Mittwoch, 30. Juni 2021
QUO VADIS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
QUO VADIS
UM REIFENBREITE geschlagen musste sich wohl QUO VADIS geben, das dem Hans im Glück Verlag in München gut und gern nach DRUNTER & DRÜBER erneut einen Titel Spiel des Jahres hätte einbringen können, aber irgendwie wollten die Juroren wohl nicht den richtigen Weg einschlagen und entschieden sich für das Sportspiel von Rob Bontenbal.
Es wäre der erste große Titel für den 34jährigen Reiner Knizia geworden, so ist es die erste nennenswerte Auszeichnung. Der Doktor der Mathematik, der in den 80ern Postspiele veröffentlichte, hat bisher durch Spiele wie RES PUBLICA (Hexagames) und GOLDRAUSCH (Hans im Glück) auf sich aufmerksam gemacht.
In QUO VADIS geht der Autor auf Spurensuche für die Ursachen politischen Aufstiegs. Wer nach oben will, braucht Freunde, nicht unbedingt fürs gesamte Leben, aber für entscheidende Lebensabschnitte.
Auf einem ziemlich großen, recht abstrakt gehaltenen Spielplan, gibt es kleine, mittlere und große Gremienfelder, die Wege nach oben in den Senat führen von größeren Gremien, die mehr als ein Feld besitzen über Lorbeerplätze, sodass man sich schon vor den ganz hohen Weihen mit Lorbeeren schmücken kann, das sind Punktechips, die bis zu fünf Siegpunkte einbringen, aber auch den edlen Cäsar zeigen, der für freie Bahn sorgt.
Jeder besitzt acht Senatoren, die in den unteren Gremienbereichen starten. Wer sich in einem Einer-Gremium befindet, darf ohne Beschränkung weiter nach oben ziehen. In einem Dreier-Gremium braucht es die Zustimmung eines anderen Senators, das darf auch ein eigener sein. Entsprechend geht es in den größten, den Fünfer-Gremien zu. Hier müssen zwei weitere Senatoren das Weitergehen erlauben. Genau daraus ergeben sich spannende Verhandlungs- und Versprechungsrunden in QUO VADIS. Wer zustimmt, wird sich nicht nur das Wohlwollen eines Mitspielers erworben haben, sondern erhält auch einen kleinen Einer-Lorbeerkranz.
Wenn Cäsar den Weg nach oben frei hält, bedarf es keiner Zustimmung. Deshalb darf auch alternativ zu den eigenen Figuren der Cäsaren-Chip bewegt werden und zwar im römischen Weitsprung-Verfahren auf ein beliebiges Feld.
QUO VADIS endet, wenn der Senat, das obere Fünfer-Gremium, vollständig besetzt ist. Nur wer mit mindestens einer Figur dort beteiligt ist, besitzt eine Siegchance, dazu braucht es dann die meisten Lorbeer-Punkte.
Reiner Knizia ist mit QUO VADIS nach RES PUBLICA im letzten Jahr ein weiteres hochklassiges Verhandlungsspiel gelungen. Das Glück spielt keine Rolle, da die zu verdienenden Lorbeeren offen ausliegen. Danach wandern sie aber in einen verdeckten Vorrat, sodass nur MEMO-Cracks eine Bilanz-Übersicht behalten, was so gut wie unwahrscheinlich ist. Wäre ich von der Jury gefragt worden, hätte dieses kommunikative Scharmützel im Alten Rom ganz klar mit Nasenlänge vor dem Radrennspiel gelegen.
Titel: QUO VADIS
Autoren: Reiner Knizia
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: Hans im Glück
Spieler: 3 bis 5
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 40 DM
Spiel 10/1992 R104/2021
Die Rezension erschien 1992
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Reiner Knizia, der weltweit produktivste Spieleautor, der auf inzwischen über 700 Spieleveröffentlichungen stolz sein kann, hatte bis 2004 schon einige Auszeichnungen gewonnen, darunter 1992 für QUO VADIS, 1993 für MODERN ART und 1998 für EUPHRAT & TIGRIS. Die besondere Leistung für die spielerische Adaption von DER HERR DER RINGE zeichnete die Jury „Spiel des Jahres“ mit dem Sonderpreis „Literatur im Spiel“ 2001 aus.
2004 war Knizias EINFACH- Jahr. Mit EINFACH GENIAL erschien eines seiner besten Spiele, EINFACH TIERISCH war thematisch überzeugender als der Vorgänger HIGH SOCIETY, der aber noch den 10. Platz beim Deutschen Spielepreis erreicht hatte.
2008 erhielt Knizia für KELTIS erstmals den Titel „Spiel des Jahres“ und das gleichzeitig im Doppelpack, da WER WAR’S den blauen Pöppel bekam.
QUO VADIS war 1992 nicht nur nominiert zum Spiel des Jahres, wie damals alle Spiele auf der Auswahlliste, es erreichte auch den 3. Platz beim Deutschen Spielepreis.
Das Bild stammt aus dem Jahr 1992 in Essen, links ist QUO VADIS zu sehen, rechts schon die Herbstneuheit Knizias: MODERN ART, mit der er 1993 den Spielepreis gewann.
Dienstag, 29. Juni 2021
SCHATZTAUCHER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
SCHATZTAUCHER
Der Engländer Nik Sewell hat in diesem Jahr mit SCHATZTAUCHER bei SALAGAMES sein zweites und wesentlich besseres Tauchspiel veröffentlichen können. Sein Taucherstling bei Mattel, VERSUNKENE SCHÄTZE (1990) ist schon wieder in der Versenkung verschwunden.
Nicht abtauchen wird SCHATZTAUCHER, eines von vielen guten Spielen in der Fortsetzung der Hexagames-Reihe, die Peter Gehrmann betreut. Erneut allerdings, auch hier steht SALAGAMES in der Tradition von HEXAGAMES, von der Jury nicht entsprechend gewürdigt. Unverständlich, zumal SALAGAMES in diesem Jahr sehr früh alle Spiele produziert hatte. Wirft man einen Blick auf die Bestenliste "Spiel des Jahres", hätte man sich gut den einen oder anderen Titel von SALAGAMES dort vorstellen können. Ob allerdings Sewells SCHATZTAUCHER dabei gewesen wäre, ist die Frage. Bilden Sie sich selbst Ihr Urteil:
SCHATZTAUCHER ist eine Mischung von Karten- und Brettspiel für 3 bis 6 tauchinteressierte Spieler. Es gilt, über 8 verschiedene Wasserzonen bis zum Meeresgrund vorzustoßen, um dort eine wertvolle Schatztruhe zu heben. Je tiefer die Taucher vordringen, um so gefährlicher wird es für sie: Haie und Riesenkraken bedrohen die Taucher, die sich aber mit ihren Harpunen zur Wehr setzen können. Da jeder zu Beginn nur 2 Harpunen besitzt, muss man am Anfang möglichst viele Goldstücke während des Tauchens sammeln, um neue Harpunen kaufen zu können. Entgegen den Gesetzen der Schwerkraft schweben diese Goldstücke in den
Tauchregionen 1 bis 7 herum und können gesammelt werden.
Der Reiz und die taktischen Möglichkeiten des Spiels liegen in den Tauchkarten begründet. Hier hat Nik Sewell das INDISCRETION-Prinzip Randolphs aufgegriffen und geschickt in seinen Spielmechanismus integriert. Je nach Spielerzahl hält jeder 6 bis 9 Tauchkarten auf der Hand. Die Mitspieler erkennen über die Kartenrückseite für welche Tauchregion (1-8) Karten vorhanden sind. Startet man mit dem Tauchvorgang, müssen die anderen Spieler entsprechend den Vorgaben des "Tauchers" ihre Karten ablegen. Der Taucher entscheidet, ob er tiefer tauchen möchte oder wieder nach oben will. Die Kartenverteilung für die einzelnen Tauchregionen ist am Rand des Spielplans vorgegeben, so dass man an Hand der eigenen und schon ausgespielten Karten das jeweilige Risiko gut einschätzen kann. Sollte der Harpunenvorrat gegen Haie und Kraken nicht mehr ausreichen, wird man zum schnellen Auftauchen gezwungen, verliert dabei aber auch alle gesammelten Goldmünzen aus dieser Tauchrunde.
Der Spielablauf gliedert sich in eine Sammelphase, in der alle Spieler ihren Harpunenvorrat vergrößern und den entscheidenden Schatzhebeversuch. Misslingt ein Versuch, ist die Chance, in dieser Spielrunde noch zur Schatztruhe vorzudringen, verschwindend gering. Ab sofort spielt man nur noch mit und freut sich über jeden Hai, den man zum Ärger der Taucher ablegen darf. Dreier- und Vierrunden laufen relativ zügig und auch noch kalkulierbar ab. In großen Runden zieht sich das Spiel etwas hin, der Tauchvorgang wird weniger steuerbar.
Von allen Tauchspielen, die im Augenblick auf dem Markt sind, ist Schatztaucher sicherlich das beste. Es beruht auf interessanten Spielmechanismen, die aber nur in der kleinen Besetzung (3-4 Spieler) zur vollen Entfaltung kommen. Für die Bestenliste hätte es wohl nicht gereicht, da vermisse ich aber Spiele wie TIMES und KOALITION von Salagames.
Titel: SCHATZTAUCHER
Autor: Nik Sewell
Grafik: Karl-Heinz Reinelt
Verlag: Salagames
Spieler: 3 - 6
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 18 DM
Spiel 9/1992 R103/2021
Die Rezension erschien 1992
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Zwischen 1986 und 1994 hat Nik Sewell gut zehn Spiele veröffentlicht. Anfangs eher mit Fantasy-Setting, so ist ELIXIR (1997) das wohl bekannteste Spiel von ihm. Ähnlich gelagert sind WEB OF GOLD und SUFFERIN‘ SPIRITS (beide 1987, aber beide schwächer). In den 90ern folgten dann einige Veröffentlichungen bei deutschen Verlagen, so SCHATZTAUCHER und DIE ERBRAFFER (Ravensburger 1994).
Für Sewells SCHATZTAUCHER reichte es immerhin zum 13. Platz beim á la Carte Spielepreis der Fairplay.
Montag, 28. Juni 2021
DAS HORNBERGER SCHIESSEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Zurück in die Kindheit: DAS HORNBERGER SCHIESSEN
Auch wenn kaum einer weiß, wo das kleine Städtchen Hornberg liegt, die Redewendung, „Das geht aus wie das Hornberger Schießen“, kennen die meisten. Viel Lärm um nichts wie einst beim Besuch des Herzogs Christoph von Württemberg, der der kleinen Gemeinde im südöstlichen Zipfel des Ortenaukreises 1564 einen Besuch abstatten wollte. Mit vielen Salutschüssen sollte er begrüßt werden. Als in der Ferne die vermutete herzogliche Kavalkade sich mit einer großen Staubwolke ankündigte, böllerten die Hornberger los. Aus dem Staub tauchte dann aber nur eine profane Postkutsche auf, später war es ein Krämerkarren und schließlich noch eine Rinderherde. Als alles Pulver verschossen war, kam endlich der Herzog. Wer will, kann das Ereignis im Sommertheater auf der Freilichtbühne in Hornberg nacherleben.
Wer will, kann es aber auch mit einer Spielidee von Klaus Zoch und Albrecht Werstein nachspielen. Für beide ist das ein Ausflug in ihre Kindheit. Während ihres gemeinsamen Schulbesuches in der Schwarzwaldgemeinde Hornberg hatten sie Mitte der 60er-Jahre schon Spielsysteme entwickelt, nicht ahnend, dass Spiele sie später wieder zusammenführen würden. 1987 gründeten sie den Zoch Verlag für das geniale BAUSACKSPIEL, nun sechs Jahre später, setzen sie ihrer alten Heimat ein spielerisches Denkmal. Im Doppelpack als Spiel für das Hornberger KETTERER Bier und für den Zoch Verlag haben die beiden freunde die Idee veröffentlicht.
Kein Wunder also, dass nicht nur die Kanonen eine wichtige Rolle im Kartenspiel spielen, sondern auch eine der größten Hornberger Vorlieben, das Biertrinken! Im Spiel sind Herzöge (1-9), Kanonen (1-6) und Kanoniere (0-8), außerdem sechs Pulverfässer, die den Farbbesitz anzeigen. Je nach Spielvariante sind alle Karten im Spiel oder einige Herzöge weniger. Im Falle von DRUNTER & DRÜBER gibt es nur Herzogskarten mit den Werten 1 bis 3 im Gesamtstapel. Die übrigen werden gemischt und drei von ihnen offen ausgelegt.
Alle starten mit zehn Handkarten, die an die drei Herzöge angelegt werden. Der Zahlenwert der Herzogskarte begrenzt die Anzahl der hier abzulegenden Kanonenkarten. Neue Herzöge können die Reihen verlängern oder verkürzen. Wer eine Kanonenkarte spielt, bekommt das entsprechende Pulverfass. Bierkarten werden auf ausliegende Kanonen gelegt. Eine Reihe gilt als geschlossen, sobald die entsprechende Anzahl an Kanonen- und Bierkarten dort liegt. Wenn zwei der drei Reihen geschlossen sind, endet die Runde. Positive Punkte bringen nur diese beiden Abrechnungsreihen. Die Spieler erhalten Kanonen und Biere, sofern sie die Pulverfässer der entsprechenden Farbe besitzen. Die Kartenwerte werden dann einfach addiert. Entsprechend negativ wird die unvollendete Reihe gewertet.
BEI KREUZ&QUER wird ganz ähnlich in ein 6x3 Raster gespielt, über die Kanonen erhalten die Spieler die Fässer. Die Kanonenkarten werden wieder mit Bierkarten belegt, die Herzöge dienen hier nur dem Abschluss einer Reihe oder Spalte. Zuvor müssen dort in einer Spalte exakt drei Kanonenkarten liegen, wobei zwei davon mit einem Bier belegt sein müssen. Der Herzog wird dann auf die dritte Karte gelegt. Zeilen können schon mit zwei Kanonen und einer Bierbelegung aufgelöst werden. Wer den Herzog gespielt hat, legt ihn nun offen aus und der Rest wird wie beim ersten Spiel an die Besitzer der Fässer verteilt. Sobald der Wert der ausliegenden Herzöge 30 oder mehr Punkte ausmacht, endet das Spiel. Alle gesammelten Karten, auch die Herzöge bringen Siegpunkte, die im Raster noch ausliegenden Karten zählen negativ. Gespielt wird auf 100 Punkte.
Die beiden Kartenspiele bleiben recht abstrakt, das Thema „Hornberger Schießen“ spielt nur am Rande eine Rolle. Die Rasterwertung in KREUZ&QUER gefällt mir persönlich am besten, gewöhnungsbedürftig sind allerdings die unterschiedlichen Beendigungsmöglichkeiten für Reihen und Spalten. Zuviel Fässer sollte man nicht sammeln, da die große Auslage am Ende auch zu vielen Minuspunkten führen kann, wenn hohe Bierkarten auf fremde Kanonenfarben gespielt werden, die nicht mehr in die Wertung kommen. Soviel Salz in der Suppe hätte man den Hornbergern gar nicht zugetraut.
Titel: DAS HORNBERGER SCHIESSEN
Autoren: Klaus Zoch, Albrecht Werstein
Grafik: Stefan Sälzer
Verlag: Zoch
Spieler: 2 - 5
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 20 DM
Spiel 25/1993 R102/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Eine Postkarte mit Bauklötzen erhielt Albrecht Werstein vor 35 Jahren von seinem Jugendfreund Klaus Zoch. „Da hab‘ ich was, aus dem etwas werden könnte!“ stand auf der Karte. Werstein war angetan von der Idee und wenig später fiel die Entscheidung beim Spargelessen im Elsaß. „Wir arbeiten zusammen!“ Während ihres gemeinsamen Schulbesuches in der Schwarzwaldgemeinde Hornberg hatten sie Mitte der 60er-Jahre schon komplexe Spielsysteme entwickelt. Von der Steinzeit bis ins Raumfahrtzeitalter spielte ihr frühes CIVILIZATION, den Spielplan gab ein Diercke-Weltatlas her. Immerhin 18 Monate dauerte ihre Spielkampagne, bis einer ihrer Mitspieler das Klassenziel nicht erreichte. Die Studienzeit – Physik bei Klaus Zoch und Jura bei Albrecht Werstein – trennte die Freunde. So recht zufrieden war keiner mit seiner Studienentscheidung: Klaus Zoch beendete 1982 sein Studium ohne Abschluss und Albrecht Werstein war nicht unglücklich, 1990 seine Tätigkeit als Rechtsanwalt für das volle Engagement im Zoch-Verlag aufgeben zu können.
Beide waren wieder bei den Spielen gelandet und gingen eine kreative und organisatorische Symbiose ein: Der Handwerker, Designer und häufige Ideengeber Klaus Zoch, der Redakteur, Organisator, Mann für die Vertragswerke, Albrecht Werstein, der auch juristische Fallen umschiffen konnte.
Der Start verlief durchaus erfolgreich: 1987 war der BAUSACK noch der Geheimtipp der Essener Spieltage. 1988 war das Spiel auf der Auswahlliste zum Spiel des Jahres und erreichte dadurch für einen Kleinverlag beachtliche Auflagehöhen. Die wunderschönen Holzkinderspiele MÄUSEFEST (1987) und WER WOHNT WO (1988) ergänzten am Anfang durchaus stimmig das Verlagsprogramm. Kontakte zu anderen Kleinverlagen führten 1990 zu einer Kooperation mit Walter Müller. Das Ergebnis, das Schachtelspiel FLUSSPIRATEN, konnte sich sehen lassen, blieb aber in seiner Wirkung eher beschränkt.
Zehn Jahre nach dem BAUSACK gewann Klaus Zoch mit ZICKE ZACKE HÜHNERKACKE den Sonderpreis „Kinderspiel“. Der Verlag selbst war erfolgreich mit Spielen wie VILLA PALETTI (2002), NIAGARA (2005), DA IST DER WURM DRIN (2011) und SPINDERELLA (2015). 2010 übernahm die Simba Dickie Group den Zoch Verlag, die Spiele wurden der Noris-Gruppe im Konzern zugeordnet. War Albrecht Werstein anfangs noch Geschäftsführer des Zoch-Verlags, haben inzwischen die beiden Gründer nichts mehr mit ihrem Verlag zu tun.
Als Ruheständler dürfen sie nun an ganz verrückten Projekten arbeiten wie das Würfel-Aktionsspiel ROLLING DICE, das sie 2021 zusammen mit den alten Haudegen Kalle Schmiel und Peter Wichmann entwickelt haben.
Das Bild von Klaus Zoch stammt von der Preisverleihung für BEPPO DER BOCK 2007 in Berlin. Das Bild von Albrecht Werstein aus dem NIAGARA-Jahr 2005.
