Montag, 27. April 2020
TORRES
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Erfolgreiches Autorenduo arbeitet weiter: TORRES
Wolfgang Kramer und Michael Kiesling haben mit TIKAL“ im letzten Jahr den Spieleoscar, den lorbeerbekränzten Pöppel „Spiel des Jahres“, gewonnen. Nun liegt mit TORRES ein weiteres Spiel dieses erfolgreichen Autorenduos vor und, man mag es kaum glauben, das neue Spiel kann mit dem ausgezeichneten mithalten.
Thematisch geht es um Burgenbau in Kastilien. Auf einem dezent gehaltenen Spielplan aus 8 x 8 Feldern werden Burgen errichtet. Zu Beginn des Spieles stehen acht kleine Burgteile auf dem Spielbrett verteilt. Torres wird dann in drei Wertungsrunden gespielt. Je nach Spieleranzahl haben die Spieler eine unterschiedliche Anzahl von Bausteinen zur Verfügung, mit denen die vorhandenen Burgen in der Fläche und in der Höhe erweitert werden, außerdem dürfen insgesamt sechs Ritter eingesetzt und in der wachsenden Burgenlandschaft bewegt werden. Am Ende jeder Runde wird abgerechnet. Ein Taschenrechner ist dafür zwar nicht erforderlich, über Kenntnisse der Grundrechenarten sollten die Spieler aber verfügen. Denn bei jeder der drei Wertungen erhält man für den am höchsten stehenden eigenen Ritter auf jeder Burg Punkte. Je höher er platziert ist, desto besser, denn die Ebene, auf der er sich befindet wird mit der Grundfläche der Burg multipliziert. Ein Ritter in der dritten Etage mit einer über sieben Felder ausgedehnten Burg bringt so 21 Punkte. Maximal vier Spieler versuchen, große Burgen zu bauen und die eigenen Ritter möglichst hoch klettern zu lassen.
TORRES ist ein sehr klar strukturiertes strategisches Spiel. Aktionskarten verstärken in der Grundversion den Glücksfaktor. Wer die richtige Karte vom verdeckten Stapel zieht, kann das Spiel gegebenenfalls entscheidend beeinflussen. Doch die meisten Spieler werden nach zwei oder drei Spielrunden schnell zur Profivariante übergehen, in der jeder Spieler über einen Satz mit identischen Aktionskarten besitzt. Spielsieger ist natürlich derjenige, der nach der letzten Wertung am weitesten auf der Wertungsleiste vorangekommen ist, er wird neuer König von Kastilien.
TORRES ist ein hochkarätiger Nachfolger TIKALS, die erneute Auszeichnung mit dem Titel „Spiel des Jahres“ 2000 würden Autoren und Verlag zurecht erhalten.
Wieland Herold
Titel: Torres
Autoren: Michael Kiesling, Wolfgang Kramer
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: F.X. Schmid
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 10 Jahren
Zeit: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 59 DM
Die Rezension erschien 2000 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Spiel 5/2000 R 49/2020
Zu den Autoren:
Mit TIKAL begann für Wolfgang Kramer und Michael Kiesling der große Erfolg. Für Wolfgang Kramer war TORRES schon der zweite Doppelerfolg in aufeinanderfolgenden Jahren. 1986 und 1987 hat er schon einmal mit HEIMLICH & CO. und AUF ACHSE direkt nacheinander das „Spiel des Jahres“ gewinnen können, das hat danach nur noch Klaus Teuber geschafft und er mit Michael Kiesling. Für das Autorenteam folgten nach TORRES UND TIKAL noch weitere ausgezeichnete Spiele wie PUEBLO, RAJA, VERFLIXXT, ASARA, ABLUXXEN und ABENTEUERLAND. Für Wolfgang Kramer war TORRES bisher das letzte „Spiel des Jahres“. Michael Kiesling durfte sich 2018 für AZUL noch über einen Einzelsieg freuen.
Das Bild zeigt beide Autoren bei der Preisverleihung für TORRES 2000 in Berlin.
Das zweite Bild stammt vom Galaabend während der Preisverleihung der Jury „Spiel des Jahres“ in Berlin. Alle nominierten Verlage präsentierten damals ihre Spiele in kurzen Szenen. Für F.X: Schmid/ Ravensburger übernahm das grandios Jürgen Valentiner-Branth.
Nominiert waren 2000:
CAROLUS MAGNUS von Leo Colovini (Winning Moves)
zum 1200. Kronjubiläum beschäftigen sich 2-4 Spieler ab 12 Jahren mit dem großen Karl
OHNE FURCHT UND ADEL von Bruno Faidutti (Hans im Glück)
Chancen für ein Kartenspiel 3-7 Spieler ab 10 Jahren
TORRES von Michael Kiesling und Wolfgang Kramer (Ravensburger)
Burgenbau in Kastilien für 2-4 Spieler ab 10 Jahren
Sonntag, 26. April 2020
CAROLUS MAGNUS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Nominiert für das Spiel des Jahres 2000: CAROLUS MAGNUS
Winning Moves, ein neuer Verlag, Leo Colovini, kein neuer Autor, bekannt wurde er vor allem durch das in Venedig spielende INCOGNITO, Karl der Große als Spielthema ist aber wieder neu. Spiele mit historischen Themen bestimmen den Trend des aktuellen Spielejahrgangs. Die Firma Winning Moves knüpft mit dem Spiel CAROLUS MAGNUS an das 1.200. Krönungsjubiläum des großen Kaisers an, das am 25.12.2000 gefeiert wird. Im Spiel selbst geht es aber nicht um sein Leben, keine Sachsen-Schlachten finden statt, sondern eher um seine Nachfolge. Es war nicht ganz einfach für ihn, einen Nachfolger zu finden, da er die meisten seiner Söhne überlebt hat. Vier Jahre vor Karls Tod starb Pippin, König der Langobarden, ein Jahr danach verlor er mit Pippin den Buckligen und Karl dem Jüngeren gleich zwei Söhne, so dass am Ende nur noch sein Sohn Ludwig von Aquitanien übrig blieb.
Mit der Historie nimmt es das Spiel nicht so genau, zu Spielbeginn befinden sich zwei bis vier potentielle Nachfolgekandidaten im Rennen um die Macht. Dominierend die Figur Karls des Großen, der den Überblick über 15 Provinzen seines Reiches besitzt. Das karolingische Imperium liegt in Einzelteile zerlegt vor den Spielern aus. Vergessen Sie einen herkömmlichen Spielplan, alles ist variabel und ständigen Veränderungen unterworfen.
In einer Provinz steht die große Holzfigur des Kaisers, außerdem sind noch 15 Ritter auf die Provinzen verteilt, kleine farbige Holzwürfelchen. Sie gehören fünf verschiedenen Adelsfamilien, die bei Spielbeginn einen gleich starken Einfluss in den Spielregionen besitzen. Die zwei bis vier Spieler versuchen während des Spiels diese Familien für sich zu gewinnen. Dazu besitzt jeder einen Burghof mit Farbfeldern der Adelsfamilien, sieben Ritter, einen Satz Burgen und Zahlenchips. Die Chips legen die Zugreihenfolge und die Bewegungsweite des Kaisers fest. In jeder Spielrunde werden drei Ritter entweder in den eigenen Burghof gestellt oder in Provinzen. Über den Burghofeinsatz versuchen die Spieler eine Familie zu dominieren, gleichzeitig müssen sie aber auch in den Provinzen präsent sein, denn sie dürfen Burgen nur aufbauen, wenn sie auch dort eine Mehrheit besitzen. Immer wenn der Kaiser vorwärts geht, wird überprüft, welche Adelsfamilie die Mehrheit in der Provinz besitzt. Der Besitzer dieser Adelsfamilie darf dann in dieser Provinz eine Burg errichten. Die Mehrheiten ändern sich ständig, nichts bleibt, wie es ist; auch Burgen können ihren Besitzer wechseln, ja sogar ganze Provinzen können zu schwerer einnehmbaren Regionen zusammengefügt werden, wenn dort Burgen derselben Farbe stehen. Das Spiel geht solange, bis ein Spieler alle seine Burgen eingesetzt hat und somit gewinnt. Oder wenn aus den 15 kaiserlichen Provinzen drei große Regionen entstanden sind, hier gewinnt der Spieler, der die meisten Burgen eingesetzt hat.
CAROLUS MAGNUS ist ein gelungenes Spiel, es besticht durch sein hervorragendes Spielmaterial und durch die Dynamik des Spielablaufs. Nicht alles ist planbar, so muss der Rittervorrat nachgewürfelt werden, aber auch dieses Glückselement trägt zur Spielspannung bei. In der Version mit vier Spielern enthält CAROLUS MAGNUS zudem kooperative Elemente, da in zwei Teams gespielt werden muss. Zurecht ist dieses Spiel durch die Nominierung zum „Spiel des Jahres“ 2000 aus der Masse der Spieleveröffentlichung herausgehoben worden.
Wieland Herold
CAROLUS MAGNUS
Autor: Leo Colovini
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: Winning Moves
Alter: ab 12
Spieler: 2 - 4
Spieldauer: 30 - 60 Min.
Preis: ca. 60,-
Die Rezension erschien 2000 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Spiel 4/2000 R 50/2020
Zum Autor:
Für den Venezianer Colovini war es nur einer von vielen Erfolgen. Schon als Vierundzwanzigjähriger bekam er zusammen mit Alex Randolph eine Auszeichnung für INKOGNITO (1988), erstmalig nominiert wurde er schon 2000 für CAROLUS MAGNUS. 2016 galt er als der geheime Gewinner des Kinderspielpreises für LEO MUSS ZUM FRISÖR (vgl. Bild), für dieses Spiel von Abacus erhielt er die Kinderspielauszeichnung des Deutschen Spielepreises.
Das zweite Bild stammt vom Galaabend während der Preisverleihung der Jury „Spiel des Jahres“ in Berlin. Alle nominierten Verlage präsentierten damals ihre Spiele in kurzen Szenen. Für Winning Moves übernahm das Michael Matschoss mit einem Kollegen.
Nominiert waren 2000:
CAROLUS MAGNUS von Leo Colovini (Winning Moves)
zum 1200. Kronjubiläum beschäftigen sich 2-4 Spieler ab 12 Jahren mit dem großen Karl
OHNE FURCHT UND ADEL von Bruno Faidutti (Hans im Glück)
Chancen für ein Kartenspiel 3-7 Spieler ab 10 Jahren
TORRES von Michael Kiesling und Wolfgang Kramer (Ravensburger)
Burgenbau in Kastilien für 2-4 Spieler ab 10 Jahren
Samstag, 25. April 2020
OHNE FURCHT UND ADEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Nominiert für das Spiel des Jahres 2000: OHNE FURCHT UND ADEL
So ein König hat’s nicht leicht, Meuchler bedrohen sein Leben, Diebe sein Kapital, vor Magiern ist er auch nicht sicher, nicht einmal auf seine Söldner kann er sich verlassen. Die Welt, die Bruno Faidutti uns in seinem Kartenspiel OHNE FURCHT UND ADEL vorführt, ist hart und brutal. Die spielerische Leichtigkeit gewinnt es durch den ständigen Wechsel der Charaktere, in die der Autor uns hineinschlüpfen lässt. Acht verschiedene bietet uns jede Spielrunde an, wobei mindestens drei und maximal sieben reale Spieler sich um die Verteilung der Charakterkarten streiten dürfen. Da gibt es konstruktive Figuren, wie den Baumeister und den Händler, aber auch die oben schon erwähnten destruktiven Charaktere.
Wozu das Ganze? Die Spieler müssen möglichst wertvolle Bauwerke in ihrer Stadt errichten, sobald eine Stadt über acht Bauwerke verfügt, endet das Spiel.
Beginnend mit dem König, wählen die Spieler eine Charakterkarte geheim aus. Niemand weiß, wer in der laufenden Spielrunde welche Rolle übernommen hat. Der König ruft danach die einzelnen Charaktere auf, die sich nun zu ihrer Wahl bekennen müssen. Sie nehmen entweder zwei Goldstücke an sich, die sie zur Errichtung von Gebäuden benötigen oder sie suchen sich aus zwei Bauwerkkarten eine passende aus. Danach haben sie die Möglichkeit mindestens ein Gebäude zu errichten, sofern es bezahlt werden kann. Während des Zuges darf die Eigenschaft des Charakters ausgenutzt werden: der Meuchler sorgt dafür, dass ein Charakter die laufende Runde nicht mitspielen kann, der Dieb holt sich das Gold einer anderen Person und der Magier darf seine Gebäudekarten mit einem beliebigen Mitspieler tauschen. Danach folgen mit König, Priester, Händler und Baumeister konstruktive Charaktere: der König beginnt die nächste Runde, dem Priester dürfen keine Gebäude abgerissen werden, der Händler erhält ein zusätzliches Goldstück und der Baumeister bekommt zwei Gebäudekarten und darf bis zu drei Karten auslegen. Am Ende kommt der Söldner, der ein Bauwerk kostenpflichtig zerstören darf.
Ganz schön gemein geht’s zu bei OHNE FURCHT UND ADEL; Bluff und Einschätzungsvermögen spielen eine wichtige Rolle. Wir bewegen uns auf schwankendem Boden, nichts ist sicher, nichts berechenbar. Den Spielzug, das Gold, die mühsam gesammelten Karten oder auch die schon ausgelegten Bauwerke, alles kann man verlieren. Spielspannung pur ist besonders für große Spielrunden angesagt. Zur Spielatmosphäre trägt die herausragende grafische Gestaltung der Spielkarten bei. Mit OHNE FURCHT UND ADEL besitzt zum ersten Mal ein Kartenspiel gute Chancen, den Hauptpreis „Spiel des Jahres“ zu bekommen.
Wieland Herold
Autor: Bruno Faidutti
Grafik: Cyrille Daujean
Verlag: Hans im Glück
Alter: ab 10 Jahren
Spieler: 3 - 7
Spieldauer: ca. 60 Min.
Preis: ca. 18,-
Die Rezension erschien 2000 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Spiel 3/2000 R 49/2020
Zum Autor:
Bruno Faidutti, 1961 in Berlin geboren, ist ein französischer Spieledesigner, Historiker und Soziologe, der häufig mit anderen Spieleentwicklern wie Alan R. Moon, Bruno Cathala und Michael Schacht zusammenarbeitet. Seine erste Veröffentlichung BASTON stammt aus dem Jahre 1984. Inzwischen hat er meist in Kooperation rund 120 Spiele erfunden. Sein Bekanntestes ist OHNE FURCH UND ADEL, das er allein entwickelt hat. Das Spiel war 2000 zum „Spiel des Jahres“ nominiert, gewann den Kartenspielpreis À la carte der Fairplay und landete auf dem 6. Platz des deutschen Spielepreises.
