Freitag, 31. Juli 2020
LINIE 1
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Premiere eines neuen Spieleverlags
Mit Straßenbahnen zum Erfolg
Nicht die großen Verlage wie Parker, MB, Ravensburger, Schmidt Spiel und Freizeit überraschten mit ihrem Spiele-Neuheitenprogramm 1995, ein ganz neuer Verlag aus Fürth, Goldsieber-Spiele, präsentierte das attraktivste Brettspielprogramm der Nürnberger Spielwarenmesse. Das nötige Kapital erwirtschaftet die Firma Sieber bisher durch die erfolgreiche Vermarktung von Puppen und Holzspielwaren unter dem Firmenlogo „Simba Toys“, Juniorchef Michael Sieber setzt nun auf die Erweiterung der Produktlinie durch anspruchsvolle Brettspiele.
Gute Familien- und Erwachsenenspiele findet man kaum noch bei den Branchenriesen, aber die Firma Goldsieber bietet mit ihrem Einstand gleich vier hervorragende Brettspiele an, deren Spielqualität weit aus der Masse herausragt, alles heiße Favoriten für die Auswahlliste der besten Spiele des Jahres 1995. Für jeden Spielgeschmack hat der Verlag etwas im Angebot.
Ruhig und anspruchsvoll geht es in dem Legespiel LINIE 1 des Hannoveraners Stefan Dorra zu. In einer Aufbauphase müssen auf einem großen Spielplan Gleisverbindungen zwischen verschiedenen Bahnhöfen hergestellt werden.
Da Ziel- und Startpunkt den Mitspielern verborgen bleiben, kommen sich die LINIE 1-Spieler ständig in die Quere. Manchmal muss man sich auf ganz schöne Umwege einlassen, zumal jeder auch noch zwei zusätzliche Haltestellen in sein Streckennetz einbinden muss.
Sind die Verbindungen hergestellt, rattern die Straßenbahnen los, mit Würfelglück und gut getimter Streckenführung fährt man dem Spielsieg entgegen.
Die Mischung von Aufbauphase und abschließender Fahrt machen LINIE 1 zu einem runden Familienspiel. Manchen mag die Würfelphase zu glückslastig sein, aber erst dadurch wird der Abschluss fetzig. Für mich ist Dorras Spiel das beste der neuen Goldsieber-Reihe.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: LINIE 1
Verlag: Goldsieber-Spiele
Autor: Stefan Dorra
Spielerzahl: 2-5
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 45.- DM
Die Rezension erschien 1995 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 7/1995 R 90/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Der in der Nähe von Hildesheim lebende Sprachheilpädagoge Dorra startete 1992 seine Autorenkarriere mit einem Achtungserfolg. Sein Zocker-Spiel RAZZIA landete auf der Auswahlliste der Jury, erreichte den 9. Platz beim Deutschen Spielpreis und den 6. bei À la Carte. 1994 bestimmte sein INTRIGE die Messediskussion auf der Spiel in Essen.
Mit LINIE 1 war er wahrscheinlich am dichtesten am Spiel des Jahres dran. Er hatte nur das Pech, dass Teubers CATAN unschlagbar war. Daher reichte es „nur“ für die Auswahlliste und den zweiten Platz beim Deutschen Spielepreis.
Mit den Spielern SEERÄUBER (2006), LAND IN SICHT (2009) und ESELSBRÜCKE (2011) war er dann später ebenfalls nominiert. Für MEDINA (2001) bekam er noch einmal den 2. Platz beim Deutschen Spielepreis.
LINIE 1 wurde 2010 erneut in einer Goldsieber-Edition aufgelegt. 2012 kam es dann noch einmal als Noris Spiel in einer speziellen Fassung für München (ERFAHRE MÜNCHEN!) auf den Markt.
Das Foto zeigt Stefan Dorra 1996 auf dem Autorentreffen in Göttingen im Gespräch mit Stefan Brück.
Donnerstag, 30. Juli 2020
HUGO, DAS SCHLOSSGESPENST
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
HUGO kommt!
Wenn der Ruf, "Hugo kommt!", ertönt, dann müssen sich die Ballgäste auf der Mitternachtsparty in Sicherheit bringen. Zwei bis acht Spieler dürfen sich an einer Ballnacht auf Schloss Gruselstein beteiligen. Auch fünfjährige Kinder können schon problemlos mittanzen, denn das Spiel HUGO, DAS SCHLOSSGESPENST ist nichts anderes als die REISE NACH JERUSALEM auf einem Spielbrett umgesetzt.
Bei HUGO fehlen nicht die Stühle, sondern Räumlichkeiten, in die man sich auf der Flucht vor dem Schlossgespenst in Sicherheit bringen kann. Ein ideales Familienspiel, das der bekannte Autor Wolfgang Kramer schon vor sieben Jahren entwickelt hat, damals hieß es MITTERNACHTSPARTY.
Die Firma Ravensburger hat gut daran getan, dieses Spiel in neuer Gestaltung in ihrem 96er-Programm spielfreudigen Familien wieder anzubieten.
Wieland Herold
Spieletelegramm:
Titel: HUGO, DAS SCHLOSSGESPENST
Verlag: Ravensburger
Autor: Wolfgang Kramer
Spielerzahl: 2-8
Spieldauer: 20 bis 30 Minuten
Preis: ca. 39.- DM
Die Rezension erschien 1996 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 11/1996 R 89/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Wolfgang Kramer ist neben Reinhold Wittig der dienstälteste Spieleautor in Deutschland und der erste, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Der gelernte Betriebswirt und Informatiker hängte 1989, nach zwei Spiel des Jahres-Auszeichnungen seinen Beruf an den Nagel und lebte fortan vom Spielerfinden.
Sein erstes Spiel TEMPO erschien 1974 bei ASS, HEIMLICH & CO. war sein erstes Spiel des Jahres (1986), es folgte gleich danach AUF ACHSE. In vielen seinen späteren Erfolgen war er mindestens im Team unterwegs. Bei EL GRANDE (SDJ 1996) begleitete ihnen Richard Ullrich und bei TIKAL und TORRES Michael Kiesling.
Der Vorläufer zu HUGO, die MITTERNACHTSPARTY (beide Ravensburger) kam 1989 auf die Auswahlliste zum Spiel des Jahres.
Das Foto mit Wolfgang Kramer stammt vom Autorentreffen in Göttingen auf dem Jahr der Veröffentlichung des Spiels. Neben ihm sitzt seine Gattin Ursula, die u.a. an Spielentwicklungen wie ABENTEUER TIERWELT (1985) und INSPIRATION (1993) beteiligt war. Neben Uschi Kramer sitzt Jürgen Grunau, der zu Kramers KRAG-Team gehört, das Spiel e wie BLOX (2008) und GULO GULO (2003) entwickelt hat. mit im Team ist Hans Raggan. Im Vordergrund links ist Manfred Franz zu sehen, im Anschnitt recht Johannes Tranelis.
Mittwoch, 29. Juli 2020
GALOPP ROYAL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Premiere eines neuen Spieleverlags
Nicht die großen Verlage wie Parker, MB, Ravensburger, Schmidt Spiel und Freizeit überraschten mit ihrem Spiele-Neuheitenprogramm 1995, ein ganz neuer Verlag aus Fürth, Goldsieber-Spiele, präsentierte das attraktivste Brettspielprogramm der Nürnberger Spielwarenmesse. Das nötige Kapital erwirtschaftet die Firma Sieber bisher durch die erfolgreiche Vermarktung von Puppen und Holzspielwaren unter dem Firmenlogo „Simba Toys“, Juniorchef Michael Sieber setzt nun auf die Erweiterung der Produktlinie durch anspruchsvolle Brettspiele.
Gute Familien- und Erwachsenenspiele findet man kaum noch bei den Branchenriesen, aber die Firma Goldsieber bietet mit ihrem Einstand gleich vier hervorragende Brettspiele an, deren Spielqualität weit aus der Masse herausragt, alles heiße Favoriten für die Auswahlliste der besten Spiele des Jahres 1995. Für jeden Spielgeschmack hat der Verlag etwas im Angebot.
Für Freunde von Rennspielen hat der vielfach ausgezeichnete Spieleautor Klaus Teuber ein Sänftenrennen entwickelt, das alle herkömmlichen Rennerwartungen über Bord wirft.
Für die eiligen Stühle muss man sich mit Hilfe eines raffinierten Versteigerungsmechanismus ein Trägerteam erwerben, dessen bunte, aber auch zufällige Mischung abwechslungsreiche Rennen zur Folge hat.
GALOPP ROYAL schließt nahtlos an die bisherigen erfolge des Autors wie BARBAROSSA, ADEL VERPFLICHTET und DRUNTER & DRÜBER an. Ein kurzweiliges, außergewöhnliches Rennspiel für drei bis sechs Spieler.
Spieletelegramm:
Titel: GALOPP ROYAL
Verlag: Goldsieber-Spiele
Autor: Klaus Teuber
Spielerzahl: 3-6
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 45 - 60 Minuten
Preis: ca. 45.- DM
Wieland Herold
Die Rezension erschien 1995
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 6/1995 R 88/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Bei meiner Prognose, dass GALOPP ROYAL auf der Auswahlliste 1995 landen wird, lag ich nicht falsch. Daneben erreichte das Spiel den 6. Platz beim Deutschen Spielepreis. Aber 1995 ging für Klaus Teuber die Sonne von CATAN auf und alles andere trat in den Hintergrund.
Die Marke CATAN gilt inzwischen als zweiterfolgreichste nach MONOPOLY. In diesem Jahr feiert das Kultspiel CATAN (früher DIE SIEDLER VON CATAN) seinen 25. Geburtstag. Zum Jubiläum ist auf der Insel Mainau ein überdimensionales CATAN-Feld mit der typischen Wabenstruktur entstanden, das in dieser Woche feierlich eröffnet wurde.
Der gelernte Zahntechniker Klaus Teuber war schon vor CATAN einer der bekanntesten Spieleautoren Deutschlands, hatte er doch schon für sein Erstlingswerk BARBAROSSA 1988 das Spiel des Jahres gewonnen. Es folgten Doppelsiege 1990 und 1991 für ADEL VERPFLICHTET und DRUNTER & DRÜBER.
Den Weg zu dem Jahrhundertspiel CATAN beschreibt Klaus Teuber in dem ganz aktuell zum Jubiläum erschienenen Buch MEIN WEG NACH CATAN, mit dem er seine Leser auf eine Reise in seine persönliche Geschichte und die Spielgeschichte der 60er und der folgenden Jahrzehnte nimmt.
Bei den Puzzlestücken, die Teuber in seinem Weg nach Catan zusammensetzt, spielen Menschen eine entscheidende Rolle, seine Familie, Redakteure und Journalisten, und die eigene Fantasie. Einer der wichtigsten Freunde ist Reiner Müller, der ihn mit BARBAROSSA auf den Weg gebracht hat und CATAN zu Kosmos.
Teubers Geschichte danach ist von dem einmaligen Erfolg geprägt, von den vielen Nachfolgespielen, aber auch der Parallelarbeit, die das TM-Team in den 90er Jahren für den Goldsieber Verlag leistete.
Das Foto mit GALOPP ROYAL ist im Februar 1995 auf dem ersten Goldsieberabend in Fürth während der Nürnberger Spielwarenmesse entstanden.
Das Foto mit Klaus Teuber stammt von der Spiel 1994. Ausgewählt habe ich es, weil er hier mit Reiner Müller, den für ihn wichtigsten Redakteur, zu sehen ist. Das TM-Team mit Wolfgang Lüdtke, hat wohl auf dieser Spiel das Programm für Goldsieber ausgeheckt.
DIAMANTENFIEBER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
MAGNETISCHE EDELSTEINE
Edel geht es im nächsten Spiel zu, das ich Ihnen empfehlen möchte. Ganz überraschende Erfahrungen mit Halbedelsteinen können zwei bis fünf Spieler in dem Spiel DIAMANTENFIEBER von Reinhold Wittig machen.
Wesentliches Spielmaterial ist ein ganzer Sack voll Halbedelsteine, ein knappes halbes Pfund Tigeraugen. Der bekannte Göttinger Spieleerfinder, von Beruf Geologe an der Universität Göttingen, hat herausgefunden, dass ein kleiner Teil dieser schönen Pretiosen magnetisch ist.
Wittig hat aus dieser Entdeckung eine hübsche Spielidee mit einem Angelmagneten entwickelt, bei der auch kräftig geblufft werden kann.
Für nicht einmal 50.- DM erhalten Sie bei der Edition Perlhuhn, Am Goldgraben 22, 37073 Göttingen (T. 0551/ 55110) einen großen Haufen Halbedelsteine und ein ungewöhnliches Spiel.
Spieletelegramm:
Titel: DIAMANTENFIEBER
Verlag: Edition Perlhuhn
Autor: Reinhold Wittig
Spielerzahl: 2-5
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 49.- DM
Die Rezension erschien 1995
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 5/1995 R 87/2020
Informationen zum Spiel und zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte. In den 90er Jahren prägt seine Handschrift die Spiele von Blatz. KULA KULA und das vor wenigen Tagen vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel. Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel.
Das untere Bild zeigt Reinhold Wittig 2000 mit seiner Idee Diamantenfieber auf der Spiel in Essen.
Montag, 27. Juli 2020
FOCUS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Oldies neu belebt: FOCUS
Bei der Neuherausgabe alter Spiele sollten Verlage nur die Liste der "Spiele des Jahres" durchgehen, um an alte Erfolge anknüpfen zu können. Die meisten Spiele sind zwar noch auf dem Markt, aber einige Spieleperlen warten auf die Wiederveröffentlichung.
Dazu gehörte bis 1995 FOCUS, "Spiel des Jahres" 1981. Ein hervorragendes Taktikspiel für zwei bis vier Spieler. Der amerikanische Spieleautor Sid Sackson hat mit FOCUS sein bestes strategisches Denkspiel entwickelt, in dem man mit seinen Spielsteinen andere überbauen muss. Die dadurch entstehenden Türme, haben größere Bewegungsweiten, denn für jeden Stein im Turm darf man ein Feld weit ziehen.