Sonntag, 27. Juni 2021
SCHÜTZENFEST
SAMMELSURIUM
Pelikan Travellerserie: SCHÜTZENFEST
Die bei Spielesammlern bekanntesten Spiele aus dem Pelikan Verlag sind die Buchkassetten, die zwischen 1974 und 1976 herausgegeben wurden. Zeitgleich erschienen wie bei Ravensburger 12 Spiele im Traveller Format. Die ursprünglich nur für Tinten und Farben bekannte Firma aus Hannover mit dem Wappentier Pelikan, war ab den 30er Jahren die wesentliche Firma in Deutschland für Füllfederhalter. Die Erfolge führten in den 70er Jahren zu einer großen Erweiterung der Produktpalette. Neben Spielen kamen Drucker, Projektoren, sogar Kosmetik ins Sortiment der Firma. TKKG wurde von Pelikan ursprünglich entwickelt. Die Expansion ließ die inzwischen von der GmbH zur AG gewordene Firma straucheln. 1984 wurde sie von der Condorpart AG in der Schweiz übernommen, die die Spieleproduktion nicht fortführte. Inzwischen gehört Pelikan dem malaysischen Unternehmen Goodace, das nunmehr als Pelikan International Corporation Berhad firmiert.
Pelikan griff in der Traveller-Reihe wie schon bei den Buchschuber-Spielen weitgehend auf Autoren zurück, nur zwei Ausgaben waren Lizenzen von Seven Towns. Rudi Hoffmann hat zwei Spiele zu dieser Reihe beigesteuert, WENDELIN UND WANDA und SCHÜTZENFEST.
Wie in der großen Reihe tritt auch hier Eugen Oker als Serienbegleiter auf. Einleitende Kurzgeschichten führen zu manchen Spielen, wie der Verlag selbst sagt, meist „frei erfunden, zum Teil wahr“. Eugen Oker „wolle ja nicht bloß Einleitungen schreiben, sondern Vorspiele und Einstimmungen.“ Auch an den Regeln der Pelikanspiele soll Oker beteiligt gewesen sein.
SCHÜTZENFEST
Eine Vorgeschichte hat Oker Hoffmanns Schützenfest leider nicht spendiert, dafür hat sich der Verlag nicht lumpen lassen. Hoffmans Grafiken zaubern Schützenatmosphäre auf den Spieltisch und das Inlett sogar geprägtes Jagdfeeling.
Sonst haben wir hier den typischen Hoffmann, ruckzuck erklärt, einfacher Kartenmechanismus, der trotzdem zu einem fetzigen Spiel führt. Mit Schützen-Karten im Wert von 10 bis 100 wird auf Scheiben-Karten mit entsprechenden Werten „geschossen“. Jeder bekommt zwischen sieben und 14 Schützen-Karten, dann wird durch Aufdecken einer Scheibe, das Schussfeld frei gegeben.
Wer am Zug ist, kann seine Karten auf vier Arten spielen. Den Scheibenwert kann er durch Ausspielen einer Karte oder addierter Kartenwerte erreichen. In beiden Fällen gewinnt er die Scheiben-Karte. Wer eine Schützen-Karte mit niedrigerem Wert spielt, lässt dem folgenden Spieler die Chance zur Ergänzung. Wer allerdings nur noch höhere Werte auf der Hand hat, scheidet sofort aus dem Spiel aus. Es gewinnt der Spieler, der die höchste Trefferquote verzeichnet, wobei nicht genutzte Schützenkarten negativ in die Bilanz eingehen.
Wer meint, SCHÜTZENFEST sei belanglos, täuscht sich. Natürlich ist man von seinen Handkarten abhängig, wer nur hohe Werte bekommt, wird nicht lange im Spiel sein können. Mit einem durchschnittlichen Blatt, lässt sich aber ganz gut pokern, wenn man mittlere Scheibenwerte nicht übernimmt, sondern mit kleinen Schusspunkten anfüttert und den Nachbarn dann in die Bredouille bringt, weil er nur mit einem 10er-Schützen antworten darf. Da wird SCHÜTZENFEST zu einem herrlichen Ärgerspiel, das sogar heute noch Spaß macht.
Das hat sich auch F.X. Schmid 1993 gesagt, als nach dem Erfolg von CAFÉ INTERNATIONAL immer mehr alte Hoffmann-Spiele neu aufgelegt wurden. Thematisch sind nun Referendare, Lehrer und Schulleiter Schülerscherzen ausgesetzt. HALLO PAUKER erreichte immerhin Platz 9 auf der Kartenspielliste der Fairplay 1993. Ravensburger brachte diese Fassung 1999 dann noch einmal auf den Markt.
Titel: SCHÜTZENFEST
Autor: Rudi Hoffmann
Grafik: Rudi Hoffmann
Verlag: Pelikan
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 20.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 26 - S26/2021
Samstag, 26. Juni 2021
SPACE TAXI
Unterwegs in der Galaxis: SPACE TAXI
Wenn die BGG-Übersicht stimmt, dann ist SPACE TAXI (Piatnik) das neunte Spiel des 47jährigen Christoph Behre. Vor zehn Jahren startete er mit gleich vier Veröffentlichungen seine Autorenkarriere mit Spielen wie SOS WILDWASSER (Haba), FLINKE FLIEGEN und KLETTER-RETTE (Kosmos) und 23 (Amigo). Mit Abstand sein bisher bestes Spiel ist BASTILLLE, das 2018 bei Queen Games erschienen ist.
SPACE TAXI ist die erste Veröffentlichung Behres für Piatnik. Im Grunde genommen ist es ein KNIFFEL-Variante mit unterschiedlichen Würfeln in einem Astro-Setting. Da will ein Weltraum-Taxi mit möglichst vielen identischen Aliens besetzt werden, dafür gibt es sechs Passagier-Würfel, außerdem noch drei Treibstoff- und einen Schmuggel-Würfel.
Wer am Würfeln ist, nimmt alle zehn Würfel, sein Nachbar erhält Zahlenplättchen von null bis vier, über die die Anzahl der genutzten Würfel reguliert wird. Insgesamt darf jeder damit fünfmal würfeln, einmal davon muss er keinen Würfel aufnehmen, bis zum Schluss aber alle zehn. Auf den Alien-Würfeln sind fünf unterschiedliche Aliens abgebildet, einer ist ein Joker. Mindestens zwei einer Art sollten ins Taxi, denn ab dem Pärchen gibt es Punkte. Wer sechs identische Aliens unterbringt, erreicht das Maximum von acht Wertungspunkten. Die Nutzung der Joker-Seite kostet Geld, drei sogenannte Space-Coins hat jeder am Anfang dafür.
Damit das Taxi überhaupt abhebt, ist Treibstoff nötig. Die Menge regulieren die drei Kerosin-Würfel, alle Werte unter sieben reichen nicht aus, allerdings kommt es auch bei zu großen Volumen über elf und höher zum Fehlstart. Damit gehen die Spieler in dieser Transportrunde leer aus. Schließlich spielt der achtseitige Schmuggel-Würfel, mit dem wertvolle Kristalle im SPACE TAXI versteckt werden, noch eine wichtige Rolle. Er hat seine eigenen an CAN’T STOP angelehnten Regeln. Er darf weiter genutzt werden, geht aber nur in die Wertung, wenn sein Ergebnis mindestens gleich hoch oder höher als das Vorergebnis ist.
An neue Space Coins kommen die Spieler nur, wenn alle sechs Sitzplätze im Taxi mit Aliens belegt sind, die in die Wertung eingehen, es darf also keine isolierte Art im Taxi sitzen. Wer das schafft, bekommt zwei weitere Münzen, die auch für die Rundenwertung benutzt werden können.
Für die Wertung der Runden hat sich Behre eine eher etwas komplizierte Abrechnung mit Multiplikationsfaktoren und Additionen ausgedacht, die nur bedingt eingängig ist. Das addierte Ergebnis der Treibstoff-Würfel ergibt einen Multiplikationsfaktor zwischen eins und vier, multipliziert wird dieser Wert mit den Passagierpunkten, sodass im besten Fall 32 Gewinnpunkte dabei herauskommen. Hinzukommt das Würfelergebnis der Schmuggelei und geopferte Space Coins, die jeweils zwei Punkte bringen. Weshalb Behre innerhalb der Rundenwertung dann noch den schwächsten Spieler zusätzlich bestraft, indem sein Ergebnis aus der Wertung rausgenommen wird, bleibt sein Geheimnis. Gespielt wird auf vier oder fünf Runden. Wer die höchste Summe erreicht, gewinnt nach einer knappen halben Stunde die Würfelschlacht im Weltraum.
Behres Würfelspiel besitzt mehrere interessante Entscheidungsebenen. Da sind einmal die festen Vorgaben für die Nutzung der Würfelmengen. Vor allem die Beschränkung auf nur vier Würfel, die maximal genutzt werden dürfen, ist oft ein Ärgernis, weil vielleicht sogar sechs oder sieben Ergebnisse gut passen könnten. Dann kommen die Abstimmungen über die Gäste im Taxi und die Treibstoffmenge dazu. Die Letztere möchte man möglichst voll ausreizen, um mit dem Wert „10“ die vierfache Multiplikation zu erreichen. Schließlich will man auch eher en passant mindestens fünf oder sechs Edelsteine schmuggeln. Das sind Punkte, die gehen prinzipiell nicht verloren, es sei denn, man wird Letzter der Rundenwertung. Zocker werden diesen vielfachen Reiz goutieren, andere stört allerdings die eher aufwendigen Rechenoperationen und das als zu hart empfundene Streichresultat für den schwächsten Spieler.
SPACE TAXI wird die BASTILLE nicht erstürmen und vom Sockel stoßen, reiht sich aber ein in viele solide Familienspiele, die Behre erfunden hat.
Wertung: Nächste Woche wieder
Titel: SPACE TAXI
Autor: Christoph Behre
Grafik/Design: Fiore GmbH
Verlag: Piatnik
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 3 - 5
Spielzeit: ca. 20-30 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 49/2021
Freitag, 25. Juni 2021
NAPOLEON
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DAS ZEITALTER NAPOLEONS 1805 bis 1815
Eine Spieldauer von nur einer Stunde signalisiert die von Franz Vohwinkel eindrucksvoll mit einem Schlachtenpanorama versehene Spieleschachtel - die napoleonischen Kriege für’s Massenpublikum?
Weit gefehlt, das strategische Brettspiel für zwei Spieler ab zwölf Jahren (viel zu niedrig angesetzte Verlagsangabe!) von Renaud Verlaque setzt den versierten Cosim-Spieler voraus oder zumindest in Regelinterpretation erfahrene Brettspielstrategen. Sechs Jahre hat der kanadische Autor für seine Spielentwicklung gebraucht, dabei stets das Ziel vor Augen, ein Strategiespiel zu entwerfen, das in „drei Stunden durchzuspielen“ sei und „gleichzeitig eine solide historische Basis“ ausweise. Reduktion in vielen Bereichen spielte für den Autor bei der Planung eine wichtige Rolle, so z.B. die Konzentration auf nur zwei Protagonisten Großbritannien und Frankreich. Renaud Verlaque geht in seinen „Anmerkungen“ zur Spielentwicklung ehrlicher mit dem Produkt um, als der Verlag das nach außen hin tut. Ich stelle mir nur den unbedarften Käufer vor, der auf der Schachtelrückseite sogar erfährt, dass er – geübt – ein kurzes Szenarium schon in 45 Minuten abwickeln könne.
Vor diesen von uns nie erreichten Schnelldurchgängen durch die napoleonischen Jahre ist erst einmal ein Langdurchgang Regelstudium angesagt. 14 Regelseiten, 11 Szenarienseiten, dazu zwei detaillierte Spielerhilfsblätter mit Strategie-, Verstärkungs-, Schlacht-, Marsch-Verlust- und Winter-Verlust-Tabellen wollen erst einmal erarbeitet und verstanden sein. Dabei möchte man, wenn man das Material sieht, gleich loslegen.
Der Autor verlangt erst einmal eine Entscheidung unter drei Szenarien: Ein langes ab 1805 am Vorabend der Schlacht von Austerlitz, ein mittleres ab 1809 zu Beginn des Wagram-Feldzuges und schließlich ein kurzes Szenario ab 1813 nach der vernichtenden Niederlage im Russlandfeldzug 1812. Die jeweiligen Vorgaben berücksichtigen historisch genau die diplomatische Ausgangssituation, aus der militärische Konsequenzen ableitbar sind. Entsprechend werden Pappplättchen, die einem Feldherren zugeordnet sind u.a. mit Kampf- und Bewegungswerten - auf dem großen Spielplan platziert. Außerdem gibt es szenarienabhängig fünf bis zehn spielsteuernde Karten für die beiden Kontrahenten England und Frankreich.
DAS ZEITALTER NAPOLEONS läuft in Jahres-Rhythmen ab. Innerhalb eines Spieljahres sind acht besondere Phasen abzuwickeln. Die Spieler starten ins jeweilige Spieljahr mit diplomatischen Aktionen. In dieser Phase kommen ausschließlich Spielkarten zum Einsatz, um die diplomatische Ausrichtung von Ländern zu verändern. Nur acht von den 55 Spielkarten dienen der Diplomatie, so dass oft überhaupt keine Karte eingesetzt werden kann oder nur einer der Spieler diese Möglichkeit besitzt. Dabei sind die Karten in kippligen Situationen oft spielentscheidend, da mit ihnen Staaten neutral gemacht oder auf die französische oder englische Seite gezogen werden können. Dadurch gehen Truppenspielsteine verloren oder es werden neue aufgebaut.
Die Aufruhr-Phase kann meist übersprungen werden, denn nur zwei ausschließlich vom Koalitions-Spieler einsetzbare Karten bewirken Aufruhr in einem französischen Herrschaftsgebiet. Am Anfang dieser Phase wird geprüft, ob ein eventueller Aufstand aus dem vergangenen Jahr erfolgreich oder fehlgeschlagen ist. Sollten französische Truppen noch im aufständischen Gebiet stehen, gilt der Aufruhr als fehlgeschlagen, ansonsten schließt sich das Gebiet der Koalition an. In dieser Phase können natürlich neue Länder in Aufruhr versetzt werden, sofern der England-Spieler eine der seltenen Karten besitzt und ausspielt.
Kartennachschub gibt es in der dritten Phase, die der Autor Strategie-Phase nennt. Überhaupt nicht strategisch, sondern ganz zufällig werden die Karten ausgetauscht. Alle noch vorhandenen Karten müssen abgeworfen werden. Die Neubestückung bis auf maximal zehn Karten ergibt sich aus der jeweiligen Länderkontrolle. Mit den neuen Karten können sich die Spieler auf das eigentliche Kernstück des Spiels, die Feldzüge, vorbereiten. Deshalb wird vor der kriegerischen Auseinandersetzung noch eine Verstärkungs-Phase abgehandelt. Für jedes kontrollierte Land erhalten die Spieler neue Truppenspielsteine. Abhängig sind diese Verstärkungen von einem Aufbau- und Mobilisierungs-Limit. Das erste Limit legt die maximale Erhöhung für das aktuelle Jahr fest, das zweite die maximale Anzahl von Truppenspielsteinen eines Landes auf dem Spielbrett. Die Phase wird mit Hilfe einer Tabelle abgewickelt, wobei alle neuen Spielsteine immer aus heimatlichen Gebieten starten müssen.
Außerdem dürfen die Spieler abgekämpfte Truppen durch Abwerfen von Spielkarten stärken und gefangene Truppenspielsteine in die Reserve überführen. Knapp zwanzig Prozent der Spielkarten steuern auch diese Phase, dabei können Aufbau-Limits gesenkt, erhöht oder sogar ignoriert, Truppenspielsteine ausgetauscht werden; sogar Napoleon kann es treffen, indem er in die Heimat abgeordert wird. Die historische Stimmigkeit, auf die Verlaque sonst viel Wert liegt, wird zumindest hier brüchig. Eine Reihe von Ereignissen spielen plötzlich eine Rolle, die eher ins 18. Jahrhundert und nicht ins frühe 19. Jahrhundert gehören.
Nun geht es endlich ans Eingemachte. Die Frage, ob sich die ganzen Vorbereitungen gelohnt haben, wird in sechs Feldzugsrunden beantwortet. Das Jahr wird in zwei Monatsphasen abgewickelt, wobei die letzten beiden Runden unter den besonderen Bedingungen des Wintereinbruchs stehen. Rund die Hälfte aller Spielkarten können für diese Phase eingesetzt werden, sie dienen einerseits der Truppenbewegung, andererseits beeinflussen sie die Kampfbedingungen in einer Schlacht. In jeder Runde darf in der Regel nur eine Armee bewegt werden, bis auf die Erstbewegung kostet diese Aktion jeweils eine Karte. Die Bewegungsweite und die Anzahl der Truppen einer Armee ergeben sich aus den Vorgaben der Spielsteine. Napoleon kann zum Beispiel durch vier Gebiete ziehen und bis zu acht Truppenspielsteine mit sich führen, sein Bruder Jerôme, bringt es nur auf eine Zugweite in zwei Gebiete hinein, er führt maximal vier Truppenteile. Auf langen Märschen müssen Marschverluste über eine Tabelle würfelnd geprüft werden. Stehen sich am Ende gegnerische Armeen in einem Gebiet gegenüber, kommt es zur Schlacht. Diese wird extern in einem quadratischen Schlachtfeld ausgetragen, dorthin kommen alle beteiligten Truppen. Einfluss auf den Ausgang der Schlacht haben einmal die Kampfwerte der Armeen, Zuschläge gibt es für Kämpfe in Heimatgebieten. Natürlich können Spielkarten wieder den Kampf beeinflussen, entscheidend ist letztlich aber ein einziger Würfelwurf. Danach wird mit Hilfe der Schlacht-Tabelle der gegnerische Verlust bestimmt. Die Schlacht wogt also nicht ständig hin und her, es wird nur festgestellt, welche Seite der anderen mehr Verluste zugefügt hat und damit ist der Sieger schon bestimmt. Im Falle des gar nicht so seltenen Gleichstandes wird ein zweites Mal gewürfelt unter Addierung eines so genannten Tie-Break-Modifikators, ein Wert, der abhängig von der jeweiligen Kampfstärke ist. Sollte immer noch ein Gleichstand eintreten, gewinnt der Verteidiger. Die Verluste sind zur einen Hälfte temporär, zur anderen Hälfte aber endgültig. Der Verlierer muss sich in ein angrenzendes feindfreies Gebiet zurückziehen. Alle beteiligten Truppen werden als „abgekämpft“ bezeichnet, die Truppensteine werden gedreht und haben verringerte Kampf- und Bewegungswerte. Nur der Sieger hat die Möglichkeit gegen Abgabe von einer Karte diesen Status zu umgehen. Nach der Kampf-Phase wird geprüft, ob Staaten kapitulieren. Kleinstaaten kapitulieren bei Besetzung sofort, Großmächte erst dann, wenn ihr Hauptstadt-Gebiet vom Feind besetzt und die Truppenanzahl der Gegner höher als die eigene ist. Großmächte werden danach erst einmal neutral.