Das Bild stammt vom Galaabend während der Preisverleihung der Jury „Spiel des Jahres“ in Berlin. Alle nominierten Verlage präsentierten damals ihre Spiele in kurzen Szenen. Für Hans im Glück übernahmen Bernd Brunnhofer und Gaby Salomon die Aufgabe.
Nominiert waren 2000:
CAROLUS MAGNUS von Leo Colovini (Winning Moves)
zum 1200. Kronjubiläum beschäftigen sich 2-4 Spieler ab 12 Jahren mit dem großen Karl
OHNE FURCHT UND ADEL von Bruno Faidutti (Hans im Glück)
Chancen für ein Kartenspiel 3-7 Spieler ab 10 Jahren
TORRES von Michael Kiesling und Wolfgang Kramer (Ravensburger)
Burgenbau in Kastilien für 2-4 Spieler ab 10 Jahren
Freitag, 24. April 2020
ZUG UM ZUG
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Dampf im Spiel: ZUG UM ZUG
Wirtschaftsspiele sind sehr beliebt. Der Klassiker MONOPOLY belegt dies Jahr für Jahr, da das Spiel immer noch zu den meistverkauften Spielen in Deutschland gehört. Innerhalb der Wirtschaftsspiele finden Eisenbahnspiele nur geringen Zuspruch. 1984 war das anders, da gelang dem Spiel DAMPFROSS das, was Alan Moon mit ZUG UM ZUG zwanzig Jahre später ebenfalls erreichen möchte, es wurde zum „Spiel des Jahres“ gekürt.
Damals war es ein englischer Autor, David Watts, in einem deutschen Verlag (Schmidt Spiele), heute ist es ein britischer Autor, der in den USA lebt , seines Zeichens Vorsitzender der deutschen Spieleautorenzunft (SAZ), in einem amerikanischen Verlag, der seine Spiele aber in der Nähe von Ulm produzieren lässt. Damals wurden die Eisenbahnlinien mittels Fettstiftes auf dem Spielplan eingetragen, heute geht es ZUG UM ZUG durch Ablegen von Eisenbahnwagen. Damals wie heute stellten die Spieler ihre Eisenbahnverbindungen auf dem amerikanischen Kontinent her.
Moons Spiel führt beim Spieler zu feuchten Händen, viel spannender können ihm 60 Minuten nicht verfliegen. 45 Waggons versucht jeder Spieler auf einem Routenplan der USA unterzubringen. Der damit verbundene Streckenbau wird über Farbkärtchen gesteuert. Je länger ihre gelegte Strecke ist, desto höher ist die Belohnung für sie in Form von Siegpunkten. Langes Zögern verstärkt aber ihr Risiko, das andere Mitspieler ihnen die gewünschte Verbindung verbauen. Punkte gibt es nicht nur für die Kärrnerarbeit, den Eisenbahnlinienbau, sondern auch für das Herstellen von punkteträchtigen Stadtverbindungen. Dafür gibt es Auftragskarten, die sie im Laufe des Spiels beliebig ergänzen. So bringt eine Eisenbahnlinie von der Ost- zur Westküste die Spieler mit 22 Punkten dem Spielsieg deutlich näher. Auch hier gilt das Spiel mit dem Feuer. Reicht der Dampf im Kessel nicht aus, wird die Streckenführung nicht erfüllt, werden 22 Minuspunkte in der Endabrechnung verbucht.
Alan Moons ZUG UM ZUG ist optisch ansprechend umgesetzt, zügig erklärt, ein Spiel, das die Zeit wie im Fluge vergehen lässt. Dem Autor ist eine hervorragende Mischung zwischen Glücksanteilen auf der einen Seite und den Möglichkeiten für strategische Planungen auf der anderen Seite gelungen. Nach 1998 (ELFENLAND) könnte es Alan Moon sehr gut gelingen, erneut den Titel „Spiel des Jahres“ zu gewinnen, damit würde der Siegerpöppel erstmalig an einen ausländischen Verlag gehen. Die Produktionskohle bliebe aber in Deutschland.
Wieland Herold
ZUG UM ZUG
Verlag: Days of Wonder
Autor: Alan Moon
Grafik; Julien Delval
Alter: ab 8 Jahren
Anzahl Spieler: 2- 5
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 35 Euro
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Spiel 5/2004 R 48/2020
Zum Autor:
Alan Moon war in den 80er Jahren für Avalon Hill journalistisch tätig, arbeitete auch an der Spielentwicklung für diese Firma und für Parker Brothers. Dem deutschen Publikum wurde er Anfang der 90er Jahre durch den Verlag White Wind bekannt, den er zusammen mit Peter Gehrmann gründete.
In 1000er Auflagen erschienen so Spiele wie ELFENROADS, das später in der Version von Amigo als ELFENLAND Moons erstes „Spiel des Jahres“ wurde. Zwischen 1998 und 2004 war Moon besonders erfolgreich. Mit UNION PACIFIC (1999) und DAS AMULETT (2001) landete er auf der Nominierungsliste. 2004 gelang ihm sein größter Erfolg für ZUG UM ZUG, zu dem in der Folgezeit verschiedene Varianten und Erweiterungen erschienen sind und immer noch erscheinen.
In dieser erfolgreichen Phase war Moon erster Vorsitzender der Spieleautorenzunft. Das Bild stammt aus einem Gespräch zweier Preisträger in Göttingen aus dem Jahre 2005. Werner Hodel und Alan Moon diskutieren, ob der Mississippi oder die Schiene der bessere Transportweg in den USA sei.
Zwischen 2004 und 2010 konkurrierten gleich fünf Titel um das „Spiel des Jahres“.
Nominiert waren 2004:
DICKE LUFT IN DER GRUFT von Norbert Proena (Zoch)
Memorieren mit Vampiren für 2-4 Kinder und Erwachsene ab 6 Jahren
EINFACH GENIAL von Reiner Knizia (Kosmos)
Genial einfach alleine oder bis zu vier Spielern ab 10 Jahren
RAJA von Michael Kiesling und Wolfgang Kramer (Phalanx)
Arbeiten an einem indischen Palast für 2-5 Bauleute ab 10 Jahren
Der Rubel rollt in ST. PETERSBURG (Hans im Glück) von Michael Tummelhofer für 2-4 Spieler ab 10 Jahren
ZUG UM ZUG von Alan Moon (Days of Wonder)
Gleisbau mit Waggons in den USA für 2-5 Eisenbahner ab 8 Jahren
Donnerstag, 23. April 2020
SANKT PETERSBURG
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
SANKT PETERSBURG: Der Rubel kommt ins Rollen
Russland war zu Beginn des 18. Jahrhunderts nicht unbedingt ein reiches Land. Peter der Große versuchte 1703 mit der Gründung von St. Petersburg, ein Fenster nach Europa aufzustoßen und Russland zu modernisieren. Das war in dem an der Newa gelegenen Sumpfgebiet nicht einfach, tausende Bauern und Arbeiter starben während des Aufbaus der Residenz an Hunger, Malaria oder Skorbut. Geschichte im Spiel spiegelt nicht immer die historischen Realitäten wider, dass, was zwei bis vier Baumeister in dem Spiel SANKT PETERSBURG erleben dürfen, macht einerseits die Geldknappheit deutlich und führt uns die prachtvolle Fassadenseite der Stadt, die zum geistigen Zentrum der Entstehung des neuen europäischen Russlands wurde, vor Augen, ein potemkinsches Dorf also.
SANKT PETERSBURG ist ein spannendes taktisches Wirtschafts- und Bauspiel, das im wesentlichen Kartenspielcharakter besitzt. Der Spielplan dient nur der Kartenaufnahme und als Punkteanzeiger. So richtig zum Rollen kommt der Rubel nur, wenn die Spieler genügend Arbeiter und Handwerker besitzen, deren Produktionsleistung bezahlt wird, um mit dem verdienten Geld prachtvolle Paläste, Banken, Sternwarten zu bauen, die schließlich punkteträchtige Adlige in die Stadt holen. Den Rundenablauf des Spiels haben Einsteiger schnell verstanden. Deutlich anspruchsvoller ist es, sinnvolle Strategien für die richtige Vernetzung der Karten zu entwickeln. Deshalb wird man erst nach der zweiten oder dritten Partie die eigentliche Tiefe von SANKT PETERSBURG erkennen. Die vielen Entscheidungsmöglichkeiten machen den Nachbau der russischen Zarenstadt zu keinem einfachen, dafür aber unheimlich spannenden Spiel. In den Bann gezogen werden die Spieler nicht nur durch die Herausforderung im Spielablauf, sondern auch durch die vorzügliche Gestaltung, für die die bekannte Grafikerin Doris Matthäus verantwortlich zeichnet. Dem Hans im Glück Verlag in München kann man nur gratulieren zu diesem herausragenden Gesamtkunstwerk.
Verlagschef in München ist Bernd Brunnhofer, Ein Spielverleger, der seit Jahren gute Spiele herausbringt und erfolgreich auf dem Markt besteht. Der Münchner macht das mit seinem anfangs ganz kleinen Hans im Glück Verlag nun schon über zwanzig Jahre. In den achtziger Jahren hat er selbst die eine oder andere Spielidee zu seinen Veröffentlichungen beigesteuert. Als Autor hat er sich aber nach 1987 zurückgehalten. Dafür ist aus dem engagierten Kleinverleger einer der erfolgreichsten Spieleproduzenten Deutschlands geworden, der mit der Firma Schmidt einen kompetenten Vertriebspartner gefunden hat.
Was macht ein solcher Verleger, wenn die Erfinderleidenschaft mit ihm wieder einmal durchgeht, wenn er sich in den Kreisen seiner renommierten Autoren Wrede, Kramer und Teuber mittummeln möchte? Er versteckt sich hinter einer Fassade, baut sozusagen auch ein potemkinsches Dorf auf, hinter dem sich allerdings mehr als eine Fassade befindet. Der Autor sucht sich ein Pseudonym. An dieser Stelle darf aus dem Nähkästchen geplaudert werden, da der Verlag auf seiner Homepage das Geheimnis gelüftet hat. Der Autor des hier vorgestellten Spiels SANKT PETERSBURG Michael Tummelhofer ist der Verleger Bernd Brunnhofer. Er hat hervorragende Chancen, in diesem Jahr den großen Preis in Doppelfunktion, als Verleger und Autor, in Empfang nehmen zu können.
Wieland Herold
SANKT PETERSBURG
Verlag: Hans im Glück
Autor: Michael Tummelhofer
Grafik: Doris Matthäus
Alter: ab 10 Jahren
Anzahl Spieler: 2-4
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 25 Euro
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 4/2004 R 47/2020
Zum Autor:
Bernd Brunnhofer startete zusammen mit Karl-Heinz Schmiel 1983 den Kleinverlag „Hans im Glück“ in München. Brunnhofer hat selbst nur wenige Spiele zum Verlagsprogramm beigesteuert, aber die wenigen hatten alle etwas Besonderes. Das gilt für sein frühes Hunderennen GREYHOUNDS, das 1986 auf der Auswahlliste zum „Spiel des Jahres“ landete, sozusagen seine erste Nominierung. Danach war er der Mann, der das richtige Händchen bei der Auswahl des Verlagsprogramms besaß. Für DRUNTER & DRÜBER von Klaus Teuber bekam er 1991 sein erstes „Spiel des Jahres“, es folgten 1994 MANHATTAN, 1996 EL GRANDE und vor allem 2001 die Auszeichnung für das Ausnahmespiel CARCASSSONNE von Klaus-Jürgen Wrede.
Für SANKT PETESBURG reichte es 2004 nicht, dafür bekam Brunnhofers Spiel den Deutschen Spielepreis. Ähnlich erfolgreich war Brunnhofer 2008 noch einmal mit STONE AGE.
Inzwischen lebt der 74jährige Münchner überwiegend auf Mallorca, die Verlagsleitung hat er an seinen Sohn Moritz 2017 übergeben.
Das Bild zeigt Zar Brunnhofer ohne Furcht, aber geadelt auf einer Preisverleihung der Jury „Spiel des Jahres“ 2000 in Berlin.
Zwischen 2004 und 2010 konkurrierten gleich fünf Titel um das „Spiel des Jahres“.
Nominiert waren 2004:
DICKE LUFT IN DER GRUFT von Norbert Proena (Zoch)
Memorieren mit Vampiren für 2-4 Kinder und Erwachsene ab 6 Jahren
EINFACH GENIAL von Reiner Knizia (Kosmos)
Genial einfach alleine oder bis zu vier Spielern ab 10 Jahren
RAJA von Michael Kiesling und Wolfgang Kramer (Phalanx)
Arbeiten an einem indischen Palast für 2-5 Bauleute ab 10 Jahren
Der Rubel rollt in ST. PETERSBURG (Hans im Glück) von Michael Tummelhofer für 2-4 Spieler ab 10 Jahren
ZUG UM ZUG von Alan Moon (Days of Wonder)
Gleisbau mit Waggons in den USA für 2-5 Eisenbahner ab 8 Jahren
Mittwoch, 22. April 2020
RAJA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
RAJA - Palastbau im alten Indien
Kein geringeres Autorenteam als Kramer und Kiesling, die schon zweimal das ''Spiel des Jahres'' (TIKAL, TORRES) gewonnen haben, zeichnet verantwortlich für RAJA, den ''Palastbau in Indien''. Mit dem Spiel knüpfen sie an die Erfolge von 1999 und 2000 an. Zwei bis fünf Spieler steigen in eine komplexe Spielvernetzung ein, die immer wieder zu überraschenden Wendungen führt.
Sieben Paläste müssen bei äußerst knappen Kassen im mittelalterlichen Indien errichtet werden. Dazu müssen Dörfer besiedelt werden, so dass die Architekten Verpflegung auf den Wegen zu ihren Bauhütten in den Städten finden. Dort können sie dann Häuser und Paläste bauen, die der Maharadscha einer wertenden Begutachtung unterzieht und mit barem Geld belohnt. Damit wird der Architekt schnell in die nächste Stadt geschickt, sofern die Wege gut bereitet sind, damit ein weiterer Palast gebaut werden kann.
Die Autoren arbeiten in dem Spiel mit verdeckten Aktionen, mit Rollenkarten und Rollentausch. Das ermöglicht eine reizvolle Kombination von Strategie einerseits, aber auch dem Bluffspiel mit den Mitspielern. RAJA ist anspruchsvoll, aber nicht schwierig, da der Rundenablauf klar strukturiert ist. Spätestens nach der dritten oder vierten Runde haben auch Zwölfjährige die Grundzüge des Spiels verstanden und begeistern sich für die Feinheiten. Der niederländische Verlag Phalanx Games hat das Spiel fantastisch ausgestattet. Das Material - farbige Glastropfen als Paläste - ist toll, die Grafik spielreizfördernd.
Eine Partie RAJA an einem Spieleabend stellt einen opulenten Hauptgang dar, 90 bis 120 genüssliche und unterhaltsame Minuten sollten Sie schon für den Palastbau reservieren. Die Zutaten von Kramer & Kiesling werden Ihnen munden, so sehr, dass Sie diesen Gang bald wieder servieren lassen, vielleicht mit pikant gewürzten Varianten, die Sie auf der Menükarte finden.