Wächst ein Turm über fünf Steine, werden die unteren weggenommen, gegnerische Steine sind aus dem Spiel, eigene können wieder ins Spiel gebracht werden, um den Mitspieler bewegungsunfähig zu machen.
FOCUS besitzt den Vorzug vieler genialen Spiele: Kurze Regel, aber enormer Tiefgang im Spielverlauf. In der Neubearbeitung der Firma KOSMOS kann das Spiel auch mit drei Spielern gespielt werden, was vorher nicht möglich war.
Heo
Spieletelegramm:
Titel: Focus
Verlag: Kosmos
Autor: Sid Sackson
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: 15 bis 30 Minuten
Preis: ca. 59.- DM
Die Rezension erschien 1995
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 4/1995 R 87/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Sid Sackson (1920 – 2002) gehört zu den weltweit bekanntesten Spieleautoren des letzten Jahrhunderts. Sackson war einer der ersten Spieleautoren, die von dieser Berufung leben konnten. Ganz wesentlich hat dazu der Welterfolg von ACQUIRE beigetragen.
In seinem Haus in der New Yorker Bronx baute er sich ein wissenschaftliches Archiv auf mit einer riesigen Sammlung an Brett- und Kartenspielen, die auf knapp 20.000 Titel geschätzt wurde. Leider fand sich keine museale Lösung nach seinem Tod für diese einmalige Sammlung. Die Spiele wurden auf einer Reihe von Auktionen verkauft und die Sammlung zerschlagen.
Neben ACQUIRE ragen Spiele wie FOCUS (Spiel des Jahres 1981), CAN’T STOP, METROPOLIS und BAZAAR aus seinem umfangreichen Gesamtwerk heraus.
Das Foto zeigt Sackson 1989 in Essen bei der legendären CAFÉ INTERNATIONAL-Runde.
CUBICADO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Neues aus Kleinmachnow
Die Erfinderwerkstatt Kleinmachnow / Bonn mit den Autoren Michael Sohre (MINOTAURUS) und Werner Falkhof (PUSHER) läuft zurzeit auf Hochtouren. Die Kooperation dieser Autoren ist endlich einmal ein positives Beispiel für das Zusammenwachsen unserer beiden deutschen Staaten.
Michael Sohre (Deutschland-Ost) hat nach seinen ersten, noch mit den von Produktionsmängeln alter DDR-Tradition belasteten Gehversuchen (DIE ALTEN RITTERSLEUT) durch die Zusammenarbeit mit dem hochgepuschten Werner Falkhof (Deutschland-West) eine Nische auserlesener Spieleproduktionen entdeckt, die als Designer-Spiele Objektwerte darstellen.
Ein optischer Blickfang, der in Essen vorgestellt wurde, ist CUBICADO von Werner Falkhof und Michael Sohre. Als ästhetisches Spielobjekt gibt die Idee durch ihre Holz- und Farbgestaltung viel her. Es erreicht dabei fast die Qualität der Produkte der Schweizer Firma naef. Wie es mit dem spielerischen Niveau aussieht, soll im Folgenden dargestellt werden.
Auf den ersten Blick faszinierend scheint die Idee von CUBICADO zu sein. In einer großen, äußerst stabilen Holzkiste befinden sich 75 gelochte Holzwürfel in vier verschiedenen Größen, jeweils in unterschiedlichem Blauton gehalten, farblich hervorragend abgestimmt zu dem tiefschwarzen Gesamtgehäuse. Der quadratische Deckel der Kiste ist gleichzeitig das Spielfeld. Der geriffelte Boden erinnert etwas an Wittigs Würfelpyramidenuntersatz. Er sorgt dafür, dass die Würfel, wenn sie in den Deckel geschüttet werden, sich zu einem unregelmäßigen Geröllhaufen auftürmen. Dieser große Würfelhaufen muss nun im Spiel nach MIKADO-Manier abgetragen werden. Zwei Holzstäbchen, in die Bohrungen der Würfellöcher gesteckt, sind die Hilfsutensilien beim Tagebau der Würfelhalde. Die 40 kleinen Würfel bringen einen Punkt, 20 etwas größere zwei Punkte, dann ergeben zehn ziemlich große und fünf ganz große Würfel vier bzw. acht Punkte. Die Regel entspricht der des MIKADO-Spiels, sobald ein Würfel sich bewegt, ist der nächste Spieler an der Reihe. Herabgefallene Würfel werden aus dem Spiel genommen. Man spielt solange, bis alle Spieler passen, weil sie der Meinung sind, dass ohne Wackler kein Würfel entnommen werden kann, oder bis zum bitteren Ende, der leeren Kiste also.
Der Anfangsspielreiz ist hoch, schnell stellt man dann aber fest, dass die scheinbar stabilen Würfel von CUBICADO den wackligen, dünnen MIKADO-Stäbchen deutlich unterlegen sind. Das Würfelgebilde nach einem Stäbchenwurf mag noch so grazil sein, es ist in sich stabiler und damit prädestinierter für die Herausnahme von Stäbchen als die wuchtige Würfelhalde. Bis auf die ganz kleinen Würfel kann fast kein anderer ohne Wackler entnommen werden. So kommt ganz schnell Frust auf, da man nur selten mehrere Würfel hintereinander in die Wertung bekommt. Das Material ist toll, die Grundidee einer MIKADO-Variante pfiffig, aber Spielspaß stellt sich nicht ein. Vielleicht sollten die Theta-Macher das schöne Spielmaterial für Regelvarianten mit taktischen Spielideen freigeben, die schöne Spielkiste hätte es verdient
(Wieland Herold)
CUBICADO
Autoren: Michael Sohre, Werner Falkhof
Verlag: Theta
Spieler: 1-5 Spieler
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 20 Minuten
ca. 90.- DM
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 3 von 10 Sternen,
das entspricht: Vielleicht nächsten Monat wieder
Spiel 3/1995 R 86/2020
Zu den Autoren:
Michael Sohre war neben Wolfgang Großkopf der erste Spieleautor aus der DDR, der im Westen präsent war. Sohre war zu DDR-Zeiten Produktionsleiter für die Defa, aber auch schon vor 1989 interessierte sich der ausgebildete Werkzeugmacher für die Spielzeugentwicklung und entwarf Baukastensysteme.
1993 gründete er mit dem Bonner Werner Falkhof, der gerade mit PUSHER reüssierte (Auswahlliste 1993) den Theta Verlag, der 1995 für Sohres TRI-BA-LANCE mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet wurde und in Frankreich den „Super As D’Or“ erhielt. Folgeprodukte wie HEADQUARTER und HANDICAP waren weitere herausragende Spiele.
Die Designobjekte von Theta setzten sich leider nie so richtig durch. Zwischenzeitlich übernahm sie ASS, dann stellte die Firma aber ihre Produktion ein.
Seit der Jahrtausendwende experimentierten beide in Kleinmachnow mit einem Material, das zu neuer ästhetischer Qualität im Brettspielbereich führen sollte. Sohre wandte sich vom Holz ab und begab sich auf die Suche nach Möglichkeiten, Kunststoffe zu ersetzen. Ihr Ergebnis nannten sie „THETA-Stone“. Ihr Geheimrezept lässt wie Steinholz eine sehr kurze kalte Aushärtung von nur zwei Stunden zu. Abgeformt wurde in kostengünstige Kautschukformen, Figuren, Objekte einzeln, Spielsteine in Platten, die mit Wasserstrahltechnik exakt geschnitten werden. Die Nachbearbeitung fand wie bei Holzfiguren in Schleiftrommeln statt. In Spielen wie LETTER STONE und einer Neuauflage von MINOTAURUS zeigten sie die Qualitäten des Stoffes.
2011 verstarb Sohre leider viel zu früh mit 62 Jahren, drei Tage vor seiner liebsten Spielemesse in Essen.
Das obere Bild zeigt Michael Sohre in Essen 1995 mit CUBICADO, das zweite Bild zeigt Falkhof und Sohre in Kleinmachnow mit Theta-Stone-Produkten.
Sonntag, 26. Juli 2020
ORBIT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
CORONA wandert in den ORBIT
Der in Venedig lebende Amerikaner Alex Randolph ist bekannt als Autor von Klassikern wie SAGALAND und TWIXT. Schon vor über 20 Jahren veröffentlichte er Spiele in Deutschland, so das Denkspiel CORONA, das einst in der Casino-Reihe bei Ravensburger erschien.
Der Stuttgarter Verlag Franckh Kosmos widmet ganz aktuell der CORONA-Idee eine ganze Spielesammlung mit der alten Idee von 1974, einer leicht abgespeckten Aufgabe, die als HARUN 1984 in der Edition Perlhuhn erschien, und der Neubearbeitung ORBIT, die zum Namensgeber der Kosmos-Ausgabe wird.
Randolph charakterisiert alle drei Spiele so: „In diesen drei Spielen scheint alles durch den so genannten ‚Zufall‘ bestimmt zu sein; doch spielt ‚Glück‘ überhaupt keine Rolle. In jeder Runde geben Würfel (also das Schicksal) eine Ausgangssituation vor. Danach ist es jedem Spieler überlassen, damit etwas anzufangen – oder es auch bleiben zu lassen.“
Daraus ergeben sich in jeder Spielvariante anspruchsvolle Denkaufgaben. Im ORBIT schweben sechs Planeten, denen farbige Würfel zugeordnet sind. Wer den passenden Himmelskörper in Besitz nimmt und mit dessen Bewegung auf zwei andere Planeten trifft, gewinnt Chips aus einem Prämientopf.
Deutlich anspruchsvoller ist HARUN, bei dem mit sieben Spielsteinen auf einer Umlaufbahn mit 12 Feldern gespielt wird. Hier müssen schwarze Würfel erst Trägersteinen zugeordnet werden, damit sie danach auf Fixsterne treffen. Ein Bietverfahren regelt die Ausführung der Züge.
Ähnlich verläuft CORONA. Die gedankliche Aufgabe ist aber noch komplexer, da die Würfel so angeordnet werden müssen, dass sich möglichst viele Steine auf einem Feld treffen. Die Zugrichtung ist nicht mehr in beiden Richtungen zulässig, sondern nur noch im Uhrzeigersinn.
ORBIT, CORONA & Co. sind Hirnverzwirbler der Extraklasse. Für die einen ist das Vergnügen pur, für andere extreme Anstrengung. Kosmos hat das Ganze passend zum Verlagsnamen in sphärische Welten verlegt, die schon immer Ziel menschlichen Forschergeistes waren.
Titel: ORBIT
Autor: Alex Randolph
Verlag: Franckh Kosmos
Spielerzahl: 1-10
Altere: ab 12
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 59.00 DM
(Wieland Herold)
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 7/1993 R 85/2020
Zum Autor:
Alex Randolph war der Kosmopolit unter den Spieleautoren. 1922 in Böhmen geboren. Seine Mutter stammte aus Colorado, sein Vater war Russe. Schon als Kind lebte er mehrere Jahre in Venedig, bevor er als Zehnjähriger in ein Schweizer Internat geschickt wurde. Ein Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg ging die Familie zurück in die USA. Während des Krieges arbeitete er am Entschlüsseln feindlicher Codes.
Nach dem Krieg lebte er als Werbetexter und Romancier in Boston, bevor er 1961 mit Pentomino-Steinen sein erstes Spiel veröffentlichte. Randolph siedelte dann nach Wien um, spielte dort im Café Hawelka TWIXT mit Herbert Feuerstein, das bald als 3M-Spiel in einer edlen Buchschuberausgabe erschien und ihm einen mehrjährigen Aufenthalt in Japan finanzierte. Mitte der 70er Jahre fand der Spieleautor nach Venedig zurück, wo er 2004 starb.
Anfangs entwickelte er, inspiriert durch die Japanreise, hauptsächlich taktische Spiele für zwei, wie EVADE, BUFFALO und GEISTER. In den 80er Jahren erfand er erfolgreich viele Familienspiele wie SAGALAND, „Spiel des Jahres“ 1981, das er zusammen mit seinem engen Freund Michael Matschoss entwickelte. Es blieb zwar sein einziges „Spiel des Jahres“, für GUTE FREUNDE (1989) gewann er den ersten Sonderpreis „Kinderspiel“, was er mit LEINEN LOS! 1997 noch einmal wiederholte. INKOGNITO (1988) und VENICE CONNECTION (1996) bescherten ihm den Sonderpreis „Schönes Spiel“.
In den 90er Jahren arbeitete Randolph eng mit Johann Rüttinger zusammen, der auch XE CIAO CIAO … in sein Programm nahm. Posthum veröffentlichten Rüttinger und Kathi Kappler 2012 das lesenswerte Buch Randolphs „Die Sonnenseite. Fragmente aus dem Leben eines Spieleerfinders“.
In seinem 68. Lebensjahr wird der Philosoph unter den Spieleautoren mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet, außerdem erhält er 1992 einen Sonderpreis für sein Lebenswerk beim Deutschen Spielepreis. Randolph gilt neben Sid Sackson als einer der ersten Spieleautoren, der seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Er hat schon in den 70er Jahren dafür gesorgt, dass Autorennamen auf den Schachteln auftauchten.
Das Bild zeigt Randolph diesmal 1995 auf dem Autorentreffen in Göttingen zusammen mit der Ravensburger Redakteurin Charlotte Huber, sie spielen einen Nachfolger des alten Klassikers CORONA, der einst 1974 bei Ravensburger erschienen ist.
Freitag, 24. Juli 2020
DIE SIEDLER VON CATAN
Es war einmal Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010">Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Geniestreich Klaus Teubers
Die Qualität der Spieleneuheiten '95 kann sich im Vergleich zu den letzten Jahren sehen lassen. Eine ganze Menge Spiele sind darunter, die mit Sicherheit nicht schon wieder im nächsten Jahr aus den Regalen verschwinden werden.
Ein echter Longseller könnte das neueste Spiel von Erfolgsautor Klaus Teuber werden, der mit BARBAROSSA, ADEL VERPFLICHTET und DRUNTER & DRÜBER schon dreimal den Titel für das Spiel des Jahres erhalten hat. Vier Jahre hat er an seinem neuen Spiel DIE SIEDLER VON CATAN gebastelt und es schließlich bei Franckh-Kosmos untergebracht, ein Verlag, der Garant für anspruchsvolle Spiele ist
Spielerisch geht es um die Entwicklung einer unbewohnten Insel, deren Rohstoffvorräte eine zügige Zivilisierung erwarten lassen. Drei bis vier Spieler treten den Wettlauf um die Besiedlung Catans an. Sie bauen Siedlungen, legen Straßen an und treiben regen Handel mit Rohstoffen.