Neben der Kapitulation werden die Winter-Verluste überprüft, die alle Gebiete mit mehr als drei Truppenspielsteinen betreffen können. Festgelegt werden die Verluste mittels Tabelle, Spielkarten und besonders geregelten Stationierungsbedingungen. Verluste, die in dieser Phase eintreten, sind endgültig.
Abschließend wird überprüft, ob ein Spieler die Siegbedingungen erfüllt hat. Verlaque unterscheidet zwischen einem geringfügigen und einem entscheidenden Sieg. So kann Frankreich nach 1811 „geringfügig“ siegen, wenn es alle an Frankreich angrenzenden Länder und Österreich oder Russland unter Kontrolle hat, wobei das nicht kontrollierte Land mindestens neutral sein muss. Für die Koalition ist der „geringfügige Sieg“ erreicht, wenn der französische Spieler nur noch französische Gebiete kontrolliert. Für den Gesamtsieg wird Frankreichs Kapitulation und der endgültige Verlust des Truppensteins Napoleons verlangt, umgekehrt muss Napoleon Kontinentaleuropa unter Kontrolle haben, höchstens Neutralität der kleinen Staaten wird erlaubt. Steht bis 1815 kein Gewinner fest, darf sich Frankreich als „moralischer Sieger“ fühlen.
Die Spielbeschreibung gibt nur den Kern des Spielablaufs wieder, aber auch der macht deutlich, dass drei Spieljahre von 1813 bis 1815 kaum in 45 Minuten spielbar sind. Problematisch ist, dass genau dieses Szenario - historisch korrekt – spielerisch unbefriedigend in der Chancenverteilung völlig unausgewogen ist. Den meisten Spielern wird es aber so gehen, wie uns, dass das kurze Spiel als Aufwärmtest genommen wird. Wir haben für diese erste Runde fast drei Stunden gebraucht und auch bei einem zweiten Versuch immer noch zwei Stunden. DAS ZEITALTER NAPOLEONS spielt sich, trotz einfacher Kampfregeln, nicht flott dahin. Auch wenn die Phasenabwicklung mit der Zeit recht zügig abläuft, gibt es doch immer wieder die Detailfragen, für die die Regel herhalten muss.
Für den Autor entscheidend ist, dass sein Napoleon-Spiel, ein „durch Karten betriebenes Strategiespiel“ ist, vielleicht gaukelt es uns Spielern damit aber ein Mehr an Einflussnahme vor, die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist. Wir erleben in einer atmosphärisch dichten, spielerisch animierenden vohwinkelschen Welt einen Einblick in die napoleonische Ära, der nah an den damaligen Bedingungen ist. Die sich daraus ableitenden strategischen Möglichkeiten entspringen aber nicht mehr dem taktischen Kalkül eines Napoleons oder Wellingtons, sie geraten in eher zufällige Abhängigkeiten eines Kartenblattes und Würfelwurfs.
Für Normalspieler, die, wenn sie auf die Schachtelinformationen vertrauen, durchaus zum Käufer werden könnten, ist DAS ZEITALTER NAPOLEONS absolut nicht zu empfehlen. Sechstklässler, für die die Altersempfehlung des Verlages gilt, werden mehr als überfordert sein. Für eingefleischte Cosim-Spieler bietet das Phalanx-Spiel verdauliche Kost, sicherlich auch Spielvergnügen. Die Detailarbeit des Autors ist zu loben, die grafische Bearbeitung ebenfalls. Die Redaktion hat ein umfangreiches Regelwerk erstellt, für das ich mir aber über die Spielhilfsblätter hinausgehende Regelhilfen gewünscht hätte. Das Feldzüge spielerisch anspruchsvoll, abwechslungsreich und den Spannungsbogen haltend, ablaufen können, zeigt der Verlag mit dem massentauglichen ALEXANDER. NAPOLEON wird in der Freak-Ecke bleiben müssen.
Titel: DAS ZEITALTER NAPOLEONS 1805-1815 Games
Autor: Renaud Verlaque
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: Phalanx
Spieler: 2
Alter: ab 12 Jahren ; besser ab 16
Spieldauer: angeblich 60 Minuten, meist deutlich länger
Preis: ca. 40 Euro
Spiel 25/2004 R101/2021
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 54jährige Renaud J. Verlaque ist US-Amerikaner und lebt im Umfeld New Yorks. Neben dem Napoleon-Spiel hat er 2008 mit THE PRICE OF FREEDOM ein weiteres Cosim zum amerikanischen Bürgerkrieg veröffentlicht. 2017 folgte mit THE BIG PUSH ein Spiel an der Westfront des Ersten Weltkriegs. Bei allen drei Veröffentlichungen bleibt er dem Duell-Charakter treu.
Donnerstag, 24. Juni 2021
CALIFORNIA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auf Renovierungstour in CALIFORNIA
Warum gerade in Kalifornien die Landhäuser renovierungsbedürftig sein sollen, wird wohl ewig das Geheimnis des Verlages oder Autors bleiben, vielleicht liegt es an der schlechten Bezahlung der Filmindustrie und deutscher Fernsehanstalten, vielleicht ist Klinsi inzwischen seinen Job als Bundestrainer los oder vielleicht hält Schwarzenegger nicht mehr seine schützende Hand über die Reichen und Superreichen. Spielthemen gehen manchmal sonderbare Wege, hier also zu einer Schrottimmobilie unweit von Bevery Hills.
CALIFORNIA von Michael Schacht, bei Abacus erschienen, kommt nicht gerade sonnendurchflutet, sondern eher blass daher. Zwei bis fünf Spieler treten die Erbschaft der farblosen Immobilie an. Jeder Spieler erhält eine Landhaustafel, die eine Parterre-Wohnung mit einer kleinen Dachkammer darstellt. Ein Zimmer ist gestrichen, der Rest wartet auf die Maler, deren Farbpalette nicht allzu viele Wünsche befriedigt, gerade einmal sechs Farbtöne haben sie im Angebot. Renovierte Zimmer dürfen bezogen werden, der Flügel darf Einzug halten, aber auch die Harley, eine Sonnenbank oder der Billardtisch. Ein echter Innenarchitekt ist nicht wirklich am Werk, da kann sich der Hundezwinger mitten im Haus befinden und das Motorrad in der Dachkammer. So richtig logisch geht’s nicht zu in CALIFORNIA, ästhetisch erst recht nicht. Wir Spieler lassen uns bekanntlich auf Vieles ein.
Das eigentliche Spiel trägt die typische Handschrift Michael Schachts, der Spieler gerät stets in Entscheidungszwänge. Für die Wohnungsausstattung gibt es zwei Geschäfte, die jeweils vier Plättchen für den Innenausbau bzw. die Innenausstattung anbieten. Recht geschickt wird der Kaufpreis über eine Sparkasse reguliert. Die Spieler wählen zwischen zwei Optionen, entweder nehmen sie eine der anfangs vier Goldmünzen aus der Bank oder sie kaufen ein Plättchen, zahlen dann aber die in der Bank liegende Münzanzahl in Silber. Jede genommene Goldmünze verbilligt damit den Plättchen-Kauf für die nachfolgenden Spieler, andererseits braucht man stets Geld, nicht nur zum Kauf, sondern auch zum Platzieren der Plättchen im Haus. Sobald die Sparkasse leer ist oder eines der beiden Geschäfte, endet ein Spieltag in CALIFORNIA. Alle unverkauften Plättchen werden abgeräumt und die Bank wieder aufgefüllt, nach 12 solchen Tagen sind die Häuser zwar noch nicht fertig renoviert, aber das Spiel ist beendet.
Für die Wertung am Schluss hat sich der Autor ein Punktesystem ausgedacht, bei dem man während des Spiels schon fleißig sammeln kann. Eingerichtete Räume ziehen gleichfarbige Gäste an, sobald ein zweiter Gast kommt, bringt der ein Gastgeschenk mit, das am Ende einen Punkt zählt. Gäste wandern hin und her, so dass man schon mit Planung dafür Sorge tragen muss, dass Gastgeschenke mitgebracht werden. Bestimmte Farbkombinationen bringen weitere Punkte über Bonuskarten, außerdem erhalten die Spieler für jedes belegte Feld in ihrer (Alb)Traumvilla abschließend einen Wertungspunkt. Geld zählt am Ende nichts, entscheidet allerdings bei einem Gleichstand. Das war’s!
Letztlich ist CALIFORNIA ein taktisches Legespiel, das, bezogen auf dieses Genre, durchaus Spielreiz besitzt. Besonders die Kostenregulierung über die Bank hat etwas! Auch das Spielchen mit den Besuchern bringt Pfiff ins Spiel, weil darüber natürlich Einkäufe manchmal teuer gesteuert werden. Die Wahl zwischen den beiden Optionen lässt ein schnelles Spiel zu, meist sind schon nach einer halben bis dreiviertel Stunde die 12 Runden vorüber. Ein zügiges Spiel also, bei dem der Wunsch nach Revanche allerdings nicht so oft vorkommt. Zu fünft plätschert es eher zufällig dahin, der Spielreiz zu viert und vor allem zu dritt ist höher, da gezielter gespielt werden kann. Das gilt auch für die Zweierversion, für die es leicht abgewandelte Regeln gibt. Etwas mehr California Dreamin hätte dem Spiel gut getan, so bleibt es abstrakt, unterkühlt, letztlich Konstrukt.
CALIFORNIA
Autor: Michael Schacht
Grafik: Hans-Jörn Brehm
Verlag: Abacusspiele
Alter: ab 10 Jahren
Anzahl Spieler: 2-5
Spieldauer: 60 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Spiel 7/2006 R100/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 5 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der 56jährige Michael Schacht ist gelernter Grafiker, in diesem Beruf hat er auch bis 2005 gearbeitet, bevor er sich entschied, vom Spieleerfinden zu leben. Inzwischen gehört er hinter Kramer, Kiesling und Knizia zur erfolgreichen zweiten Garde der deutschen Spieleautoren und kann rund 200 Veröffentlichungen vorweisen.
Wichtig war für seine Autorenkarriere der Hippodice Autorenwettbewerb, darüber gelangten Spiele wie TAXI (Spiel im Heft, 1992) und CHARTS (Piatnik,1996) zur Veröffentlichung. Den Wettbewerb 1998 gewann er mit KONTOR. Mit der Umsetzung durch Goldsieber gelangte Schacht 1999 erstmalig auf die Auswahlliste für das Spiel des Jahres, das er dann 2007 für ZOOLORETTO gewann.
„Spiele aus Timbuktu“ war ein Eigenverlag des Autors, in dem er preiswerte Bastelpackungen von Spielideen in Kleinstauflage anbot, außerdem viele Erweiterungen zu COLORETTO und ZOOLORETTO.
Das Bild zeigt Michael Schacht mit seiner Partnerin Marianne Hartz im CALIFORNIA-Jahr 2006 in Göttingen.
Mittwoch, 23. Juni 2021
BLUE MOON CITY
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auferstanden aus Ruinen: BLUE MOON CITY
Meistens folgen erfolgreichen Brettspielen Kartenspielableger, der Verlag Kosmos hat es mit seinem modernen Klassiker SIEDLER VON CATAN exemplarisch vorgeführt. In diesem Jahr geht der Stuttgarter Verlag den umgekehrten Weg. Die Fantasy-Kartenwelt BLUE MOON hat schon vor zwei Jahren eine begeisterte Fangemeinde gefunden. 2006 führt ein spannendes Brettspiel von Reiner Knizia zwei bis vier Spieler nach BLUE MOON CITY.
Die Krisenzeiten aus dem komplexen Kartenspiel sind vorüber, die einst prachtvolle Stadt BLUE MON CITY soll aus den Ruinen zu neuer Größe auferstehen. Die Spieler arbeiten zwar gemeinsam am Wiederaufbau der Stadt, allerdings kämpfen sie gegeneinander um begehrte Kristallstücke, die es für den Bau von Gebäuden gibt, denn jeder möchte in der Gunst des Gottes Blue Moon höher stehen als die anderen, um am Ende die meisten Kristallstücke an einem Obelisken zu opfern. Dieser Wettlauf um die meisten Kristalle ist äußerst spannend umgesetzt. Insbesondere die geschickt vernetzte Steuerung über vielschichtig einsetzbare Spielkarten und hilfreiche Drachen ist dem Autor sehr gut gelungen.
Reiner Knizia hat die Fantasywelt seines Kartenspiels BLUE MOON perfekt in ein schnell zugängliches einstündiges Brettspiel umgewandelt. BLUE MOON CITY fasziniert durch eine ausgesprochen gelungene grafische Umsetzung und tolles Spielmaterial, das das Fantasythema hervorragend unterstreicht. Der renommierte Autor, dem wir so fantastische Spiele wie EUPHRAT UND TIGRIS, MODERN ART und EINFACH GENIAL verdanken, ist schon oft knapp am Hauptpreis „Spiel des Jahres“ vorbeigeschliddert. Mit BLUE MOON CITY hat er gute Chancen, in diesem Jahr die lang verdiente Hauptwürdigung zu erfahren. Sein Spiel hat alle Qualitäten, nicht nur jugendliche Fantasyspieler zu erfreuen, sondern auch jüngere Kinder ab zehn Jahren und ihre Eltern.
BLUE MOON CITY
Autor: Reiner Knizia
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: KOSMOS
Alter: ab 10 Jahren
Anzahl Spieler: 2-4
Spieldauer: 60 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
Spiel 6/2006 R99/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Reiner Knizia, der weltweit produktivste Spieleautor, der auf inzwischen über 700 Spieleveröffentlichungen stolz sein kann, hatte bis 2004 schon einige Auszeichnungen gewonnen, darunter 1993 für MODERN ART und 1998 für EUPHRAT & TIGRIS. Die besondere Leistung für die spielerische Adaption von DER HERR DER RINGE zeichnete die Jury „Spiel des Jahres“ mit dem Sonderpreis „Literatur im Spiel“ 2001 aus.
2004 war Knizias EINFACH- Jahr. Mit EINFACH GENIAL erschien eines seiner besten Spiele, EINFACH TIERISCH war thematisch überzeugender als der Vorgänger HIGH SOCIETY, der aber noch den 10. Platz beim Deutschen Spielepreis erreicht hatte. Mit der in der Rezension angedeuteten Chance für den Hauptpreis 2006, wurde es nichts. THURN UND TAXIS hatte die Nase vorn. Auch beim Deutschen Spielepreis reichte es nur für den vierten Platz, da gewann CAYLUS vor THURN UND TAXIS und ANTIKE.
2008 erhielt Knizia dann endlich für KELTIS erstmals den Titel „Spiel des Jahres“ und das gleichzeitig im Doppelpack, da WER WAR’S den blauen Pöppel bekam.
Das Bild stammt aus dem Jahr 2016 als Reiner Knizia mit MMM! für das Kinderspiel des Jahres nominiert war.
Dienstag, 22. Juni 2021
BIG KINI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Schnelles Ende: BIG KINI
Mit dem pazifischen Atom-Atoll hat das erste Spiel des Spieleversenders Playme nicht nur den Buchstaben „g“ nicht gemeinsam, BIG KINI ist zwar auch eine Insellandschaft im Nirgendwo, aber noch unverseucht, das Richtige für Aussteiger, wenn nicht dieser ewige Konkurrenzkampf wäre.
Zwei bis vier Spieler – mit einer Erweiterung auch sechs – tummeln sich in der anfangs noch fast unerschlossenen Inselwelt von BIG KINI. Sechseckige Inselplättchen werden verdeckt ausgelegt, abhängig von der Spielerzahl. Heimatatolle werden ausgesucht und auf bestimmten Plätzen offen platziert. Die Inselwelten bestehen immer aus drei Inseln, die mit Aktionen in den folgenden Spielrunden korrespondieren. Da gibt es stets eine Hafeninsel, von der aus neue Inseln besiedelt werden können, dann können Inseln mit geldbringenden Tabakfabriken im Atoll sein, außerdem muss etwas für die Vermehrung der Insulaner getan werden, dafür ist eine lauschige Siedlungsinsel vorhanden und schließlich gibt es Inseln, auf denen drei unterschiedliche Waren ins Spiel kommen. Überall dort, wo Menschen zusammen kommen, gibt es Posten zu vergeben. Das lassen sich auch gesellschaftliche Aussteiger nicht nehmen, so besitzen Inseln im Atoll Verwalter, Riff-Minister sind schon für zwei Inseln zuständig, schließlich darf der Baron alle Möglichkeiten seines Atolls nutzen.
Jeder Spieler markiert mit kleinen Holzsteinen schon einmal zwei Pöstchen auf seiner Insel, der Bucht-Baron darf es aber noch nicht sein. Gesteuert wird das Spiel über ein Aktions-Tableau, das gleichzeitig als Rundenanzeiger dient. Reihum legen die Spieler ihre beiden Aktionsmarker auf dem Tableau ab. Agiert wird sofort, zur Auswahl stehen sechs verschiedene Aktionen. Besitzt ein Spieler durch Verwalter, Minister oder Baron Einfluss auf eine Siedlung, kann er durch die Aktion Vermehrung neue Steine ins Spiel bringen. Mittels der Aktion Bewegung können Spielsteine innerhalb des Atolls kostenfrei gezogen werden, kostenpflichtig ist das Insel-Hopping je nach Weite, gesteuert durch die Reichweite der Häfen. Wer Geld benötigt, kassiert in einer seiner Tabakfabriken. Da am Anfang das Amt des Barons nicht vergeben wurde, kann man über eine Wahl-Aktion an diesen Posten gelangen. Nur ein Verwalter oder Minister kommt für die höhere Aufgabe in Frage und es müssen schon mindestens zwei Bewohner auf der Insel sein. Vor der Wahl darf verhandelt werden, dabei sind alle Mittel Recht, Waren, Geld oder Versprechungen dürfen eingesetzt werden. Gibt es schon einen Baron in dem Atoll, hat der stets zwei Stimmen, alle anderen sind stimmenmäßig einfache Insulaner. Da jedem Baron eine bestimmte Warensorte zugeordnet ist, dürfen auch diese zur Abstimmung eingesetzt werden. Der Sieger der Abstimmung kommt auf das Feld des Bucht-Barons, falls es einen abgewählten Baron gibt, muss der sich ein freies Plätzchen auf der Insel suchen. Die Waren sind nicht nur bei der Wahl von Bedeutung, sie bringen auch in Dreierkombination am Ende Siegpunkte. Über die Aktion Ware nehmen kommen die Spieler an die Waren heran. Da am Anfang jeder nur seine Ausgangsinsel hat, gilt es natürlich, die unbekannten Inselwelten zu entdecken. Insofern ist die Aktion Entdeckung von besonderer Bedeutung, zumal es stets zwei Siegpunkte gibt. Das Entdecken kostet allerdings 5 Bay Barons, die gültige Währung in BIG KINI. Mit einer 7er oder 6er Tabakfabrik sind diese Kosten locker zu tragen. Auf dem Aktions-Tableau ist noch zu beachten, dass das erste Feld jeweils eine Doppelaktion ermöglicht, das zweite die gleiche Aktion nur einfach und das dritte ebenfalls eine einfache Aktion, allerdings kostenpflichtig. Haben alle Spieler zweimal ihre Aktionssteine platziert, ist eine Runde beendet. Der Startspieler wechselt und der Rundenzeiger wandert ein Feld weiter. Das geschieht maximal zwölf Mal, kann aber auch schon vorher beendet sein, dann nämlich, wenn alle Inseln entdeckt sind.