Die Chancen für Kramer und Kiesling stehen gut, zum dritten Mal den begehrten Preis in Berlin in Empfang zu nehmen.
Wieland Herold
RAJA
Verlag: Phalanx
Autoren: Wolfgang Kramer, Michael Kiesling
Grafik: Franz Vohwinkel
Alter: ab 10 Jahren
Anzahl Spieler: 2-5
Spieldauer: ca. 90 Minuten
Preis: ca. 40 Euro
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 3/2004 R 46/2020
Das Bild von der Preisverleihung zum Deutschen Spielepreis 1999 nahm fast den Einlauf der nominierten Autoren 2004 vorweg. Die drei großen „K“, Knizia, Kramer, Kiesling, und Alan Moon trafen sich auch 2004 wieder.
Mit TIKAL begann für Wolfgang Kramer und Michael Kiesling der große Erfolg, es folgten u.a. die ausgezeichneten Spiele TORRES, PUEBLO, RAJA, VERFLIXXT, ABLUXXEN und ABENTEUERLAND.
Zwischen 2004 und 2010 konkurrierten gleich fünf Titel um das „Spiel des Jahres“.
Nominiert waren 2004:
DICKE LUFT IN DER GRUFT von Norbert Proena (Zoch)
Memorieren mit Vampiren für 2-4 Kinder und Erwachsene ab 6 Jahren
EINFACH GENIAL von Reiner Knizia (Kosmos)
Genial einfach alleine oder bis zu vier Spielern ab 10 Jahren
RAJA von Michael Kiesling und Wolfgang Kramer (Phalanx)
Arbeiten an einem indischen Palast für 2-5 Bauleute ab 10 Jahren
Der Rubel rollt in ST. PETERSBURG (Hans im Glück) von Michael Tummelhofer für 2-4 Spieler ab 10 Jahren
ZUG UM ZUG von Alan Moon (Days of Wonder)
Gleisbau mit Waggons in den USA für 2-5 Eisenbahner ab 8 Jahren
Dienstag, 21. April 2020
EINFACH GENIAL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Genial einfach: EINFACH GENIAL
Reiner Knizias Spiel EINFACH GENIAL ist in nicht einmal zwei Minuten erklärt. Der Zuschauerblick auf eine Partie genügt und sofort kann man einsteigen. So einfach ist das Legespiel aus dem Kosmos Verlag.
Gespielt wird auf einem großen wabenförmigen Spielplan, auf dem zwei farbige Kunststoffsechsecke abgelegt werden, die an einer Seite verbunden sind. DOMINO lässt grüßen. Nur in der Startsituation gibt es eine verbindliche Anlegeregel, dann darf das Chaos walten. Jeder Stein kann überall abgelegt werden. Maximal vier Spieler achten trotzdem darauf, dass sie von ihren sechs Spielsteinen beim Platzieren solche wählen, die in Berührung mit vorhandenen Farben kommen. Nur das bringt Punkte, die auf einer Wertungstabelle für alle sichtbar sind. Stimmt die gelegte Farbe eines Sechseckes mit schon ausliegenden Farbsteinen in geradliniger Richtung überein, erhält der Spieler für jedes Farbsymbol einen Punkt. Maximal 18 Punkte können so in den sechs Farben erreicht werden. Immer, wenn das der Fall ist, erhält der Spieler einen Extrazug. Das Spiel endet, wenn der Gewinner in allen Farben 18 Punkte erreicht hat oder wenn kein Stein mehr gelegt werden kann. Im ersten Fall ist der Sieger offensichtlich. Beim zweiten Fall, der Regelfall im Übrigen, gewinnt derjenige, der die höchste Punktzahl in seiner schlechtesten Farbe hat. Diese Wertung macht den besonderen Spielreiz aus, da kein Blumentopf mit der Entwicklung von zwei oder drei Farben zu gewinnen ist, sondern auf alle sechs Farben geachtet werden muss.
In diesem Spiel kann man nicht großartig in thematische Spielwelten eintauchen, Inseln besiedeln, Ruinen entdecken, elfenländische Reisen unternehmen. Trotzdem hinterlässt es nach einer Partie, bei der es garantiert nicht bleibt, ein nachhaltiges Spielerlebnis. Der Verlag hat EINFACH GENIAL überzeugend umgesetzt, sogar an farbblinde Spieler hat er gedacht, da die Farbsteine zusätzlich Symbole besitzen. Das ist nicht selbstverständlich bei den heutigen Spieleproduktionen. Selbst als Solospiel ist Reiner Knizias genialer Wurf geeignet. Der renommierte Autor, dem wir so fantastische Spiele wie EUPHRAT UND TIGRIS, MODERN ART und AMUN RE verdanken, ist schon oft knapp am Hauptpreis „Spiel des Jahres“ vorbeigeschrammt. Mit EINFACH GENIAL hat er gute Chancen, in diesem Jahr die lang verdiente Hauptwürdigung zu erfahren. Sein Spiel hat alle Qualitäten, ein neuer Spieleklassiker zu werden.
Wieland Herold
EINFACH GENIAL
Verlag: Kosmos
Autor: Reiner Knizia
Alter: ab 10 Jahren
Anzahl Spieler: 1-4
Spieldauer: ca. 45 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 2/2004 R 45/2020
Reiner Knizia, der weltweit produktivste Spieleautor, der auf inzwischen über 700 Spieleveröffentlichungen stolz sein kann, hatte bis 2004 schon viele Auszeichnungen gewonnen, darunter 1993 für MODERN ART, EUPHRAT & TIGRIS 1998 und AMUN RE 2003 den ersten Platz des Deutschen Spielepreises und den Sonderpreis „Literatur im Spiel“ 2001 für DER HERR DER RINGE. 2008 erhielt er für KELTIS erstmals den Titel „Spiel des Jahres“ und das gleichzeitig im Doppelpack, da WER WAR’S den blauen Pöppel bekam.
Das Bild stammt aus dem Jahre 2000 und wurde am Stand der Firma Goldsieber in Nürnberg aufgenommen.
Zwischen 2004 und 2010 konkurrierten gleich fünf Titel um das „Spiel des Jahres“.
Nominiert waren 2004:
DICKE LUFT IN DER GRUFT von Norbert Proena (Zoch)
Memorieren mit Vampiren für 2-4 Kinder und Erwachsene ab 6 Jahren
EINFACH GENIAL von Reiner Knizia (Kosmos)
Genial einfach alleine oder bis zu vier Spielern ab 10 Jahren
RAJA von Michael Kiesling und Wolfgang Kramer (Phalanx)
Arbeiten an einem indischen Palast für 2-5 Bauleute ab 10 Jahren
Der Rubel rollt in ST. PETERSBURG (Hans im Glück) von Michael Tummelhofer für 2-4 Spieler ab 10 Jahren
ZUG UM ZUG von Alan Moon (Days of Wonder)
Gleisbau mit Waggons in den USA für 2-5 Eisenbahner ab 8 Jahren
Montag, 20. April 2020
DICKE LUFT IN DER GRUFT
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Memorieren mit Vampiren
Basierend auf der Memory-Idee sind in den letzten 20 Jahren so hervorragende Spiele wie SAGALAND, PATERNOSTER und TILL EULENSPIEGEL entstanden. In die Fußstapfen dieser erstklassigen Ideen tritt mindestens eine der Memoryvarianten des Jahres 2004.
Norbert Proena, ein bisher relativ unbekannter Spieleautor, hat für mein Gefühl einen genialen Wurf mit DICKE LUFT IN DER GRUFT vorgelegt. So stimmungsvoll ist der Memory-Gedanke bisher vielleicht nur in SAGALAND, dem „Spiel des Jahres“ 1982, umgesetzt worden.
Gruselig geht’s zu auf einem zochschen Vampir-Friedhof. Sechzig leibhaftige Gruften mit unterschiedlicher Komfortausstattung - vom Plattenspieler, über ein arg zerfleddertes VILLA PALETTI („Spiel des Jahres“ 2002) bis hin zur Leselampe ist alles dabei – warten auf ihre Bewohner, die vor Tagesanbruch ihre erdige Behausung wieder aufzusuchen haben. Das ist die Aufgabe der drei bis sechs Spieler, die ihre zehn bis zwanzig Vampire stilvoll unterbringen möchten. Das besagt nichts anderes, als dass eine rote Vampirdame in ein durch einen roten Deckel verschlossenes Grab möchte. Sechs verschieden farbige Sargdeckel sind im Spiel, außerdem verbergen sich unter den sechs Deckeln noch Ratten, die hilfreiche Plagen für die Vampire werden können.
Wie bei allen Gedächtnisspielen ist der Spielverlauf bei DICKE LUFT IN DER GRUFT einfach, das Erinnerungsvermögen wird aber steigernd gefordert. Insofern kehrt das Spiel den klassischen Memory-Ablauf um, bei dem immer weniger Karten auf das nahende Ende verweisen. In Proenas Spiel werden die Gräber immer voller und da belegte Gruften tabu für Nachrücker sind, müssen die Spieler sich mehr und mehr einprägen. Hinzu kommen kleine Gemeinheiten, die die Freundschaft unter den Vampiren erhalten helfen. Die einzusargenden Vampire liegen vor den Spielern in einer Reihe aus, nur die jeweils äußeren beiden Vampirkärtchen werden aufgedeckt und nur für die ganz außen liegenden darf eine Gruft gesucht werden. Deckt ein Spieler einen Sargdeckel auf, der nicht der Farbe der beiden Vampire entspricht, darf er eine seiner drei Knoblauchknollen in diese Gruft legen. Stößt später einmal ein anderer Spieler versehentlich auf diese Knolle, gibt’s dafür sofort einen Vampir geschenkt. Noch ärgerlicher wird es aber, wenn ein Spieler auf eine eigene Knolle stößt. Dann ist das Gelächter auf der Seite aller anderen Spieler, die schnell einen ihrer Vampire abwandern lassen. Zu solchen Wechselspielen kommt es auch, wenn Vampire in ihrer Ruhe vor der aufkommenden Morgenröte gestört werden. Jedes Mal gibt es einen Holzpflock zur Strafe, mit dem dritten kommen die Vampirgeschenke der Mitspieler. Sobald ein Spieler seine letzte Vampirkarte in die Gruft legen oder verschenken durfte, endet das Spielvergnügen, das ist meist nach einer halben Stunde der Fall.
Keiner darf sich einbilden, dass er sechzig Grabplätze memorierend im Blick behalten kann, aber drei eigene Knoblauchzehen sollten es schon sein. Die kurze Spieldauer und der hohe Aufforderungscharakter, der durch die fantastische Umsetzung von Zoch & Co. entsteht, sorgen für ständig neues Leeren und Füllen der Gruften. Nicht nur zur Nachtzeit, auch zu allen Tageszeiten herrscht DICKE LUFT IN DER GRUFT.
Die Chancen, dass nach 1982 erneut eine Memory-Variante „Spiel des Jahres“ wird, stehen gut.
Wieland Herold
Verlag: Zoch
Autor: Norbert Proena
Grafik: Victor Boden
Alter: ab 6 Jahren
Anzahl Spieler: 2-4
Spieldauer: ca. 30 Minuten
Preis: ca. 32 Euro
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Spiel 1/2004 R 44/2020
Nach TANTE EMMA (1997) und TONI TAUSENFÜSSLER (2003) war die DICKE LUFT erst die dritte Spieleveröffentlichung für Norbert Proena, dessen Bild vom Autorentreffen in Göttingen 2001 stammt. Außer einer Erweiterung, die 2005 FRISCHE LUFT in die Gruft brachte, ist danach nur noch TIERISCH VERSTECKT (2018) erschienen.
Zwischen 2004 und 2010 konkurrierten gleich fünf Titel um das „Spiel des Jahres“.
Die Bandbreite 2004 war groß und schwankte zwischen Kinder- und Kennerspiel.
Nominiert waren:
DICKE LUFT IN DER GRUFT von Norbert Proena (Zoch)
Memorieren mit Vampiren für 2-4 Kinder und Erwachsene ab 6 Jahren
EINFACH GENIAL von Reiner Knizia (Kosmos)
Genial einfach alleine oder bis zu vier Spielern ab 10 Jahren
RAJA von Michael Kiesling und Wolfgang Kramer (Phalanx)
Arbeiten an einem indischen Palast für 2-5 Bauleute ab 10 Jahren
Der Rubel rollt in ST. PETERSBURG (Hans im Glück) von Michael Tummelhofer für 2-4 Spieler ab 10 Jahren
ZUG UM ZUG von Alan Moon (Days of Wonder)
Gleisbau mit Waggons in den USA für 2-5 Eisenbahner ab 8 Jahren
Sonntag, 19. April 2020
ALHAMBRA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Vergnüglicher Palastbau: ALHAMBRA
Die Kunsthandwerker ganz Europas und aus dem Vorderen Orient treffen sich in Spanien, um Gärten anzulegen, Arkaden und Serails zu errichten. Ihre Auftraggeber müssen gut bei Kasse sein und über alle wesentlichen Devisen damaliger Zeiten verfügen, denn der Steinmetz aus Bagdad arbeitet für heimatliche Dirham, genauso wie der Turmbauer aus Mostar, der sich nur in Denar auszahlen lässt. Zwei bis sechs Baumeister schaffen so ihre privaten Alhambren, sobald sie 54 Gebäude errichtet haben, was nach einer knappen Stunde der Fall ist, endet ihr Wettstreit.
Das Spiel ALHAMBRA von Dirk Henn, bei Queen Games erschienen, ist ein raffiniertes Legespiel. Die Spieler achten beim Ausbau ihrer Palastanlagen darauf, möglichst die meisten der sechs Gebäudearten zu besitzen. Vier stehen stets zur Auswahl, die in vier Währungen bezahlt werden. Geldwechsler gibt es in dem Spiel leider nicht, so dass ein Pavillon, der eigentlich nur 5 Dukaten kostet, seinen Besitzer auch für 6, 7 oder mehr Dukaten findet. Wer es schafft, passend zu zahlen, ist gleich noch einmal an der Reihe. Deshalb ist es nicht nur wichtig, die richtigen Gebäude zu erwerben, sondern auch das nötige und passende Kleingeld im Geldbeutel zu haben. Daher dürfen die Spieler stets zwischen Erwerb eines Gebäudes oder der Aufnahme einer Geldkarte wählen. Auch hier stehen stets vier zur Auswahl. Allein diese beiden Elemente machen aus ALHAMBRA schon ein recht ordentliches Spiel, den letzten Schliff erhält es aber durch die Gebäudekarten, die ein Stück Stadtmauer tragen. Wer hier geschickt plant, kann in drei Wertungsrunden durch lange Mauern zusätzlich punkten.