Der Spielablauf ist vielschichtig, taktische Planung bei der Anlage von Siedlungen, Verhandlungsgeschick beim Rohstofftausch bringen ein abwechslungsreiches Spiel mit sich, das trotz seiner scheinbaren Komplexität schnell verstanden wird und auch nicht übermäßig lange dauert. Die kriegerischen Elemente, die in solchen Entwicklungsspielen stets eine dominierende Rolle spielen, fehlen zum Glück völlig.
Neue Wege beschreitet der Verlag auch mit der Spielregel. Auf einer Seite bekommen Einsteiger den notwendigen ersten Überblick. Für Detailfragen gibt es den ,,Kleine(n) Siedler-Almanach", der mit Beispielen weiterhilft.
Für Jugendliche und Erwachsene ein außergewöhnlich gutes Spiel, dessen variabler Spielplan zu immer neuen Experimenten herausfordert und die interessantesten CATAN-Landschaften entstehen lässt. Viele, die Feuer gefangen haben. erweitern inzwischen ihr CATAN durch Kauf eines zweiten Spiels, dann können auch mehr als vier Personen mitspielen.
Wieland Herold
SPIELETELEGRAMM:
Titel: DIE SIEDLER VON CATAN
Verlag: Franckh-Kosmos
Autor: Klaus Teuber
Spielerzahl: 3 bis 4,
Spieldauer: etwa 60 Min
Preis: ca. 59 Mark.
(Wieland Herold)
Die Rezension erschien 1995
Wertung Spielreiz damals 10 von 10 Sternen,
das entspricht: Jederzeit wieder
Spiel 2/1995 R 84/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Die Marke CATAN gilt inzwischen als zweiterfolgreichste nach MONOPOLY. In diesem Jahr feiert das Kultspiel CATAN (früher DIE SIEDLER VON CATAN) seinen 25. Geburtstag. Zum Jubiläum ist auf der Insel Mainau ein überdimensionales CATAN-Feld mit der typischen Wabenstruktur entstanden, das in dieser Woche feierlich eröffnet wurde.
Der gelernte Zahntechniker Klaus Teuber war schon vor CATAN einer der bekanntesten Spieleautoren Deutschlands, hatte er doch schon für sein Erstlingswerk BARBAROSSA 1988 das Spiel des Jahres gewonnen. Es folgten Doppelsiege 1990 und 1991 für ADEL VERPFLICHTET und DRUNTER & DRÜBER.
Den Weg zu dem Jahrhundertspiel CATAN beschreibt Klaus Teuber in dem ganz aktuell zum Jubiläum erschienenen Buch MEIN WEG NACH CATAN, mit dem er seine Leser auf eine Reise in seine persönliche Geschichte und die Spielgeschichte der 60er und der folgenden Jahrzehnte nimmt.
Bei den Puzzlestücken, die Teuber in seinem Weg nach Catan zusammensetzt, spielen Menschen eine entscheidende Rolle, seine Familie, Redakteure und Journalisten, und die eigene Fantasie. Einer der wichtigsten Freunde ist Reiner Müller, der ihn mit BARBAROSSA auf den Weg gebracht hat und CATAN zu Kosmos.
Teubers Geschichte danach ist von dem einmaligen Erfolg geprägt, von den vielen Nachfolgespielen, aber auch der Parallelarbeit, die das TM-Team in den 90er Jahren für den Goldsieber Verlag leistete.
Das Foto mit Klaus Teuber stammt von der Spiel 1994. Ausgewählt habe ich es, weil er hier mit Reiner Müller, den für ihn wichtigsten Redakteur, zu sehen ist. Das TM-Team mit Wolfgang Lüdtke, hat wohl auf dieser Spiel das Programm für Goldsieber ausgeheckt. Das dritte Foto zeigt das Catan-Feld auf der Insel Mainau.
Donnerstag, 23. Juli 2020
STERNEFOIFI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Der Griff nach den Sternen
Der Griff nach den Sternen - ein Traum der Menschheit. Spielerisch schon vielfach umgesetzt: Fantastisch in der schon legendären ORION-Spielesammlung von Parker, brandaktuell und umfassend in dem hier rezensierten Spiel STERNEFÖIFI der Schweizer Spielwerkstatt Murmel.
Ähnlich umfangreich angelegt wie ORION, aber vielfältiger in den Spielformen, erhält man von den Machern der Murmel ein prall gefülltes Spielepaket, bei dem die Esoterik zum Glück nur im dicken Begleitheft durchschimmert ("Sternbildmythen - Sterne beobachten"). Das Spiel genügt sogar wissenschaftlichen Ansprüchen, wer wirklich etwas über den Nachthimmel über uns erfahren möchte, ist mit der Spielesammlung aus der Schweiz bestens bedient.
STERNEFÖIFI enthält acht ganz verschiedene Spiele, die alle um das Thema Sternenhimmel kreisen. Aus 12 großen tiefblauen Puzzleteilen muss man erst einmal das Spielfeld zusammensetzen, ein kleines Spiel vor dem Spiel, da die Teile beidseitig bedruckt sind. Auf der einen Seite entsteht der Winterhimmel, so wie er über der Schweiz Anfang Februar zu sehen ist, die Rückseite zeigt den Sommerhimmel ein halbes Jahr später. Die Sterne sind drei Helligkeitsstufen zugeordnet. Für die im Spiel wichtigen Sterne sind runde Vertiefungen auf dem Spielplan angebracht. In diese können dann entsprechende Sternplättchen gelegt werden, über 250 sind in dem Spiel, außerdem gibt es für die verschiedenen Spielvarianten dünnere Satellitenplättchen, 15 große Wolkenformen, Transparente zum Nachlegen der Sternbilder, 100 Sternbilderkarten und einen Spezialwürfel. Wenn man alles zusammennimmt: ein Planetarium en miniature.
Vier von den acht Spielvarianten werde ich im Folgenden vorstellen:
Sterne würfeln
Das erste recht einfache Spiel dient eher der Eingewöhnung. Jeder der 3 bis 9 Spieler erhält zwei bzw. drei Sternbildkarten. Das Transparentpapier wird über den Spielplan gelegt, so dass jeder die Lage seiner Sternbilder schneller finden kann. Danach wird gewürfelt und Sternplättchen werden abgelegt. Als Störfaktor können fünf Wolken Teile des Himmels abdecken. Wer als erster zwei Sternbildkarten ablegen konnte, ist Spielsieger. Der Reiz liegt am Anfang im genauen Beobachten. Wenn aus der Vielfalt der Sterne Sternbilder auch ohne Hilfsmittel (Transparent) erkannt werden können, dann hat man sein erstes Aha-Erlebnis mit diesem Spiel. Der Spielwert ist nicht hoch anzusetzen, zumal die Sternverteilung auf den Karten notwendigerweise sehr unterschiedlich ist. Wer die Fische erwischt, braucht zum Beispiel nur drei einfach zu erwürfelnde schwache Sterne. Wer den Großen Wagen hat, muss gleich 18 Sterne (12 kleine, 6 mittlere) würfeln.
Deck mich auf
Ohne die Vorübung des ersten Spiels ist die Variante "Deck mich auf" sehr schwierig. Alle Sternvertiefungen werden mit Sternplättchen zufällig abgedeckt, nur die blaue Plättchenrückseite ist zu sehen. So können schwache Sterne auf mittleren zu liegen kommen, helle auf schwachen usw. In der Anfangsphase des Spiels geht es darum, die Plättchen auf die richtigen Positionen zu bekommen. Immer zwei werden aufgedeckt, stimmen sie mit dem Stern auf dem Spielplan überein, dürfen sie offen liegenbleiben, kommen die beiden durch Austausch richtig zu liegen, dann darf getauscht werden. Im Laufe des Spiels erstrahlt der Nachthimmel und man muss sich um entstehende Sternbilder kümmern. Wer ein Sternbild vollendet, darf die entsprechende Sternbildkarte nehmen. Wer feststellt, dass Sternbilder übersehen wurden, erhält auch die Karten. Sieger ist natürlich der mit der besten Beobachtungsgabe. Als Gedächtnisstütze gibt es zwar kleine Himmelskarten, es ist aber trotzdem ein recht schwieriges Spiel, das freilich exzellent die Beobachtung schult.
Wer entdeckt den Satelliten
Eine der für mich reizvollsten Beobachtungsvarianten ist das Satellitenspiel. Gespielt wird es am besten im Halbdunkel, ohne direktes Licht. Alle Sterne liegen offen auf dem Spielfeld in ihren Vertiefungen. Satelittenplättchen, die etwas dünner als Sternplättchen sind, aber auf dem Spielplan ebenso hoch erscheinen wie die Sterne in ihren Vertiefungen, spielen hier eine besondere Rolle. Ein Spieler steuert einen Satelliten. Während die anderen wegschauen, legt er ein dünnes Plättchen mindestens zwei Handbreit vom Rand entfernt auf den Spielplan, dann zählt er langsam bis 10, bleibt sein Satellit unentdeckt, müssen alle wieder wegsehen und der Satellit läuft auf gerader Bahn Richtung Rand, jeweils zwei Fingerbreit darf er sich bewegen. Wer den Trabanten entdeckt, erhält das Plättchen und darf einen neuen losschicken. Während des Spiels darf jeder ein Plättchen als Nova auf dem Plan unterbringen. Die Entdeckung eines solchen neuen Sterns bringt zusätzlich zwei Plättchen. Gespielt wird je nach Vereinbarung, bis einer fünf oder zehn Satellitenplättchen erworben hat. Ein Spiel, das viel Spielspaß bringt, bei dem aber Schummeln, sprich Blinzeln, alles verderben kann.
Astro-Logik
Beim letzten Spiel handelt es sich um die schwierigste und anspruchsvollste Variante: Das Strategiespiel der Sammlung für 2,3,4 oder 6 Personen. Entscheidendes Spielobjekt ist ein kleiner Schieber, auf dem immer drei Sterne platziert sein müssen. Im Normalfall gilt es, alle Sternplättchen, die auf der Schiene liegen, in ein Sternbild zu legen. Nur wenn der erste oder zweite Stern ein Sternbild vollendet, darf in ein anderes Sternbild abgelegt werden. Die Sternplättchen auf der Schiene stellen also stets die Vorgabe dar, an der man sich orientieren muss. Die Plättchen werden dabei nicht direkt von der Schiene genommen, sondern aus dem Reservoir. Zusätzlich bringt jeder einen beliebigen Stern auf das Spielfeld, mit dem aber kein Sternbild vollendet werden darf. Dieser wird danach an die dritte Position auf der Schiene geschoben, das vordere Plättchen fällt heraus, so dass sich die Vorgabe für den folgenden Spieler entsprechend ändert. Spielziel ist es, möglichst viele Sternbilder zu vollenden. Da das Ende erst eintritt, wenn alle Sterne belegt sind, dauert dieses Spiel mit mindestens 90 Minuten auch relativ lange. Hier empfiehlt es sich zur Verkürzung am Anfang schon etwa 50 Sterne beliebig auszulegen, ohne natürlich Sternbilder zu legen, das erhöht gleich zu Beginn den taktischen Reiz des Spiels und verkürzt die Spieldauer auf etwa eine Stunde.
Ein intensives Eintauchen in das Himmelsgeschehen ist mit STERNEFÖIFI vorzüglich möglich. Die unterschiedlichen Spielangebote sprechen die ganze Familie an. Gerade die Erfahrungen mit Kindern zeigen, dass die Brettspielerlebnisse vorzüglich in die Realität umgesetzt werden können. Nachtspaziergänge, bei denen nicht nur der Große Wagen und der Polarstern entdeckt werden, sind dann in Zukunft keine Seltenheit mehr.
Titel: STERNEFOIFI
Autor: Andreas Rudin
Verlag: Murmel Spielewerkstatt
Spielerzahl:2-10
Altere: ab 8
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 39.00 DM
(Wieland Herold)
Die Rezension erschien 1994
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 5/1994 R 83/2020
Zum Verlag:
Die Schweiz war in den 80er Jahren Hort genossenschaftlich organisierter kleiner Spieleverlage. Vor ein paar Tagen habe ich Fata Morgana vorgestellt, ähnlich entstand in Volkestwil in der Nähe von Zürich die Murmel Spielwerkstatt, die 1983 gegründet wurde, um das Spiel BUUREJAHR herauszubringen. Über 20 eigene Spiele entwickelte der Verlag, hatte zusätzlich aber auch viele deutschen Verlage im Vertriebsprogramm.
In Deutschland wären sie mit ihrem ökologischen Bewusstsein wahrscheinlich zum Partnerverlag der Grünen geworden. So ging es in ihrem ersten Spiel BUUREJAHR darum, das rechte Maß zwischen existenzsicherndem Eigeninteresse und Zusammenarbeit für das Überleben aller zu finden. Die meisten Spiele hat das Gründungsmitglied Andreas Rudin erfunden. Richtig erfolgreich war allerdings RUMIS, ein Spiel von Stefan Kögl, das 2003 auf der Auswahlliste Spiel des Jahres landete und später an Sekkoia verkauft wurde, die es unter dem Titels BLOKUS 3D vermarkteten.
2013 hat die Stiftung Brändi die Verlagsgeschäfte übernommen.
Die Bilder sind vom Verlagsstand der Murmel in Essen 1994. Im unteren Bild ist Andreas Rudin zu sehen.
Mittwoch, 22. Juli 2020
PONYTRAIL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Eine Kiste voller Pferde
Sollte Ihre Tochter auch verrückt nach Pferden sein, dann schenken Sie ihr PONYTRAIL. Ein liebevoll produziertes Gesellschaftsspiel rund um das Hobby Reiten.
Etwas MONOPOLY, ein bisschen Quizspiel, durchaus anspruchsvoll, und viel Interaktion machen den Reiz dieses Pferdespiels für 3 bis 6 Spieler ab 6 Jahren aus. Verpackt in einer großen Holzkiste sind viele verschiedene Spielutensilien, vor allem natürlich Unmengen von Holzfpferdchen.