Gewonnen hat der Spieler, der die meisten Siegpunkte hat. Zu den schon vorher eingesammelten Entdeckungspunkten bringen Bucht-Barone am Ende immerhin 5 Siegpunkte, Minister zwei Punkte und Verwalter einen Siegpunkt. Für drei verschiedene Waren gibt es drei Punkte, auch Geld zahlt sich am Ende aus, es müssen aber schon 8 Ray Barons sein, die mit einem Punkt verrechnet werden. Das Ende tritt erstaunlich schnell bei BIG KINI ein, für viele Spieler fast zu schnell. Eine Entdeckungsrunde ist meist schon nach knapp einer Stunde vorüber.
BIG KINI gesellt sich zu den vielen Mehrheitenspielen der letzten Jahre. Das Thema ist zwar aufgesetzt, an den Haaren herbeigezogen, die Grafik versucht eher krampfhaft Witz ins Spiel zu bringen, aber sonst ist vieles stimmig. Guido Eckhof erweist sich als profunder Kenner der Materie, die Macher von PlayMe zeigen sich als solide Handwerker. Das Spielmaterial ist ansprechend, die vierseitige Spielregel vermittelt einen ordentlichen Einstieg. Das Spiel selbst bietet vielfältige Optionen, Entscheidungszwänge, in Ansätzen auch kommunikatives Miteinander. Die unterschiedlichen Aktionsmöglichkeiten sind gut vernetzt, die Beschränkung auf zwei Aktivitäten bringt den reizvollen Mangel, den Druck ins Spiel. Brauche ich neue Leute oder doch Geld? Lohnen sich die Waren überhaupt? Schaffe ich noch eine Entdeckung? Denn Entdecken zählt, schafft neue Arbeitsplätze und bringt Punkte. Genau hier hakt das Spiel aber auch, es endet ja nicht einfach nach der 12. Runde, sondern dann, wenn alle Inseln aufgedeckt sind. Und das kann ganz schnell der Fall sein. Theoretisch kann ein Spiel zu viert schon nach der dritten Runde beendet sein, praktisch habe ich die meisten Partien erlebt, die gerade einmal auf die doppelte manchmal auch dreifache Rundenzahl gekommen sind. So kann sich das Spiel natürlich nicht entfalten, ein großer Kampf um die Positionen der Inselbosse findet nicht statt, das Potential des Spiels wird nicht spürbar.
Das regeln wir schon, sagen die Experten von PlayMe und bieten im Internet Verbesserungen an: Sinnvoll sind natürlich 12 Pflichtrunden, die dann wirklich Interaktion ins Spiel bringen, sinnvoll erscheint auch die Verteuerung der Entdeckungsphase. Bei Kosten von 7 Ray Barons kann man nicht ohne Geldeinnahmen schon in der ersten Runde die Inselwelt erweitern. Auf seiner Homepage bietet der Verlag auch eine Solovariante an und Hinweise für das Spiel mit Aktionskarten, die in einem Erweiterungsset für 5 und 6 Spieler enthalten sind. Spieler, die nur den Basiskasten besitzen und sich auch sonst nicht um Hinweise kümmern – solche gibt es noch eine ganze Menge – werden enttäuscht sein. Mit der 12-Rundenregel, eventuell auch den höheren Entdeckungskosten wird BIG KINI zu einem guten Spiel, das ich immer wieder gern hervorhole.
Titel: BIG KINI
Autor: Guido Eckhof
Grafik: Bert Elter
Verlag: Verlag Edition PlayMe
Spieler: 1 bis 4 (6) Spieler
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 60 Minuten
Preis: 30 Euro
Spiel 5/2006 R98/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
(Note 7 (gilt nur für Regeländerung), Note 5 ursprüngliche Fassung)
Zum Spiel und zum Autor:
Die bisherigen Veröffentlichungen Guido Eckhofs drehen sich um BIG KINI. Neben dem 2005 erschienenen Spiel ist bisher nur eine FLASCHENPOST-Erweiterung 2009 herausgekommen.
2018 zeigte Eckhof wieder Spiele auf dem Autorentreffen in Göttingen (siehe Foto). Mit Arve Fühler, der ihn als seinen Mentor bezeichnet, hat er 2019 den Prototypen STAR RACE 2520 entwickelt, ein kartengesteuertes Workerplacementspiel. Auch in der Dankesliste der Tester für Fühlers EL GAUCHO taucht Eckhof auf.
Es ist daher durchaus zu erwarten, dass Guido Eckhof demnächst weitere Publikationen vorweisen kann. Der Spieleversender PlayMe hat BIG KINI übrigens immer noch im Programm.
Montag, 21. Juni 2021
BEETLEZ
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wehe, wenn Ringo kommt! BEETLEZ
Die thematische Einbindung ist bestenfalls etwas für die Eltern, das neue Spiel des Italieners Eligio Cazzato ist allerdings etwas für die ganze Familie. BEETLEZ (dV Giochi), kleine Liverpooler Keller-Käfer, naschen nur gar zu gern an den Speisen von John, Paul, George und Ringo. In Probenpausen machen sie sich über alles her, was die Kühlschränke so hergeben, das reicht vom Salat über Pommes bis zur Schokolade. Sieben verschiedene Speisen sind dreizehn Mal im Vorrat. Schwierig wird es für das gefräßige Käfervolk immer dann, wenn Ringo noch einmal an den Kühlschrank möchte. Wenn er das Licht anknipst, dann müssen alle das Heil in der Flucht suchen. Wer kein Versteck mehr findet, wird gepackt – und Ringo ist schnell, er erwischt immer einen Käfer.
Verlassen wir die Spielgeschichte, kommen wir zum Spiel. Cazzato setzt seine Idee in einem fetzigen Merkspiel um. Die 91 Speisen sind quadratische Papp-Plättchen, die alle eine einheitliche grüne Kühlschrankvorderseite besitzen. Hinter einer solchen Kühlschranktür verbergen sich zusätzlich noch vier Licht-Plättchen und Verstecke, wobei, wie in der Reise nach Jerusalem, immer ein Versteck weniger als Spieler im Spiel ist. BEETLEZ wird von allen Beteiligten gleichzeitig gespielt. Jeder der drei bis sechs Spieler ab 5 Jahren hat eine Speisekarte vor sich liegen, auf die am Anfang ein kurzer Blick geworfen werden darf. Die Karten enthalten drei Lieblingsspeisen und ein Essen, das absolut verpönt ist. Im Spiel muss versucht werden, so viel wie möglich punkteträchtige Lieblingsspeisen zu sammeln und möglichst nicht das „mag-ich-nicht“-Essen aufzunehmen. Dazu werden die Plättchen mit einer Hand umgedreht, gesammelt oder zurückgelegt. Wenn ein Spieler dabei eines der vier Licht-Plättchen aufdeckt, suchen alle nicht mehr nach Speisen, sondern so schnell wie möglich ein Versteck. Einer schafft es nicht und bekommt dafür eine Strafkarte „Erwischt“. So geht das, bis drei Licht-Kärtchen aus dem Spiel sind, dann werden nach der jeweiligen Menue-Karte Plus- und Minuspunkte verteilt, zusätzlich gibt es Strafpunkte für die „Erwischt“-Karten und für den Spieler, der am meisten gefuttert hat, die Licht-Kärtchen bringen noch zwei Pluspunkte. Es gewinnt natürlich der Spieler, der nach recht schnellen zehn bis fünfzehn Minuten Sammelhektik die meisten Punkte ergattern konnte.
BEETLEZ erinnert etwas an Uli Geißlers 2003 erschienenes DER KRÄHENSCHATZ, es reicht natürlich überhaupt nicht an das tolle Spielmaterial der Werksiedlung Kandern heran, Papp-Plättchen können gegen tolle Holzkegel wahrlich nicht bestehen. Das italienische Spiel besitzt aber den Vorteil der unterschiedlichen Sammelphasen, einmal das Futter, dann das Versteck, diese Reihung bringt zusätzliche Dynamik ins Spiel. Die Spielregel ist klar, das Spielmaterial geht in dieser Preisklasse in Ordnung, die Grafik ist nicht berauschend aber zweckdienlich. Was bleibt, ist der Spielspaß und den liefert Cazzatos Spiel allemal.
Titel: BEETLEZ
Autor: Eligio Cazzato
Grafik: Gianpaolo Derossi
Verlag: dv Giochi / Abacus
Spieler: 3 bis 6
Alter: ab 5 Jahren
Dauer: ca. 15 Minuten
Preis: 15 Euro
Spiel 4/2006 R97/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Der Italiener Eligio Cazzato hat ab 2004 einige Spiele veröffentlicht. TOY TRAIN und TAXI DRIVER waren Eigenprodukte. Das letzte Spiel übernahm dann dv Giochi. 2005 veröffentlichte dieser Verlag dann BEETLEZ und FREDERICUS. 2011 erschien mit DIECI das bisher letzte Spiel CAZZATOS.
BEETLEZ war seine erfolgreichste Idee, sie landete 2006 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury.
Sonntag, 20. Juni 2021
SEQUENZ
SAMMELSURIUM
Bütehorn Buchkassetten: SEQUENZ
Die Buchkassetten, die Ravensburger und Pelikan bis Mitte der 70er Jahre herausbrachten, waren wirtschaftlich nur bedingt Erfolge für die Verlage. Als beide Firmen ihre Reihen einstellten und die hannoverschen Pelikane dann bald auch ihre Spielproduktion, füllte die Lücke eine neue Firma aus dem Umfeld von Hannover. Die Bütehorn KG brachte ab 1976 wertige Buchschuber-Spiele unter dem Dach des Buchholz Verlags in Sarstedt bei Hannover heraus, hielt sich allerdings auch nur bis 1982 auf dem Markt.
Markenzeichen der Buchkassetten aus Sarstedt waren Klappdeckel und Druckknopf-Verschluss an einem Leinenanhänger. Heute ist das zwar eine Schwachstelle vieler in die Jahre gekommenen Spiele, damals war das aber eine originelle Idee. Die Reihe der mittleren Buchkassetten in den 80ern verzichtete dann schon auf diesen Verschluss und nutzte einen normalen Pappdeckel. Von diesen Ausgaben wurden mit der Insolvenz des Verlags einige von Hexagames übernommen. Der Verlag aus Dreieich nutzte die Spiele, um ein gutes Startprogramm neben dem Wirtschaftsspiel LONG SHORT zu haben.
Das Bütehorn-Programm war geprägt von großen, mittleren und kleinen Buchkassetten-Spielen. Daneben gab es einige Spiele in flachen Schachteln u.a. die damals sehr bekannten Ferienrallys. Prägend für die Programmgestaltung war Erik Grischeit als Produktmanager, er hatte vorher für Parker gearbeitet. Grischeit, der mit dem Schweizer Journalisten Walter Luc Haas befreundet war, holte bekanntere Autoren ins Programm. So kam er an DAMPFROSS, das in der Ausgabe von Schmidt Spiele 1984 Spiel des Jahres wurde. Auf der ersten Liste der Jury Spiel des Jahres 1979 waren gleich zwei Titel des Verlages vertreten. SETI bekam den ersten Sonderpreis für das schöne Spiel. Die Jury wollte damit zugleich auch den Buchholz-Verlag für sein Bemühen um besonders schön und aufwändig gestaltete Spiele würdigen. Neben SETI landete BLOCKADE von Sid Sackson auf der Auswahlliste. RÄUBER UND GENDARM von Rudi Hoffmann kam 1981 auf dem Bronzeplatz in diesem Jahr, hinter SAGALAND und FOCUS. 1982 schaffte es dann GEISTER von Alex Randolph auf die Liste der Jury.
SEQUENZ
Mit dem strategischen Spiel SEQUENZ begann Roland Siegers vor 40 Jahren seine Autorenkarriere. Mit kleinem Bild und Unterschrift setzte er als junger Autor ein Ausrufezeichen gleich zu Beginn des Regelwerks, absolut nicht selbstverständlich für die frühen 80er Jahre.
Typisch ist da eher das abstrakte Ambiente, in der Siegers Spiel daherkommt. Gespielt wird auf einen 7x7 großen Spielplan. Optisch erst einmal verwirrend sind die Felder sieben Farben sieben Buchstaben und sieben Zahlen zugeordnet. Die Spieler erhalten acht Spielsteine, große schwarz-weiße Holzzylinder.
Das Spielziel ergibt sich aus dem Titel SEQUENZ, jeder versucht entweder alle Felder einer Farbe, einer Zahl oder eines Buchstaben zu besetzen. Es geht dabei nicht um Abfolgen von 1-7 oder A-G, sondern um 7x das „E“, 7x die „3“ oder 7x die grünen Felder. Wer das zuerst schafft, gewinnt die Grundvariante des Spiels, die nur 15 Minuten dauert.
Abwechselnd setzen die Spieler ihre Steine auf beliebige Felder, die nicht an vorhergesetzte angrenzen müssen. Sind alle Steine gesetzt, dürfen sie sich wie die Dame im SCHACH beliebig bewegen, nur besetzte Felder sind tabu.
Die dreifache Konzentration auf Farben, Zahlen und Buchstaben ist nicht einfach, macht das Spiel auch etwas mühsam. Die Farben fallen leicht, wobei rot und pink schlecht zu unterscheiden sind. Für Spieler mit Rot-Grün-Sehschwäche dürfte SEQUENZ unspielbar sein, da an extra Markierungen für die Farbfelder nicht gedacht wurde.
Da Farben leichter fallen als die anderen Sequenzen, schlägt Siegers in einer Variante vor, in der auf acht Punkte gespielt wird, dass jeder nur einen Punkt für eine Farbsequenz, zwei für die Buchstaben und vier für identische Zahlen bekommt.
Die Idee klingt gut, bei gleichstarken und aufmerksamen Spielern ziehen sich die Partien aber hin, bleiben recht statisch in der Auseinandersetzung um Gewinnpositionen. Da wartet man oft auf den Fehler eines Gegners oder versucht zumindest dessen Laufwege so zu blockieren, dass er an wichtige Felder, die man für die eigene Wertung braucht, nicht herankommt.
SEQUENZ ist nicht unbedingt ein Vorzeigespiel des Autors, der später viel interessantere Spiele entwickelt hat, so UISGE, WINKELADVOKAT, MISSISSIPPI und LANCELOT. Alles Spiele, die die Jury in den Jahren nach SEQUENZ auf ihrer Auswahlliste zum Spiel des Jahres hatte, wobei UISGE den Sonderpreis Schönes Spiel 1984 erhielt. SEQUENZ gehört zu den Spielen, die Hexagames mit übernahm, ein Verlag für den Roland Siegers später einige Zeit als Redakteur arbeitete, bevor er für Mattel ein erstaunliches Autoren-Programm generierte, das den Verlag 1989 mit CAFÉ INTERNATIOL das Spiel des Jahres brachte.
Titel: SEQUENZ
Autoren: Roland Siegers
Grafik: o.A.
Verlag: Bütehorn
Spielerzahl: 2
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 40.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 25 - S25/2021
Samstag, 19. Juni 2021
FABELWELTEN
Allez les bleus: FABELWELTEN
Was für ein Erfolg, gleich zwei Spiele des französischen Autorenpärchens Marie und Wilfried Fort landeten auf der Nominierungsliste für das Kinderspiel des Jahres. DRAGOMINO hatte am Ende die Nase vorn. Was für ein Erfolg aber auch für den russischen Verlag Lifestyle Boardgames, nach SPEEDY ROLL (2020), waren sie erneut mit FABELWELTEN der beiden Forts nominiert. Haba tauchte zum letzten Mal 2019 auf dieser Liste auf, dann allerdings gleich mit dem Siegerspiel. Und wer hatte TAL DER WIKINGER erfunden? Nun klar, da sind wir schon wieder bei Wilfried und Marie Fort, die die blaue Szene zurzeit eindeutig dominieren.
FABELWELTEN hatte zwar letztlich das Nachsehen gegenüber DRAGOMINO, aber diese wunderbare Verbindung von Buch und Spiel landete zurecht neben MIA LONDON noch mit auf der Liste der nominierten Spiele.
Zehn Geschichten stecken in dem Spiel, die von spannenden Abenteuern erzählen, verschiedene Wege aufzeigen und ganz eigene Hauptcharaktere entstehen lassen. Die Rolle der Kinder ist die der Buchgestalter. Ein Erwachsener liest die Geschichte vor, in der zum Beispiel ein „zerlumpter Einsiedler“ auftaucht. Wer könnte das sein? Die Antwort liefert den Kindern das eigene Einfühlungsvermögen und 86 Tierkarten. Jeder besitzt immer fünf davon und Dur sucht nun seine Handkarten nach einem Tier, das in die Geschichte passen könnte. Ist es der zottelige Schafsbock oder das einsam in der Wüste stehende Dromedar, ist es der furchtsame Waschbär oder das im Schneckentempo kriechende Faultier?
Wer in der Geschichte landet, entscheiden die Kinder. Die Karten werden gemischt, an eine Punktelaufbahn angelegt und Abstimmungschips regeln die Entscheidung. Wer gewählt wird, bekommt Punkte, außerdem werden die belohnt, die sich mehrheitlich für das ausgewählte Tier entschieden haben. Das Schöne daran, Geschichtenkarte und ausgewählter Tiercharakter landen dann auf Steckplätzen in einer Art Bilderbuch, sodass das Spiel abends gut zur Gutenachtgeschichte taugt.
Wer möchte, kann FABELWELTEN auch kooperativ angehen. Da stehen verdeckt gezogene Karten in Konkurrenz zu selbst gewählten. Die Kinder versuchen, einen eindeutigen Sieger zu bestimmen, gelingt ihnen das, bekommen sie einen Punkt. Klappt es nicht, wandert der fiktive Gegner ein Feld voran.