Jeder spielt zwar für sich, jeder baut an seiner ALHAMBRA, alle sind aber an den Aktionen der Mitspieler interessiert. Welche Gebäude werden errichtet? Werden eigene Mehrheiten bedroht? Welches Geld wird aufgenommen? Droht dadurch eventuell ein Doppel- oder Dreifachzug? Wie können die ausliegenden Mauerteile die eigene Stadtmauer verlängern? ALHAMBRA ist spannend bis zum Schluss, da die Wertungsabrechnung steigende Punktzahlen bringt, auch das gilt es im Blick zu behalten. Das, was sich optisch vor den Spielern tut, ist ansehnlich. Es gibt wenige Spiele 2003, die so viel Spielvergnügen für die gesamte Familie bieten wie Dirk Henns ALHAMBRA.
Wieland Herold
ALHAMBRA
Verlag: Queen Games
Autor: Dirk Henn
Grafik: Christof Tisch
Alter: ab 8 Jahren
Anzahl Spieler: 2-6
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 20 Euro
Die Rezension erschien 2003 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Spiel 4/2003 R 43/2020
Von AL CAPONE und STIMMT SO zu ALHAMBRA
Vom Kartenspiel zum Legespiel
Das Angebot lautete stets: 108 Geldkarten, 2 Wertungskarten, 54 zu erwerbende Karten, ein völlig identischer Wertungsmechanismus. Diese Grundausstattung von Spielmaterial hat drei thematisch und zum Teil auch spielerisch völlig unterschiedliche Spiele ermöglicht.
Wir erleben hier ein Lehrstück, wie ein Verlag eine Spielidee völlig verhunzen kann, sie andererseits aber zur Perfektion führt. Die Akteure sind jeweils identisch: Dirk Henn als Autor, Bernd Dietrich als Redakteur und Queen Games als Verlag.
Zurück zu den Ursprüngen: 1992 hieß der erste Vorläufer AL CAPONE, der nur in einer handgefertigten Miniauflage des db-Verlages erhältlich war. Damals ging es um den Kampf von Mafiabossen um Geschäftsanteile. Das Thema war stimmig umgesetzt. Die wenigen Besitzer des Spiels waren voll des Lobs, so dass die Vorfreude 1998 groß war, als STIMMT SO erschien.
Im Prinzip hatte Bernd Dietrich nichts verändert: Die Einflusskarten sind Geldkarten geworden, die verdächtigen Gewerbe Aktienanteile, an der Wertung und am Spielverlauf hat sich absolut nichts gewandelt. Trotzdem war das Spiel ein Flop! Der Zeitgeist verlangte Spiele zur Börsenthematik. Ein Jahr nach Lancierung der ersten Telekomaktie wusste auch Tante Emma, was auf dem Aktienmarkt abging. So hausbacken, wie Tante Emma nun einmal ist, kam das ganze Spiel mit dem Untertitel „Tante Emma geht an die Börse“ daher. Der Aufforderungscharakter tendierte trotz ironischer Grafik gegen null.
„So bitte nicht!“ war die Antwort der Konsumenten und Dirk Henns Idee verschwand in der Versenkung. Bis zur Nürnberger Spielwarenmesse 2003, um dort wie Phönix aus der Asche im neuen Kleid und mit neuem Regelwerk eine beeindruckende Wiedergeburt zu erleben.
Die entscheidende Veränderung besteht darin, dass aus dem reinen Kartenspiel mit Kampf um Mehrheiten, ein Legespiel wird, das in seiner optischen Entfaltung und in seiner Wertungsergänzung durch die Schlossmauern dem Spiel den letzten Schliff gibt. Dietrich und Henn haben diesmal ein vorzügliches Händchen bei der Themenwahl besessen.
Zum Autor:
Spiele von Dirk Henn und Barbara Henn (geb. Weber) gibt es nur selbst gebastelt und in Kleinstauflage aus dem Eigenverlag db-Spiele oder später bis auf ganz wenige Ausnahmen bei Queen Games. Dirk Henns erfolgreiche Spiele sind alle aus der Kooperation mit dem Queen-Redakteur Bernd Dietrich hervorgegangen. Darunter an erster Stelle ALHAMBRA, das ab der zweiten Auflage in DER PALAST VON ALHAMBRA umbenannt wurde, aber auch Spiele wie METRO, SHOWMANAGER und WALLENSTEIN waren herausragend.
Das Bild zeigt Barbara und Dirk Henn 2004 in Nürnberg mit DIE GUNST DES WESIRS, der ersten von ganz vielen Erweiterungen für die ALHAMBRA-Familie, an der Wolfgang Panning beteiligt war.
Auf der Suche nach dem 25. Preisträger konkurrierten 2003 die Spiele
CLANS von Leo Colovini (Winning Moves)
Dorfgründungen für 2-4 Vorzeitmenschen ab 10 Jahren
DIE DRACHENINSEL von Tom Schoeps (Amigo)
Schatzsuche für 3-5 Spieler ab 10 Jahren
und der spätere Gewinner:
ALHAMBRA von Dirk Henn (Queen Games)
Arbeiten an dem islamischen Palast für 2-6 Bauleute ab 8 Jahren
Samstag, 18. April 2020
DIE DRACHENINSEL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Auf Schatzsuche: Die Dracheninsel
Für das Spiel DIE DRACHENINSEL hat sich der Lehrer Tom Schoeps eine zauberhafte Insel ausgedacht. Dort gibt es Berge und Seen, Wüsten und Wälder, heißes Vulkangestein und fruchtbaren Ackerboden. Wie von Zauberhand bewegt, können die Landschaften dieser Insel das Wandern anfangen, sie sind ständig in Bewegung. Das gilt ebenfalls für die beiden Drachen, die die Insel bewohnen. Ihnen ist ein großer Goldschatz zu verdanken, der – und das ist das einzig feststehende in dem Spiel – genau in der Mitte der Insel versteckt liegt.
Drei bis fünf Schatzjäger, das sind die Spieler, die mindestens 10 Jahre alt sein sollten, landen mit Ruderbooten auf dieser Insel. Von dort aus starten sie ihre abenteuerliche Expedition ins Inselinnere. Sie haben schnell heraus, dass die Drachen eigentlich ganz harmlos sind, man muss sie nur umgehen können. Die Schätze, die sie in der Inselmitte finden, sind so schwergewichtig, dass sie nur zu zweit getragen werden können. So schleppen stets zwei Abenteurer insgesamt sieben wertvolle Goldschätze aus der Drachenhöhle zu den Booten. Solange die Träger kooperieren, kann es dabei zügig voran gehen. Problematisch ist es dann aber oft mit der Teilung. Obwohl beide Schätze, die zum Boot eines Partners geschleppt wurden, gleich groß sind, verweigert von Zeit zu Zeit der Bootsbesitzer den gerechten Trägerlohn. Freunde fürs Leben und das weitere Spiel schafft sich ein solcher Spieler sicherlich nicht, kommt aber dadurch eventuell dem Spielgewinn näher. Denn wer am Ende die wertvollsten Schätze gesammelt hat, gewinnt nach etwa einer Stunde die Schatzjagd auf der Dracheninsel.
Entscheidendes Steuerelement für die Auseinandersetzungen während der Schatzsuche sind Gelände- und Aktionskarten. Mit sechs Handkarten dürfen die Bewegungen auf der Insel vollzogen werden, für jede Geländeart ist eine entsprechende Karte abzulegen. Aktionskarten bringen den eigentlichen Pfiff ins Spiel, sie führen zur Verschiebung von Geländeformationen, geben den Schatzsuchern Flügel für große Sprünge und ermöglichen den Verrat bei der Schatzteilung.
Die Balance zwischen Kooperation und Gegeneinander, zwischen taktischen Steuerungsmöglichkeiten und Kartenglück ist dem Autor aus Hamburg gelungen. Da die Schätze immer wertvoller werden, bleibt die Spielspannung bis zum Schluss erhalten. DIE DRACHENINSEL ist ein gelungenes Familienspiel mit Ärgerfaktor zu dessen Spielatmosphäre das ansprechende Spielmaterial beiträgt. Der Verlag Amigo knüpft dabei bewusst an der grafischen Gestaltung von ELFENLAND („Spiel des Jahres“ 1998) an. Vielleicht ein gutes Omen für das mögliche „Spiel des Jahres“ 2003?
Wieland Herold
DIE DRACHENINSEL
Verlag: Amigo
Autor: Tom Schoeps
Grafik: Andrea Boekhoff
Alter: ab 10 Jahren
Anzahl Spieler: 3-5 (6)
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Die Rezension erschien 2003 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 3/2003 R 42/2020
Der Hamburger Lehrer Tom Schoeps veröffentlich seit Ende der 80er Jahre Spiele. Sein erster großer Erfolg war 1991 BAUERNSCHLAU, mit dem er den zweiten Platz beim Deutschen Spielepreis erreichte und auf die damalige Auswahlliste der Jury „Spiel des Jahres“ kam. DIE DRACHENINSEL war dann 12 Jahre später der nächste Erfolg mit der Nominierung zum „Spiel des Jahres“ und der Auszeichnung „Spielehit für Familien“ in Österreich.
Danach hat Schoeps lange keine Spiele mehr veröffentlicht, obwohl er seine Ideen weiterhin von Zeit zu Zeit auf dem Autorentreffen in Göttingen gezeigt hat. Das Bild stammt aus dem Jahre 2011. Schoeps präsentiert seine Prototypen André Maack (Ravensburger). FIEBER (moses., 2017) ist sein einziges Spiel, das nach der DRACHENINSEL erschienen ist.
Auf der Suche nach dem 25. Preisträger konkurrierten 2003 die Spiele
DIE DRACHENINSEL von Tom Schoeps (Amigo)
Schatzsuche für 3-5 Spieler ab 10 Jahren
ALHAMBRA von Dirk Henn (Queen Games)
Arbeiten an dem islamischen Palast für 2-6 Bauleute ab 8 Jahren
CLANS von Leo Colovini (Winning Moves)
Dorfgründungen für 2-4 Vorzeitmenschen ab 10 Jahren
Freitag, 17. April 2020
CLANS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Vorzeitliche Völkerwanderung: CLANS
Folgt man den historischen Hypothesen des Italieners Leo Colovini, dann müssen im jungsteinzeitlichen Italien die Jäger und Sammler mit transportablen Hütten umhergezogen sein, immer auf der Suche nach Nachbarn, immer im Bestreben, sesshaft zu werden. Das, was so friedlich klingt, ist ein knallharter Verdrängungswettbewerb gewesen. Kein Volk handelte nach eigenem Ermessen, alle waren sie abhängig von der Laune ihrer Götter.
Zum Vorzeitgott, der beliebige Hütten verschieben darf, werden Sie, nebst einigen Mitspielern. 60 Hütten in fünf Farben sind am Anfang in den Graslandschaften, im Gebirge oder in der Steppe des Spielplans verteilt. Ihre Sympathie gilt natürlich einem dieser Völker, was Sie aber tunlichst lange geheim halten sollten. Die Regeln der Völkerverständigung waren damals noch simpel: Kontakt muss hergestellt werden! Das heißt, eine Hütte oder später auch mehrere Hütten werden immer nur in benachbarte Gebiete bewegt, in denen es mindestens eine Behausung gibt. Sobald durch diesen Konzentrationsprozess Hütten nur noch von leeren Feldern umgeben sind, stoppt die Expansion, die Gemeinschaft wird sesshaft und gründet ein Dorf. Alle Völker, die an der Dorfgründung beteiligt sind, erhalten Punkte: Der Gründer erhält einen Gründungspunkt, alle anderen so viele Punkte wie Hütten im Dorf stehen, zusätzlich kann sich die Landschaft noch positiv oder negativ auf die Abrechnung auswirken.
So vermindert sich Runde für Runde die Zahl der besiedelten Landschaften, bis am Ende nur noch Dörfer, das können dann auch einzelne isolierte Hütten sein, auf dem Spielbrett sind.
Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit, die Spieler decken ihre vorher zugelosten Farben auf und addieren die Zusatzpunkte zu den bisher erreichten dazu. Wer jetzt auf der Wertungsskala am weitesten vorn liegt, hat eine Runde CLANS nach einer knappen halben Stunde gewonnen.
Bei diesem neuen Spiel aus dem Hause Winning Moves stimmt alles: Einfache Regeln, die einen schnellen Zugang zu dem Spiel ermöglichen. Das Spielgeschehen selbst birgt taktische Tiefe, besonders beim Spiel zu zweit und zu dritt, begleitet von der Rätselspannung, wer für welche Farbe zuständig ist. Das Spielmaterial ist stimmig, hat stark auffordernden Charakter. Das Preis-Leistungsverhältnis könnte nicht besser sein. Nach TRANS AMERICA 2002 schickt der Verlag erneut ein hervorragendes Spiel ins Rennen um die diesjährige Trophäe „Spiel des Jahres“.
Wieland Herold
CLANS
Autor: Leo Colovini
Verlag: Winning Moves
Preis: ca. 16 Euro
Spieldauer: ca. Minuten
Alter: ab 10 Jahren
Spieler: 2-4
Die Rezension erschien 2003 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: gerne morgen wieder
Spiel 2/2003 R 41/2020
Für den Venezianer Colovini war es nur einer von vielen Erfolgen. Schon als Vierundzwanzigjähriger bekam er zusammen mit Alex Randolph eine Auszeichnung für INKOGNITO (1988), erstmalig nominiert wurde er schon 2000 für CAROLUS MAGNUS. 2016 galt er als der geheime Gewinner des Kinderspielpreises für LEO MUSS ZUM FRISÖR (vgl. Bild), für dieses Spiel von Abacus erhielt er die Kinderspielauszeichnung des Deutschen Spielepreises.
CLANS landete 2003 nicht nur auf der Nominierungsliste, es erreichte den dritten Platz in Essen und gewann den österreichischen Preis Spiel der Spiele.
Auf der Suche nach dem 25. Preisträger konkurrierten 2003 die Spiele
CLANS von Leo Colovini (Winning Moves)
Dorfgründungen für 2-4 Vorzeitmenschen ab 10 Jahren
ALHAMBRA von Dirk Henn (Queen Games)
Arbeiten an dem islamischen Palast für 2-6 Bauleute ab 8 Jahren
DIE DRACHENINSEL von Tom Schoeps (Amigo)
Schatzsuche für 3-5 Spieler ab 10 Jahren
Donnerstag, 16. April 2020
MORENÁ
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spielkarten, die Geschichten erzählen
Moritz Egetmeyer bringt seit einigen Jahren phantasieanregende Kartenspiele heraus, die sich deutlich vom sonstigen Genre Kartenspiel abheben. So ganz richtige Spiele sind seine schönen Bilderwelten im eigentlichen Sinne nicht, aber sie eignen sich vorzüglich für Entdeckungsreisen in uns selbst und in unsere Mitspieler. In die Esoterik-Ecke will Egetmeyer aber nicht geschoben werden, für ihn sind seine Kartenspiele durchaus Regelspiele, bei denen es keine Gewinner und keine Verlierer gibt, Strategie und Wettbewerb spielen keine Rolle.