Allein das Spielmaterial lädt zum Spielen ein. Ein einfacher Magnetmechanismus bringt die Reiter auf die Pferde, lässt ganze Pferdegespanne zusammenwachsen, alles ist wohldurchdacht; man merkt, dass Pferdenarren hier am Werk waren und alles untergebracht haben, was zum Thema Reiten und Pferde gehört.
Für 90.- DM kann PONYTRAIL beim Autor Jürgen Bole ( T. 02864 / 5615), Illerhusen 6 in 48734 Reken bestellt werden.
(Wieland Herold)
Die Rezension erschien 1994
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 4/1994 R 82/2020
Dienstag, 21. Juli 2020
DOCTOR FAUST
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
„Die Müh ist klein, der Spaß ist groß!“
Um Themen nie verlegen scheinen die deutschen Spieleautoren. In die klassische Kiste wird allerdings selten gegriffen. Kultur ist häufig im Spiel, aber literarische Vorbilder werden nur selten verarbeitet. In diesem Jahr hat sich ein Autor an den Faust-Stoff herangewagt. Um mit Goethe zu sprechen. "Ihr wisst, auf unsern deutschen Bühnen probiert ein jeder, was er mag." Reinhold Wittig, Spieleautor aus Göttingen, hat's probiert und mit Erfolg abgeschlossen.
Thematisch und optisch außergewöhnlich stimmig umgesetzt, jagen in dem Spiel zwei diabolische Gegenspieler Faust hinterher. Das Spielmaterial ist teuflisch gut. Der erst im letzten Jahr neu gegründete Blatz-Verlag aus Berlin hat ein feines Gespür für tolle Spieleproduktionen. Alle großen Verlage verliert man bei den Spielen dieses Verlages aus den Augen, aus dem Sinn. Eine Art Spielplanläufer, 90cm lang, schlicht und passend in schwarz-weiß gehalten, mit 30 mit Faustzitaten gespickten Spielfeldern, umrahmt von klassischen Faustabbildungen, stimmt hervorragend auf das Spiel ein.
Das Spielmaterial setzt ebenfalls Akzente. Faust's Seele wird durch eine große Glaspyramide symbolisiert, die Teufel sind rote und blaue Glassteine, die in einem sinnvollen Kontrast zum schwarz-weißen Spielplan stehen. Der ästhetische Reiz, der von diesem Spiel ausgeht, ist einmalig. 1994 gibt es kein schöneres Spiel! Hoffentlich ein Anreiz für viele Verlage, nicht nur in Plastik zu schwelgen.
Spielerisch hat Wittig mit DOCTOR FAUST ein Taktikspiel entwickelt, mit dem sich zwei Spieler etwa eine halbe Stunde lang gut unterhalten können. In der Jagd nach elf Seelenkarten, deren Wert sich immer mehr steigert, stellen sich die Teufel intrigant stets ein Bein, um selbst erfolgreich sein zu können. Das Spiel kommt ganz ohne Würfel aus, die Siegchancen sind damit völlig gleich. Um mit Faust zu enden: "Die Müh ist klein, der Spaß ist groß!"
Titel: DOCTOR FAUST
Autor: Reinhold Wittig
Verlag: Blatz
Spielerzahl:2
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 39.00 DM
(Wieland Herold)
Die Rezension erschien 1994
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 3/1994 R 81/2020
Informationen zum Spiel und zum Autor:
1988 hatte Reinhold Wittig mit RUFUS eine interessante Fuchsjagd für zwei bis fünf Personen herausgebracht. Das Spiel stieß auf Interesse bei den Verlagen, die Firma Mattel übernahm schließlich das Spielprinzip und verlegte das Thema in den Computerbereich: Für 50 000 DM wurde MR.CHIPS entwickelt, dann aber nie produziert. Zur Spiel '90 gab es eine neue RUFUS-Variante aus dem Hause Wittig: DR. FAUSTUS. Das Spielprinzip hatte sich nicht geändert; da es nun als Zweipersonenspiel konzipiert war, wurden nur die Zahl der Spielfelder und Karten verringert. Dieses Remake lebte vor allem von der neuen Spielplangestaltung und dem außergewöhnlichen Spielmaterial. Alte Kupferstiche zur Faustfabel gaben die Spielplanfelder ab, die Spielsteine waren große Halbedelsteine, zum Teil mit Lupeneffekt, der auf den alten Bildern besondere Wirkung hervorruft. Mit den wertvollen Spielsteinen setzte Wittig eine im letzten Jahr mit HOTU MATUA begonnene Tradition fort. Besondere Faszination übte der Seelenschutzstein aus, für den der Geologe Wittig geschliffene Chiastolite beigesteuert hatte, Steine mit eingelagerter Kreuzstruktur, die dem Spiel die nötige atmosphärische Dichte gaben. Blatz hat versucht durch Übernahme der Grafik, Glassteine und Glaspyramide die Atmosphäre aus Wittigs Original ins Verlagsprodukt zu transportieren.
Die Jury würdigte dieses Spiel 1994 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel.
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte. In den 90er Jahren prägt seine Handschrift die Spiele von Blatz. KULA KULA und das hier vorgestellte DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel. Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel.
Das obere Bild ist zeigt DOCTOR FAUST 1994 auf dem Autorentreffen in Göttingen. Das untere Bild zeigt Reinhold Wittig 2017 bei der Entgegennahme seines Göttinger SPATZ.
WÜRFEL-DUELL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
WÜRFEL-DUELL mit Karten
Was für ein Würfelspiel, da stecken 36 Würfel in der Sala-Packung und dürfen nur maximal zweimal geworfen werden. Was sich der Hannoveraner Heiko Wiese da ausgedacht hat, ist ein spannendes gegeneinander nicht nur mit Würfeln.
Alle starten mit sechs Würfeln einer Farbe, deren Wurfergebnis spätestens nach dem zweiten Mal akzeptiert werden muss. Was ein guter Wurf ist, lässt sich am Anfang gar nicht so einschätzen. Die einen setzen auf Diversifikation, andere eher auf Konzentration einzelner Würfelsorten.
Wozu das Ganze? Die Würfel müssen in Beziehung zu drei Duell-Karten gebracht werden, die zufällig von einem Kartenstapel gezogen werden, der aus 60 Zahlenkarten von eins bis sechs besteht und aus 30 Sonderkarten. Sobald ein Spieler drei Zahlenkarten auf der Hand hat, endet für ihn das Kartenziehen. Der Startspieler fordert dann einen anderen zum Duell. Beide decken ihre Karten auf und vergleichen sie mit der Würfelauslage. Jede Übereinstimmung bringt einen Punkt. Wer die höhere Punktzahl erreicht, gewinnt einen Chip. Sobald einer sieben Chips sammeln konnte, endet das Spiel.
Duelle bringen kleine Veränderungen in der Kartenhand, beide Spieler müssen eine Karte abgeben und eine neue Duellkarte ziehen. Zu große Vorsprünge werden geahndet, da muss der Gewinner einen seiner Würfel an den Unterlegenen abtreten.
Die Abläufe können schnell stereotyp werden, wenn ein Spieler beispielsweise seine zwei Vierer-Karten immer mit seinen drei Viererwürfeln koppeln kann, dann ist er meist unschlagbar. Sonderkarten hebeln das etwas aus. Da dürfen Würfel geklaut werden, eigene Werte dürfen verändert werden, sodass man zu ähnlich guten Konstellationen kommt.
Im Grunde genommen ist WÜRFEL-DUELL ein ganz einfaches Spiel. Da es mit mindestens vier und bis zu sechs Kontrahenten gespielt werden kann, ist der MEMO-Anteil aber auch ganz schön hoch, weil man sich ja möglichst einen eher schwächeren Gegner aussuchen möchte.
(Wieland Herold)
SPIELETELEGRAMM
Titel: WÜRFEL-DUELL
Verlag: Sala
Autor: Heiko Wiese
Spieler: 4 - 6
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 29 DM
Die Rezension erschien 1991
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 5/1991 R 80/2020
Informationen zum Autor:
Der Hannoveraner Heiko Wiese war in den 90er Jahren ein vielfach beachteter junger Autor, dessen Spiele wie WÜRFEL-DUELL (1991) und das satirisch angelegte PUTSCH (1998) Aufmerksamkeit fanden.
In dem nicht veröffentlichten Spiel WASSERBURG (1991), das immerhin in der Finalrunde des Hippodice-Wettbewerbs 1992 landete, zaubern Golems mit Wasser, Schlamm und Erde. Dieser Leidenschaft, der Zauberei, geht Wiese, der immer noch in Hannover lebt, mit viel Engagement nach. Wer in Hannover ist, sollte seine Close-Up Lounge besuchen, in der man ihm und anderen Kleinkünstlern ganz nah auf die Pelle rücken kann. Seit zehn Jahren leitet er auch in der niedersächsischen Hauptstadt den ZauberSalon, der immer am zweiten Dienstag im Monat unterschiedliche Facetten der Zauberkunst zeigt, im Augenblick über Zoom (www.ZauberSalon.de).
Das Bild zeigt Heiko Wiese auf dem Autorentreffen in Göttingen mit Martin Ebel.
Sonntag, 19. Juli 2020
THE KING’S DILEMMA
THE KING’S DILEMMA ist das zweite Legacy-Spiel auf den diesjährigen Nominierungslisten der Jury Spiel des Jahres. Die Kenner-Spielidee der Autoren Hjalmar Hach und Lorenzo Silva ist bei Horrible Guild und HeidelBÄR Games erschienen. Wenn man dem zweiten nominierten Spiel MY CITY vorwerfen kann, dass der historische Entwicklungsrahmen in keine ordentliche Geschichte verpackt wird, ist das gerade die Stärke von THE KING’S DILEMMA. Aus rein epischer Perspektive betrachtet, gab es wahrscheinlich noch kein Legacy-Spiel, das so stimmig in eine Geschichtenwelt eingestiegen ist.
Wir bewegen uns in einer fiktiven „oftmals grausamen Fantasy-Welt“, die uns moralisch fordert. Minimal drei, maximal und auch möglichst fünf Markgrafen und Herzöge gehören dem königlichen Rat des Reiches von Ankist an, das mittelalterlich feudal organisiert ist. In den anstehenden Verhandlungen gilt es, das Königreich voranzubringen und dabei genügend Vorteile für das eigene Haus herauszuschlagen. So sammelt man Ansehens- oder Ambitionspunkte, die für das Kampagnenende wichtig sind.
Für die Spielmechanik stellt Horrible Guild auch gar nicht Legacy in den Vordergrund, sondern das Dilemma Card System, das die Spieler immer wieder vor neue Entscheidungen stellt und verschiedene Geschichtenstränge voranbringt. Der Zustand des Königreichs wird über ein Spielbrett angezeigt mit Markern in unterschiedlichen Bereichen. Entscheidungskarten für Abstimmungen, Machtmarker, Geld und eine geheime Zielkarte stellen das persönliche Ausgangsmaterial dar.
Der Ablauf ist letztlich simpel. Der Rat muss ständig Entscheidungen treffen, die stets ausdiskutiert werden. Bin ich dafür, dagegen oder halte ich mich raus? Eine Art Versteigerung mit Machtplättchen sorgt für eine Lösung. Da darf argumentiert werden, auch Geld fließt und im Hinterkopf ist immer die eigene Agenda. Wer sich raushält, gewinnt neue Machtmarker von den Gewinnern. Die Unterlegenen verlieren zumindest keine. Der Gewinner wird meistens neuer Anführer und steht mit seiner Unterschrift gerade für die getroffene Entscheidung. Dann werden die Konsequenzen des Diskussions- und Abstimmungsergebnisses ausgewertet, was zu Veränderungen der Anzeigen auf dem Spielbrett führt. Da kann sich das Reichsvermögen vermehren oder schwinden, da hebt oder senkt sich die Moral. Verbunden mit diesen Anzeigen ist ein Stabilitätsmarker, der bei Extremständen zum Ende der Partie führt, das auch durch viele Dilemmakarten ausgelöst werden kann, der König dankt dann ab oder stirbt. Zusätzlich wird oft ein neuer Umschlag geöffnet, der einen Geschichtenstrang voranbringt und drei neue Dilemmakarten beinhaltet. Zum Schluss wertet man etwas aufwändig die geheime eigene und eventuelle offene Agenda-Karten und weitere Ressourcen des adligen Hauses aus, um im Vergleich mit den anderen die eigne Bilanz beim persönlichen Ansehen und den eigenen Ambitionen zu verbessern. Was das letztlich wert ist, bleibt bis zur Schlussrunde unklar, die frühestens nach der 15. Partie eintritt.
Das Spiel bietet eine exzellente Geschichtenerzählung und Entscheidungszwickmühlen, die nicht nur aus moralischer Perspektive beantwortet werden können. Die Dilemmata sind nicht die des Königs, sondern die aller Beteiligten. Hjalmar Hach und Lorenzo Silva haben ein außerordentlich intelligentes Spielkonzept entworfen, das es so noch nicht gab.
Die Geschichtenstränge, die realen Entscheidungsprozesse, auch das austarierte System der Ressourcenleiste mit dem verbundenen Zeigerausschlag der Stabilitätsanzeige, alles macht Sinn. Nur die abschließenden Punktberechnung am Ende der Runden, aus der sich eine Rangfolge für die Partie ergibt, empfinde ich als umständlich. Meine Probleme habe ich auch mit der letzten Runde, bei der sich die Schlussauseinandersetzung wie ein ganz anderes Spiel anfühlt. Da hätte ich mir eine organischere Lösung gewünscht, sodass man im Vorspiel gezielter auf die letzte Runde hin spielen kann. Durch Bekleben und Beschreiben ist THE KING’S DILEMMA nur für eine Kampagne spielbar wie die meisten Legacy-Spiele. Auffallend und irgendwie frustrierend sind aber in diesem Spiel die extrem vielen ungeöffneten Umschläge und nicht genutzten Sticker. Da bleibt viel verborgen, was sich auch wohl nur (zum Teil) enthüllen wird, wenn man eine neue Kampagne mit neuem Spiel beginnt. Denn bei aller Kritik, entscheidend in dem Spiel von Horrible Guild ist das Spielerlebnis, das gemeinsame Fortschreiten in der Geschichte mit einer möglichst nicht wechselnden Spielgruppe.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: THE KING’S DILEMMA
Autoren: Hjalmar Hach und Lorenzo Silva
Grafik/Design: Giorgio Baroni
Verlag: Horrible Guild und HeidelBÄR Games
Alter: ab 14 Jahren
Spielerzahl: 3 – 5
Spielzeit: ca. 45 - 60 Minuten
Preis: ca. 70 Euro
Spiel 56/2020
Samstag, 18. Juli 2020
AURA POKU
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Von der Ausstattung opulent wird die Flucht einer afrikanischen Königin, AURA POKU, in dem gleichnamigen Spiel dargestellt. Das Spiel hat der Göttinger Spieleerfinder Reinhold Wittig erfunden und der Berliner Blatz-Verlag traumhaft schön umgesetzt. Wie in Wittigs Originalen spielt wertiges Material mit, große Figuren, Holzmaterialien und Golddruck, da wirkt der 6er Würfel schon fast profan.