FABELWELTEN sorgt für einfühlsame Entscheidungen, wenn Kinder auf die Suche nach einer „bescheidenen Flussbewohnerin“ oder einem „verträumten Schüler“ gehen. Punkte treten in den Hintergrund bei dieser kreativen Gestaltung von Geschichten. Ein wunderbares Spiel, das zudem ganz fabelhaft von dem russischen Verlag gestaltet wurde.
Die Geschichten stammen übrigens nicht alle von Marie und Wilfried Fort, das russische Team hat auch fleißig mitgeschrieben. Die Spielregel nennt fünf weitere Autorinnen. Wenn es überhaupt etwas zu kritisieren gibt, dann sind es die etwas fummelig zu bedienenden Einsteckfolien für die Karten.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: FABELWELTEN
Autoren: Marie & Wilfried Fort
Grafik/Design: Eugene Smolenceva, Irina Pechenkina
Verlag: Lifestyle Boardgames / Asmodee
Alter: ab 5 Jahren
Spielerzahl: 2 - 6
Spielzeit: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 48/2021
Freitag, 18. Juni 2021
AUSGERECHNET BUXTEHUDE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
AUSGERECHNET BUXTEHUDE
Was früher die Ravensburger DEUTSCHLANDREISE war, wird in Zukunft AUSGERECHNET BUXTEHUDE sein. Ein geographisches Lernspiel, ein unterhaltsames Familienspiel, ein Kartenlegespiel á la ANNO DOMINI.
Bernhard Lach und Uwe Rapp haben dem Verlag HUCH! ein kleines, pfiffiges geographisches Einordnungsspiel angeboten und die Huch-Redaktion hat eine Spieleperle daraus gemacht. Aus 200 Ortskarten, 36 Holzchips, einer Richtungskarte, die uns den Weg nach Norden und Osten weist, und zwei Intermezzokarten wird ein halbstündiges Spielvergnügen.
Zwei bis sechs Spieler versuchen eine Kartenauswahl von 45 Karten mit deutschen Orten und Sehenswürdigkeiten einzunorden. Das Startkapital sind vier blaue Holzchips und los geht’s. Die erste Karte vom Stapel wird aufgedeckt und legt die Ausgangsbedingungen für die erste Spielphase fest. Da kommt zum Beispiel Hoyerswerda auf die Richtungskarte. Der Startspieler hat sich daran zu orientieren. Liegt sein Karte Halberstadt nun nördlicher, südlicher, westlicher oder gar östlicher von Hoyerswerda? In der vertikalen oder horizontalen Zuordnung muss die Einordnung stimmen. Wenn er sich für die westlichere Lage entscheidet, kann er nicht viel falsch machen, legt er die Karte nach Süden oder nach Norden könnten die Mitspieler schon ins Grübeln kommen, falls er sich gar für eine östlichere Lage entscheidet, ist es gut möglich, dass ein Mitspieler Veto einlegt. Das kann nach jeder abgelegten Karte geschehen, dann muss überprüft werden, ob die Platzierung der Karte zu Recht oder zu Unrecht angezweifelt wurde. Der Gewinner wird mit einem Holzchip des Gegenspielers belohnt. Nach der 15. Karte folgt eine Zwischenwertung, bei der alle Spieler gefordert sind. Alle dürfen schätzen, wie viele Karten in der Auslage zu diesem Zeitpunkt falsch liegen. Für einen richtigen Tipp gibt es zwei Holzchips aus dem Vorrat. Danach startet die zweite Runde wie die erste und das Ganze wiederholt sich dann noch einmal für die letzten 15 Karten.
AUSGERECHNET BUXTEHUDE lebt wie das ähnlich funktionierende Geschichtsspiel ANNO DOMINI vom Nichtwissen, von der Vermutung, von den immer wieder überraschenden Ergebnissen, von Gesprächsanlässen, von Erinnerungen, vom Spielspaß pur. Klar, wer sich gut auskennt, hat die Nase oft vorn, aber im deutschen Osten kennen nicht mal die Freaks sich aus – oder wissen Sie, wo genau Finsterwalde liegt?
Titel: AUSGERECHNET BUXTEHUDE
Autoren: Bernhard Lach, Uwe Rapp
Grafik: Volker Maas
Verlag: HUCH!
Spieler: 2 bis 6
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 12 Euro
Spiel 3/2006 R96/2021
Die Rezension erschien 2006 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Mit FROSCHKÖNIG (Zoch 2003) und AUSGERECHNET BUXTEHUDE starteten Uwe Rapp und Bernhard Lach ihre erfolgreiche Autorenkarriere. Beide Spiele landeten 2004 und 2006 auf der Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres . AUSGERECHNET BUXTEHUDE gewann zusätzlich den ersten Platz beim á la Carte der Fairplay.
Inzwischen haben die beiden Autoren fast 50 Spieleveröffentlichungen vorzuweisen. Sie kennen sich aus dem Schachverein Marbach, mit dem sie es immerhin mehrere Jahre in die zweite Bundesliga gebracht haben. Uwe Rapp (Jg. 1949) war Dozent am Deutschkolleg in Stuttgart. Der Jurist Lach arbeitet beim Rechtsamt der Stadt Heilbronn. Beide leben mit ihren Familien in Erdmannhausen bei Ludwigsburg.
Mit QUINTO (NSV 2015) kamen sie zum dritten Mal zu einem Platz auf der Empfehlungsliste der Jury.
Das Bild zeigt beide Autoren 2005 im Jahr der Veröffentlichung des Spiels auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Donnerstag, 17. Juni 2021
AQUA ROMANA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Alles fließt! AQUA ROMANA
Taktische Legespiele sind sehr beliebt. Mit CARCASSONNE (2001) und DER PALAST VON ALHAMBRA (2003) erlangten in den letzten fünf Jahren immerhin zwei Legespiele den Titel „Spiel des Jahres“. Gute Chancen auf die Nachfolge hat 2006 AQUA ROMANA vom Verlag Queen Games.
Rom, die erste Millionenstadt in der Geschichte der Menschheit, war nach mittelalterlichen Maßstäben eine hypermoderne Metropole. Eine ausgefeilte Kanalisation sorgte für hygienische Bedingungen, die Mitteleuropa erst im 19. Jahrhundert wieder erreichte, auch die oberirdische Wasserzufuhr war durch zum Teil mehrstöckige Aquädukte perfekt geregelt. Der Faszination dieser Bauwerke konnte sich der Hagener Spieleautor Martin Schlegel nicht entziehen. Der Faszination seiner spielerischen Umsetzungen wird sich kein Freund von Legespielen entziehen können.
Raffiniert hat der Autor den Bau der Wasserleitungen in einem römischen Stadtviertel konstruiert. Einerseits gibt es Bauarbeiter, die, von einer Wasserquelle ausgehend, den Bau der Aquädukte der zwei bis vier Spieler umsetzen. Wie sie und vor allem wie lang sie ihre Wasserstrecken errichten können, ist abhängig von der Nutzung von Baumeistern, die um das Stadtviertel herum platziert stehen. Ist ein solcher Baumeister in Blickkontakt mit einem Arbeiter, legt er die Streckenführung fest. Dadurch können mit Geraden, Kurven Über- und Unterquerungen und Doppelkurven manchmal erstaunlich lange Aquädukte errichtet werden. Denn auf die Länge der Wasserleitungen kommt es an, die führt am Ende zum Spielsieg.
Das chaotische Wassernetz, das entsteht, wenn nichts mehr weiter fließen kann, hätte in Rom sicherlich zu einer Revolte geführt. Die Spieler, die dieses optisch reizvolle Ergebnis produziert haben, werden das anders sehen. Denn das Chaos ist Produkt strategischer Überlegungen, wenn Gegenspieler abgeschnitten und geblockt werden, Unterführungen den Weiterbau retten und die Siegpunktewertung im Blick bleibt. Das ist etwas für Feinschmecker, da darf mit exquisitem Tafelwasser angestoßen werden. AQUA ROMANA verbindet auf eindrucksvolle Weise Elemente des klassischen Legespiels mit taktischen Möglichkeiten und einem originellen Abrechnungsverfahren.
AQUA ROMANA
Verlag: Queen Games
Autor: Martin Schlegel
Grafik: Michael Menzel
Alter: ab 8 Jahren
Anzahl Spieler: 2-4
Spieldauer: 45 bis 60 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 2/2006 R95/2021
Die Rezension erschien 2005 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
AQUA ROMANA hat Martin Schlegel (Jg. 1946) zwar eine Nominierung zum Spiel des Jahres eingebracht, aber noch erfolgreicher war er wohl gemeinsam mit seiner Gattin Erika mit LUTHER: DAS SPIEL (Kosmos), einem Spiel zum Lutherjahr.
20 Jahre nach ihrem ersten Spiel, mit dem sie gemeinsam mit MOSE DURCH DIE WÜSTE (Uljö) zogen, führt sie ihr Spiel über Martin Luther direkt zum Bundespräsidenten. Am 20. Oktober 2016, vier Tage nach Vorstellung des Spiels in Essen, erreicht sie ein Brief des Bundespräsidialamtes: „Der Bundespräsident und Frau Daniela Schadt bitten Frau Erika Schlegel und Herrn Martin Schlegel aus Anlass des Reformationsjubiläums 2017 zu einem musikalisch-literarischen Schlossabend "Martin Luther" am Donnerstag, dem 3. November 2016, um 19.30 Uhr. Im Anschluss findet ein Empfang statt." Dass ein Spiel einen Autor oder in diesem Fall ein Autorenpaar direkt zum Bundespräsidenten führt, dürfte einmalig sein.
Zu dem Zeitpunkt hatte Schlegel, der in der Stadtverwaltung Hagens wissenschaftlicher Mitarbeiter im Amt für Stadtforschung und Statistik war, knapp 50 Spiele veröffentlicht, darunter ganz viele als SPIEL IM HEFT in der spielbox. Seine Entwickler-Philosophie: „Kurze Regeln. Der Kopf soll nicht mit Regeln gefüllt werden. Außerdem gilt für ihn Alex Randolphs Grundsatz: ‚Ein Spiel ist erst dann fertig, wenn ich es nicht weiter vereinfachen kann.‘“ (vgl. www.muecke-spiel.de/autor-martin-schlegel/)
Wichtig für ihn waren Erfolge beim Hippodice Autorenwettbewerb. Dadurch erreichte er Veröffentlichungen wie HEKLA bei der Holzinsel oder WEST OF AFRICA (ADC Blackfire). Schlegel, inzwischen schon lange pensioniert, ist immer noch aktiv. So gut wie jedes Jahr erscheint mindestens ein Spiel von ihm.
Das Bild zeigt Martin Schlegel 2004 in Göttingen mit einem Vorläufer von AQUA ROMANA.
Mittwoch, 16. Juni 2021
WIE ICH DIE WELT SEHE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
WIE ICH DIE WELT SEHE
Einsteins Antwort auf diese Frage sah 1930 u.a. so aus: „Der wahre Wert eines Menschen ist in erste Linie dadurch bestimmt, in welchem Grad und in welchem Sinn er zur Befreiung vom Ich gelangt ist.“ Urs Hostettlers spielerische Antworten ergeben im Jahre 2004 eine weniger philosophisch geprägte, dafür unheimlich unterhaltsame Einsicht in die heutige Welt. Die Spieler des Kommunikationsspiels WIE ICH DIE WELT SEHE, mindestens vier, neun (!) sind aber auch möglich, bezeichnet der Schweizer Spielautor als „Idewedwes“, im Singular ist das ein Individuum, das erläutert, wie es die Welt sieht.
Keine Angst, Ihre Philosophiekenntnisse kommen nicht auf den Prüfstand, die weltbewegenden Fragen (leider nur 112) sind profan, erotisch, politisch und hostettlerisch. Ein Beispiel gefällig: „Die Schilder „Käkkivaara nuotsin“ in finnischen Wäldern weisen auf ES hin“. Dieses „Es“ gilt es mit Sinn zu füllen und zwar nicht aus dem hohlen Bauch heraus mit Antworten wie „Froschwanderung“ oder „Elchbrunft“, sondern aus dem Reservoir von 12 „Es-Kärtchen“, die jeder aus einem Vorrat von knapp 400 Kärtchen erhält. Das „Idewedwes“ muss bald viele „Es“-Erklärungen miteinander vergleichen und zwar nicht nur die seiner Mitspieler, sondern ein blind gezogenes „Es“ vom Kartenstapel ist auch dabei. Da sieht sich das erläuternde Individuum mit Antworten wie „frei schwebende Jungfrauen“, „Kopftücher“, „undefinierbare Grunzlaute“, „Hexen“ und „Maulwürfe“ konfrontiert. Die Entscheidung für ein „Es“ trifft allein das „Idewedwes“, dabei sollte es sich schon von rationalen, manchmal auch kreativen Überlegungen leiten lassen, denn die Wahl des zufällig gezogenen Stapelkärtchens wird knallhart bestraft. Eine Gewinnkarte, die man erhält, wenn man vom „Idewedwes“ auserwählt wird, muss abgegeben werden und man wird zum „Tafkai“ degradiert, „the artist formerly known as Idewedwes“. Diese Rolle gibt man erst ab, wenn eine Mitspielerlösung bei der „Welterklärung“ gewählt wird und damit Punkte vergeben werden. Die „Es“-Kärtchen werden stets wieder auf 12 ergänzt.
Gespielt wird auf vier bis sieben Gewinnpunkte, aber daran denkt bald niemand mehr. Der Spaß an den Lösungen führt meist zu viel Gelächter. So passen die „Es“-Kärtchen zu vielen scheinbar tiefschürfenden „Meine Welt“-Karten. Die Antworten oben könnten wir uns doch auch gut für folgende Ausgangskarten vorstellen: „Im Innern einer Kathedrale kommt ES besonders zur Geltung“ oder „Was nur seine engsten Freunde wissen: der deutsche Bundeskanzler steht auf ES“.
Für geübte Welterklärer gibt es Doppelwelten, Aussagen mit zwei Leerstellen, die entsprechend mit zwei Kärtchen gefüllt werden müssen. Die Spielregel enthält außerdem noch Varianten für zwei oder drei Spieler, bei denen vor allem die Zahl der zufällig gezogenen Lösungskarten vom Stapel erhöht wird. Das funktioniert zwar, aber den eigentlichen Spaß haben große Spielrunden. Urs Hostettler ist Garant für kommunikative Leckerbissen. Der herrliche Partyspaß WIE ICH DIE WELT SEHE steht in der erfolgreichen Tradition von EIN SOLCHES DING, SCHRAUMELN und ANNO DOMINI. Es ist zu hoffen, dass ganz im Stil der ANNO DOMINI- Reihe noch viele Welterklärungsansätze aus der Schweiz zu erwarten sind. Mit den gut hundert Karten der Erstfassung ist das Spiel noch lange nicht ausgereizt. Mitgeliefert wird dann sicherlich wieder die „Helpline“ im Regelanhang: ein ganz besonders amüsanter Einblick in die Weltsicht des Autors. So erfahren wir über den „sardischen Pfeifhasen, dass er bei Gefahr wie ein Murmeltier pfiff, aber offenbar zu wenig laut. Ausgestorben.“ Ich wage die Prognose, dass WIE ICH DIE WELT SEHE nicht so schnell aussterben wird, die meisten Neuheiten des Jahres wird es lange überleben.
Titel: WIE ICH DIE WELT SEHE
Autor: Urs Hostettler
Grafik: Res Brandenburger
Verlag: Abacus
Spieler: 2-9
Alter: ab 10 Jahren (einige Karten, sollten dann aber aussortiert werden)
Spieldauer: >30 Minuten
Preis: ca. 12 €
Spiel 24/2004 R94/2021
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der Berner Autor und Liedermacher Urs Hostettler gründete 1982 mit dem Verlag Fata Morgana einen eigenen Spieleverlag und eine Vertriebsfirma für Spiele und Liedermacher-Platten. 1985 kam der renommierte Laden das „DracheNäscht“ dazu, ein Verkaufsladen für Spiele und Drachen in der Berner Altstadt, der immer noch existiert. Den Trend zu Krimispielen hat er mit seinen MYSTERIE WEEKENDS schon lange vorweggenommen. Seit 1993 unterhält er mit Stücken wie MORSOC und GENIE UND WAHNSINN.
Mit KREML, EIN SOLCHES DING, SCHRAUMELN und WIE ICH DIE WELT SEHE landeten Spielentwicklungen Hostettlers auf der Auswahl- und Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres. Auch das geniale TICHU und die ANNO DOMINI-Reihe stammt von ihm. Die meisten seiner Spiele hat Abacus in Deutschland herausgebracht.
Dienstag, 15. Juni 2021
TUCHULCHA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MENSCH ÄRGERE DICH NICHT bei den Etruskern: TUCHULCHA
Spieleredakteure sind nicht zu beneiden. Jede Woche finden Sie in ihrer Post die 500. MENSCH ÄRGERE DICH NICHT-Variante und den 1000. MONOPOLY-Clon. Nach kurzer Regellektüre folgt das Ablehnungsschreiben. Dass der italienische Verlag daVinci Games, der 2004 mit VIVA IL RE einen ersten Erfolg (Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres) landen konnte, einen MENSCH ÄRGERE DICH NICHT-Ableger bis zur Endproduktion brachte, verwundert dann doch. TUCHULCHA nennt der Autor Marco Donadoni sein Laufspiel, mit dem historisch die etruskische Gründung Roms nachvollzogen wird.
Ein ausführlicher Exkurs der Spielregel führt uns in die Priesterwelt der Etrusker ein, die mit den aus der Unterwelt kommenden Bedrohungen fertig zu werden versuchten. Aus dem Schattenreich drohte vor allem TUCHULCHA, eine Dämonin der Unterwelt, der Medusa nicht unähnlich, ein Schlangenwesen mit bösem Blick. Die zwei bis vier Spieler vertreten Priester etruskischer Gottheiten, die möglichst nicht von TUCHULCHA gefangen werden wollen. Von ihren jeweiligen Tempeln wandern alle zum Heiligtum der Göttin Voltumna, die als Bundesgottheit dem etruskischen Städtebund vorstand. Hier haben wir schon den Kern des Laufspiels: Acht bzw. neun Figuren einer Farbe wandern von ihrem Startfeld zu einem gemeinsamen Zielfeld, alle müssen dabei das Spielfeld (fast) einmal umrunden.
Lassen wir die mythologische Einbindung beiseite. Die Spielfiguren werden würfelnd bewegt, wobei stets zwei Würfel im Spiel sind. Das Wurfergebnis darf auf eine oder zwei Figuren verteilt werden, bei einem Pasch darf ein dritter Würfel geworfen werden. Wie beim klassischen Vorbild werden gegnerische Figuren geschlagen. Sie starten allerdings nicht neu, sondern sind aus dem Spiel, landen im Wald der TUCHULCHA. Um sich zu schützen, kann man Sonderfelder ansteuern, die das Schlagen erschweren, die aber im nächsten Zug sofort wieder verlassen werden müssen. Dieser Zugzwang kann nachteilig sein, da es Zugangsfelder gibt, die direkt in den Wald der TUCHULCHA führen. Wer dort landet, ist sofort aus dem Spiel. Das Spiel endet, wenn ein Spieler mit seiner letzten Figur im Ziel oder im Wald landet. Der Spieler mit den meisten Figuren im Zielbereich gewinnt.