Für sein neuestes Spiel konnte Egetmeyer den brasilianischen Maler Walde Mar gewinnen, der auf 88 Bildkarten das alltägliche, friedfertige Leben der Regenwaldbewohner darstellt. MORENÁ heißt dieses Spiel, der Titel ist ein Begriff aus der Xingu-Sprache und bedeutet: Ursprungsort der Menschen.
Mit den Bildkarten sollen die Spieler in die brasilianische Urwaldwelt entführt werden, sie sollen Geschichten erfinden, sich in Rollenspielen erproben. Ein spielerischer Kulturaustausch findet statt. Das Regelheft bietet zur Umsetzung eine Reihe von Anregungen, die zum Geschichtenerzählen und Perspektivenwechsel auffordern, „Spurenkarten“ dienen dabei zur Verbindung der Bilder.
MORENÁ ist ein anregendes Spiel für kreative, kommunikationswillige Menschen. Durchaus ein Spiel, das Eltern mit ihren Kindern spielen können, das man mit seinem Lebenspartner spielen kann. Auch als Unterrichtsmittel für Gesprächsanlässe oder einfach nur zur spielerischen Unterhaltung eignet sich MORENÁ. Sogar allein kann man sich auf diese Bilderwelten einlassen, die ganz anders sind, als die sonstigen Bilder, die jeden Tag auf uns einströmen.
Heo
Titel: MORENÁ
Zeichner: Walde Mar
Verlag: Moritz Egetmeyer, Postf. 1251, 79196 Kirchzarten
Spielerzahl: ab 1
Alter: ab 5 Jahren
Preis: ca. 30.- DM
Die Rezension erschien 1997 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 6 von 10 Sternen,
das entspricht: Nächste Woche wieder
Spiel 1/1997 R 40/2020
Das Bild zeigt den Verleger Moritz Egetmeyer mit seiner Tochter auf der Spiel 1997 in Essen.
Mittwoch, 15. April 2020
KARDINAL
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Taktisches Bauspiel: KARDINAL
Bauspiele besitzen die Faszination des alten Holzspielekastens. Material steht zur Verfügung, das zum freien Drauflospielen reizt: Türme bauen, Städtelandschaften errichten, nicht regelgeleitet spielen. Bisher am überzeugendsten umgesetzt wurde diese Spielidee in dem Klassiker BAUSACK (Zoch Verlag). Das Chaos zu bändigen, ist die Aufgabe des Spieleautors. Hervorragend ist dies Wolfgang Panning gelungen, der aus einem Bausatz mit jeweils zwei Häusern, Türmen und Höfen in vier Spielfarben ein hochkarätiges Taktikspiel entwickelt hat.
Zwei bis vier Baumeister dürfen sich ins Hochmittelalter versetzen lassen. Städtegründung ist angesagt. Ausgangspunkt im Spiel ist ein Dom, um den herum neue Gebäude entstehen, Wehrtürme und Klosterhöfe. Die Spielspannung ergibt sich aus den Bauregeln. Ein neues Bauwerk muss an den Dom oder bereits bestehende Gebäude angebaut werden. Ohne Spielplan kann sich die Anlage in jede beliebige Richtung entwickeln. Der Dombauherr, ein Kardinal, sperrt bestimmte Bauplätze. Die Kardinalsfigur darf jeder Spieler in seinem Spielzug einsetzen. Gleichzeitig muss jeder ein Bauwerk seiner Farbe errichten. Türme und Höfe müssen dabei mindestens eine Hausseite berühren, Gebäude gleicher Farbe und Form dürfen nicht neben- und nacheinander errichtet werden. Jedes neue Bauteil berührt automatisch mindestens ein weiteres. Für jede Berührung erhalten die Spieler Punktesteine in der jeweiligen Farbe. Das Spiel endet, wenn kein Baustein mehr gesetzt werden kann. Jeder Spieler erhält die noch nicht vergebenen Punktesteine seiner Farbe. Von den gewonnenen Punktesteinen zählt eine Farbe doppelt, alle anderen einfach. Wer die meisten Punkte hat, gewinnt die Spielrunde KARDINAL.
Die scheinbar einfachen Regeln ermöglichen ein äußerst vielschichtiges Spiel, das richtige Platzieren der Kardinalsfigur zum Sperren eines Baufeldes erweist sich häufig als spielentscheidend. KARDINAL ist nicht nur spielerisches, sondern auch optisches und haptisches Vergnügen. Dem Verlag Holzinsel kann zu dieser Umsetzung des Bauspiels nur gratuliert werden.
Wieland Herold
Titel: KARDINAL
Autor: Wolfgang Panning
Verlag: Holzinsel, Ringstr. 17, 56290 Sevenich; www.holzinsel.de
Spieler: 2 bis 4
Alter: ab 10 Jahren
Zeit: ca. 15 Minuten
Preis: ca. 55 DM
Die Rezension erschien 2000 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 7/2002 R 39/2020
Birgit und Klaus Grunau waren im Hunsrück, unweit der Burg Waldeck verwurzelt. Dort stellte Klaus Grunau an eigens entworfenen Fräsmaschinen hochwertige Spiele her. Seit 1983 produzierte er Holzspiele, zuerst noch in der Nähe von Friedberg, ab 1989 in der alten Schule von Sevenich im Hunsrück. Den Klassiker die KATHEDRALE gab es lange nur in Grunau Holzinsel. Später folgten Autorenspiele von Hajo Bücken, Torsten Marold und Martin Schlegel. Leider verstarb Klaus Grunau viel zu früh und die Holzinsel stellte 2004 ihre Produktion ein.
KARDINAL war sicherlich nicht wirtschaftlich, aber von der Würdigung her das erfolgreichste Spiel des Verlages. 2000 landete es auf der Auswahlliste der Jury „Spiel des Jahres“.
Für den Autor Wolfgang Panning, der dann später an der Produktentwicklung von Queen Games beteiligt war, war es auch die erste Auszeichnung, bei der es aber nicht blieb. MIT PORT ROYAL (ebenfalls 2000) und HEXENRENNEN (2001) folgten weitere Plätze auf der Auswahlliste.
Das Bild zeigt Andrea Meyer, Friedemann Friese und Wolfgang Panning 2003 in Göttingen.
Das Bild oben habe ich auf der Nürnberger Spielwarenmesse 2000 aufgenommen.
Dienstag, 14. April 2020
VIER ZU MIR!
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
VIER ZU MIR! - ein ganz anderes Quartettspiel
24 grüne Röhren, die den Charme normaler schwarzer Plastikfilmdosen ausstrahlen, stellen erst einmal nicht allzu viel Spielatmosphäre in dem neuen ASS-Spiel VIER ZU MIR her. 24 kleine Plastiktiere und eine gute Spielidee von Heike Baum versprechen dann aber doch eine Menge Spielspaß.
Jedes Tier kommt zu Beginn in eine der grünen Röhren. Je nach Spielerzahl - drei bis acht Kinder ab vier Jahren können mitspielen - erhält jeder acht oder weniger Tierdosen, außerdem zwei Suchkarten, auf denen je vier Tiere abgebildet sind.
Das eigentliche Spiel ist simpel: Wie im Quartettspiel sucht man bei seinen Mitspielern die passenden Tiere. Hat man alle vier Tiere zusammen, die auf einer der Suchkarten abgebildet sind, kann man die Karte ablegen und erhält eine neue. Im Unterschied zum Kartenquartett bleiben alle 24 Tiere immer im Spiel, und da ist es gar nicht so einfach, die Übersicht zu behalten.
Ein Spiel, das auf Kindergeburtstagen mit sechs und mehr Spielern viel Spaß macht. Es endet, wenn ein Spieler seinen letzten Suchauftrag erfolgreich beenden konnte und keine Karte mehr nachgezogen werden kann. Sieger ist natürlich der Spieler, der die meisten abgelegten Suchkarten besitzt.
VIER ZU MIR! ist ein Beispiel dafür, dass es nicht immer die großen, genialen neuen Spielentwürfe sein müssen, die Spielspaß in Spielrunden bringen. Auch die einfachen Varianten klassischer Ideen führen in der richtigen Mischung zu guten Ergebnissen.
WIELAND HEROLD
Titel: VIER ZU MIR!
Verlag: ASS
Autor: Heike Baum
Grafik: Chris Sharp
Spielerzahl: 3-8
Alter: ab 4 Jahre
Spieldauer: ca. 20 bis 30 Minuten
Preis: ca. 29.- DM
Die Rezension erschien 1996 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 9/1996 R 40/2020
VIER ZU MIR! wurde 1996 mit dem Sonderpreis Kinderspiel von der Jury „Spiel des Jahres“ ausgezeichnet. Außerdem gewann es im gleichen Jahr die Auszeichnung als bestes Kinderspiel bei dem schwedischen Spielepreis Årets Spel.
Noris hat 2013 eine durch Johann Rüttinger neu gestaltete Ausgabe von 4 ZU MIR! herausgebracht, die die Filmdosen durch Dschungelsichtschirme ersetzte.
Die Erzieherin Heike Baum hat nur dieses Spiel veröffentlicht. Sie führt eine eigene Praxis für Supervision und Coaching in Dielheim und ist Autorin von rund 50 pädagogischen und spielpädagogischen Fachbüchern.
Montag, 13. April 2020
VILLA PALETTI
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spiel des Jahres 2002: VILLA PALETTI
Bauspiel par excellence
Die originellsten Spielideen der letzten Jahre stammen von dem kleinen Münchner Zoch-Verlag: Im letzten Jahr das fantastische Rüttelspiel ZAPP ZERAPP, nominiert für den Hauptpreis 2001, zwei Jahre davor die originelle Memoryvariante ZICKE ZACKE HÜHNERKACKE, damals ausgezeichnet als „Kinderspiel des Jahres“. Bekannt wurde der Zoch-Verlag 1987 durch den genialen Wurf BAUSACK. In diesem Jahr kehrt der Verlag mit VILLA PALETTI überaus erfolgreich zu seinen Bauspielwurzeln zurück und gewinnt zum ersten Mal den Hauptpreis „Spiel des Jahres“.
Die Baubranche wäre wahrscheinlich nie in Schwierigkeiten gekommen, wenn sie den Bauregeln der Palettis folgen würde. Multifunktional wird Baumaterial aus den unteren Etagen einfach für den Weiterbau der höheren benutzt. Es ist erstaunlich, wie wenig „tragende Wände“ notwendig sind, wenn die VILLA PALETTI in die Höhe wächst.
Das Baumaterial besteht aus zwanzig Säulen unterschiedlichen Umfangs. Jedem der zwei bis vier Spieler wird eine der vier Säulenfarben zugelost, wobei im Spielverlauf versucht wird, die eigenen Säulen möglichst auf der höchsten Ebene zu platzieren. Zuerst stehen alle Säulen in Parterre und werden auf eine große Plattform der ersten Etage gestellt. Der Transportkran ist ein kleines Häkchen, mit dessen Hilfe sich die Säulen gut unter dem Plateau hervorziehen lassen. Dann wird das zweite Stockwerk errichtet, ein neues, anders geformtes Etagenplateau wird auf die vorhandenen Säulen gelegt und weiter geht’s hoch hinaus, bis irgendwann der grazile Bau zusammenstürzt.
VILLA PALETTI ist kein reines Geschicklichkeitsspiel á la JENGA. Intelligente Bauplanung macht es oft möglich, scheinbar tragende Säulen doch noch für den Bau in den oberen Stockwerken nutzen zu können. Wichtig ist dabei das richtige Aufstellen der Säulen auf den höheren Etagen, da die Plattformen nach oben hin immer kleiner werden und so durchaus freistehende Säulen entstehen, die man für den Weiterbau schnell zur Verfügung hat.
Der Aufforderungscharakter dieses Spieles ist enorm, die Schadenfreude beim Einsturz groß, der Wille zum Wiederaufbau stets vorhanden. Viel schöner kann ein Bauspiel nicht sein, dessen Spielreiz sich sofort erschließt. Wer keinen Spielpartner findet, kann sich auch allein an schwindelerregenden fragilen Turmbauten versuchen. Die entstehenden Bauwerke sind allemal eine Zierde für das Wohnzimmer, bis jemand daran ruckelt.
Wieland Herold
Titel: VILLA PALETTI
Autor: Bill Payne
Grafik: Victor Boden
Verlag: Zoch
Spieler: 2-4
Alter: 8 Jahre
Spieldauer: 20 bis 30 Minuten
Preis: ca. 30 Euro
Die Rezension erschien 2002 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 7/2002 R 39/2020
Für den kanadischen Koch und Spielautor Bill Payne war VILLA PALETTI der größte Erfolg. 2007 erschien mit POLLY THE PORCUBINE noch ein MEMORY-Spiel von ihm, das den deutschen Markt aber gar nicht mehr erreichte.
Das zweite Bild von der Spiel in Essen 2001 zeigt eine größere Version des Spiels, den PALAZZO PALETTI.
Sonntag, 12. April 2020
DOT TO DOT
SOLO UNTERWEGS
Zahlenbilder, die aus Punkt zu Punkt-Verbindungen entstehen, kennt jeder. DOT TO DOT (moses.) von Brett Gilbert macht nichts anderes, nur fehlen die Zahlen und es entsteht kein Bild, aber Punkt zu Punkt-Verbindungen müssen korrekt gelegt werden.
Von Punkt zu Punkt ist ein Zeichenspiel, das am Computer oder mit Malvorlagen funktioniert. DOT TO DOT ersetzt den Stift durch sechs transparente Spielsteine mit Linienführungen. Die Aufgabenkarten mit 80 Herausforderungen in vier Schwierigkeitsgraden zeigen einerseits die zu verbindenden Punkte an, andererseits wird vorgegeben, welche Spielsteine dazu benötigt werden.
Erste Linien sind schon eingezeichnet und dann gilt es, durch Drehen und Wenden der transparenten Steine innerhalb einer sehr beschränkten Legefläche direkt auf der Aufgabenkarte alle Punkte mit einer durchgehenden Linie zu verbinden.
Bei den leichten Aufgaben sind es nur zwei oder drei Liniensteine, die zur Ergänzung herangezogen werden. Auf mittlerem Niveau, das mit 34 Aufgaben die meisten Herausforderungen enthält, sind es meistens vier Plättchen, die unterzubringen sind. Der Kenner- und Expertenbereich erfordert dann fünf oder alle sechs rechteckigen Plastikscheiben.
Durch den leichten Einstieg stellt man sich bald gern höheren Aufgaben, aber ab dem Niveau der Karten 50 bis 80 wird die Luft dünn, dann reichen fünf Minuten zur vollen Linienführung meist nicht mehr aus. Wer gar nicht mehr weiter weiß, darf als Zwischenlösung auf eine „Erste Hilfe“ zurückgreifen, die ein Teilstück der Lösung zeigt, einen halben Spielstein, der erste Orientierung sein kann.