Die Spieler befinden sich auf den Spuren Aura Pokus und versuchen, möglichst schnell in ihren rettenden Dorfgral zu gelangen. Sie sind auf der Flucht vor Auras Bruder und folgen einem mäandernden Weg, der aber an Opferplätzen abgekürzt werden kann. Das wird zum Teil kooperativ ausgehandelt, zum Teil aber auch solo durchgeführt. Wer den ganzen Weg geht, bekommt Belohnungen im Quellbereich der Flüsse. Sobald alle Hütten im rettenden Dorf besetzt sind, endet das Spiel, vorzeitig kann der böse Bruder aber auch das Spiel beenden.
Etwas taktische Planung, Würfelglück und Verhandlungsgeschick sind in diesem Spiel die Voraussetzungen für den Sieg. Optisch und spielerisch gehört AURA POKU mit zu den schönsten Spielen des 94er Jahrgangs.
(Wieland Herold)
SPIELETELEGRAMM
Titel: AURA POKU
Verlag: Blatz
Autor: Reinhold Wittig
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 59 DM
Die Rezension erschien 1994
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 3/1994 R 79/2020
Informationen zum Autor:
Über den Göttinger Geologen, Puppenspieler, Künstler und Spieleerfinder ließen sich Seiten füllen. Ich halte mich an dieser Stelle kurz:
Reinhold Wittig, der 83jährige Erfinder des Spieleautoren Treffens in Göttingen, entwickelt seit 1958 Spiele. 1976 gründete er seinen Kleinverlag Edition Perlhuhn, der mit Skaiplänen und Spielen in der Rolle bekannt wurde.
Zu seinen bekanntesten Spielen gehört die Würfelpyramide DAS SPIEL (1980 mit dem Sonderpreis Schönes Spiel ausgezeichnet), das heute immer noch von Abacus vertrieben wird. Für WIR FÜTTERN DIE KLEINEN NILPFERDE und MÜLLER & SOHN bekam er ebenfalls diese Auszeichnung, für die Grafik war jeweils sein Sohn Matthias verantwortlich. Seine ästhetischen Maßstäbe für Spielmaterial und Optik haben maßgeblich dazu beigetragen, dass der einfache Pöppelalltag aus den Spieleschachteln verschwand. Den Kosmos-Verlag brachte er durch edle Spiele in der Reihe mit der Feder voran, darunter auch eigene Veröffentlichungen wie MARITIM, das 1987 Chancen auf das Spiel des Jahres hatte. In den 90er Jahren prägt seine Handschrift die Spiele von Blatz. KULA KULA und DOCTOR FAUST aus diesem Verlag bekamen ebenfalls den Preis für das Schöne Spiel. Die ganz großen Erfolge blieben dann zwar im neuen Jahrtausend aus, immerhin landete CORNU 2007 auf der Empfehlungsliste der Kinderspieljury und MOGULI erhielt 2013 eine MinD-Würdigung.
Die Organisation des Autorentreffens hat Wittig 2016 an die SAZ übergeben, in seiner Edition Perlhuhn unterstützt ihn seit letztem Jahr Timo Diegel.
Das obere Bild ist ein Prototyp des vorgestellten Spiels aus dem Jahre 1994, das untere Bild zeigt Reinhold Wittig 1995 auf „seinem“ Autorentreffen.
Freitag, 17. Juli 2020
AKIBA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spiele für Zwei - neue Kugelspiele
Vor einem Jahr war der große Renner beim Berliner Spieleverlag Fun Connection noch das Kugelspiel ABALONE, das inzwischen aber von Schmidt Spiele vertrieben wird. Die Berliner Spielemacher haben sich schnell um Ersatz gekümmert und gleich zwei neue Kugelspiele herausgebracht.
Die Qualitäten von dem zum Klassiker avancierten ABALONE erreicht AKIBA. Inmitten eines 7x7 Felder großen Spielbretts versuchen die Kontrahenten mit je acht weißen und schwarzen Kugeln als erster sieben von insgesamt 13 roten Kugeln vom Brett zu schieben. Da jede eroberte Kugel zu einem weiteren Zug berechtigt, kann es manchmal zu einem schnellen Spielende kommen. Mindestens eine Revanchepartie sollte man zulassen, da der Startspieler einen kleinen Vorteil hat.
AKIBA ist ein vollwertiger hochkarätiger ABALONE-Ersatz, der zudem nur die Hälfte des großen Vorbilds kostet.
Simpler gestrickt, aber nicht ohne Reiz, ist das zweite Spiel BALANX. Hier müssen zehn Kugeln nach HALMA-Art auf die jeweils gegenüberliegende Seite des Kunststoffspielbretts gebracht werden. Nutzen lässt sich dabei ein simpler Kippmechanismus, der die Kugeln in immer neue Positionen rollt. Auch dieses Spiel gibt es „äußerst preisgünstig unter 30.- DM.
(Wieland Herold)
SPIELETELEGRAMM
Titel: AKIBA
Verlag: Fun Connection, Berlin
Autor: Serge Cahu
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 29.- DM
Die Rezension erschien 1994
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 2/1994 R 78/2020
Donnerstag, 16. Juli 2020
KLONDIKE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
GOLD AM YUKON konnten spielbegeisterte Freunde des Göttinger Spieleautors Reinhold Wittig vor drei Jahren bei der Spielefirma Amigo suchen. War die Goldsuche bei Wittig eher taktisch orientiert, so beschreitet die Firma Haba spielerisches Neuland mit einer Spielidee, in der "echte" Goldschürfstimmung aufkommt.
Stefanie Rohner und Christian Wolf, das erfolgreiche Schweizer Spieleautoren-Pärchen, haben schon immer etwas für Schatzsuche und raffinierte Spielelemente übriggehabt. 1990 lagen ihre Schätze noch in Pyramiden versteckt. Ihre damalige Idee, DAS GEHEIMNIS DER PYRAMIDE, schaffte den Sprung auf die Liste der besten Spiele des Jahres. Ein kleiner Saugnapf war das pfiffige Grabinstrument dieses Spieles, mit dem man sich in die Tiefen der Pyramide vorarbeiten konnte. 1993 entführen Sie Ihre Spielgemeinde an einen Nebenfluss des Yukons, an den Klondike-River.
Stilecht ist das Hauptspielelement in KLONDIKE, eine Goldwaschpfanne, an der man sich mit Geschick versuchen muss. Der Vorgang des Waschens wird natürlich nur simuliert. Drei Goldnuggets oder Kieselsteine, gelbe und schwarze Holzperlen, werden verdeckt aus einem Lederbeutel gezogen - das gesamte Material ist wieder einmal echt habalike! -.
Der Goldwäscher muss danach versuchen, die wertlosen Steine aus der Pfanne herauszuwaschen. Ein bisschen Übung ist schon nötig, um das richtige Schürfgefühl zu bekommen. Im Klartext: Die schwarzen Holzperlen müssen durch Dreh- und Schwungbewegungen über den Rand eines recht tiefen Schürftellers gebracht werden.
Damit aber nicht genug. Dem Goldrausch Verfallene hatten immer etwas übrig für Wettspiele nach der Arbeit. Den Wettspaß übernehmen die Schweizer Autoren mit in ihr Spiel und der erweist sich häufig als ertragreicher als die harte Arbeit vorher. Die Mitspieler dürfen nämlich auf den Ausgang des Schürfvorganges wetten, auszahlen - gewinnen selbstverständlich ebenfalls - darf der Goldwäscher. Da kann es schon vorkommen, dass auch ganz versierte Schürfer am Ende gar keine Goldnuggets mehr in ihrer Schüssel haben, weil sie die Wetten ihrer Mitspieler mit einkalkulieren. Damit wird aus dem Geschicklichkeitsvorgang ein taktisches Spiel mit psychologischen Elementen.
KLONDIKE funktioniert allerdings nur dann gut, wenn alle zumindest einigermaßen mit der Goldwaschpfanne umgehen können. Übung macht hier aber den Meister, insofern sollten allen Anfängern mehrere Übungsrunden zugestanden werden, dann kann die stimmungsvolle Suche nach dem glänzenden Edelmetall richtig losgehen.
Kritisch ironische Anmerkungen zu KLONDIKE, der Wettvorgang ließe sich bei ähnlichen Voraussetzungen doch auch durch Knobelhölzchen ersetzen, kann ich absolut nicht nachvollziehen. Dieses Spiel ist atmosphärisch gesehen eine stimmige Gesamtkonstruktion. Die thematische Umsetzung eines Spielgedanken gelingt selten so gut. Ein großer Spielspaß für die ganze Familie, für den man allerdings sehr tief in die Tasche greifen muss.
(Wieland Herold)
Spieletelegramm:
Titel: KLONIKE
Verlag: Haba
Autoren: Stefanie Rohner und Christian Wolf
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 59.- DM
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 6/1993 R 77/2020
Zum Spiel und zu den Autoren:
Spiele für die ganze Familie bringt Haba nicht erst seit 2015 heraus. Schon Ende der 80er-Jahre startete der Verlag aus Bad Rodach mit einer grünen Reihe eine eher „erwachsene“ Serie mit Spielen wie TIMBERLAND von Klaus Teuber, DONNERWETTER von Peter Lewe, AMAZONAS von Arno Miller und eben KLONDIKE.
In den 90er Jahren waren die Schweizer Stefanie Rohner und Christian Wolf das erfolgreichste Autorenpärchen in der Spieleszene. Rund 100 Spiele haben beide ab 1986 über ihr Baseler Atelier Rohner & Wolf veröffentlicht.
ORIENT-EXPRESS in der kooperativen Herder-Reihe war ihr erstes Spiel. Leben konnte das Autorenpaar, das sich während des Philosophie-Studiums Anfang der 80er Jahre kennengelernt hatte, davon noch nicht. Der Erfolg kam 1990 mit der unspektakulären SCHOKO HEXE bei F.X. Schmid, das sich laut Wikipedia über 200.000 Mal verkauft hat. Mit dem Familienspiel DAS GEHEIMNIS DER PYRAMIDE (Jumbo) landeten sie 1990 auf der Auswahlliste der Jury und gewannen in Frankreich den As d’Or.
Die gute Zusammenarbeit mit der Redakteurin Karin Pennther von Haba führte dazu, dass die Bad Rodacher Firma quasi zu ihrem Hausverlag wurde. Gut drei Viertel ihrer Veröffentlichungen erschienen zwischen 1993 und 2005 bei Haba. Vor allem 1996 dominierten sie mit sechs Veröffentlichungen das dortige Verlagsprogramm. Während dieser Zusammenarbeit entstand das Goldwäscherspiel KLONDIKE, schon 1993 erschienen, als sich Haba erstmalig jenseits der gelben Schachteln positionieren wollte. Wieder zurück in der großen gelben Verpackung und als Kinderspiel eingeordnet wurde KLONDIKE 2001 gegen IM MÄRCHENWALD und die RÜSSELBANDE zum ersten Kinderspiel des Jahres gewählt.
In der Zeit des größten Erfolgs engagierte sich Stefanie Rohner auch als 2. Vorsitzende der SAZ, für die sie lange in der Arbeitsgruppe Vertrag sehr aktiv tätig war.
Das Bild von beiden mit ihrer Haba-Redakteurin Karin Pennther stammt vom Göttinger Autorentreffen aus dem Jahre 1996.
… DER TIGER!
… DER TIGER!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Der Tiger ist los ...
Tierbabys sind in jedem Zoo die größte Attraktion. Neugierig erkunden sie ihre Umwelt und gehen manchmal auch nicht geplante Wege. So auch der kleine Tiger in Edith Schlichtings Kinderspiel …DER TIGER!, den sie in ihrem Kleinverlag Edith Schlichting Spiele herausgebracht hat.
Drei Pfade führen aus seinem Gehege in die Freiheit. Einem unaufmerksamen Wärter ist es zu verdanken, dass die Tore zum Tigergehege nicht verschlossen sind. Wie gut, dass die ausgewachsenen Tiger ihren Mittagsschlaf halten und wachsame Kinder gemeinsam versuchen, die Gatter wieder zu schließen.
Jeder der zwei bis vier Kinder führt dazu zwei Spielfiguren, mit denen, sie zusammen mit der Figur eines Mitspielers, die Tore schließen können. … DER TIGER ist damit ein kooperatives Würfelspiel , das genaue Absprachen der Kinder nötig macht. Schaffen sie es, alle drei Tore zu schließen, gewinnen sie gemeinsam das Spiel. Entwischt der kleine Tiger und folgt ihm die Tigermutter, heißt es für alle Reißausnehmen und die Spielgruppe hat insgesamt verloren.
Auf spielerische Weise lernen die Kinder, dass sich Kooperation lohnt und dass man gemeinsam ein solches Abenteuer gut bestehen kann.
Heo
Titel: …DER TIGER!
Verlag: Edith Schlichting Spiele
Autorin: Edith Schlichting
Grafik: Edith Schlichting
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 5 Jahren
Spieldauer: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 20.- DM
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 5/1993 R 77/2020
Zum Spiel und zur Autorin:
Die Autorin Edith Schlichting kennen nur wenige, dabei ist sie wahrscheinlich die erste deutsche Autorin, deren Name auf einer Spieleschachtel erschien und die ein Spiel im Programm von Ravensburger durchgehend seit 1975 vorzeigen kann. Es handelt sich dabei um das einfache Lege- und Würfelspiel CLOWN, mit dem unendlich viele Kindergenerationen den größten Harlekin legen wollten.