Mit den zwei Würfeln spielt sich TUCHULCHA natürlich taktischer als MENSCH ÄRGERE DICH NICHT, auch die Sonderfelder haben ihren Reiz, aber das allein hätte die Veröffentlichung einer Klassiker-Variante kaum gerechtfertigt. Deshalb gibt es weitere Siegbedingungen, die dem Spiel gut tun. Im Spielverlauf können sich maximal zwei Spieler entscheiden, ihre Zielbedingungen zu ändern. So darf ein Spieler die Interessen der TUCHULCHA vertreten. Bei dieser Entscheidung muss der betreffende Spieler drei Spielfiguren opfern, die er aus dem Wald oder dem Zielgebiet nehmen kann. Der TUCHULCHA-Spieler gewinnt, wenn er alle gegnerischen Spieler schlägt und keiner mehr das Zielgebiet erreicht. Er scheidet aber sofort aus dem Spiel aus, wenn ein anderer Spieler mit einer Figur nach Voltumna gelangt.
Ein Spieler, der sich für TUCHULCHA entscheidet, kann nicht mehr geschlagen werden. Ihm stehen vier Würfeln zur Verfügung, von denen drei benutzt werden müssen. Bei den Sonderfeldern muss sich dieser Spieler nur vor den Durchgängen in den Wald in Acht nehmen, ansonsten dreht er seine Runden, um alle Gegenspieler abzufangen.
Sobald sich ein Spieler für die TUCHULCHA-Rolle entschieden hat, darf ein weiterer zu seinem direkten Gegenspieler werden. Er muss versuchen, die Waldzugänge zu versiegeln. Dazu muss er noch mindestens vier Figuren im Spiel haben. Sobald er nicht mehr genügend Figuren für dieses Vorhaben hat, kann er ebenfalls aus dem Spiel ausscheiden. Versiegelt wird der Zugang, wenn eine Figur dieses Spielers exakt auf einem Durchgangsfeld landet, danach kommt die Spielfigur aus dem Spiel. TUCHULCHAs Gegenspieler würfelt zwar wie bisher nur mit zwei Würfeln, er kann aber nur vom TUCHULCHA-Spieler endgültig geschlagen werden. Falls ein anderer Spieler seine Figuren trifft, müssen sie zurück in den Ausgangstempel. Beim Vorwärtsziehen zählen nur die unbesetzten Felder, so dass die Figuren schneller vorankommen.
Wer TUCHULCHA Priesterfiguren aus dem Spiel bringt, weil er das Zielgebiet mit einer Figur erreicht hat, kann selbst die TUCHULCHA-Rolle übernehmen, muss aber statt drei vier Figuren „opfern“. Voraussetzung ist, dass die Mitspieler noch mindestens zwei Figuren im Spiel haben.
Der Rollenwechsel, den sich Marco Donadoni für TUCHULCHA hat einfallen lassen, bringt Pep ins Spiel. Wer scheinbar chancenlos den guten Würfelergebnissen der Mitspieler hinterherhechelt, sieht plötzlich Licht im Dunkeln des Waldes. Im Mythos der Geschichte schlägt sich der Gute auf die Seite des Bösen und kann auf diese Weise gewinnen. Kann gewinnen, muss aber nicht, deshalb ist die dritte Rolle besonders pfiffig.
TUCHULCHA bleibt letztlich natürlich immer noch ein Würfelspiel mit aller Glücksabhängigkeit dieser Spielegattung. Deshalb scheiden sich in der Bewertung auch die Geister. „Genialer Wurf“ bis „öde Würfelei“ mit „an den Haaren herbei gezogenem Regelwerk“ war in meinen Spielrunden zu hören. Eine Testrunde sollten Sie dem Spiel aber zugestehen, zumal das Ambiente stimmig ist. Der Grafiker, der sich an klassischen Vorbildern orientiert, hat gute Arbeit geleistet, das Spielmaterial – keine einfachen Holzpöppel – ist für ein Spiel dieser Preisklasse sehr ordentlich. Die Spielregel ist dank vieler Beispiele recht klar und lässt fast keine Fragen offen. Der Spielplan ist beidseitig für das Spiel zu dritt bzw. zu viert verwendbar. In der Dreierversion gibt es nur die TUCHULCHA-Rolle und auch Einschränkungen bei den Würfeln. Probieren Sie’s aus, aber bitte mit Rollenwechsel, denn sonst kommt schnell Langeweile auf!
Titel: TUCHULCHA
Autor: Marco Donadoni
Grafik: Stefano de Fazi
Verlag: daVinci Games
Spieler: 2-4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 40 Minuten
Preis: ca. 15 €
Spiel 23/2004 R93/2021
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Marco Donadoni, 1951 in Italien geboren, startete seine Karriere schon in den 70er Jahren. Seine Entwürfe prägte das Profil des italienischen Unternehmens International Team, das sich vom Puzzlehersteller mit ihm dem Wargame-Markt öffnete. Spiele wie ZARGO’S LORDS, ILIAD, AUSTERLITZ u.a. waren sehr erfolgreich.
Nach dem Konkurs von IT arbeitete mit mehreren großen italienischen Spielefirmen wie Editrice Piccoli, Editrice Giochi und anderen zusammen.
Ausgezeichnet wurde er 1981 für die abstrakte Spielidee RA, für die IT den Sonderpreis Das Schöne Spiel von der Jury Spiel des Jahres erhielt.
TUCHULCHA gehört zu den wenigen Veröffentlichungen von Donadoni, die nach 2000 erschienen sind.
Montag, 14. Juni 2021
TAC
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
DOG lässt grüßen: TAC
Wieder einmal tritt ein Kleinverlag großspurig auf, wieder einmal ist ein „neuer Klassiker“ erfunden worden. Diesmal sind es Kolja Sparrer (32) und Karl Wenning (56), die die Spielwelt verändern wollen und die dafür den Verlag Flowers of Life Publishing Company gegründet haben. Ihr Spiel heißt weniger aufwändig ganz einfach TAC, ist dafür aber äußerst hochwertig umgesetzt worden und wird entsprechend teuer verkauft. Für alle die immer noch in DM umrechnen, mehr als ein alter Blauer muss es schon sein.
Wofür der ganze Aufwand? Im Grunde genommen ist TAC ein exorbitant teures MENSCH ÄRGER DICH NICHT. Es gibt eine Laufbahn, es gibt vier Zielfelder, es darf hinausgeworfen werden, alles ist bekannt. Erstmalig stutzen wir aber bei der Betrachtung des Spiels. Nicht weil die Holzpöppel durch Glaskugeln ersetzt sind, die sich auf den Vertiefungen des großen Holzspielbretts fortbewegen. Das gehört zum Ambiente, zum teuren Schein. Nein, wir stutzen, weil es keine Würfel gibt, der wichtige Bewegungsmotor fehlt. TAC bietet 104 eigens gestaltete Spielkarten zur Steuerung an. Ein Blick in die Regel zeigt, dass es noch einen weiteren wichtigen Unterschied zum klassischen Vorbild gibt. TAC ist ideal für vier Spieler und damit ein Teamspiel, in dem die Mannschaft gewinnt, die zuerst ihre acht Kugeln nach Hause bringt.
TAC wird in Runden gespielt, in denen den Spielern anfangs immer fünf Karten zur Verfügung stehen. Der Würfel-Sechs zum Einspielen entsprechen die Eröffnungskarten 1 und 13. Zu Spielbeginn wird geklärt, ob jemand rauskommen kann. Da danach immer eine Karte mit dem Partner getauscht wird, kann man dem Kompagnon hilfreich unter die Arme greifen. Wer nicht setzen kann, muss eine Karte abwerfen. Gezogen wird im Uhrzeigersinn, die Kartenziffer gibt in der Regel die Zugweite vor. Kugeln (auch eigene) dürfen aber nicht überholt werden, sie dürfen nur durch Schlagen überwunden werden. Spielentscheidend sind die Sonderkarten. So muss man mit der Karte 4 rückwärts ziehen. Idealer lässt sich die große Runde bis zu den Zielfeldern nicht verkürzen. Nach dem Einspielen mit der „4“ rückwärts ziehen und dann mit mindestens einer „5“ ins sichere Haus. Große Vorteile bringt auch die „7“, die in beliebige Einzelschritte zerlegt und auf verschiedene Kugeln verteilt werden darf. Mit der „8“ darf man acht Schritte gehen, aber auch den nachfolgenden Spieler aussetzen lassen. Zwei weitere Sonderkarten „Trickser“ und „Tac“ stiften zusätzlich Verwirrung oder, wenn wir es positiv formulieren, unterstützen die Spieltaktik. Mit der Trickser-Karte werden Positionen von zwei Kugeln im Kreis vertauscht. Die Tac-Karte ist besonders stark, mit ihr macht man den vorangegangenen Zug des Gegners rückgängig und nutzt ihn für eigene Zwecke, auch so kann man ohne „1“ oder „13“ ins Spiel kommen. In einer Meisterversion stiften Narr, Krieger, Engel und Teufel zusätzlich Verwirrung. Sobald ein Spieler seine vier Kugeln im Ziel hat, ist er nicht aus dem Spiel, sondern unterstützt seinen Partner, bis eine Mannschaft alle acht Kugeln untergebracht hat.
Das kartengesteuerte MENSCH ÄRGERE DICH NICHT hat unbestritten Reiz. Der Teamgedanke ist pfiffig, die taktischen Möglichkeiten durch die vielen Sonderkarten sind vielfältig. Ehrlicherweise muss man aber sagen, dass ein solches Spiel keine originäre Erfindung der beiden „Autoren“ ist. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung gibt Kolja Sparrer seine angebliche Quelle bekannt. Er habe das Spiel „vor 15 Jahren über einen Freund aus den Pyrenäen kennen gelernt“, dort heiße es TOC, seinen Ursprung habe es entweder in Kanada oder Frankreich. Nun ja, sehr wahrscheinlich stammt es aus Nordamerika, in Insiderkreisen ist seit Jahren das von Wolfgang Wichmann produzierte allerdings nicht mehr erhältliche DOG bekannt, das ganz ähnlich funktioniert.
TAC ist letztlich eine weitere spannende Variante des Klassikers, die sich vor allem durch die TAC-Karte und die weiteren vier Sonderkarten von DOG unterscheidet. TAC kommt außerdem viel edler daher. Der hohe Materialaufwand liefert ein Spielbrettambiente, das Spielcasinoatmosphäre aufkommen lässt. Klar, das hat seinen Preis, aber der scheint für den gebotenen Gegenwert durchaus angemessen. Mich persönlich stören allerdings die Firmen-Flowers, die „Blumen des Lebens“, Mandalas, die alles überlagern und für ein wenig Unklarheit auf dem Spielbrett sorgen. Das Regelwerk ist umfangreich, man kann auch sagen umständlich angelegt. Die beiden Autoren haben ein Faible für Merksprüche, die angeblich hilfreich sein sollen. Merke also: „Wer kann – der muss!“ – wer es sich leisten kann, müsste sich TAC schon zulegen, ein vorzeigbares Objekt in jeder Spielesammlung.
Titel: TAC
Autoren: Kolja Sparrer und Karl Wenning
Grafik: Gondor Kommunikationsdesign Gbr
Verlag: Flower of Life Publishing Company
Spieler: 2-4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 59 Euro
Spiel 22/2004 R92/2021
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zu den Autoren:
Kolja Sparrer und Karl Wenning haben nur dieses Spiel veröffentlicht. Die Rechte für ihre Idee hatte dann eine zeitlang der Giseh Verlag. Im Augenblick vertreibt Karl Wenning das Spiel aber weiter, in dem eigens gegründeten Tac Verlag, der seinen Sitz in Aichach hat.
Auf dessen Seite sind die wichtigsten biographischen Daten der beiden Autoren festgehalten:
„Kolja Sparrer wurde als Sohn eines Arztes und einer Architektin am 15.01.1973 in München geboren. Als Grundschüler besuchte er die Integrationsklasse an der Montessori-Schule, an welche er nach dem Abitur im Jahr 1992 als Zivildienstleistender zurückkehrte. Danach folgten eine zweijährige Schreinerlehre in München und ein abgeschlossenes Architekturstudium an der TU München. Seit 2002 arbeitet Kolja Sparrer als freiberuflicher Architekt. Zur Herausgabe von TAC® gründete er im Januar 2004 gemeinsam mit Karl Wenning den TAC Verlag.
Karl Wenning wurde am 16.8.1949 in Dachau geboren. Nach dem Abitur studierte er Sozialpädagogik und danach folgte eine dreijährige Schauspielausbildung in München. Dem Abschluss beider Studienfächer folgte eine zwanzigjährige Theatertätigkeit im Bereich Kinder-, Jugend- und Erwachsenentheater in Zusammenarbeit mit F.J.Bogner - Regisseur, Autor, Clown und Kabarettist. Ab 1995 arbeitete er als Dozent in der Schule für Heilerziehungspflege Schönbrunn und in der Betreuung psychisch kranker Menschen. Seit 2004 ist Karl Wenning Geschäftsführer des TAC Verlags.“
Die Flower of Life Publishing Company findet hier gar keine Erwähnung mehr. Wie 2004 wird das Spiel auch heute noch in Deutschland hergestellt.
Sonntag, 13. Juni 2021
COLOMINO
SAMMELSURIUM
Ravensburger Casino-Serie: COLOMINO
Die Casino-Serie war die Antwort der Ravensburger auf den Erfolg der 3M-Spiele aus den USA. Im edlen Buchschuber erschienen zwischen 1971 und 1975 13 Spiele. Verantwortlich war der damalige Redaktionsleiter Erwin Glonnegger, der 1987 in einem kleinen Sonderheft der Zeitschrift „Spielblatt“ seine damaligen Überlegungen darlegte: „Bei der Ausstattung der CASINO-SERIE ging ich seinerzeit Anfang der 70er Jahre unter anderem auch von Erfahrungen mit Büchern aus. Deshalb wurden z.B. die Packungen mit Buchbinderleinen überzogen und mit einer abnehmbaren Titelbanderole aus Papier versehen, ähnlich dem Schutzumschlag eines Buches. Die Packung war ferner so gestaltet, dass sie hochkant in einem Bücherregal aufgestellt werden konnte. Das bedeutete unter anderem auch, dass das Spielmaterial sehr kompakt in der Schachtel untergebracht werden musste.“
In der Reihe veröffentlichten Autoren wie Alex Randolph, der auch 3M mit auf den Weg gebracht hatte, er startete 1974 mit QUARO noch unter dem Pseudonym L.W. Bones, daneben erschienen Klassikerausgaben wie SCHÖNE ALTE SPIELE, das Ravensburger schon in den 60er Jahren in flacher Schachtel veröffentlicht hat. Auch Max Kobbert kam mit COLOMINO hier zu seiner ersten Veröffentlichung. Am erfolgreichsten waren Lizenzausgaben der Firma Spencer-Murray aus Pennsylvania, die mit dem BÖRSENSPIEL und JOCKEY zum Erfolg in den ersten Jahren beitrugen.
Max Kobberts erstes Spiel: COLOMINO
Kurz nach seinem Psychologiestudium während der Arbeit an seiner Dissertation entwickelte der 28jährige Max Kobbert den DOMINO-Ableger COLOMINO. Erwin Glonnegger erkannte das Potential des Spiels und Autors, der fortan fast ausschließlich Ravensburger treu blieb und sich und dem Verlag mit dem Dauerbrenner DAS VERRÜCKTE LABYRINTH (1986) viel Geld einbrachte. Erst einmal brachte Glonnegger aber 1973 in der renommierten CASINO-Reihe mit COLOMINO das Spiel des damals unbekannten Autors heraus.
Wahrscheinlich war Glonnegger einerseits von der Nähe zu TWIXT fasziniert, denn in Kobberts Idee geht es auch darum, zwei Spielfeldseiten miteinander zu verbinden, andererseits reizt die Bepunktung auf dem Weg dorthin.
144 Spielsteine mit Farbkreuzen, die ein- bis vierfarbig sein können, und Jokersteinen sollen in ein 9x9 oder 12x12 Felder großes Gebiet gelegt werden, in dessen Randmarkierungen die vier Spielfarben auftauchen. Jeder Spieler bekommt eine Ablageleiste auf die er fünf zufällig gezogene Spielsteine stellt.
Reihum legen alle stets drei Steine passend á la DOMINO an, gestartet wird von der jeweiligen Grundlinie aus. Gebaut wird einerseits an einer Seitenquerung, andererseits an der Bildung von offenen und geschlossenen Höfen, um Siegpunkte zu erlangen. Beim offenen Hof fehlt noch ein Stein zur völligen Umrandung. Ein geschlossener Hof ist von allen Seiten umgeben. Für diese Höfe gibt es Prämien, gelbe und blaue Spielmarker, die am Ende ein oder zwei Punkte wert sind. Kettenzüge sind besonders lukrativ, wer mit seinen drei Chips mehrere Höfe besetzen kann, bekommt für den ersten Hof die normale, für den zweiten die doppelte und für den dritten die dreifache Prämie. Sobald ein Spieler die gegenüberliegende Grundlinie erreicht, darf jeder noch einmal ziehen und dann werden die Punktechips addiert.
Auch in Zeiten von KINGDOMINO & Co. besitzt Kobberts COLOMINO noch Reiz, der sich aus der vielschichtigen Bepunktung und dem Brückenschlag ergibt. Wer ahnt, dass er vorn liegt, wird geradliniger bauen, um das Ende herbeizuführen. In der Zwischenzeit können die anderen aber durch Bildung von Ketten-Höfen aufholen.
Schönes Legematerial für die damalige Zeit, der Plastikbeutel zum Ziehen der Steine hätte allerdings einer aus Stoff sein können. Sonst finden wir in diesem CASINO-Spiel den üblichen hohen Standard, den diese Ravensburger-Reihe hatte und zudem mit COLOMINO noch ein gutes Spiel.
Titel: COLOMINO
Autoren: Max Kobbert
Grafik: o.A.