Mit dem richtigen Durchblick für die nötigen Drehungen und Wendungen ist DOT TO DOT eine spannende Herausforderung, die für Corona-Zeiten ohne Partner eine Spielalternative sein kann. Gilberts Spiel ergänzt die Solo-Reihe von moses., in der wir schon SCHABEN JAGEN durften und Denkaufgaben in der klassischen TETRIS-Welt genial bewältigten.
Titel: DOT TO DOT
Autor: Brett J. Gilbert
Grafik/Design: Silke Klemt
Verlag: moses.
Alter: ab 8 Jahren
Spielerzahl: 1
Spielzeit: 2 - 10 Minuten pro Aufgabe
Preis: ca. 17 Euro
Wertung in Zeiten von Corona: Gerne morgen wieder
Danach wohl eher: Nächste Woche wieder
Spiel 26/2020
Samstag, 11. April 2020
TRANS AMERICA
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Nominiert für das Spiel des Jahres 2002: TRANS AMERICA
Familienspiel par excellence
Zwei Regelseiten reichen aus, erklärt ist das Spiel innerhalb von einer Minute und schon kann der Schienenbau in Franz-Benno Delonges TRANS AMERICA losgehen. Zwei bis sechs Spieler arbeiten gemeinsam an einem Schienennetz von der West- zur Ostküste der USA. Fünf verschiedene Städte in unterschiedlichen Regionen muss dabei jeder Spieler an das große Schienennetzwerk anschließen.
Die Städte werden in Form von Karten zu Beginn des Spiels verdeckt gezogen. Das Spielbrett zeigt die Karte der USA, die in fünf verschiedenfarbige Bereiche aufgeteilt ist. Aus jedem dieser Sektoren besitzen die Spieler eine Stadt. Zu Spielbeginn setzen die Teilnehmer einen Startstein auf einen beliebigen Punkt des Spielbretts. Von hier aus können die Gleise in alle Richtungen gelegt werden, wobei die Spieler pro Zug zwei Gleisteile auf ein vorgegebenes Raster legen können. Hat ein Spieler alle seine Städte verbunden, erhalten die anderen Minuspunkte für jeden noch zu bauenden Streckenabschnitt. Der Punktestand wird durch Loks am Spielfeldrand markiert. Die gesamte Partie endet, wenn eine der Loks eine Schranke am Ende überschreitet.
Strategische Planung beim Streckenbau und Einschätzung der Mitspieler sind gute Grundvoraussetzungen für den Spielsieg. Entscheidend ist, dass beim Streckenzusammenschluss die schon gebaute Streckenführung der Mitspieler für die eigenen Ziele genutzt werden darf. TRANS AMERICA ist ein schnelles Legespiel, das sich schon nach wenigen Spielzügen als ein ungemein spannendes Gegeneinander herausstellt. Letztlich spielt der Faktor Glück eine nicht unerhebliche Rolle, da man abhängig ist von der Lage der gezogenen Städte. Das muss aber kein Nachteil für das Spiel sein. Einmal lässt sich durch gute Planung vieles ausgleichen und dann folgt sehr schnell die nächste Runde, die mit der erneuerten Kartenverteilung eine neue Ausgangssituation bringt. Die grafische Aufbereitung des Spiels ist ansprechend, das Spielmaterial, Holzschienen und –lokomotiven, ist funktional. Alles passt in eine kleine quadratische Schachtel und ist wohlfeil für unter 15 Euro im Handel zu bekommen.
Mit TRANS AMERICA liegt ein Familienspiel vor, das diesen Namen auch verdient, damit stehen die Chancen für Verlag und Autor, bei der Preisverleihung für das „Spiel des Jahres“ ganz oben auf dem Siegertreppchen stehen zu können, recht gut.
Wieland Herold
Titel: TRANS AMERICA
Autor: Franz-Benno Delonge
Grafik: Marcel- André Casasola Merkle
Verlag: Winning Moves
Spieler: 2-6
Alter: 8 Jahre
Spieldauer: 30 Minuten
Preis: ca. 13 Euro
Die Rezension erschien 2002 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 6/2002 R 38/2020
Das Bild zeigt den Autor in Haar ein Jahr vor Veröffentlichung von TRANS AMERICA. Ihm gegenüber sitzt Fritz Gruber vom Verlag Kosmos.
Der Spieleautor und Jurist Franz Benno Delonge ist leider viel zu früh verstorben. Fünf Jahre nach dem Erfolg mit TRANS AMERICA starb er mit 50 Jahren an einem Krebsleiden. TRANS AMERICA war sein größter Erfolg. Mit DOS RIOS (Kosmos) und KUNSTMARKT (Prestel) reichte es 2004 und 2007 noch einmal für die Empfehlungsliste der Jury, mit MANILA (Zoch) kam er 2005 auf den Bronzeplatz beim Deutschen Spielepreis.
2002 waren nominiert:
TRANS AMERICA war 2002 das klassische Familienspiel unter den drei nominierten Titeln.
PUERTO RICO war das Schwergewicht im Kennerbereich, VILLA PALETTI ein ganz besonderes Bauspiel.
Freitag, 10. April 2020
PUERTO RICO
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Nominiert für das Spiel des Jahres 2002: PUERTO RICO
Wirtschaftsspiel par excellence
Wie viel Regeln braucht der Mensch? Wir haben unsere Verkehrsregeln, die wir in der Regel berücksichtigen. Wir haben Gesetzesregeln und Steuerregeln, bei denen nicht einmal die Fachleute den nötigen Durchblick haben. Wir haben kurze und lange Spielregeln für viele, viele Brett- und Kartenspiele. Was ist dem Durchschnittsspieler zuzumuten? Ein zwölfseitiges, sehr gut strukturiertes Regelwerk? Oder werden viele in der Erwartung einer gut halbstündigen Lektüre passen? Schade wär’s, denn die Lektüreergebnisse bescheren ein Spielvergnügen, das zuletzt die SIEDLER VON CATAN vermittelt haben.
Das Spielerlebnis der besonderen Art liefert uns PUERTO RICO von Andreas Seyfarth, erschienen im Alea-Verlag, einen Ableger der Firma Ravensburger, der sich der gehobeneren Spielkost verschrieben hat. Drei bis fünf Spieler tragen zur Entwicklung Puerto Ricos bei. Jeder besitzt dabei sein eigenes Territorium, das er auf zwei Spielplänen bei der Anlage von Plantagen und bei seiner Stadtentwicklung mit Verarbeitungsbetrieben, Wirtschaftsgebäuden und Bildungseinrichtungen voranzubringen versucht. Die Strategien, die dazu eingeschlagen werden, sind äußerst vielschichtig, daraus ergibt sich auch die umfangreiche Regel. Der Spielablauf selbst ist aber schnell verinnerlicht. PUERTO RICO “ ist einerseits ein Wirtschaftsspiel, andererseits ein Rollenspiel. Denn immer wieder müssen die Spieler entscheiden, mit welcher Rollenübernahme sie ihre wirtschaftliche Entwicklung forcieren wollen. Da gibt es die Siedler-Rolle, die neue Plantagen bringt, oder den Bürgermeister, der neue Kolonisten, die für die Arbeit auf den Plantagen und in den Manufakturen benötigt werden, an Land holt. Wichtig ist auch der Baumeister, der für die städtebauliche Erweiterung sorgt. Schließlich muss irgendwann einmal produziert und verkauft werden, dazu stehen die Rollenkarten des Aufsehers, Händlers oder Kapitäns zur Auswahl. Ab und zu ist es hilfreich in die Rolle eines Goldsuchers zu schlüpfen, denn der Ausbau der Stadt kostet viel Geld. Das Spiel endet, wenn ein Spieler seine 12 Stadtfelder bebaut hat, der Kolonisten-Nachschub versiegt oder keine Siegpunkte mehr verteilt werden können. Das ist bei der ersten Runde erst nach knapp drei Stunden der Fall. Geübte Spieler werden aber schon nach 60 bis 90 Minuten eine Revancherunde fordern.
Kaum ein Spiel der letzten Jahre besaß einen solchen Tiefgang wie PUERTO RICO. Die Gewinnstrategien sind so vielschichtig wie das Spiel selbst. Jeder spielt zwar für sich, eine direkte Interaktion wie bei den SIEDLERn VON CATAN findet nicht statt, trotzdem achten alle genau darauf, was die Mitspieler planen. Da wird kräftig diskutiert am Spieltisch, da werden nicht immer ganz uneigennützige Tipps gegeben, damit sich die eigene Wirtschaftswelt von PUERTO RICO lukrativ entfalten kann. Im Übrigen bietet die Entwicklung der puertoricanischen Welten vor den Spielern auch optischen Genuss. Der Grafiker Franz Vohwinkel hat das Spiel hervorragend umgesetzt.
PUERTO RICO ist ein absolutes Muss für Liebhaber anspruchsvollerer Spiele. Es könnte auch viele Menschen zu komplexeren Spielen hinführen, wenn sie sich der Regellektüre stellen. Der Autor, Andreas Seyfarth, hat sich 1994 für das Spiel MANHATTAN schon einmal über den Titel „Spiel des Jahres“ freuen dürfen. Es wäre ihm und seinem fantastischen Spiel zu gönnen, wenn er sich acht Jahre danach wieder freuen könnte.
Wieland Herold
Titel: Puerto Rico
Autor: Andreas Seyfarth
Grafik: Franz Vohwinkel
Verlag: Alea / Ravensburger
Spieler: 3-5
Alter: 12 Jahre
Spieldauer: 90 Minuten
Preis: ca. 29 Euro
Die Rezension erschien 2002 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 9 von 10 Sternen,
das entspricht: Jederzeit wieder
Spiel 5/2002 R 37/2020
Das zweite Bild zeigt Stefan Brück (Alea) bei der Präsentation von PUERTO RICO auf der Spiel in Essen 2001.
Den Kennerspielpreis gab es damals leider noch nicht, deshalb reichte es für PUERTO RICO nur für einen Platz auf dem Treppchen.
Nominiert waren:
Mittwoch, 8. April 2020
WOLFSSPUREN
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Im Rudel unterwegs: WOLFSSPUREN
Es ist schon verrückt, auf welche Spielabenteuer wir Spieler uns einlassen. Wir stürzen uns todesmutig in die größten Waldbrandherde, wir lassen uns als Affen auf Palmen schicken, wir lügen, wir schwindeln, wir stehlen, morden sogar. Und das alles bereitet uns Vergnügen? Fast schamhaft muss ich eingestehen: Es ist so, das alles kann Spaß machen.
Vorweggenommen: Es ist auch bei dem nun folgenden Spiel so! Wir heulen mit den Wölfen. Ein verrücktes Thema, mit dem sich Dagmar Frei, Till Meyer und Nicole Stiehl hier beschäftigen. Ihr Spieltrieb hat sie zu den Wölfen gebracht, deren Spuren sie intensiv gefolgt sind, so intensiv, dass mit dem Spiel WOLFSSPUREN ein sehr authentischer Einblick in das Leben eines Wolfsrudels möglich wird, bei dem der Spielspaß nicht auf der Strecke bleibt. Vielleicht sollten wir uns bei dem Spiel auch darüber Gedanken machen, was schon der berühmte internationale Wolfsforscher Erik Ziemen zu erkennen meinte: Dass nämlich der Mensch den Wolf verteufelt, weil er ihn als Spiegelbild des eigenen Charakters erkannt hat. Sowohl Mensch als auch Wolf sind geschickte Lebewesen, intelligent und fürsorglich und zeigen ein ganz ähnliches Verhalten in der sozialen Hierarchie, im Beruf wie innerhalb des Familienverbandes.
Gleich drei Wölfe führt jeder der drei bis sechs Spieler durch mehrere Runden, die einem Wolfsjahr entsprechen und in sieben Phasen eingeteilt sind. Die Hierarchie des Rudels wird zu Beginn ausgelost. Dass das Rudel bestimmende Alpha-Paar wird durch den zuerst aufgedeckten Rüden und die zuerst aufgedeckte Fähe bestimmt, es folgt der so genannte Beta-Wolf ohne weibliche Begleitung, dann weitere Rüden und Fähen, je nach Spieleranzahl. Alle Tiere starten mit einer maximalen Stärkezahl von 12 Punkten, außerdem haben alle einen Anerkennungschip auf ihrer Wolfskarte liegen. Die restlichen Karten kommen jeweils über die erste Spielphase, Welpengeburt, ins Spiel. Die Höhe des Wurfs, zwischen zwei und sieben Welpen, wird ausgelost. Bei der Kartenabgabe bevorzugt werden die Spieler, die bisher rangniedrig eingeordnet sind. In dieser ersten Phase legen die Spieler außerdem fest, welches von drei großen Beutetieren in dieser Runde gemeinsam gejagt werden soll. Findet keine Einigung statt, entscheidet natürlich der Alpha-Wolf. Der wichtigste Teil der ersten Phase besteht aber darin, Aktionschips (Werte 1 bis 15) für alle aktiven Tiere und die folgenden fünf Phasen auf einer Ablagetafel zu verteilen. Diese Chips stehen für die Energie, die jeweils aufgebracht wird, in einer Phase besonders erfolgreich zu sein. Sie bleiben verdeckt liegen, bis die jeweilige Phase gespielt wird. Ihr Einsatz ist nur bis zum Wert „7“ kostenfrei, danach verlieren die Wölfe Stärkepunkte. Die Höhe der gelegten Aktionspunkte bestimmt die Spielreihenfolge.
In der Phase Jungenaufzucht überleben nur die Wölfe, die durch sieben Aktionspunkte versorgt werden können. Losgehend von den Welpen, die rechts von der Alpha-Fähe liegen, wird so festgestellt, wer erst einmal in das Rudel aufgenommen werden kann. Wer am meisten für das Überleben der Welpen beigetragen hat, erhält einen Anerkennungspunkt für den entsprechenden Wolf. In der folgenden Phase gehen die Wölfe auf Kleintierjagd. Dazu werden vom Stapel „Kleine Beutetiere“ drei Karten gezogen, darunter können auch „Nieten“ sein. Der Spieler mit dem höchsten Aktionschip hat den ersten Zugriff, jagt er einen Biber kann er sogar seine Stärkewerte um drei Punkte verbessern, oft hat er dann aber auch über den Aktionschip schon ein, zwei oder gar drei Punkte verloren. Für den folgenden Spieler wird eine Beutekarte nachgelegt. Solange die Wölfe noch Kleingetier wie Mäuse und Lemminge fangen können, gelten sie als versorgt, sobald aber nur noch die drei Nietenkarten „Keine Beutetiere“ ausliegen, schiebt der Rest Kohldampf und verliert zwei Stärkepunkte. Sinkt die Zahl dieser Punkte unter den Wert „1“ stirbt der Wolf, kann aber eventuell schon in der nächsten Runde als Welpe das Licht des Waldes wieder erblicken.
