandenen Kalkulierbarkeit des Spiels wird durch die Risiko-Variante ein reines Glücksspiel. Wer dann den bisher erwünschten schwarzen Stern würfelt, verliert seine gesamte Auslage.
Ravensburger hat PUSH im Herbst 2018 auf der BGG.CON im November in Dallas vorgestellt, auf dem deutschen Markt ist es seit der Nürnberger Spielwarenmesse 2020 verfügbar. Die Idee des Entwicklerstudios aus Seattle füllt in diesem Jahr die L.A.M.A.-Lücke. Wir werden zwar überschüttet von SKYJO-BIBERBANDE-Ablegern (HILO, SKYJO-ACTION, BIBER-GANG, SILVER AMULETT), aber alle können einerseits mit den Originalen und andererseits mit PUSH nicht mithalten. Im Ansatz gelingt das vielleicht SPICY von Heidelberger (Besprechung folgt demnächst).
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PUSH
Autor: Prospero Hall
Grafik/Design: Prospero Hall
Verlag: Ravensburger
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 - 6
Spielzeit: 20 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 16/2020
Sonntag, 1. März 2020
COLORADO COUNTY
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Zug nach Westen
Auf dem Zug nach Westen in das Land, in dem Milch und Honig fließen soll, nimmt Reinhard Staupe 2 bis 4 Spieler mit, die in seinem Spiel COLORADO COUNTY (Schmidt-Spiele) eine friedliche Form der Landaneignung vornehmen, bei der es keine Indianer gibt, in der Gewehre und Pistolen schweigen. Eine fast kitschig ruhige Cowboyidylle, die auch das Cover vermittelt, gäbe es da nicht doch einen Konkurrenzkampf um die fruchtbarsten Siedlungsplätze an den sechs Seen und um die Grenzregionen Colorados. Die Siedler dieses Spieles verfolgen ihre Ziele aber nach fairen Regeln.
Staupes Besiedlung Colorados vollzieht sich auf einem 15x10 Felder großen Spielfeld. Jeder Spieler erhält 15 Cowboy-Kärtchen, die er zur Landgewinnung ausschicken kann. Pro Spielrunde werden 12 Landgebiete versteigert. Die Lage der Gebiete orientiert sich an 12 Flaggensteinen, die zu Beginn beliebig auf dem Spielplan verteilt werden. Zwei bis drei dieser Landgebiete stehen je nach Spielerzahl in jeder Versteigerungsrunde zur Auswahl. Derjenige, der am meisten Cowboys einsetzt, hat die erste Auswahl, derjenige, der am wenigsten bietet, geht leer aus, erhält dafür aber eine neue Cowboy-Karte. Mit der erworbenen Gebietskarte können ein bis zwei Felder auf dem Spielplan mit Markierungssteinen besetzt werden. Ausgehend von einem passenden Flaggenstein muss der zweite Stein entsprechend der Positionsvorgabe der Karte gelegt werden, so kann er diagonal versetzt werden, erst im übernächsten Feld liegen usw. Aus der Ablage dieser Steine ergeben sich die vielfältigen taktischen Möglichkeiten des Spiels. Je nach Wertungsphase – vier Punktwertungen sind insgesamt vorgesehen – versuchen die Spieler möglichst viele Randfelder zu erreichen oder Seen in ihren Besitz zu nehmen, gegen Ende bringt das größte zusammenhängende Gebiet am meisten Punkte. Die erreichten Punktwerte werden auf einem „Erfolgspfad“, der um das Spielfeld herumläuft, angezeigt. Wer nach der vierten Wertung ganz vorn steht, ist der erfolgreichste Siedler in Colorado.
Trotz thematischer Einbindung ist COLORADO COUNTY ein abstraktes topologisches Spiel. Der Spielreiz ergibt sich aus den Versteigerungsrunden und dem sinnvollen Einsatz der Gebietskarten bei der Entwicklung der eigenen Landschaften. COLORADO COUNTY erweist sich hierbei als ein äußerst vielschichtiges taktisches Spiel, das vor allem zu dritt und zu viert viel Spannung verspricht. Den „Wilden Westen“ werden Sie zwar nicht erleben, aber eine intellektuelle Spieleherausforderung, die älteren Kindern und Erwachsenen Freude bereiten kann.
Wieland Herold
Die Rezension erschien 1999 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Titel: COLORADO COUNTY
Autorin: Reinhard Staupe
Grafik/Design: Sabine Stephan Dirk Westphal
Verlag: Schmidt Spiele
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 2 - 4
Spielzeit: 45 Minuten
Preis: ca. 47 DM
Spiel 1/1999 R 15/2020
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