Verlag: Ravensburger
Spielerzahl: 2 - 4
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 60.- DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 24 - S24/2021
Samstag, 12. Juni 2021
SPACE DRAGONS
Die Crew reist zu den SPACE DRAGONS
Vor ziemlich genau drei Jahren durfte Richi Haarhoff in Göttingen den Preis für das damalige Jury-Stipendium für den besten Nachwuchsautor in Empfang nehmen. Eine gute Wahl, wie sich inzwischen gezeigt hat. Mit MEMORINTH konnte Haarhoff schon 2020 überzeugen und aktuell landet Richi einen Volltreffer mit SPACE DRAGONS. Beide Spiele sind bei der Edition Spielwiese erschienen. Michael Schmitt beweist durchweg ein gutes Händchen bei der Spieleauswahl, das ihm 2021 wahrscheinlich sogar für MICROMACRO - CRIME CITY das Spiel des Jahres bringen wird.
Für Listenerwähnungen oder noch höhere Auszeichnungen kam SPACE DRAGONS leider zu spät. Es ist erst wenige Wochen auf dem Markt und muss hoffen, dass es neben den vielen kommenden Neuheiten nicht in Vergessenheit gerät. Die Spiele, die zwischen Mai und August herauskommen, haben es immer etwas schwerer, auf Jurylisten zu gelangen.
Dabei ist Haarhoffs Spiel ein genialer Wurf, der dem Stichspiel wieder einmal eine neue Seite abgewinnt. Thematisch bewegen wir uns auf CREW-Ebene im Weltraum, sind allerdings kompetitiv und draftend unterwegs. In der Galaxie der SPACE DRAGONS warten wertvolle Drachen auf uns, um die es sich zu kämpfen lohnt. Und kämpfen muss man ständig, nicht nur gegen die Kartenwerte der Gegenspieler, sondern auch mit ihren Raumschiffen, in deren Fadenkreuz die Drachensieger immer wieder auftauchen. Da braucht es Abwehrschilde und Bordwerkzeug, um angerichtete Schäden zu reparieren. Schließlich kämpfen wir nicht nur, sondern arbeiten für die Forschung und versuchen die Laune unserer Crew-Mitglieder hoch- und die Kriminalitätsrate an Bord niedrigzuhalten.
All diese Aspekte stecken in Haarhoffs 80 Crew-Karten. Da haben wir Crew-Werte von 1-80, da sind teilweise ergänzend positive oder negative Wertungspunkte auf den Karten zu finden und Symbole für Wissenschaft, Stimmung und Kriminalität. Zusätzliche Ausspieleffekte bringen Verteidigungsschilde, Fadenkreuze, Werkzeuge, aber auch Schäden. Neben den 80 Grundkarten sind 20 Drachen der Galaxie im Spiel, die besitzen Punktwerte zwischen 8 und 12 Punkten und teilweise auch die oben angesprochenen Symbole. Sieben davon werden zufällig für eine Expedition ausgesucht. Drei doppelseitige Wertungskarten geben vor, wer für Wissenschaft & Co. Punkte oder keine Minuswertungen erhält. Manchmal muss man die meisten Symbole haben, manchmal auch am wenigsten.
Am Anfang bekommt jeder neun Crew-Karten, die im Draftingverfahren verteilt werden. Dadurch erhalten alle einen guten Überblick über Kartenwerte und Symbolhäufungen, sodass schon die Draftphase von Bedeutung für das kommende Spiel ist.
In den sieben Spielrunden wird jeweils ein Drache aufgedeckt, um den eine Art Stichspiel stattfindet. Die höchste Karte gewinnt, alle gespielten Fadenkreuze richten sich aber dann auf den Sieger. Das kann zum teuren Spaß werden, denn die Drachen sind durchschnittlich zehn Punkte wert, allein zwei gegnerische Fadenkreuze bringen Schäden von jeweils fünf Punkten. Wer genügend Schildverteidigung aufgebaut hat, braucht die Angriffe nicht zu fürchten, es reicht auch, noch ausreichend Werkzeug in petto zu haben. Werkzeuge bekommt man allerdings meist nur für einstellige Zahlenwerte, mit denen sich kaum Drachen gewinnen lassen. Zusätzlich hat man dann ja auch noch die ganzen Wertungen im Hinterkopf, für die es gilt, ebenfalls wertvolle Punkte zu sammeln. Der Zwänge sind viel, zum Glück muss man nicht alle Karten ausspielen, sondern behält zwei zurück. Damit das alles korrekt abgerechnet werden kann, werden die Karten der Stichrunden nicht danach eingesammelt, sondern bleiben vor den Spielern liegen. Fast jede durch Drafting erworbene Karte verbessert damit die eigene Bilanz für die Punktberechnung.
Nach dem siebten Drachen ist Schluss und es muss einiges addiert oder subtrahiert werden. Dazu fehlt mir allerdings ein kleiner Auswertungsblock, der schon ganz hilfreich an dieser Stelle wäre.
SPACE DRAGONS ist kein kooperatives Knobeln an einer Stichaufgabe, dafür aber eine fetzige Weltraumschlacht, in der die Kartenauswahl eine ganz entscheidende Bedeutung erhält. Da ist eben nicht nur der Drachenkampf um Mehrheiten, sondern da kommen die Raumschiffkämpfe und die Punktesammlungen hinzu. Multifunktionale Karten und eine klare Ikonographie bieten einfache Lösungen für die Schlachtbilanzen. Das ist alles graphisch stimmig umgesetzt, Florian Biege zeigt nun nicht mehr nur bei den Drei Hasen in der Abendsonne, dass er sein Handwerk versteht. Der Münsteraner ist bekannt durch seine Kooperation mit Walter Moers. Seine Comicfassung von „Die Stadt der träumenden Bücher“ ist erste Sahne.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: SPACE DRAGONS
Autor*in: Richi Haarhoff
Grafik/Design: Florian Biege
Verlag: Edition Spielwiese / Pegasus
Alter: ab 10 Jahren
Spielerzahl: 3 - 5
Spielzeit: ca. 20 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
Spiel 47/2021
Richi Haarhoff bei seiner Auszeichnung 2018, vor ihm der Prototyp von SPACE DRAGONS.
Freitag, 11. Juni 2021
CONFUSION
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
CONFUSION
Dem Spieleautor Robert Abbott verdanken wir geniale Spielideen wie ELEUSIS, das vor wenigen Jahren als HEUREKA bei IT erschien, und das witzige EGGHEAD, das ASS in den 70er Jahren herausbrachte und als CODE 777 von Jumbo neu belebt wurde. Diese Fassung würdigte die Jury Spiel des Jahres mit einem Platz auf der Auswahlliste 1986, wie schon zuvor EPAMINONDAS, das in der Bütehorn-Ausgabe 1980 auf die Liste kam.
CONFUSION ist das in der Ausgabe von franjos auch zuzutrauen, da es gedanklich die Spieler mindestens so fordert wie in EGGHEAD oder CODE 777.
Abbotts Spiel gehört zu den SCHACH-Varianten, er selbst verweist darauf, dass Randolphs MIMIKRI, 1971 bei 3M erschienen, den Anstoß für diese Spielentwicklung gegeben habe. Gespielt wird auf einem 11x11 Feld mit jeweils zweimal zwölf großen Holzwürfeln, die alle unterschiedliche Bewegungsoptionen besitzen. Vor dem Spiel ist erst einmal mühsame Klebearbeit nötig, für die die Spielregel sorgfältige Anleitungen gibt. Daneben gibt es noch einen großen Holz-Puck und Papp-Chips in doppelter Ausfertigung mit Buchstabenkennung und den Bewegungsmöglichkeiten der Steine.
Das Besondere an Abbotts Spielidee ist, dass der Gegner zufällig die eigenen Figuren aufstellt, sodass man keinen Blick auf die Zugmöglichkeiten hat. Ist alles gemischt, stellt man selbst die Figuren mit der Bewegungsseite zum Gegner hin in zwei 6er-Startformationen auf die Grundlinie und in die zweite Reihe. Jeder Stein wird zur besseren Notation mit einem Buchstabenchip gekennzeichnet. Auf das mittlere Spielfeld kommt der Puck. Spielziel ist es, den Puck auf die gegnerische Grundlinie zu bringen, ohne dort geschlagen zu werden.
Die Steine zeigen Zugrichtung und Zugweite zwischen einem und vier Feldern an. Ist mehr als ein Feld angegeben, bedeutet das stets, dass bis zu der Zahlenobergrenze bewegt werden darf. Die meisten Würfel meist in alle Richtungen, oft in einer Mischung aus diagonalen und orthogonalen Optionen. Ein Drittel der Steine bewegt sich aber nur nach vorn oder seitlich in orthogonaler oder diagonaler Richtung.
Wer am Zug ist zieht einen Würfel bis zu vier Felder weit geradlinig in beliebiger Richtung. Hindernisse sind andere Steine und der Puck. Der Gegenspieler kommentiert den Zug mit „Erlaubt!“ oder „Verboten!“. Infolgedessen darf der Stein stehenbleiben oder muss zurück.
Wichtigstes Utensil ist neben dem Spielfeld und den Steinen ein Auswertungsblock, der sämtliche Zugoptionen den Buchstaben zuweist, sodass man im Ausschlussverfahren mit der Zeit herausbekommt, wie man ziehen darf. Hier wird sogar an doppelte Buchführung gedacht, da es schon gut ist, zu sehen, wie weit der Gegner mit seinen Vermutungen ist, sogar die Seitenverkehrung ist berücksichtigt, die Pfeile sind in der Gegenrichtung ausgerichtet.
Wer sich sicher ist, darf mit Zustimmung des Gegners, die Bewegungsseite eines Würfels nach oben kippen, sodass er nicht immer auf seinen Zettel schauen muss und die Zugoptionen im Blick hat. Wer mit einem Stein, der nur vorwärts zieht die gegnerische Grundlinie erreicht, ändert seine Bewegungsmöglichkeiten zu jeweils maximal zwei Zügen in allen Richtungen. Dazu wird das Buchstabenplättchen einfach umgedreht.
CONFUSION ist kein reines Deduktionsspiel, das Entschlüsseln der Bewegungsweiten ist eine Art Vorspiel zum Schwächen des Gegners. Bevor es um den Puck geht, kann man durchaus schon gegnerische Steine schlagen, da reichen auch schon Teilinformationen aus. Wer exakt auf den Puck kommt, übernimmt die Kontrolle und kann ab sofort mit ihm wandern, ihn sogar mit den eigenen Bewegungsoptionen alleine laufen lassen. Wer mit Puck die gegnerische Grundlinie erreicht und im Antwortzug des Gegners nicht geschlagen wird, gewinnt das Spiel.
CONFUSION ist für mich eine der besten und anspruchsvollsten SCHACH-Varianten. Das wachsende Wissen, die Spekulationen, die schon vorher interessante Züge zulassen, stets verbunden mit dem Blick auf das Wissen des Gegners, ergeben ein hochspannendes Spiel. Es funktioniert allerdings nur, wenn die Buchführung bei beiden Spielern stimmt, deshalb ruhig offen und vergleichend spielen. Das ist alles anfangs gewöhnungsbedürftig, aber nach der Eingewöhnungsphase ein Hochgenuss.
Titel: CONFUSION
Autor: Robert Abbott
Grafik: o.A.
Verlag: franjos
Spieler: 2
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 75 DM
Spiel 24/1993 R91/2021
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Der amerikanische Autor Robert Abbott ist am 20. Februar 2018 im Alter von 80 Jahren verstorben. In New York arbeitete er als Computer-Programmierer. Das Kartenspiel ELEUSIS erfand er während seines Studiums an der Universität von Colorado 1956 . Bekannt gemacht hat es Martin Gardner, der im Rahmen seiner Kolumne Mathematical Games in einem Wissenschaftsmagazin 1959 auf das Spiel verwies.
1963 erschien Abbotts Buch „Abbott’s New Card Games“, in dem er neben ELEUSIS sieben weitere neuartige Kartenspiele vorstellte. Die deutsche Ausgabe erschien unter dem Titel „Kartenspiel als Kunst“.
Die anderen Erfolge habe ich in meinem damaligen Artikel schon erwähnt.
Eine Neuauflage von CONFUSION erschien 2011 bei Stronghold Games.
Donnerstag, 10. Juni 2021
SKAAL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
SKAAL
Gibt es ihn wirklich, den Dr. Mops, der der Autor von SKAAL sein soll? Die Seite von jeuxsoc zeigt zumindest ein Bild von ihm. Nach Moon und Moore taucht der schirmbemützte, vollbärtige Pulloverträger Docteur Mops auf. Neben dem hervorragenden HIMALAYA ist SKAAL die zweite Neuheit von Tilsit, die Aufmerksamkeit erregt.
SKAAL gehört, was die Vielfalt und sicherlich auch Fisseligkeit des Spielmaterials angeht, eine besondere Auszeichnung 2005. Massen von kleinen Plastikzwergen bevölkern die Spielregionen von SKAAL, Unmengen kleiner und winzigster Krümelchen von Goldklumpen und tauben Gestein, Oops genannt, liegen mit der Zeit dort herum.
In SKAAL-Land der Zwerge geht es wie in vielen anderen Spieleländern um Siegpunkte. Diese erhalten die Zwerge, wenn sie Gold finden oder wenn sie ihre Mitstreiter in Schenken zum Biertrinken verführen. Irgendwann, meist nach einer Stunde, wenn SKAAL-Land goldlos ist und wertloses Oops-Gestein überall herumliegt, steht fest, welchem Goldsucher und Bierwirt die Zwerge am meisten Respekt gezollt haben. Vorher sind die Miniaturzwerge, die unter einer großen Lupe recht ansehnlich wirken, vielfach bewusst oder oft fremd gesteuert durch die zwölf Landschaften des Spielplans gezogen und die Spieler fragen sich: „Soll’s das wirklich gewesen sein?“ Dabei wirkt alles so austariert, so vielschichtig, so planbar, mit den nötigen Ärgerkomponenten versehen.
Da startet jeder in jeder Spielrunde mit sechs alternativen Optionen. Kommt ein neuer Zwerg ins Spiel? Versetze ich einen meiner Zwerge in eine Nachbarregion? Gehen wir auf Goldsuche oder finden wir Gold? Schaffen wir es vielleicht, eine Schenke einzurichten oder wollen wir eine verschieben? Bestimmte Aktionen haben konkrete Auswirkungen. Bei der Goldsuche muss gewürfelt werden und je nach Ergebnis werden Goldnuggets oder Oops-Gestein platziert. Beide Funde haben Wanderbewegungen der Zwerge aus den Nachbarregionen zur Folge. Wer wandert, bestimmt der Spieler, der am Zug ist. Wer Gold findet, kassiert Siegpunkte. Die Anzahl der Punkte bzw. Nuggets, die gefunden werden können, entspricht der Anzahl der Zwerge, die man in der Goldregion hat. Dort, wo viele Zwerge sind, werden auch Schenken gebaut. Der Spieler, der die Mehrheit besitzt, darf auf sein Schankfass einen eigenen Zwerg als Wirt setzen. Der kassiert Siegpunkte für jeden fremden Zwerg, der in die Schenke kommen muss. Verliert ein Spieler die Mehrheit an Zwergen, verliert er auch sein Schankrecht an den neuen Besitzer. Letztlich sind die Schenken spielentscheidend, da die Goldvorräte mit der Zeit versiegen und Oops allmählich dominiert. Das klingt alles gut ausgetüftelt, spielt sich auch so. Die Reduktion in der Aktionsauswahl auf stets nur eine Option macht das Spiel auf die Dauer recht statisch. Anfangs lässt sich noch viel bewegen, dann wird das Spiel aber immer zäher und schwerer zu kippen und dann ist es schon rum. Problematisch ist das Handling der Minizwerge, kritisch sehe ich außerdem das Kleinstgestein, das sich in der bunten Vielfalt der Regionen verliert.
Das Wiederspielbedürfnis tendiert bei diesem Erstling von Docteur Mops leider gegen null. SKAAL fällt deutlich gegen HIMALAYA ab. Materialfluten allein machen noch kein gutes Spiel aus.
Wieland Herold
Titel: SKAAL
Autor: Dr. Mops
Grafik: Johann Aumaitre, Francois Bruel
Verlag: Edition Tilsit
Spieler: 3 - 6
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Spiel 21/2004 R91/2021
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
BGG zeigt ein Bild des Autors und dessen Gattin im Spieletest mit Dominique Ehrhard. Es gab ihn also, den Docteur Mops, der allerdings nach SKAAL kein weiteres Spiel veröffentlichte.
Mittwoch, 9. Juni 2021
SCHÄTZBOLD
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Hätten Sie’s gewusst? SCHÄTZBOLD
„Einen letzten Sommer fahren mehr Deutsche mit der Eisenbahn als mit dem Auto in den Urlaub.“
Wann könnte das gewesen sein? Keine Ahnung? Schätzen Sie doch mal!
In den 60ern? Nein, nein, ich möchte es schon exakter hören. Eine konkrete Jahreszahl, bitte!
Vor 40 Jahren, 1964.
Falsch? Was meinen die anderen? Für Sie machen wir es einfach. Früher oder später als 1964?
Alle meinen früher. Richtig, Sie Schätzbolde!
Nun, der nächste, bittschön, aber wieder exakt und nun hoffentlich ganz richtig.
1960!?
Falsch. Die anderen dürfen wieder schätzen.
Na ja, schön ausgeglichen, zwei früher, zwei später. Recht haben die, die auf früher getippt haben.
Der nächste, bitte!
1958!
Stimmt. Klasse, dafür gibt’s drei Schätzkekse, Schätzbold, du.
So oder so ähnlich verläuft recht vergnüglich Runde um Runde in Uwe Rosenbergs Spiel SCHÄTZBOLD. 1344 historische Ereignisse des letzten Jahrhunderts hat sich der Autor einfallen lassen. Geschehnisse, von denen die Spieler in der Regel fast nie das exakte Datum wissen. Die Gruppe von drei bis sechs Spielern nähert sich also immer der richtigen Datierung an. Manchmal klappt’s, wie bei unserer Eisenbahnfrage, manchmal aber auch nicht. Das macht aber gar nichts, da es zwischendurch immer Schätzkekse für ein richtiges Früher oder Später gibt, so dass nach meist 12 Spielrunden oder einer knappen halben Stunde so einiges an Keksen bei den Spielern gelandet ist.
Über 220 Spielkarten, davon 168 Ereigniskarten kommen in einer kleinen Pappfaltschachtel preisgünstig daher. Die redaktionelle Bearbeitung der Fragen ist dem Autor vorzüglich gelungen. Sein im Eigenverlag Lookout Games herausgegebenes erstes SCHÄTZBOLD trägt den Untertitel „Familienfeier“, zwei weitere Spiele „Die Schulstunde“ und „Der Kulturabend“ sollen noch erscheinen. Im Rahmen des Quizgenres kann SCHÄTZBOLD neben den ANNO DOMINI-Spielen von Abacus gut bestehen. Alle Spieler sind sich in ihrer Unwissenheit einig, keiner kann sich blamieren. SCHÄTZBOLD-Runden laufen zügig ab und eignen sich gut für Wiederholungen. Positiv aufgenommen wird von vielen Spielrunden auch die Beschränkung auf das 20. Jahrhundert, das Aha-Erlebnis ist dadurch erheblich größer, als wenn die ganze Menschheitsgeschichte (wie bei ANNO DOMINI) im Blick ist. Nach den Gesellenstücken TIMES und LIFETIME, zwei Spielen des Autors mit ebenfalls historischem Hintergrund, darf SCHÄTZBOLD sicherlich als Uwe Rosenbergs Meisterwerk angesehen werden.