In der Vorbereitungsphase haben sich die Spieler auf ein Opfer ihrer gemeinsamen Jagdphase geeinigt. Nun ist ihre Kampfkraft als Rudel gefragt, wenn sie Elch oder Bison jagen wollen. Dazu werden alle Aktionschips addiert, beim Bison müssten es für eine problemlose Jagd schon mindestens 65 sein, der am leichtesten zu jagende Hirsch ist schon für 23 Punkte zu haben. Die Rudeljagd ist eine spannende Phase bei WOLFSSPUREN, denn das Spiel mit dem Risiko ist hier besonders hoch. Wird die geforderte Punktzahl nämlich nicht erreicht, spielen zwei Risikowerte eine entscheidende Rolle. Bei unserem Bison mit 65 Punkten sind es die Werte 15 und 40. Wird ein Wert zwischen diesen beiden Zahlen erreicht, ist das Tier entkommen, das muss natürlich auch für noch niedrigere Werte gelten, wozu in der Regel aber nichts zu lesen ist. Wird der Wert 40 überschritten, gilt das Tier als erlegt. Was jetzt kommt ist richtig gemein und wirbelt viel durcheinander: In beiden Fällen wird der aktivste Wolf, der mit dem höchsten Aktionschip, verletzt. Die Konsequenzen der Verletzung hat das Autorenteam sehr harsch gelöst. Aus Kampfkarten mit Werten von eins bis zehn wird eine gezogen, deren Punktwert von den Stärkepunkten abgezogen wird, was oft das schnelle Aus bedeuten kann. In unseren Spielerunden haben wir uns darauf geeinigt, vier Punkte abzuziehen, das macht einen hohen Aktionschipeinsatz kalkulierbarer. In den Erläuterungen wird im Übrigen deutlich dass Till Meyer & Co. mit ihrer Regelung wohl näher an der Realität sind. Die Chancen auf erfolgreiche Großwildjagd sehen gar nicht so gut für die Wolfsrudel aus. So berichtet ein L.D. Mech, dass ein beobachtetes Rudel von 131 aufgespürten Elchen nur sechs erlegen konnte. Die anderen flohen oder stellten sich dem Kampf und zwangen das Rudel dadurch meist zur Aufgabe. Die Interessenlage ist bei der Großwildjagd ganz unterschiedlich gelagert. Alle sind irgendwo am Jagderfolg interessiert, denn sonst gibt es für alle den Verlust von zwei Stärkepunkten. Besonders gilt das für die Spieler mit Welpen in der Auslage, die nur bei erfolgreicher Jagd überleben können. Ob das Beutetier für die Versorgung des ganzen Rudels ausreicht, hängt vom Nahrungswert und der Größe des Rudels ab. Zuerst werden die Alphatiere und Welpen versorgt, für die reicht es immer. Alle nicht versorgten Tiere bekommen zwei Stärkepunkte abgezogen. Der Wolf mit dem höchsten Aktionswert erhält für alles Risiko, das er getragen hat, immerhin noch einen Anerkennungschip.
In der anschließenden Phase haben die Autoren das unvermeidliche Wolfsheulen spieltechnisch fruchtbar gemacht. Dient es in der Realität der Kommunikation im Rudel, hat es spielerisch Auswirkungen auf die Auslage der großen Beutetiere. Mindestens 35 Aktionspunkte muss das Rudel zusammenbringen, um nicht ein Beutetier in der Auslage zu verlieren, bei 55 Punkten kommt sogar noch eins dazu. Die Heulphase wird in ihrer Bedeutung oft anfangs unterschätzt, denn wenn immer nur ein Beutetier zur Verfügung steht, dessen Nahrungswerte vielleicht nur wenige Tiere versorgen oder das nur schwer zu erlegen ist, geht es abwärts mit dem Rudel und es kann aussterben.
Vor der Rundenauswertung kommt noch die Phase Rangkämpfe, die ausschließlich innerhalb der Geschlechter stattfindet. Es beginnen die Fähenkämpfe, die mit den oben schon erwähnten Kampfkarten ausgetragen werden. Aus den zehn Karten werden sechs für den Kampf gezogen, die Kartenzahl wird um jeweils eine Karte aufgestockt für das Tier mit der größten Stärke und mit der höheren Zahl von Anerkennungschips, dadurch kann es zu ungleichen Kartenverteilungen von sechs zu acht Karten kommen. Der Kartenkampf ist einfach geregelt. Jeder legt verdeckt eine Karte ab, die Differenzen werden nach einem Punkteschlüssel von der jeweiligen Aktionspunktzahl abgezogen. Hilfreich wäre hier ein eigenes Kampftableau zum Abtragen der Punkte und zur Umrechnung der Differenzwerte gewesen. Gewinnt die rangniedrigere Fähe tauscht sie ihren Platz mit dem im Rang höherstehenden Tier. Der Gewinner erhält einen Anerkennungschip, der Verlierer erleidet einen entsprechenden Verlust, außerdem gilt das unterlegene Tier als verletzt.
Bei den Rüden geht es gesitteter zu: Rangkämpfe finden nur von unten nach oben statt und das unter genauer Beachtung der Hierarchiestufen. Die Rüden müssen sich also mühsam nach oben bis zum Alphatier durchkämpfen. Verletzungen kommen nicht vor, Anerkennungspunkte werden aber ebenso gewonnen wie verloren.
Der Totalverlust von Anerkennungspunkten führt zum Ausschluss aus dem Rudel. Ein Wolf ohne solche Punkte kann über den Status des ausgebissenen Omega-Wolfes wieder ins Rudel zurückkommen, sobald er es schafft, wieder Anerkennung zu gewinnen.
Nach der Kampfphase wird die Runde mit einer Auswertung beendet. Jeder Spieler erhält Gewinnpunkte für seine Wölfe, der rangniedrigste erhält einen Punkt und dann geht es nach oben, so dass die Alpha-Wölfe bei einem großen Rudel auch besonders viele Punkte erhalten können. Gewinnpunkte gibt es außerdem für Anerkennungschips. Verluste gibt es in der Rundenbilanz aber auch: Den Alphawölfen wird ein Stärkepunkt abgezogen, verstorbene und verstoßene Wölfe führen zu weiteren Punktabzügen. In der Auswertungsphase wird auch das Schicksal der Jungwölfe entschieden. Zuerst werden sie am Ende der Rangleiter mit 12 Stärkepunkten und einem Anerkennungschip eingeordnet. Danach dürfen sich ihre Spieler aber entscheiden, ob sie im Rudel bleiben oder zu neuen Ufern aufbrechen möchten und abwandern wollen. Die Spieler entscheiden geheim über das zukünftige Schicksal der Jungwölfe. Wandern Pärchen ab, erhalten ihre Spieler fünf Gewinnpunkte, ein einzelner Wolf bringt aber drei Punkte Abzug.
Zu Beginn des Spiels legen alle eine zu erreichende Punktzahl fest, die bei drei Spielern nicht unter 40 Punkten liegen sollte. Das Spiel endet, wenn ein Spieler diese Punktzahl in der Wertungsphase erreicht. Es kann aber durchaus vorkommen, dass das Rudel versagt, die Gruppe die Punktzahl nicht erreicht und vor dem erhofften Spielende ausstirbt.
WOLFSSPUREN ist ordentlich produziert, die Schachtel hätte aber durchaus halb so groß ausfallen können. Das Kartenmaterial ist vorzüglich, die Einbindung von Fotos trägt zur Spielatmosphäre bei. Die Spielregel führt gut zum Spiel hin, lässt kaum Fragen offen, liefert viele zusätzliche Informationen und enthält eine gute Kurzübersicht, die am besten für jeden Spieler kopiert wird. Das Spiel überzeugt von den spielerischen Elementen voll und ganz. Mit WOLFSSPUREN ist dem Autorenteam um Til Meyer aber nicht nur ein spielerischer Beitrag, das Image des Wolfes aufzupolieren, gelungen, sondern ein aufklärerischer, jenseits der Werwolfbilder, des Wolfes im Schafpelz oder der Vorstellung vom Menschen, der des Menschen Wolf sei. Eine spielerische Hommage an das Tier des Jahres 2003. Chapeau!
Wieland Herold
Titel: WOLFSSPUREN
Verlag: Spieltrieb
Autoren: Dagmar Frei, Till Meyer, Nicole Stiehl
Grafiker: o.A.
Spieler: 3 - 6
Dauer: ca. 90 Minuten
Alter: ab 12 Jahren
Preis: ca. 20.- Euro
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 3/2004 R 36/2020
Das zweite Bild zeigt Nicole Stiehl und Till Meyer auf dem Autorentreffen in Göttingen 2004.
GEISTERTREPPE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Spiel mit Klassikerqualitäten: GEISTERTREPPE
Michelle Schanen hat einen bekannten Gatten, sie ist mit Jacques Zeimet verheiratet, dem wir Spiele wie BAMBOLEO (1996), HAMSTERROLLE (2000) und KAKERLAKENPOKER (2004) zu verdanken haben. Im Augenblick weist der Autor aus Luxemburg schon ein gutes Dutzend von Spieleveröffentlichungen vor. Ein Viertel davon hat Johann Rüttinger in seinem Verlag Drei Magier Spiele herausgegeben.
Wohl auch deshalb hat Michelle Schanen ihren ersten Prototypen Rüttinger angeboten, der aus der abstrakten Vorlage zusammen mit Rolf Vogt das wunderschöne Versteckspiel GEISTERTREPPE gemacht hat.
Nun ist Schanen berühmter als ihr Mann, denn die Jury für das „Kinderspiel des Jahres“ hat GEISTERTREPPE 2004 mit dem blauen Pöppel ausgezeichnet, wogegen Zeimet es erstmalig mit KAKERLAKENPOKER immerhin auf die Empfehlungsliste der Jury geschafft hat, was er eigentlich schon für BAMBOLEO verdient hätte.
Vier mutige Kinder dringen in Schanens Spiel in eine verfallene Burgruine ein. Über 22 brüchige Treppenstufen führt ihr Weg in den obersten Winkel der Ruine zum alten Schlossgespenst. Jeder möchte der erste ganz oben sein, um das Gespenst zu erschrecken. Aber der Geist stiftet auf seine Art Verwirrung. Ziemlich schnell verwandeln sich die lieben Kleinen selbst in Geister. Konnten sie zuvor noch farblich unterschieden werden, gleichen sie sich bald wie ein Ei dem anderen. Da jedes Kind verantwortlich für eine Farbfigur ist und diese auch als erste ganz nach oben zum Schlossgespenst führen möchte, gilt es, solange wie möglich, nicht als Geist herumzulaufen, beziehungsweise den richtigen Geist bis zum Ende im Blick zu behalten.
Die Würfelsteuerung sorgt für großes Durcheinander, wird das Gespenst geworfen, verwandelt sich eine Spielfigur dadurch in einen kleinen Geist, indem ein hohler Holzgeist über die Figur gestülpt wird. Sind alle Figuren Gespenster, tauschen bei einem entsprechenden Wurf zwei Gespenster ihre Positionen. Jeder darf nun jede Figur vorwärtsbewegen. Sobald ein Kindergeist das Schlossgespenst am Ende der Treppe erreicht, wird das Geheimnis gelüftet. Die Überraschung ist oft groß und es gewinnt nicht immer der, der zuletzt gezogen hat.
Mit dieser Grundregel kommen schon Vierjährige klar mit dem pfiffigen Geisterspiel. Sie haben riesigen Spaß an dem Geisterzauber. Johann Rüttinger stülpt seine Holzgeister – so schöne gab es noch nie! – nicht einfach nur lose über die Kinderfiguren, nein, ein Magnet auf den Köpfen der Spielfiguren sorgt dafür, dass sie mit einem „Klack“ unter dem Geist verschwinden und dort unverrückbar bleiben.
Die GEISTERTREPPE spielt mit klassischen Vorbildern, HEXENTANZ und HUSCH, HUSCH, KLEINE HEXE sind nicht so ganz weit weg von dem, was uns Michelle Schanen anbietet. Trotzdem ist ihr Spiel eine eigenständige Entwicklung und mehr als eine Ergänzung der beiden ausgezeichneten Vorgänger. Vogts Grafik, Rüttingers einmalige Geisterfiguren tragen dazu bei, um aus dem guten Spiel ein erfolgreiches zu machen.
Wieland Herold
Titel: GEISTERTREPPE
Verlag: Drei Magier Spiele
Autor: Michelle Schanen
Grafiker: Rolf Vogt
Spieler: 2 - 4
Dauer: ca. 15 Minuten
Alter: ab 4 Jahren
Preis: ca. 30.- Euro
Die Rezension erschien 2004 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 2/2004 R 35/2020
Das zweite Bild zeigt Johann Rüttinger mit Schanens Prototyp von GEISTERTREPPE.
Michelle Schanen hat danach nur noch zwei weitere Spiele veröffentlicht, wogegen ihr Gatte inzwischen bei rund 50 Publikationen stehen müsste. Über die Empfehlungsliste der Jury und Auszeichnungen des Kartenspielpreises der Fairplay ist er aber nicht herausgekommen. Wir verdanken ihm aber Klassiker wie KAKERLAKENPOKER und GEISTESBLITZ.
Dienstag, 7. April 2020
TRIAS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Das waren Zeiten: TRIAS
Das waren noch Zeiten, als unsere Kontinente nicht durch Ozeane getrennt waren und Gondwana und Laurasia den Superkontinent Pangea ausmachten. Vor 230 Millionen Jahren begann das Auseinanderdriften. Erstmals traten in dieser Periode echte Säugetiere auf, Flugsaurier eroberten den Luftraum. Wir wissen nicht viel über die Lebewesen vor unserer Zeit, aber Ausgrabungen in einer Lehmkuhle bei Spardorf haben ergeben, dass sie keine Einzelgänger und schwimmfähig waren. Das war auch notwendig, denn die Erde war ständig in Bewegung. Um den Südpol herum zerbröselte die Landmasse des Urkontinents gewaltig.
Eine kompakte sechseckige Landfläche aus 37 Feldern macht die spielerische Welt von Pangea aus. Bunte würfelförmige Tierchen, die im Doppelpack auftreten, bevölkern den Urkontinent. Sie kämpfen um die Dominanz auf neu entstehenden Gebieten, die sich immer weiter vom Südpol entfernen. In jedem Spielzug löst sich ein Gebirge, eine Steppenlandschaft oder ein Waldgebiet aus der Landmasse heraus. So entstehen mit der Zeit neue Landgebiete, die den Herden, die dort die Mehrheit haben, wichtige Siegpunkte bringen.