Edith Schlichting war vor allem in den 90er Jahren erfolgreich. Vorher erreichte sie 1989 den Silberplatz im ersten Wettbewerb für Spieleautoren des Hippodice Spieleclubs. Ausgezeichnet wurde ihr Legespiel WEGE, mit dem sie zusätzlich noch den fünften Platz für ihr Design bekam. Da Reaktionen von Verlagen auf diesem Erfolg erst einmal ausblieben, gründete Schlichting 1991 einen Eigenverlag mit dem ausgezeichneten Spiel in einer kleinen Startauflage, es folgten 1992 das Spiel PARADOX und 1993 fürchteten sich alle vor dem …TIGER!.
Auf dem Spieleautorentreffen 1995 kann sie dann doch erfolgreich WEGE an Amigo verkaufen (Das Bild stammt aus den Verhandlungen mit Redakteur Uwe Mölter und Geschäftsführer Uwe Pauli in Göttingen 1995). 1996 erscheint dann nicht nur WEGE, sondern PARADOX bei Braintrust Games, 1998 folgt dann noch der TIGER erneut bei Amigo.
Dienstag, 14. Juli 2020
UNDERWATER CITIES
Vladimír Suchý ist sich sicher, der Mars wird nicht terraformt, die Zukunft der Erde, die Lösung des Problems der Überbevölkerung liegt für ihn auf dem Meeresgrund. Da hatte er wohl noch nichts von dem Potential der Gesundschrumpfung gehört, Downsizing scheint eine viel sinnvollere Lösung und Ressourcennutzung zu sein. Nun ja, dazu gibt es nur Matt Damon, der sich durch zellulare Miniaturisierung auf ein Lebensniveau von 13 cm transformiert hat, und leider noch kein Spiel.
Da bleibt uns nichts übrig, als den Visionen Suchýs zu folgen, der unter Wasser ein Netzwerk von Kuppelstädten, Tunneln, Farmen, Entsalzungsanlagen und Laboren entstehen lässt. Eine gut vernetzte Utopie, die der tschechische Autor erstmals nicht bei CGE, sondern im Eigenverlag Delicious Games herausgebracht hat.
Alle starten mit einer kleinen Unterwasserstadt unter weißer Kuppel. Im tiefen Wasserblau der näheren Umgebung sind theoretische Gründungsplätze für weitere Städte vorgesehen, auch Tunnelverbindungen sind schon geplant, in weiter Entfernung liegen in den anderen Ecken des Plans drei Landmetropolen, deren Verbindung mit der Ausgangsstadt Vorteile bringt.
Zur Fortentwicklung braucht es Ressourcen, Tang, Stahlplastik, Biomasse, Credits und Wissenschaftsplättchen sind hilfreich. Über zehn Runden hinweg und drei Epochen, entfaltet sich die Unterwasserstadt, erst zögerlich, dann immer dynamischer. Für die Steuerung wichtig sind Kartendecks der jeweiligen Epochen und eine Art Worker-Placement System, wobei die Arbeiter in UNDERWATER CITIES einfach nur Aktionsplättchen sind. Drei Karten wählt jeder für eine laufende Ära aus, die reihum gekoppelt mit den Plättchen gespielt werden. Die Kartenfarben korrelieren mit den Aktionsfeldern, von denen es je fünf pro Farbe gibt. Stimmen die Farben überein, darf nicht nur das Aktionsfeld, sondern auch die Kartenfunktion genutzt werden. Da gibt es Soforteffekte, dauerhafte Vorteile und Karten für die Schlusswertung, außerdem Aktions- und Produktionskarten, die nur einmal innerhalb einer Epoche genutzt werden können.
Alles dient der Ressourcengewinnung, die wiederum notwendig sind, um neue Städte, Tunnelverbindungen und Fabriken an den Städten zu bauen, die in den drei Produktionsphasen des Spiels Ertrag abwerfen, der die Unterwassermaschinerie in Fluss hält und dynamisch voranbringt. Mit aufgewerteten Fabriken, zum Beispiel doppelten Entsalzungsanlagen. lässt sich dann auch Biomasse produzieren, die wiederum den Bau punketrächtigerer symbiotischer Stadtkuppeln ermöglicht. Bei aller Entwicklung muss ausreichend Tang vorhanden sein, denn nach jeder Produktionsphase wollen sämtliche Städte im Netzwerkverbund ernährt werden.
Siegpunkte gibt es schon für entwickelte Systeme wie symbiotische Städte während der Produktionsbasen, am Ende werden angeschlossene Metropolen gewertet, spezielle Karten für die Schlusswertung und die verbundenen Städte im Netzsystem. Je mehr verschiedene Produktionsgebäude an den Städten angrenzen, umso mehr Punkte gibt es dafür. Wer alle drei Gebäudetypen an eine Stadt gebaut hat, bekommt sechs Punkte, statt drei für einen Anhang. Außerdem bringen restliche Ressourcen noch einige Punkte.
Das Interesse an bestimmten Einsatzfeldern verändert sich im Laufe des Spiels, sind am Anfang klassische Ressourcenfelder, bei denen es drei Rohstoffe zu gewinnen gilt, begehrter, tritt dann später die Konkurrenz beim Städte-, Tunnel- oder Gebäudebau auf. Das richtige Timing ist hier wichtig und natürlich auch die Beobachtung der Nachbarn, damit diese einem nicht den Doppeltunnel vor der Nase wegschnappen. Das ist alles fein austariert, vielschichtig in der Entwicklung und der damit verbundenen Vernetzung der eigenen Unterwasserwelt.
Die Komplexität macht UNDERWATER CITIES zum Expertenspiel, dessen Ablaufstrukturen aber durchaus eingängig sind. Wer anfangs meint, die Übersichtskarte mit Baukosten und Erträgen würde er nie verstehen, merkt bald, dass Suchý gute ikonographische Lösungen gefunden hat. Auf zwei bis drei Stunden Spieldauer muss man sich aber einstellen, das gilt vor allem für das Spiel in Vollbesetzung. Durch das Worker Placement-Element sind alle stets beteiligt, da man im Blick behalten muss, ob die eigene Planung aufgeht oder neue Wege beschritten werden müssen. Interessant sind dabei die Kopplungszwänge, die sich der Autor mit den Karten hat einfallen lassen. Man will eigentlich keine Karte verschenken und plant seine Aktionen um die Farben seiner drei Karten herum. Solche Zwänge sind typisch für die Gesamtkonstruktion des Spiels, das, was bei den Karten auftaucht, spielt auch eine Rolle bei den Produktionsgebäuden. Doppelte Gebäude bringen höhere Erträge, meist verhindern sie aber den Bau von drei verschiedenen Produktionsstätten um die Städte herum, die am Ende wieder ganz viele Punkte abwerfen.
Wem die drei Stunden zu viel sind, der sollte UNDERWATER CITIES auf alle Fälle zu zweit ausprobieren, da spielen sich die gut 60 Aktionen recht zügig und am prinzipiellen Aufbaugefühl der eigenen Stadt ändert sich nichts. Dass diese unter Wasser liegt, spürt man nicht wirklich. Wenn wir den ernährenden Tang beiseitelassen, dann könnten auch Mond und doch der Mars das Kuppelsystem beherbergen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: UNDERWATER CITIES
Autor: Vladimír Suchý
Grafik/Design: Milan Vavroň
Verlag: Delicious Games
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 1 – 4
Spielzeit: ca. 90 - 180 Minuten
Preis: ca. 40 Euro
Spiel 54/2020
Montag, 13. Juli 2020
KREML
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1988 und 2010
Wollten Sie nicht schon immer einmal hinter die Kulissen der Kreml-Politik schauen, Mäuschen im Politbüro der UdSSR spielen? Jetzt können Sie es, Mitgliedschaften im BND oder einem anderen Nachrichtendienst sind nicht erforderlich, erspielen Sie sich mit dem neuen Spiel des Schweizers Urs Hostettler ihre eigene KREML-Geschichte.
Worum geht es? Der greise Nestor Aparatschik, seines Zeichens noch Partei- und Regierungschef in Moskau, wartet im Spieljahr 1951 auf seine Ablösung. Die Politbüromitglieder, besonders der Verteidigungs-, Außenminister und der KGB-Chef sitzen schon in den Startlöchern, jeder baut sich seine Troika im Politbüro auf, um beim Ableben des Chefs den Nachfolger stellen zu können. Übersteht dieser dann Säuberungsaktionen, Anklagen und gesundheitliche Attacken, und kann er sich dreimal winkend der Weltöffentlichkeit bei der Oktoberparade präsentieren, ist ein mögliches Spielziel erreicht; sonst endet KREML spätestens nach elf Spielrunden im Jahre 1961. Sieger ist jeweils der Spieler, der am meisten Einfluss auf den Regierungschef hat.
Hier liegt auch der besondere Spielreiz, gepaart mit Pokerelementen. Am Anfang verteilt nämlich jeder 1-10 Einflusspunkte auf seine persönliche Auswahl aus den 23 zur Verfügung stehenden Männern und einer Vorzeigefrau, Ludmilla Patina. Die Punkte, die erst im Laufe des Spiels offengelegt werden, berechtigen zum Handeln für einzelne Politiker, so kann man an Abstimmungen teilnehmen, Säuberungen durchführen, imperialistische Spione enttarnen - Sibirien wartet. Häufiger noch rafft der Stress der politischen Auseinandersetzungen die immer älter werdenden Politbürolisten hin, wenn nicht eine Kur sie rettet. Es geschieht also einiges im KREML - von Glasnost und Perestroika ist noch keine Rede.
Wer sich nicht abschrecken lässt von dem umfangreichen, witzig geschriebenen Regelwerk, wer Spaß an Politsatire hat (soll Leonid Bungaloff Ihr Liebling werden oder vielleicht Edward Zuhorstrapadse?) und auch einmal zwei Stunden am Spieltisch sitzen mag (Spieldauer 1 bis 2 Stunden), der wird mit diesem Spiel (für 3 bis 6 Spieler) viel Freude haben.
Der Schweizer Verlag Fata Morgana hat mit dem Spiel KREML inzwischen auch breitere Anerkennung gefunden, die Jurymitglieder des ,,Spiel des Jahres" setzten es auf die Bestenliste und die Leser der,,Pöppel-Revue", der ältesten Spielezeitung in der Bundesrepublik, wählten es sogar mit großem Vorsprung zum beliebtesten Spiel des Jahres 1987.
WIELAND HEROLD
Titel: KREML
Verlag: Fata Morgana Spiele
Autor: Urs Hostettler
Grafik: Res Brandenberger
Spielerzahl: 3 – 6
Spieldauer: 60 bis 180 Minuten
Alter: ab 12 Jahren
Preis: ca. 45.- DM
Die Rezension erschien 1988
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 1/1988 R 76/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Diese Rezension ist meine erste Spielbesprechung und erschien damals im Göttinger Tageblatt.
Der Berner Autor und Liedermacher Urs Hostettler gründete 1982 mit dem Verlag Fata Morgana einen eigenen Spieleverlag und eine Vertriebsfirma für Spiele und Liedermacher-Platten. 1985 kam der renommierte Laden das „DracheNäscht“ dazu, ein Verkaufsladen für Spiele und Drachen in der Berner Altstadt, der immer noch existiert. Den Trend zu Krimispielen hat er mit seinen MYSTERIE WEEKENDS schon lange vorweggenommen. Seit 1993 unterhält er mit Stücken wie MORSOC und GENIE UND WAHNSINN.
Mit KREML, EIN SOLCHES DING, SCHRAUMELN und WIE ICH DIE WELT sehe landeten Spielentwicklungen Hostettlers auf der Auswahl- und Empfehlungsliste der Jury Spiel des Jahres. Auch das geniale TICHU und die ANNO DOMINI-Reihe stammt von ihm. Die meisten seiner Spiele hat Abacus in Deutschland herausgebracht.
Leider besitze ich kein Foto von Urs Hostettler, daher stammt das zweite Bild aus dem Spielmaterial und zierte damals meinen Artikel.
Sonntag, 12. Juli 2020
PALADINE DES WESTFRANKENREICHS
Nach den ARCHITEKTEN folgen die PALADINE in Shem Phillips Rückblick auf die Geschichte des Westfrankenreichs. Wer meinte, der Spielspaß des ersten Spiels sei nicht zu toppen, sieht sich getäuscht, das neuseeländische Duo Phillips & McDonald liefert durch vielschichtigere Vernetzung noch mehr Spielspaß, wenn es um Bedrohungen durch Sarazenen, Wikinger und Byzantiner geht. Diesmal werden keine Kathedralen errichtet, sondern Mönche ausgeschickt und Garnisonen gebaut. Glaube, Stärke und Einfluss sind die zentralen punkteträchtigen Kategorien bei den PALADINEn DES WESTFRANKENREICHS. Das Gegeneinander findet aber eher auf der historischen Ebene statt, spielerisch fetzen sich die Akteure nicht so sehr.
Prinzipiell bleiben die beiden Autoren beim Arbeitereinsatz-Mechanismus und bei der Kartensteuerung. Auch grafisch bewegen wir uns auf bekanntem Terrain, die Bildwelt Mihajlo Dimitrievskis scheint uns vertraut, wobei ich diesmal die Ikonographie sogar noch eingängiger finde als im Vorgängerspiel. Der Arbeitereinsatz fällt weniger üppig aus und ist auch nicht ganz so konfrontativ wie bei den ARCHITEKTEN. Dafür ergibt sich eine anspruchsvollere Aktionsvernetzung, die stärker über eigene Spielpläne gesteuert wird. Der gemeinsame schmale Spielplan, dient der Rundenzählung durch Auftrags- und Gunstkarten und der Generierung von Siegpunkten und Verbesserung der persönlichen Eigenschaften.