Titel: SCHÄTZBOLD
Autor: Uwe Rosenberg
Grafik: Marcel-André Casasola Merkle, Andrea Boekhoff
Verlag: Lookout Games
Spieler: 3 - 6
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 10 Euro
Spiel 20/2004 R89/2021
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Seinen ersten Erfolg fuhr Rosenberg als junger Autor mit dem zweiten Platz für MILLENIUM 1991 im Hippodice Wettbewerb ein. Das Spiel erschien unter der Ägide von Peter Gehrmann 1992 als TIMES bei Salagames. Dort veröffentlichte der Redaktionsleiter außerdem noch die Idee MARLOWE von Uwe Rosenberg. Danach ergab sich die ertragreiche Kooperation mit Amigo.
BOHNANZA (1997) war dann sein erster ganz großer Erfolg, das Spiel landete nicht nur auf der Auswahlliste der Jury Spiel des Jahres. Es gewann den À la Carte-Preis der Fairplay 1997 und erreichte den fünften Platz beim Deutschen Spielepreis.
Der auch internationale Siegeszug setzte sich aber erst danach in Gang. Seit 23 Jahren schon liefert Amigo Gartenbohnen, Saubohnen und auch die ein oder andere Blaue Bohne in unendlich vielen gelben Schachteln aus. Keiner hat mehr so den rechten Überblick, was da alles in rosenbergscher Gartenerde inzwischen herangezüchtet wurde. Das klassische Saatgut wurde vielfach gemendelt und gegendert, musste sich gegen die Bohnenmafia wehren, trat Seereisen an, gelangte in den Wilden Westen und kämpfte sich in BOHNRÖSCHEN durch Rankenwerke.
Nach seinem Studium der Statistik gründete Uwe Rosenberg 2000 zusammen mit Hanno Girke und Marcel-André Casasola Merke den Lookout Spieleverlag. Er behielt aber im Gegensatz zu Klaus Teuber, der sich an Kosmos band, seine Unabhängigkeit und veröffentlichte weiter Spiele bei vielen Verlagen, so das Zweipersonenspiel BABEL 2001 bei Kosmos oder 2004 YELLOWSTONE PARK bei Amigo. SCHÄTZBOLD erschien 2004 bei Lookout.
Die großen Erfolge mit komplexen Aufbauspielen wie in AGRICOLA gönnte er aber Lookout Games.
Auch in der Folgezeit unterstützte er Neugründungen von Verlagen, so Feuerland und die Edition Spielwiese. Ganz aktuell hat er auch die Wyrmgold GmbH mit angeschoben und dem jungen Verlag ROBIN VON LOCKSLEY spendiert.
Auf dem Bild ist der 29jährige Uwe Rosenberg 1999 in Essen mit seinem damaligen Gesamtprogramm zu sehen.
Dienstag, 8. Juni 2021
RESTEFIX
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Wittigs Resterampe: RESTEFIX
„Noch eine Erinnerung an die alten Perlhuhn-Zeiten: Was macht ein kleiner Verlag mit Spielstein-Resten, aufwendigst hergestellt? Wegschmeißen oder ein kleines neues Spiel? Eher probeweise gibt es jetzt das Spiel
RESTEFIX. Vielleicht sagen mal böse Zungen, dass der Titel das Beste daran ist.“ So kündigte Reinhold Wittig ein taktisches Schmankerl mit Bluffelementen auf dem Göttinger Autorentreffen 2004 an. Dabei waren keine Würfelreste gemeint, die sich zu bunten Pyramiden auftürmen lassen. Es lagerten gewichtigere Holzutensilien in der Göttinger Erfinder-Werkstatt. Spielhände füllende 25 Gramm schwere Holzsteine, verpackt in großen Plastiksäcken, warteten auf ihre spielerische Bestimmung.
Die Bastelabteilung der Familie Wittig brauchte viel Klebstoff, mit dem große farbige Holzquadersteine zu einundzwanzig Doppelsteinen mit farblich verschiedenen Hälften zusammengefügt wurden. Rote Röhren waren wohl nicht mehr unter den Resten, denn die 21 Doppelsteine sind in einem stabilen blau-grün changierend bemalten Pappkarton untergebracht.
Sieben Farben sind je sechsmal vertreten in allen möglichen Kombinationen. Jeder Spieler erhält geheim eine Farbe zugelost, die er nun in eine Siegkombination auf den Spieltisch bringen muss. Zu Beginn stehen die Spielsteine alle hochkant auf dem Tisch. Ein Spielzug besteht darin, entweder einen hochkant stehenden Stein flach auf den Tisch zu legen, die Ausrichtung an einer der beiden Tischkantenrichtungen ist zu beachten, oder einen schon liegenden Stein zu wenden. Aus diesen Lege- und Bewegungsbedingungen ergeben sich drei Siegpositionen. Der Spieler, der es schafft, seine Farbe auf den Steinen nur oben, nur unten oder nur in einer Ausrichtung liegen zu haben, gewinnt das Spiel. Klar, dass das Oben und Unten noch einigermaßen im Blick bleibt, aber die dritte Dimension, die hier sozusagen mit der Parallelität zu einer der Tischkanten hinzukommt, bringt die nötige Würze ins Spiel.
Wer sich zu früh outet, ist schnell aus dem Spiel. Siegkombinationen für Farben zu verhindern, fällt nämlich relativ leicht. Deshalb ist von Anfang an Täuschung der Gegner angesagt. Bluffen birgt aber auch das Risiko, dem Gegenspieler Vorlagen zu bauen, die zum Spielsieg genutzt werden können. Spielen mehr als drei Spieler mit, ergibt sich das Spielende eher zufällig. So richtig vorbereiten lässt sich da wenig. Meist entscheiden Spieler, die nicht richtig aufgepasst haben, über den Spielgewinn. Steuerbarer ist das Spiel zu zweit und zu dritt, aber auch da kann sich eine Partie hinziehen, weil aufmerksame Spieler absehbare Siegkonstellationen immer wieder verbauen können. Die Regel sieht für solche Spielgruppen vor, dass jeder eine zweite Farbe zieht, so dass eventuell ein Partner an einer der eigenen Farben mit baut. Unbefriedigend ist, dass dann trotzdem nur der gewinnen soll, der zufällig den letzten Stein der Siegfarbe bewegt. Wir spielen RESTEFIX inzwischen von vornherein mit zwei Siegfarben. Gespielt werden drei Spielrunden, wobei ein Einzelsieg zwei Punkte bringt und ein Doppelsieg jeweils einen Punkt für die Partner.
Titel: RESTEFIX
Autor: Reinhold Wittig
Verlag: Edition Perlhuhn
Spieler: 2 bis 5
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 10 bis 45 Minuten
Preis: ca. 35 Euro
Spiel 19/2004 R88/2021
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 84jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte.
1990 landete er mit DINO, damals noch von Hexagames auf der Auswahlliste für das Spiel des Jahres.
In den 90er Jahren prägte seine Handschrift die Spiele von Blatz und teilweise auch Haba. KULA KULA und das hier schon vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel.
Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben. Ein Jahr danach ist er mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet worden. 2020 wurde Wittig in die Hall of Fame des Origins Award aufgenommen. Aktuell besteht eine enge Kooperation mit Joe Nikisch, der exklusiv bei Abacus einige Perlhühner veröffentlicht.
Das Bild zeigt Reinhold Wittig bei der Präsentation des Spiels 2004.
Montag, 7. Juni 2021
OZEANIEN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
ENTDECKER light: OZEANIEN
So ganz neu ist das alles nicht, wieder einmal dreht es sich um Siedeln und Entdecken, es teubert in der Spieleschachtel. Auch wenn uns die Spielidee bekannt vorkommt, neu ist immerhin der Verlag und die Titel-Reihe, erneut teuberts im Karton. „Klaus Teubers Classics“ nennt sich die Reihe, herausgegeben von Klaus Teubers „Catan GmbH“. OZEANIEN heißt das erste Spiel, ein „Entdeckerspaß für 1 oder 2 Spieler“. Mit der Charakteristik: „ENTDECKER liegt“ könnte ich schon zum Resumee übergehen, alles ein bisschen kleiner, alles ein bisschen schneller, alles für weniger Spieler, alles natürlich auch preiswerter, die Traveller-Version sozusagen.
35 Felder stellen Terra Incognita in OZEANIEN dar, zugänglich ist dieses unerforschte Gebiet über drei Spielplanseiten. 35 Meereskärtchen liegen bereit, damit in jedem Spiel eine neue Insellandschaft im Meer entstehen kann. Der Ablauf der Spielzüge ist simpel: Ein Holzschiffchen wird auf ein Startfeld gestellt, dort findet eine „Entdeckung“ statt. Dazu wird ein Kärtchen gezogen, das passend angelegt werden muss, das heißt, Meerseite muss an Meerseite, Land an Land ausgerichtet werden. Wer eine Karte nicht legen kann, beendet seinen Zug sofort und erhält die nicht unterzubringende Karte als Strafkarte, die er nur unter erschwerten Bedingungen wieder los wird. Falls auf der passend gelegten Karte Land zu sehen ist, dürfen dort Entdecker platziert werden. Die Spieler besitzen je acht Entdeckerplättchen mit einem, zwei oder drei Entdeckern. Für die Schlussabrechnung sind diese Entdecker entscheidend. Am Ende des Spiels, wenn alle Felder entdeckt sind oder keine Meereskärtchen mehr gezogen werden können, werden alle vollständig entdeckten Inseln abgerechnet. Wer auf einer Insel die meisten Entdecker hat, erhält für jedes Inselkärtchen einen Punkt. Meereskärtchen, die man nicht unterbringen konnte, zählen zwei Minuspunkte. Der Besitz großer Inseln entscheidet über den Spielsieg, vor allem wenn gegnerische Investitionen dort knapp überboten werden. Da die Spielrunden zügig ablaufen, empfiehlt Klaus Teuber drei oder fünf Partien, bei denen der Spieler gewinnt, der am Ende nicht die meisten Siege, sondern die meisten Punkte erreicht hat.
Für OZEANIEN gibt es auch eine Soloversion, die ohne Entdeckerplättchen gespielt wird. Spielziel dieser Variante ist die Bildung möglichst großer Inseln. Bei der Schlusswertung wird die Anzahl der Karten einer Insel quadriert, unentdeckte Felder werden mit 20 Minuspunkten geahndet. Zum Ausprobieren gibt es auch eine Onlineversion.
Wer das kleine Spiel für zwischendurch sucht, wer nicht den großen Teuber erwartet, wer das Glück im Spiel nie vermissen möchte, der wird mit dieser Entdeckerversion leben können und sie vielleicht nicht nur einmal spielen. Für alle, die das Original kennen und lieben, bleibt Unbehagen zurück, bleibt die Frage: Musste „Teubers Classic“ mit einem solchen schwachen Ableger starten? „Entdecker-light“ überzeugt durch den Preis, Grafik und Material sind in Ordnung, aber brauchten wir das Spiel?
Titel: Ozeanien
Autor: Klaus Teuber
Grafik: Bernd Wagenfeld
Verlag: Catan GmbH
Spieler: 1-2
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 9 €
Spiel 18/2004 R87/2021
Die Rezension erschien 2005 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 4 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächsten Monat wieder
Zum Spiel und zum Autor:
Die Marke CATAN gilt inzwischen als zweiterfolgreichste nach MONOPOLY. Im letzten feierte das Kultspiel CATAN (früher DIE SIEDLER VON CATAN) seinen 25. Geburtstag. Zum Jubiläum ist auf der Insel Mainau ein überdimensionales CATAN-Feld mit der typischen Wabenstruktur entstanden, das im Juli 2020 feierlich eröffnet wurde.
Der gelernte Zahntechniker Klaus Teuber war schon vor CATAN einer der bekanntesten Spieleautoren Deutschlands, hatte er doch schon für sein Erstlingswerk BARBAROSSA 1988 das Spiel des Jahres gewonnen. Es folgten Doppelsiege 1990 und 1991 für ADEL VERPFLICHTET und DRUNTER & DRÜBER.
Den Weg zu dem Jahrhundertspiel CATAN beschreibt Klaus Teuber in dem ganz aktuell zum Jubiläum erschienenen Buch MEIN WEG NACH CATAN, mit dem er seine Leser auf eine Reise in seine persönliche Geschichte und die Spielgeschichte der 60er und der folgenden Jahrzehnte nimmt.
Die CATAN GmbH, die Teuber inzwischen mit seinem Sohn Benjamin führt, dient der Verbreitung der Ideen rund um die weltbekannte CATAN-Reihe. Dort entstand die Idee zu „Klaus Teubers Spielwiese“, auf der OZEANIEN veröffentlicht wurde.
Das Bild zeigt Klaus Teuber auf dem Goldsieberabend 1997.
Sonntag, 6. Juni 2021
KERLETT
SAMMELSURIUM
Schmidt Spiele-Bar: KERLETT
Als Anfang der 70er Jahre 3M und Ravensburger mit der Casino-Reihe hochwertige Buchschuber-Spiele herausbrachten, setzte auch Schmidt entsprechende Akzente mit den Spielen aus der Spiele-Bar.
Die Firma Josef Friedrich Schmidt aus München ist letztlich nur für ein Spiel gegründet worden. Die Ludo-Variante MENSCH ÄRGERE DICH NICHT, die Schmidt 1907 „erfand“. Das Logo der Firma JFSM entsprach den Anfangsbuchstaben von Josef Friedrich Schmidt München. 1936 entstand durch den Sohn Franz Schmidt in Nürnberg quasi familieninterne Konkurrenz, er veröffentlichte entsprechend unter dem Logo FSN. Beide Unternehmen arbeiteten aber im Vertrieb zusammen. Nach dem Krieg wurde auch der Nürnberger Zweig nach München verlegt und veröffentlichte Spiele unter dem Logo FSM, dann SPIELE SCHMIDT mit den Zwiebeltürmen.
1970 fusionierten die Unternehmen von Vater und Sohn zu Schmidt Spiel und Freizeit. Das neue Unternehmen zog um nach Eching. In den 1970er Jahren vernichtete ein Brand das Archiv der Verlage. 1997 geriet die Firma in wirtschaftliche Schwierigkeiten und wurde von der Berliner Blatz-Gruppe übernommen. Blatz bietet seitdem seine Produkte unter dem Markennamen Schmidt Spiele an.
Die Buchkassetten von Schmidt, die in den Jahren 1973 und 1974 erschienen sind, waren wuchtige Papp-Kästen in deutlich größerem Format als die eleganteren Leinenschuber der Konkurrenz. Aufgeklappt fand sich in einem weißen Innenkasten das spielmaterial in samtigem Inlett. Im Gegensatz zur Konkurrenz taucht kein Randolph, kein Sackson als Autor auf. Schmidt setzte damals schon auf Fernsehwerbung und nicht auf Autorenkompetenz. Für KERLETT wird diese Werbung sogar auf dem Spielecover angekündigt.
Die meisten Produkte sind daher Redaktionsentwicklungen. Eine Ausnahme stellt Jim Dunnigan bei dem Spiel DIPLOMATIE dar und Edward de Bono bei dem Spiel SPECULATION.
KERLETT
KERLETT gehört zu den wenigen eher besseren Spielen der Reihe. Es gibt für dieses Spiel keinen Autor, hier liegt eine typische Redaktionsarbeit der frühen 70er Jahre vor, die von einer Mischung aus POKER- und ROULETTE-Elementen ausgeht, was zu dem einfallslos konstruierten Spieltitel führt, in dem man jeweils die ersten Silben der Vorlagenspiele weglässt (PO)KER + (ROU)LETT(E).
Das Kunststoff-Spielbrett, arg dünn geraten, besitzt ein an ROULETTE angelehntes Felderraster, wobei Zahlenwerte von 10 bis 25, die klassischen Felder „Pair“, „Impair“, „Manque“ und „Passe“ oder Pokerkombinationen zu sehen sind. Im Zentrum ist eine kleinere Würfelfläche (12x8 cm). „Manque“ und „Passe“ stehen hier für Ergebnisse unter 10 bzw. über 25.
Gewürfelt wird mit fünf roten 6er Würfeln, auch ein Würfelbecher liegt bei. Für das Bieten hat jeder sechs Farbchips zur Verfügung, die je nach Chance mit Punkten vergütet werden. So gibt es einen Punkt für die klassischen Zweierchancen, zwei Punkte für die Summenwertung und drei für alle Pokerkombinationen. Wer nun behauptet, das wiederspräche doch allen Wahrscheinlichkeiten, hat recht. Der eigentliche Reiz von KERLETT besteht in der Umkehrung des Setzvorgangs. In diesem Spiel gibt es keine Wette auf wahrscheinliche Ergebnisse, sondern es wird erst nach dem Würfeln auf Geschwindigkeit gesetzt.
Da braucht es den Blick auf Poker-Kombis, da muss addiert werden um zu einer exakten Zahl zu gelangen und damit auch die Pair-Impair-Frage zu lösen. Ist ein passendes Feld belegt, darf dort kein anderer Chip mehr rein. Wird ein Chip falsch platziert, gibt es dafür einen Minuspunkt. Schluss ist nach sechs Runden, das ist zumindest die Dauer, die ein Notizblock vorgibt.
Obwohl die POKER-ROULETTE-Idee ganz simpel ist, KERLETT spielt sich recht fetzig. Das schnelle Reagieren, Addieren, Einordnen der Pokerkombis besitzt Reiz, allerdings nur mit gleichwertigen Partnern. Sonst kassiert immer nur einer die Punkte ab.
Die Spielidee ist damit in Ordnung. An die Wertigkeit der Buchschuber-Spiele von 3M und Ravensburger kommt aber die Schmidt Reihe nicht heran. Da gibt es doch deutliche Mängel, so kann es passieren, dass die Chips unter den Trenn-Stegen des Spielbretts hindurchrutschen, die sind nicht verklebt und lassen viel Spiel nach oben. Der dünne Pappeinsatz überzeugt ebenfalls nicht, auch die Würfelfläche hätte man zumindest für die Casino-Atmosphäre stofflich-samtig überziehen müssen. Das wirkt alles eher billig produziert.
Titel: KERLETT
Autor: o.A.
Grafik: o.A.
Verlag: Schmidt Spiel und Freizeit
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 60 DM
Wertung: Nächste Woche wieder
Sammelsurium 23 - S23/2021
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