Neben der Pflicht zur Drift besteht für zwei bis fünf Spieler, die sich dem Urzeitabenteuer stellen, die Möglichkeit zu weiteren Aktionen. So dürfen sich Herden in benachbarte Regionen bewegen, schwimmende Tiere können an Land gebracht werden, selbstverständlich ist auch für den Nachwuchs gesorgt. Die Aktionen sind beliebig kombinierbar. Schlägt am Ende der Meteorit durch eine entsprechende Spielkarte ein, hat das letzte Stündchen geschlagen. Jeder hat noch zwei Aktionen, bevor die große Schlusswertung folgt. Dabei werden alle neuen Landmassen gewertet, nur die alte Südpolgegend nicht. Die Wertungspunkte ergeben sich aus der Größe des Gebiets. Der Spieler mit den meisten Herden bekommt die gesamte Punktzahl, der zweite die halbe Plättchenanzahl angerechnet. Wer dann am meisten Siegpunkte hat, ist nach gut einer Stunde Sieger einer Partie TRIAS.
TRIAS ist ein äußerst vielschichtiges Spiel, das ständig neue Überlegungen erfordert. Der Glücksfaktor hält sich in Grenzen, nur in der Driftphase ist man abhängig vom jeweiligen Kartenbesitz. Braucht man eine Gebirgskarte zum Ablösen einer größeren Fläche und hat diese nicht, dann ist das zwar ärgerlich, aber noch nicht spielentscheidend. Vielleicht kann man dafür ein Landteil nehmen, auf dem sich viele fremde Herden befinden, die dann im Wasser paddeln müssen, oder man lässt unter schwimmenden eigenen Tieren Land auftauchen und stellt damit wieder eine Inselbrücke her. Entscheidend ist die Planung für den Herdeneinsatz. Auf den großen Inseln in der Endphase die Mehrheiten zu besitzen, das bringt meist den Spielsieg. Da kann man ruhig ab und zu auf die nicht so punkteträchtigen Zwischenwertungen verzichten, Hauptsache man ist in den entscheidenden Gebieten am Ende dabei.
Der Informatiker Ralf Lehmkuhl war von seiner Spielidee so überzeugt, dass er sein erstes Werk selbst herausgebracht hat. Optisch und spielerisch ist seine Umsetzung hervorragend gelungen, zumal ihn grafisch Doris Matthäus unterstützt hat. Das Spiel kann auch preislich mit professionellen Verlagsprodukten mithalten.
Wieland Herold
Titel: TRIAS
Verlag: Gecko Games
Autor: Ralf Lehmkuhl
Grafiker: Doris Matthäus
Spieler: 3 - 5
Dauer: ca. 60 Minuten
Alter: ab 12 Jahren
Preis: ca. 20.- Euro
Die Rezension erschien 2002 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 4/2002 R 34/2020
Das zweite Bild zeigt den Spardorfer Autor 2002 auf der Spiel in Essen.
Montag, 6. April 2020
COFFEE ROASTER
Untersuchungen zum Kaffee-Konsum in Corona-Zeiten sind mir nicht bekannt, was aber sicherlich exorbitant anwächst, ist die Nachfrage nach guten Spielen wie COFFEE ROASTER, die bei fehlenden Partnern alleine funktionieren.
... Rezension erscheint in der spielbox, Heft 3/2020
Titel: COFFEE ROASTER
Verlag: dlp games
Autor: Saashi
Grafiker: Andrea Boekhoff
Spieler: 1
Dauer: ca. 10 - 30 Minuten
Alter: ab 12 Jahren
Preis: ca. 30.- Euro
Wertung: Gerne morgen wieder
Spiel 25/2020
Sonntag, 5. April 2020
PYRAMIDOS
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Fliegende Bauten – Pyramidenbau auf leichte Art
Neue Theorien zum Pyramidenbau der Ägypter haben Kirsten Becker und Jens-Peter Schliemann entwickelt. Nachvollziehbar werden ihre Ideen in PYRAMIDOS, das große Haba-Spiel im Herbst 2003. So etwas hat die Spielgeschichte noch nicht erlebt. Seit CAIRO (Schmidt) wissen wir zwar, dass die Ägypter ihre Pyramidenbausteine schnipsend von Booten zu den Bauplätzen gebracht haben, dass sie sie sogar schnipsend über die Windungen des Nils bis zu ihren Pyramidenbauplätzen bringen konnten, ist eine sensationelle neue wissenschaftliche Erkenntnis, die nun zwei bis vier Spieler ab Grundschulalter spielerisch verifizieren können. Genial gelöst ist die technische Umsetzung des Transportproblems. Der reichlich durchlöcherte Nil wird auf vier gut verankerte Pfosten gestellt, ein dazwischen aufgespanntes Fischernetz verhindert die Abwanderung von Pyramidensteinen zumindest in Ansätzen.
Die Bausteine sind Kugeln, das ist beim Pyramidenbau inzwischen gang und gäbe. Der Pyramide muss nur noch die Krone mit vier Kugeln und einem Spitzenabschluss aufgesetzt werden. Der löcherige Nilweg wird vorsichtig stupsend oder mit schon ausgefeilter Technik mutig schnipsend, manchmal sogar pustend absolviert, das kann mehrmals hintereinander geschehen. Aufgehalten wird man nur durch gefräßige Nilkrokodile, vor deren Mäulern, wenn sie nicht gestopft werden, sich riesige Nillöcher auftun, die das Baumaterial im Nil verschwinden lassen. Hin und wieder gerät so ein Stein auf die Uferböschung oder bleibt im Sand vor der Pyramide stecken. Manchmal, anfangs sogar sehr sehr oft, rollt oder springt die Kugel einfach über die Spielfeldbegrenzung hinaus und beendet damit den Spielzug. Sobald die fünfte Kugel oben auf der Pyramide landet, ist eine Baurunde PYRAMIDOS beendet. Die Abrechnung ist einfach: Die Spitzenkugel zählt doppelt, die vier anderen einfach; es gewinnt der Spieler, der die meisten Punkte erreicht
Der Aufforderungscharakter, mit dem löcherigen Nil zu spielen, ist groß. Räumen Sie aber Ihren Kindern bei PYRAMIDOS Übungszeiten ein, gönnen Sie sich diese Zeit auch selbst. Die Technik des Stupsens muss von Kindern und Eltern erlernt werden, denn sonst geht der Schuss nach hinten los. Mit der Altersangabe „ab sechs Jahren“ liegt Haba richtig, darunter ist das Objekt ein durchaus spaßiges Spielgerät, bringt als Spiel aber eher Frustrationen hervor. Bei einer Spieldauer von 15 bis 30 Minuten habe ich noch keine Runde erlebt, in der es nicht mindestens zu einem zweiten Pyramidenbau gekommen ist. Dabei geht es weniger um das Gewinnen, sondern um die Freude an der eigenen Geschicklichkeit, das gemeinsame Lachen, wenn es nicht so klappt mit der Feinmotorik, und die ständige Steigerung der Waghalsigkeit bei den Schnippversuchen.
Wieland Herold
Titel: PYRAMIDOS
Verlag: Haba
Autor: Kirsten Becker, Jens-Peter Schliemann
Grafiker: Ales Vrtal
Spieler: 2 - 4
Dauer: ca. 15 - 30 Minuten
Alter: ab 6 Jahren
Preis: ca. 30.- Euro
Die Rezension erschien 2003 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 7 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 1/2003 R 33/2020
Die Bilder stammen von der Präsentation des Spiels auf der Spiel 2003. Auf dem zweiten Foto ist Jürgen Valentiner-Branth, der Redakteur von PYRAMIDOS, zu sehen.
Samstag, 4. April 2020
ZATRE
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
Klassenfahrten mit 10. Klassen nach Berlin bringen für die begleitenden Lehrer meist viel Stress und schlaflose Nächte. Ähnliches schwante mir schon, als eine Kollegin mich im März ansprach, ob ich nach den Osterferien sie nicht auf eine solche Berlintour begleiten wolle.
Zugesagt habe ich schließlich, da das Wochenende mit eingeplant war und die Berliner Flohmärkte damit ins Besichtigungsprogramm mit aufgenommen werden konnten. Nebenbei gesagt, der angeblich größte Flohmarkt an der Straße des 17. Juni war zumindest bei unserem Aprilbesuch aus spielerischer Sicht eine große Enttäuschung, empfehlenswert war dagegen der Sonntagflohmarkt am Fehrbelliner Platz.
Wenn auch die Flohmärkte nicht so ergiebig waren, ein Kneipenbesuch am zweiten Abend in Steglitz entschädigte in spielerischer Hinsicht. Eher zufällig kamen wir mit einer kleinen Schülergruppe beim "Buntspecht", Zimmermannstr. 22, vorbei. Neben den üblichen VIER GEWINNT und Schachspielen lag dort ein eher unauffällig verpacktes Spiel herum, das ich noch nicht kannte: ZATRE. Ein eigenartiger Titel! Assoziationen ihn mit Sartre in Verbindung zu bringen, erwiesen sich bald als falsch. Bis eine Schülerin schließlich auf den Untertitel verwies, ZAhlenTREppe war das Schlüsselwort.
Und um Zahlenpunkte geht es bei diesem Spiel. 121 kleine Keramiksteine, mit ein bis sechs Würfelpunkten versehen, machen das Spielmaterial aus. Gespielt wird auf einer Art SCRABBLE-Brett. Für den Spielablauf wichtig ist außerdem noch ein Abrechnungsblock. Große Rechenkünste werden zwar nicht verlangt, nur bis 12 muss man zählen können, aber gute Übersicht ist im Fortlauf des Spiel vonnöten, um günstig seine Steine platzieren zu können. Es muss nämlich versucht werden durch Ablegen von Steinen, zwei hat man davon am Anfang auf der Hand, 10, 11 oder 12 Punkte zu erreichen. Die Punktsteine müssen wie bei Scrabble waagrecht oder senkrecht angelegt werden, mehr als 12 Punkte dürfen aber nicht in einer Reihe liegen. Entscheidend für die Ablagetaktik ist der Wertungsmechanismus, insofern ist der Abrechnungsblock das für den Spielablauf und -gewinn wichtigste Utensil. Wird eine 10,11 oder 12 gelegt, gibt es entsprechend 1, 2 oder 4 Punkte; ist damit eine Zahlentreppe von 10 bis 12 gefüllt, erhält man Bonuspunkte, am Anfang sind es 3. Gelingt es, mit eigenen Steinen weiße Bonus-Felder zu belegen, verdoppelt man den Punktwert der Reihe. Wenn alle Steine gelegt sind oder kein Stein mehr angelegt werden kann, ist das Spiel beendet. Sieger ist dann der Spieler mit der höchsten Punktzahl.
Der Reiz des Spiels liegt in den vielen verschiedenen Möglichkeiten des Anlegens. Spieltaktisch erweist es sich dabei nicht immer als günstig, nur auf die hoch bewertete 12 zu setzen. Die Bonuspunkte und Verdopplungsfelder sorgen dafür, dass man möglichst ausgeglichen seine Steine legen sollte, um eine Siegchance zu haben. So ist es ratsam, eine 10 statt einet möglichen 12 zu legen, nur um eine Zahlentreppe zu schließen.
Insgesamt ein Spiel, dem man schnell verfallen kann. Das merkten wir auch an diesem Abend: ZATRE, eigentlich nur für 2 bis 6 Personen geplant, lässt sich auch gut in einer Achtergruppe spielen, und alle acht Mitspieler waren begeistert. Wer ein Faible für Zahlenspiele hat, der sollte schnell zugreifen, denn die Erstauflage mit den schönen Keramiksteinen soll bald vergriffen sein.
Das Spiel kann man direkt beim Erfinder, Manfred Schüling, Spielevertrieb, Zähringerstrasse 1a, 1000 Berlin 31 für ca. 50.00 DM beziehen.
Wieland Herold
Titel: ZATRE
Verlag: Manfred Schüling, Spielevertrieb
Autor: Manfred Schüling
Grafiker: o.A.
Spieler: 2 - 6
Dauer: ca. 45 Minuten
Alter: ab 8 Jahren
Preis: ca. 50.- DM
Die Rezension erschien 1991
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 2/1991 R 32/2020
Schlülings Kleinstauflage wurde 1993 durch mehrere Auflagen von Peri abgelöst. Diese Fassung landete auf der Auswahlliste für das „Spiel des Jahres“. 1998 erhielt es den As’Dor in Frankreich.
2005 übernahm Amigo das Spiel. Im Augenblick ist es nicht mehr auf dem Markt.
Das Bild zeigt den Berliner Autor 1991 auf dem Autorentreffen in Göttingen.
Freitag, 3. April 2020
WAT'N DAT?
Es war einmal
Rückblick auf Rezensionen zwischen 1990 und 2010
WAT'N DAT?
Über Spieletitel lässt sich trefflich streiten, aber treffender kann das neue Kreativspiel bei ASS tatsächlich nicht umschrieben werden: WAT'N DAT? Ein weiß-himmelblaues Spielbrett, auf dem einige schwarze Hölzchen, rote und bläuliche Glassteine liegen, sitzend um den Spielplan, rauchende Köpfe: Ja, was ist es denn, was zwei kreative Bildgestalter uns hier mit diesen rudimentären Ausdrucksmitteln zeigen wollen?
WAT'N DAT? beschreitet wirklich Neuland im Bereich der Kommunikations- und Partyspiele. Hier ist man nicht auf seine zeichnerischen Fähigkeiten angewiesen, auch pantomimisch wird man nicht gefordert, an den Fingern bleibt keine Knete kleben, so schnell blamiert man sich nicht in diesem tollen Spiel des Luxemburgers Claude Weber.
Wie bei vielen dieser Partyspiele geht es um Begrifferaten. Abwechselnd legen zwei Spieler Stäbchen oder ihre Glassteine, um gemeinsam auf dem Spielbrett etwas entstehen zu lassen, das dem zu erratenden Begriff ähnlich wird. Bis zu sechs Mitspieler raten dabei kräftig drauflos. Hübsch ist die Idee, dass im Teamwork das gemeinsame "Kunstbild" entsteht, ohne Absprache übrigens, und dass die Legepartner ständig wechseln, also nicht feste Teams gegeneinander spielen. Es ist erstaunlich, was mit so einfachen Mitteln alles dargestellt werden kann.
WAT'N DAT? Ein Spiel, das man sich merken sollte, Garant für einen gelungenen Spielabend!
Wieland Herold
Titel: WAT'N DAT?
Verlag: ASS
Autor: Claude Weber
Grafiker: o.A.
Spieler: 3 - 8
Dauer: je nach Spielerzahl 30 bis 60 Minuten
Alter: ab 10 Jahren
Preis: ca. 45.- DM
Die Rezension erschien 1996 unter www.spiel-und-autor.de
Wertung Spielreiz damals 8 von 10 Sternen,
das entspricht: Gerne morgen wieder
Spiel 8/1996 R 31/2020
WAT'N DAT? von Claude Weber landete 1996 auf der Auswahlliste „Spiel des Jahres“. Da ASS (Leinfelden) 1997 in Konkurs ging, verschwand das kreative Spiel leider viel zu schnell vom Markt. NSV ist es zu verdanken, dass eine kleine, kompakte Ausgabe 20 Jahre später neu aufgelegt wurde.
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