Gespielt werden sieben Runden, in denen diverse Paladin-Karten neue Arbeiter, zeitlich begrenzte Spezialfähigkeiten und Eigenschaftsverstärkungen bringen, weitere Arbeiter gibt es durch Tavernenkarten. Mit Hilfe der Arbeiter, die Gauner und Tagelöhner, Späher und Krieger, aber auch Geistliche und Händler sein können, dürfen die Spieler unter 12 verschiedenen Aktionen wählen, die sie durch Einsetzen von einem oder mehrerer Arbeiter auslösen. Das geschieht weitgehend über das eigene Spieltableau, genutzt werden können aber auch später variable Gunstkarten, die Vorteile bringen. Die linke Tableauseite führt hauptsächlich zu Ressourcengewinnen, bei der rechten Seite geht es darum, Punkte zu gewinnen und die drei Eigenschaften Glaube, Stärke und Einfluss zu verbessern. Dieser Skalenteil stellt eine Erweiterung der Tugendbilanz des Vorgängerspiels dar. Höherer Personaleinsatz bringt dabei oft höhere Erträge, führt aber auch dazu, dass man schneller aus der Runde aussteigen muss, weil die Arbeiter ausgehen.
Bei den Aktionen der rechten Tableauhälfte lassen sich beispielsweise durch den Einsatz von drei Arbeitern Mönche entsenden, diese brauchen Proviant und eine entsprechende Glaubensentwicklung, um auf dem allgemeinen Spielplan eingesetzt zu werden. So findet nicht nur eine Christianisierung statt, sondern auch der Bau von Mauern und Außenposten, die erneut zusätzlich zu drei Arbeitern Proviant benötigen. Wikinger und andere fremde Völker dürfen angegriffen oder so von der eigenen Sache überzeugt werden, dass sie konvertieren.
Alles dient letztlich dem Erwerb von Siegpunkten, für die am Ende vor allem die Entwicklung der drei Eigenschaftsbereiche wichtig ist. Zusätzlich kommt die Erfüllung von Auftragskarten hinzu und die besonders forcierte Entwicklung beispielsweise bei der Entsendung von Mönchen, die ab dem fünften Mönch Siegpunkte bringt. Punkte gibt es außerdem für konvertierte Fremde, restliches Geld oder übrige Verpflegung. Schuldscheine kosten Punkte, sofern sie nicht beglichen werden.
Die PALADINE DES WESTFRANKENREICHS sind anspruchsvoller als die Architekten. In der Verzahnung aller Elemente ist nicht nur auf die notwenige Eigenschaftsentwicklung zu achten, sondern auch auf die jeweils benötigten Ressourcen. Da braucht es Geld zum richtigen Zeitpunkt, da ist Proviant vonnöten, manchmal auch der passende Arbeiter, weil eine Okkupation eben einen Krieger erfordert oder das Konvertieren einen Priester. Hier ertrinkt man nicht in der Flut von Arbeitern, im Gegenteil hier muss man sehr gezielt auf jedes Detail achten, bis hin zum richtigen Einsatz der Paladin-Karten. Alle verfügen über einen identischen Kartensatz mit zwölf verschiedenen Paladinen. Drei hat man immer zur Auswahl, von denen aber nur einer zum Rundeneinsatz kommt. Trotzdem regelt dieses Element sehr geschickt die weiteren Optionen, denn eine der Karten steht sofort wieder zur Verfügung, während die dritte unter den Stapel geschoben wird. Damit entsorgt man ab der dritten Runde Karten ganz und kommt an diese nicht mehr heran, wogegen man weiß, dass die erste und zweite zurückgelegte Karte noch einmal auftauchen wird. Diese besondere Spielsteuerung durch Karten ist eine spezielle Stärke des Spiels.
Die starke Vernetzung und das Beachten vieler Details macht die PALADINE aber auch grübellastiger, sodass aus den angegebenen 120 Minuten 180 werden können. Trotzdem überragen die PALADINE die bisherigen Spiele an der Nordsee und im Westfrankenreich für mich. Ich bleibe aber gespannt auf den Abschluss der Trilogie, in der es um die BURGGRAFEN des Reiches geht und Worker-Placement durch Deckbuilding ersetzt wird.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: PALADINE DES WESTFRANKENREICHS
Autor: Shem Phillips, S.J. Macdonald
Grafik/Design: Mihajlo Dimitrievski
Verlag: Schwerkraft
Alter: ab 12 Jahren
Spielerzahl: 1 – 4
Spielzeit: ca. 90 - 120 Minuten
Preis: ca. 55 Euro
Spiel 53/2020
ACQUIRE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
BESTSELLER-EDITION
Der Blick in die wöchentliche Bestsellerliste des Spiegels ist für viele eine Kaufhilfe. Auch Spieleverlage fangen an, sich an Bestseller-Spieleautoren zu orientieren. Ganz neue Maßstäbe setzt ein Spieleautor unter den Produktmanagern der großen Verlage, Roland Siegers nämlich, der bei Schmidt Spiel und Freizeit eine neue Autoren-Edition startet, der man nur viel Erfolg wünschen kann. Nicht kleckern, klotzen scheint Siegers Devise zu sein, der nicht erst vorsichtig den Markt abtastet, sondern gleich in die Vollen mit sechs großformatigen Spielen einsteigt.
Das Risiko scheint berechenbar: Die Planer bei Schmidt haben sechs Autoren ausfindig gemacht, die in den letzten Jahren allein 40 Prozent der Auszeichnungen aus der Auswahlliste "Spiel des Jahres" unter sich ausgemacht haben. Diese Ehrengarde der Spieleautoren hat insgesamt über 18 Millionen Spiele verkauft. Schmidt hat in der ersten Runde die renommierten Autoren Alex Randolph (1x Spiel des Jahres, 9x Bestenliste), Sid Sackson (1x Spiel des Jahres, 8x Bestenliste), Wolfgang Kramer (2x Spiel des Jahres, 4x Bestenliste), Reinhold Wittig (3x Sonderpreis für "Das schöne Spiel", 5x Bestenliste), Rudi Hoffmann (1x Spiel des Jahres, 4x Bestenliste) und Roland Siegers (6x Bestenliste) in den spielerischen Olymp mit aufgenommen.
Zum Teil Bewährte, zum Teil neue Spiele sind ausgewählt. So ist der Göttinger Geologe Wittig mit SANSIBAR vertreten, bei dem man sein Handelsgeschick im Indischen Ozean ausprobiert. Neben Wittigs Spiel werden Spieleklassiker wie das hochkarätige Wirtschaftsspiel ACQUIRE von Sid Sackson und das Cowboyspiel ABILENE von Roland Siegers wieder veröffentlicht. Vielversprechend scheint auch Wolfgang Kramers NIZZA zu sein. Atmosphärisch wird Hitchcocks "Über den Dächern von Nizza" mit einem ganz neuem Bewegungsmechanismus gut eingefangen.
Es fehlen eigentlich nur Klaus Teuber und Reiner Knizia, der neue Star am Autorenhimmel, in dieser Bestseller-Edition. Sie dürften wohl 1994 vertreten sein.
Die Autoren werden im Katalog und auf der Schachtel kurz mit Bild und Ihrer Spielvita vorgestellt. Inwieweit die Eigenwerbung der Autoren sinnvoll ist, die erklären, weshalb sie ihr Spiel besonders mögen, sollte der Verlag bei den nächsten Auflagen überdenken.
Die Spieleperle in der Bestseller-Edition stellt aber ein Klassiker dar: ACQUIRE von Sid Sackson - das Wirtschaftsspiel par excellence. 1962 wurde das Spiel in den USA von 3M erstmalig veröffentlicht, danach gab es viele weitere Auflagen, die deutschen Rechte landeten bei Schmidt Spiele. Der Verlag brachte es zuerst unter dem Originalnamen, später dann als HOTELKÖNIG und HOTEL-HAIE heraus. Jetzt läuft es in der neuen Edition wieder unter seinem Originaltitel, besitzt aber erstmalig eine besonders opulente Ausstattung.
ACQUIRE ist ein taktisches Legespiel gekoppelt mit Aktienhandel. Auf einem 9x12 Felder großen Plan, der durch Zahlen und Buchstaben gekennzeichnet ist, werden über Kartensteuerung kleine und größere Hotelsteine abgelegt. Sobald zwei Steine aneinandergrenzen kommt es zur Bildung einer Hotelkette, von denen maximal sieben auf dem Plan sein dürfen. Sobald eine Kette existiert, dürfen Aktien von dieser gekauft werden, wobei der Gründer der Kette eine kostenlos erhält. Berühren sich Ketten, fusionieren sie, die größere Hotelkette schluckt dabei die kleinere. Allerdings sind Ketten mit zehn und mehr Hotels sicher. Deshalb endet das Spiel, wenn kein Stein mehr gelegt werden kann oder eine Kette mehr als 41 Gebäude besitzt.
ACQUIRE ist Spekulation pur, ein Spiel, bei dem man meint, sein Glück in der Hand zu haben und die anderen zu steuern, wenn man die richtigen Fusionssteine im Hinterhalt hat. Andererseits ist man aber vom Aufnahmeglück von neuen Karten abhängig. Trotzdem bleibt die Spannung durchgehend erhalten, ein Spiel, das kribbelt und zu immer wieder neuen Wiederholungsrunden herausfordert.
Für Spielfreunde, die nicht nur beim MONOPOLY Hotels bauen möchten, zudem einen auch taktischen Spielgenuss erleben wollen, gibt es kein besseres Spiel. Dieses großartige Brettspiel von Sid Sackson, das den dreidimensionalen Charakter durch größere Steine stärker betont als das Original mit seinen flachen Steinen, ragt zwar auch preislich aus der gesamten Serie hervor, aber diese Investition lohnt!
Heo
Titel: ACQUIRE
Verlag: Schmidt
Autor: Sid Sackson
Spielerzahl: 2 - 6
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 70.- DM
Die Rezension erschien 1993
Wertung Spielreiz damals 9 von 10 Sternen,
das entspricht: Jederzeit wieder
Spiel 4/1993 R 75/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Sid Sackson (1920 – 2002) gehört zu den weltweit bekanntesten Spieleautoren des letzten Jahrhunderts. Sackson war einer der ersten Spieleautoren, die von dieser Berufung leben konnten. Ganz wesentlich hat dazu der Welterfolg von ACQUIRE beigetragen.
In seinem Haus in der New Yorker Bronx baute er sich ein wissenschaftliches Archiv auf mit einer riesigen Sammlung an Brett- und Kartenspielen, die auf knapp 20.000 Titel geschätzt wurde. Leider fand sich keine museale Lösung nach seinem Tod für diese einmalige Sammlung. Die Spiele wurden auf einer Reihe von Auktionen verkauft und die Sammlung zerschlagen.
Neben ACQUIRE ragen Spiele wie FOCUS (Spiel des Jahres 1981), CAN’T STOP, METROPOLIS und BAZAAR aus seinem umfangreichen Gesamtwerk heraus.
Das Foto zeigt Sackson 1989 in Essen bei der legendären CAFÉ INTERNATIONAL-Runde mit lauter Beteiligten aus der damaligen Bestseller-Serie von Schmidt. Rechts sitzt der Autor des Spiels Rudi Hoffmann, KMW moderiert, neben ihm sitzt Sackson, es folgen Kramer und Randolph.
Freitag, 10. Juli 2020
GNOSIS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spieleautoren zu Gast in Göttingen:
Der Auricher Uwe Wibben stellt Gnosis vor
Welcher Spieleerfinder träumt nicht davon, das Spiel der Spiele zu entwickeln, das zu den letzten Welt- und Gotteserkenntnissen spielerisch führen kann? Uwe Wibben, Krankenpfleger aus Ostfriesland, hat zumindest vom Spieltitel her diesen Traum umgesetzt. Ob GNOSIS, so heißt sein Meisterwerk, auch spielerisch hält, was der anspruchsvolle Titel verspricht, kann am Samstag, den 27.4., im Drachenladen getestet werden. An seinem Geburtstag, Uwe Wibben wird 34 Jahre alt, möchte der Autor sein neues Spiel mit Interessierten ausprobieren.
Soviel vorweg: Neue Maßstäbe setzt Uwe Wibben sicherlich beim Spielmaterial; verpackt in einen großen Holzkasten, befindet sich ein attraktives dreidimensionales Spiel, das aufgebaut an eine Pyramide erinnert. In dieser Pyramide kämpfen zwei verfeindete Priesterschaften nach dem Tode des Pharaos um die Macht. SCHACH, in neuem Gewand verpackt, werden jetzt viele sagen, nichts Neues also. Von der Grundidee her hat das Spiel sicherlich viel Ähnlichkeit mit dem Brettspielklassiker. Auch die Auseinandersetzung auf drei Ebenen hat es als Variante schon gegeben, erhöht aber beträchtlich die Spielspannung. Neu ist, dass man nicht nur durch Schlagen der Hauptfiguren, die Götter Ra und Isis stehen stellvertretend für die Könige, das Spiel gewinnt, sondern durch gezieltes Sammeln von Schätzen in der Pyramide zum alternativen "Punktsieger" wird. Dieser doppelte Siegmechanismus ermöglicht ganz unterschiedliche taktische Planungen und macht neben der Bewegungsmöglichkeit auf drei Ebenen den großen Spielreiz von GNOSIS aus.
Uwe Wibben hat gut fünf Jahre an der Entwicklung seiner Spielidee gearbeitet. Da er hohe Ansprüche an das Spielmaterial stellt, ist er nicht den Weg der meisten Autoren gegangen, seine Spielidee einem großen Verlag anzubieten, sondern hat den Mut besessen, selbst einen Spieleverlag zu gründen. Seine Firma Hermes-Spiele produziert GNOSIS in einer Kleinauflage, weitere Spielideen sollen folgen.
(Wieland Herold)
Titel: GNOSIS
Verlag: Hermes-Spiele
Autor: Uwe Wibben
Spielerzahl: 2
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: ca. 30-45 Minuten
Preis: ca. 120.- DM
Die Rezension erschien 1991
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 4/1991 R 74/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Uwe Wibben hat 1990 diese dreidimensionale Schachvariante unter den Namen Uwe Flitter veröffentlicht. Er selbst hat 1996 noch DAS OSTFRIESISCHE TEESPIEL in seinem Verlag herausgebracht, am bekanntesten in seinem Programm ist aber Rudolf Ehms CROSS CITY, dessen Prototyp Wibben schon 1991 in Göttingen kennenlernte. CROSS CITY erschien ebenfalls 1996 bei Hermes Spiele.
Das Bild zeit Uwe Wibben (rechts) 1992 auf dem Autorentreffen in Göttingen. Im Vordergrund links ist GNOSIS zu sehen.
Donnerstag, 9. Juli 2020
MY CITY
Legacy-Spielen wenden sich von ihrer Kenner- und Expertenzielgruppe ab und werden familienspieltauglich, eignen sich gar für Kinder. Die Jury „Spiel des Jahres“ trägt diesem Trend 2020 im besonderen Maße Rechnung, taucht doch mit KING’S DILEMMA ein anspruchsvolles Spiel mit vielen Entscheidungsmöglichkeiten auf der anthraziten Nominierungsliste auf, auf der roten Liste nominieren die Juroren MY CITY von Reiner Knizia und für die Kinder empfehlen sie immerhin das geniale ZOMBIE KIDZ EVOLUTION. Hier wäre für meinen Geschmack auch eine Nominierung angebracht gewesen. Diese Chance, auf allen drei Nominierungslisten Legacy-Spiele zu präsentieren, verpassen die Juroren.
Dafür hat MY CITY die Aussicht, den Hauptpreis zu gewinnen, was zu einem Doppelsieg für Kosmos führen könnte, denn der Sieg des genialen kooperativen Stichspiels DIE CREW scheint mir sicher. Der 62-jährige Knizia, der schon vor 30 Jahren mit DIGGING und GOLDRAUSCH seine ersten Spiele veröffentlichte, versteht sein Handwerk. Es gelingt ihm deshalb, die Komplexität eines Legacy-Ansatzes so runterzubrechen, dass Familien mit Kindern ab acht Jahren zumindest am Anfang keine Probleme haben, das Spiel zu verstehen.
Knizia greift dabei auf eine Rosenberg-Vorliebe zurück, die er aber auch selbst schon früher genutzt hat. Grundsätzlich läuft die Stadtbildung in MY CITY in 24 Spielrunden mit einem Anfangssatz von 24 pentominoartigen Gebäuden in drei Farben ab. Diese TETRIS-Variation, mit der Rosenberg uns bei der Edition Spielwiese durch ein ganzes Jahr geführt hat, kennen wir von Knizias lückenlosem Spielvergnügen in FITS, mit dem er schon 2009 auf der Nominierungsliste war, dann aber gegen DOMINION verlor.
Knizias MY CITY erzählt eine Geschichte der Stadtentwicklung jeweils in drei Kapiteln, die in Ansätzen angelehnt ist an die Zivilisationsgeschichte. So kommt es wie in seinem ersten Spiel von 1990 zum Goldrausch, zu einer Art Industrialisierung mit Eisenbahnbau bis in eine abschließende Wohlstandsphase. Was erzählerisch angelegt ist, entwickelt nur in Ansätzen echte erzählerische Dimensionen, MY CITY bleibt über alle 24 Spiele hinweg ein abstraktes Legespiel.
Der Plan mit 11x11 Feldern ist anfangs nur naturgeprägt. Ein Fluss mäandert durch grüne Auen, dieser darf nicht überbaut werden. Das gilt auch für die große Waldfläche und das Gebirge. Kleine Steinhaufen und Zwillingstannen dürfen dagegen überbaut werden, wobei man das beim Steinmaterial tunlichst machen sollte, denn jeder Stein, der am Ende zu sehen ist, kostet einen Gewinnpunkt. Andersherum sollten die Bäume besser stehen bleiben, denn jeder Baum bringt einen Punkt.
Der Reihe nach werden Karten aufgedeckt, die jeweils ein spezielles Pentominoteil zeigen, das sofort auf dem Spielplangelegt wird. Die Spieler achten dabei auf die Grundbedingungen und legen stets angrenzend, der Fluss gilt dabei nicht mehr als nicht zu überschreitende Grenze. Sind alle Teile gelegt, wird abgerechnet. Der Sieger und der Zweite erhalten Fortschrittspunkte auf ihrem Legacy-Spielplan, zusätzlich gibt es Sticker, die für weitere Spiele den Hintenliegenden begünstigen und den Führenden etwas ausbremsen. Nach drei Spielen, darf ein neuer Umschlag geöffnet werden, der á la Legacy weitere Veränderungen durch neues Spielmaterial bringt.
Da sich die Grundstruktur nicht ändert und die Komplexität erst allmählich steigert, hält MY CITY fast das ganze Spiel über das Familieniveau. Ideal sind die kurze Spieldauer und die allmähliche Hinführung auf höhere Anforderungsebenen, die das reine Plättchenlegen nie langweilig werden lassen. Da gibt es viel zu entdecken, der Spannungsbogen bleibt vor jeder neuen Öffnung der Briefumschläge hoch. Am Ende bedauert man, dass es nur acht Umschläge sind, die die Kampagne begleiten. Für die Zeit danach sieht Knizia DAS EWIGE SPIEL vor, das auf der Planrückseite gespielt werden kann. Dabei zeigt sich, dass die Grundstruktur auf Dauer eher langweilig ist und für mich hinter den Rosenberg-Spielen aus Berlin eingeordnet werden muss. MY CITY lebt von der Lust auf Veränderung, die Knizia befriedigt, insofern gelingt die Umsetzung des Legacy-Prinzips auf der Ebene eines Familienspiels ausgezeichnet. Daher dürfte dieser Spielentwurf Reiner Knizia nach KELTIS 2008 erneut den Siegerpöppel für das „Spiel des Jahres“ einbringen.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: MY CITY
Autor: Reiner Knizia
Grafik/Design: Michael Menzel
Verlag: Kosmos
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 20 - 30 Minuten
Preis: ca. 35 Euro
Spiel 51/2020
Mittwoch, 8. Juli 2020
DAS LABYRINTH DER MEISTER
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Taktischer als das Original
1986 hatte Ravensburger gleich zwei tolle Spiele auf der Auswahlliste zum „Spiel des Jahres“. HEIMLICH & Co., ein Jahr zuvor in der Edition Perlhuhn erschienen und damals nur auf die Bestenliste gekommen, wurde 1986 „Spiel des Jahres“. DAS VERRÜCKTE LABYRINTH, von Max Kobbert entwickelt, kam diesmal nur auf die Liste.
Erfolgstechnisch wurde Kobberts Spiel anschließend zum Selbstläufer, zum eigentlichen Bestseller des Verlags in den letzten Jahren. Alle waren begeistert von dem raffinierten Schiebemechanismus, so dass abzusehen war, dass die Idee weiterentwickelt wird.
1991 ist es nun soweit, Max Kobbert hat eine überarbeitete Fassung auf den Markt gebracht: DAS LABYRINTH DER MEISTER. Wegekarten werden wie im VERRÜCKTEN LABYRINTH verschoben, um an Zauberzutaten heranzukommen. Im Gegensatz zur Urversion hat das Spiel aber an taktischem Reiz gewonnen. Dazu dienen Ergänzungen wie Doppelzüge, Rezeptkarten und eine einzuhaltende Reihenfolge beim Einsammeln der magischen Gegenstände, die unterschiedliche Punktwerte besitzen. Besonders die Duell-Variante überzeugt beim Meister-Spiel. Dazu ist den Ravensburgern die grafische Gestaltung wieder vorzüglich gelungen. So erstklassig, dass diese Umsetzung der Jury den Sonderpreis „Schönes Spiel“ 1991 wert war.
Titel: DAS LABYRINTH DER MEISTER
Verlag: Ravensburger
Autor: Max J. Kobbert
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 49.- DM
Die Rezension erschien 1991
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 3/1991 R 74/2020
Zum Spiel und zum Autor:
Der Wahrnehmungspsychologe und Spieleautor Max Jürgen Kobbert, lehrte bis 2009 an der Kunstakademie Münster. Sein Wirken als Autor ist eng mit dem Erfolg von DAS VERRÜCKTE LABYRINTH verbunden, was ich 1991 schon beschrieben habe. Das Spiel wurde laut Ravensburger bis 2011 in 60 Sprachen übersetzt und über 13 Millionen Mal verkauft. DAS LABYRINTH DER MEISTER war die erste Variation, der ganz viele folgten. Im letzten Jahr beispielsweise eine 3D-Variante.
Am erfolgreichsten war aber dieses hier vorgestellte Nachfolgespiel von 1991. Es gewann nicht nur die Sonderauszeichnung der Jury, sondern erreichte den 1. Platz beim Deutschen Spielepreis und wurde von Mensa Select gewürdigt.
Max Kobbert wurde für sein Werk 2001 mit dem Göttinger SPATZ ausgezeichnet
Das Foto von Kobbert stammt von der „Bierfass-Proklamation“ 2013 in Göttingen.
ZEN GARDEN
Für den griechischen Spieleerfinder Mike Georgiou ist ZEN GARDEN von Queen Games die erste Spieleveröffentlichung. Wie in Kieslings MYABI (Haba) basteln wir bei Georgiou an einem idealen Garten der Ruhe. Ging es bei dem AZUL-Autor um höhenträchtige Wertungen, lebt das Queen Games Spiel von einer extrem hohen Wertungsvarianz, die ZEN GARDEN nie langweilig werden lässt.
Jeder der bis zu vier Gartenbauarchitekten hat ein Gartentableau vor sich, das in einem 4x4-Raster 16 von 90 potentiellen Gartenplättchen aufnimmt. Außerdem dient eine Randleiste der Finanzbilanz, denn lohnende Plättchen kosten manchmal Geld. Alle bedienen sich dabei aus einem Auswahltableau mit 3x4 Plättchen, wobei der Zugriff auf die unterste Reihe ohne Kosten abläuft, die darüber kostet eine Münze und die Plättchen aus der obersten Reihe gar zwei.
Was man nimmt, um es stets angrenzend zu legen, hängt von wiederkehrenden und sich verändernden Wertungsvorgaben ab. Die Plättchen haben sechs verschiedene Bodenstrukturen von Sand über Kies bis zu einer Kirschblütenauslage. Außerdem gibt es drei verschiedene Wegerundungen, die ebenfalls über ihren Belag definiert sind. Hier taucht erneut Sand auf, aber es gibt auch Holzstege und Steinwege. Jedes Plättchen ziert zusätzlich ein Gebäudeteil, Statuen oder Tiere. Fünf sogenannte „Dekore“ sind im Spiel, da gibt es den Kranich oder den Buddha neben der Ruhebank.
Bei jeder Wertung wissen die Spieler nur, dass geschlossene Rundwege mit identischem Bodenbelag Punkte bringen und möglichst viele Dekore einer Sorte. So gibt es für vier Rundwege 15 Gewinnpunkte, ab sechs Dekoren gewinnt man drei Siegpunkte, zehn bringen 13 Punkte. Die speziellen Vorlieben des Kaisers unterliegen Schwankungen und können kräftig ausgebaut werden. Im Grundspiel werden kleine und große Vorlieben des Monarchen gewertet, wobei die Wertungsplättchen in jeder Partie immer wieder neu gezogen werden. Jede Plättchenvorgabe bei der kleinen Vorliebe bringt so einen Punkt, der sich bei der großen Vorliebe verdoppelt. Bei einer Mehrheitswertung gibt es acht Punkte für den Spieler, der die meisten Karten der vorgegebenen Plättchenart in seinem Garten verbauen konnte. Schließlich liebt der Kaiser Details, wer diese Vorliebe nicht genügend beachtet, kann sogar Minuspunkte bekommen. Die Wertungspagode wächst bis in die fünfte Etage, sodass für Experten dann zusammenhängende Bodenflächen, die zusätzlich noch minimalistisch auf wenige Arten reduziert sind, eine Rolle spielen. Kleine Wettläufe innerhalb des Spiels bringen Auftragswertungen in der vierten und fünften Etage, die jeweils für den ersten fünf Siegpunkte bedeuten, wenn Doppelkombinationen an Vorlieben mindestens viermal in der eigenen Auslage vorkommen.
Neben der Wertung ist die Geldbilanz im Blick zu behalten. Wer seine zwölf Starttaler für sechs ganz teure Kärtchen losgeworden ist, müsste das restliche Spiel sich nur noch aus der unteren Reihe bedienen. Damit es nicht dazu kommt, kann man zwischendurch seinen Geldvorrat aufbessern. Vier identische Dekorelemente in Reihen, Spalten oder Diagonalen bringen drei extra Taler.
Trotz Vielschichtigkeit bei der Wertung ist ZEN GARDEN ein einfaches Familienspiel, dessen Ablaufstruktur Achtjährige schon schnell im Griff haben. Karten nehmen, manchmal bezahlen, dann in der eigenen Auslage platzieren und dabei mindestens die Grundwertungen im Blick behalten. Sobald jeder ein Kärtchen hat, wird die Auslage komplettiert, wobei die kostenfreie untere Reihe leergeräumt wird und alle anderen Plättchen nach unten rutschen. Der Startspieler wechselt, sodass der nächste Gartenarchitekt den Erstzugriff auf die neue Auslage hat. Nach 16 Runden, einer knappen halben Stunde, ist Schluss und die jeweiligen Vorgaben werden ausgewertet. Dazu wird das Auswahltableau einfach umgedreht.
ZEN GARDEN ist kein besonders originelles Legespiel, wird aber speziell durch den wachsenden Schwierigkeitsgrad und die hohe Variabilität bei den Wertungen. Die damit verbundenen Vernetzungen beim Gartenbau sind herausfordernd. Als einfaches Familienspiel funktioniert es gut in der Grundausstattung, wer stärker gefordert sein möchte, stockt seine Wertungspyramide einfach auf. Das ist auch optisch gelungen von Queen Games umgesetzt. Besonders im Duell gefällt mir dieses erste Spiel von Mike Georgiou gut, da spielt das Glück bei der Kartenauswahl keine so große Rolle wie in Partien, in denen sich vier Architekten um die Gunst des Kaisers streiten.
Wertung: Gerne morgen wieder
Titel: ZEN GARDEN
Autor: Mike Georgiou
Grafik/Design: Dennis Lohausen
Verlag: Queen Games
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 2 – 4
Spielzeit: ca. 20 - 40 Minuten
Preis: ca. 40 Euro
Spiel 50/2020
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